Titel: | Ueber die Fabrication von Blutlaugensalz ohne Anwendung thierischer Substanzen; von L. Possoz und A. Bobierre. |
Fundstelle: | Band 107, Jahrgang 1848, Nr. CV., S. 444 |
Download: | XML |
CV.
Ueber die Fabrication von
Blutlaugensalz ohne Anwendung thierischer Substanzen; von L. Possoz und A. Bobierre.
Aus den Comptes rendus, Febr. 1848, Nr. 7.
Possoz und Bobierre, über die Fabrication von
Blutlaugensalz ohne Anwendung thierischer Substanzen.
Die Erzeugung von Cyan und seinen Verbindungen durch den
Stickstoff der Luft, welche zuerst Hr. Desfosses in Besançon beobachtete, wurde in der
letzten Zeit mit Erfolg zur Fabrication von Blutlaugensalz
angewandt und zwar in sehr großem Maaßstab in England.
Schon seit mehreren Jahren beschäftigten sich die HHrn. Possoz und Bobierre mit der Fabrication von Cyankalium durch den
Stickstoff der Luft; seit 1843 hatten sie in Grenelle bei Paris
zu ihren Versuchen Apparate von solchen Dimensionen, daß sie
damit jährlich über 15000 Kilogr. Blutlaugensalz erzeugen
konnten. Der hohe Preis des Brennmaterials zu Paris und auch die
häufigen Reparaturen, welche ihre damaligen Apparate erforderten
(Röhren aus feuerbeständigem Thon von 7 Fuß 8 Zoll Höhe, welche
die zur Operation erforderliche Hitze nur durch ihre 2 bis 3
Zoll dicken Wände an ihren Inhalt abgaben), veranlaßten sie
jedoch eine in Bezug auf Brennmaterial und unschmelzbaren Thon
günstigere Localität in Frankreich aufzusuchen, als sich ihnen
im J. 1844 Gelegenheit darbot, eine Fabrik nach ihrem System zu
New-Castle-upon-Tyne für Rechnung einer
englischen Compagnie zu errichten. Hr. Possoz widmete daselbst fast zwei Jahre den noch
wünschenswerten Verbesserungen der Apparate und jetzt erzeugt
die Fabrik zu New-Castle (welche Hr. Dumas unlängst besuchte) nach diesem
Verfahren täglich beiläufig 1000 Kil. Blutlaugensalz von
ausgezeichneter Reinheit und Schönheit (das Kilogramm kostet
nicht ganz 2 Francs). Hr. Possoz
brachte es dahin, daß die Apparate mehrere Monate lang der
zerstörenden Wirkung des Kalis und der außerordentlichen Hitze,
welche diese Operation erfordert, widerstehen.
Der ApparatMan vergleiche die Patentbeschreibungen im polytechn.
Journal Bd. XCV S. 293 und Bd. CIV S. 446. besteht in einem senkrechten Cylinder aus großen
feuerbeständigen Ziegeln von geeigneter Form; der innere
Durchmesser des Cylinders beträgt 1 Fuß 6 1/2 Zoll (franz.
Maaß); die Höhe, welche zum Weißglühen gebracht wird, 9 Fuß; in
den 9 Zoll dicken Wänden des Cylinders sind in gewissen
Entfernungen von einander Oeffnungen angebracht. Nachdem der
Cylinder zum Weißglühen gebracht ist, füllt man ihn mit
gestoßener Holzkohle, welche mit 30 Proc. kohlensaurem Kali
getränkt ist; eine Saugpumpe bewirkt, daß eine Menge
Flammenstrahlen (Stickstoff, Kohlensäure etc.) durch die kleinen
Oeffnungen des Cylinders aus einem zum Weißglühen erhitzten
Canal, welcher denselben umgibt, dringen. Das Gemenge von Kohle
und Potasche bleibt ungefähr zehn Stunden lang dem Strom dieser
stark erhitzten Gase ausgesetzt, welche die Masse in allen
Richtungen durchdringen. Diese Apparate functioniren
ununterbrochen. Der obere Theil des Apparats wird in dem Maaße
wieder beschickt, als ihn der unten befindliche Extractor von
cyanhaltiger Kohle entleert; letztere erkaltet, während sie
durch einen gußeisernen Vorstoß passirt, und fällt dann in einen
Behälter, welcher Wasser und gepulverten Spatheisenstein
(kohlensaures Eisenoxydul) enthält. Die Kohlen werden hierauf in
Berührung mit überschüssigem Spatheisenstein ausgelaugt und die
Flüssigkeiten wie gewöhnlich abgedampft und krystallisirt.
Dieselbe Menge kohlensaures Kali liefert nach diesem Verfahren
mittelst des Stickstoffs der Luft mehr Cyankalium als mit Hülfe
thierischer Substanzen. Die Soda verhält sich wie die Potasche,
erfordert aber eine noch höhere Temperatur.
Die Kohks liefern weniger Cyankalium als Holzkohlen. Wasserdampf,
wenn er auch nur in geringer Menge gegenwärtig ist, schadet der
Erzeugung von Cyanverbindungen, oder zersetzt dieselben in dem
Maaße als sie sich bilden, wobei Ammoniak entsteht.
Endlich erzeugt der Stickstoff, wenn er rein ist, die Cyanmetalle
leichter, als wenn er mit Kohlensäure oder Kohlenoxyd gemengt
ist.
Bei diesem Verfahren wird ein großes Quantum Holzkohlenpulver zum
Vermengen mit dem kohlensauren Alkali, und auch viel
Brennmaterial (Kohks) zum Erhitzen der Cylinder auf
die Weißgluth verbraucht.
In einigen Gegenden Frankreichs ließe sich die
Blutlaugensalz-Fabrication nach der neuen Methode eben so
vortheilhaft betreiben wie in England; die thierischen
Substanzen, welche jetzt dabei verwendet werden, kämen dann der
Landwirtschaft zu gut und die Nachbarschaft solcher Fabriken
würde nicht mehr von dem üblen Geruch belästigt, welcher sich
bei der Fäulniß und beim Calciniren der thierischen Stoffe
verbreitet.