Titel: | Ueber Verhütung der Achsenbrüche bei Eisenbahnwagen; von F. Busse, Bevollmächtigter der Leipzig-Dresdener Eisenbahn-Compagnie. |
Autor: | Friedrich Busse [GND] |
Fundstelle: | Band 107, Jahrgang 1848, Nr. XCVI., S. 403 |
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XCVI.
Ueber Verhütung der
Achsenbrüche bei Eisenbahnwagen; von F. Busse, Bevollmächtigter der Leipzig-Dresdener
Eisenbahn-Compagnie.
Busse, über Verhütung der Achsenbrüche bei
Eisenbahnwagen.
In den Gutachten, welche unterm 10. April 1847 Hr. Professor Dr. W. Weber und unterm 8. JuliusPolytechn. Journal Bd. CV S. 390. die auf mein Ansuchen vom k. sächs. Ministerium des
Innern ernannte Prüfungscommission, bestehend aus dem Hrn.
Geheimen Regierungsrath Dr. Weinlig, Hrn. Prof. Schubert, Hrn. Maschinenmeister Tauberth und Hrn. Ministerialsecretär
Demuth, über meine „neue Wagenconstruction zur Verhütung
der Achsenbrüche“ abgegeben haben, war
unter anderm darauf hingewiesen, daß die in meiner ersten
ZeichnungPolytechn. Journal Bd. CIV S. 401. angegebene und bei dem der Prüfung unterstellten
Probe-Wagen ausgeführte, sehr
tiefe Ausdrehung der innern Achsenschenkel, durch
Einwirkung der Radklemmung in den Curven, eine Abdrehung der
Achse an dieser Stelle herbeiführen könne, worauf ich erklärte,
daß diese Ausdrehung, welche nur zum Behuf der Anwendung einer
eigenthümlichen Schmierung geschehen, nicht nöthig sey, vielmehr
die Achsen ihre volle Dicke an dieser Stelle behalten
könnten.
Es erschien aber sehr wünschenswerth, auf diese Weise vielleicht
interessante Aufschlüsse über die gedachte immer noch
problematische Abdrehung in den Curven zu gewinnen und deßhalb
blieben jene Achsen, an denen die innern Schenkel nur 2 1/4 Zoll
Durchmesser hatten, in fortwährendem Gebrauche, was auch des
sichernden Achsenrahmens wegen ohne Gefahr geschehen konnte,
zudem auch die Prüfungscommission in ihrem Gutachten erklärte:
„daß Wagen, wie der präsentirte, ohne Bedenken für
den regelmäßigen Eisenbahndienst zu verwenden
seyen.“
Beide Achsen an diesem Wagen waren neu und von der renommirten
Fabrik der bekannten Axle-tree
Company.
Der Wagen ist seit dem 10. Julius fast täglich und meist mit
doppelter Ladung gelaufen. Die unausgesetzte genaue Beobachtung
des Wagens ergab, daß solcher vollkommen regelmäßig durch die
Curven lief, weit weniger Seitenbewegung (Flottiren) zeigte und
verhältnißmäßig zu seiner Ladung auch weniger Zugkraft
erforderte als andere vierräderige Wagen.
Am 26. Januar, nachdem der Zug, in welchem mein Wagen lief, über
eine durch den Frost unregelmäßig gewordene Stelle hinweg war,
auf welcher die Wagen ungewöhnlich harte Stöße zu erleiden
gehabt, bemerkte der Zugführer, daß irgend ein Hemmniß die Fahrt
erschwere. Man war der Meinung, daß eine Bremse angezogen sey
und gab die nöthigen Signale, um den Fehler zu corrigiren. Fast
gleichzeitig gab der nächste Bahnwärter das Signal zum Anhalten
und meldete, daß er bemerkt habe, der fragliche sey in
Unordnung.
Bei näherer Untersuchung fand sich, daß eins der Vorderräder
neben der Schiene lief und zwar nach innen, die übrigen drei
Räder des Wagens aber in Ordnung auf den Schienen standen.
Der Zugführer ließ den Wagen abhängen, gab Ordre, solchen durch
Arbeiter auf die noch 1/4 Meile entfernte Station zu bringen und
rapportirte schriftlich: daß er den Wagen zurückgelassen habe,
weil ein Rad auf der Achse los sey.
Nach Ankunft auf der Station wurde bemerkt, daß fragliches Rad
eine etwas schiefe Richtung habe, was man sich nicht gleich
erklären konnte und deßhalb den Wagen in die Höhe winden ließ,
wo sich denn zeigte, daß dieses Rad sich allein drehen ließ.
Daraus erst schloß man, daß ein Achsenbruch erfolgt seyn
müsse.
Nachdem die Achsenbüchse geöffnet war, fand sich, daß der innere
dünne Achsenschenkel, sehr nahe an der Nabe, also an der denkbar
ungünstigsten Stelle, gebrochen
war, und zwar dergestalt, daß die Achse nur 1/8 Zoll breit in
der Pfanne, oder vielmehr am Rande derselben lief.
Demungeachtet war das Rad nicht
gefallen! Dasselbe (ein Holzkeilrad) zeigte auch keine
Beschädigung, ungeachtet der erlittenen großen Anstrengung.
Die Textur des Eisens an der Bruchstelle der Achse war nicht mehr
zu erkennen, da die Bruchflächen sich gegen einander gerieben
und geglättet hatten. Es ist hieraus zu vermuthen, daß der Bruch
schon früher erfolgt war und das Rad noch mitgelaufen ist, bis
die schlechte Stelle der Bahn die gebrochene Kante des Schenkels
in das Metall der Achsenpfanne gestoßen und dadurch dem Rad die
schiefe Richtung gegeben hat, in Folge deren es neben die
Schiene gedrückt wurde.
Bevor ich weiter gehe, muß ich noch ganz besonders merkwürdiger
Umstände erwähnen, welche für den Physiker von großem Interesse
seyn dürften. Nachdem dem Wagen eine andere Achse
untergelegt war, wurde die gebrochene, an welcher das zweite Rad
befindlich, auf denselben geladen und in die
Reparatur-Werkstatt gebracht. Hier, beim Abwerfen der
Achse, brach wie Glas auch der andere innere Schenkel ab und
zwar in der Mitte desselben. Das
Eisen zeigte nicht die geringste Andeutung einer Drehung,
vielmehr einen silberweißen hellen
krystallinischen Bruch, aber keine Spur von dunklem
sehnigen Eisen, was mich in hohem Grade überraschte; da es fast
unmöglich erscheint, daß ein sehniges graues Eisen, wie man es
im Innern der Achsen von der genannten berühmten Fabrik
voraussetzt, in so kurzer Zeit in einem solchen Grade sich
krystallisiren könne, als es hier vorliegt.
In Folge dieses Ergebnisses wurden nun auch die Büchsen der
zweiten Achse geöffnet und es fand sich, daß auch diese in der
Mitte des einen innern Achsenschenkels sich getrennt und daß
beide Bruchflächen gegen einander glatt und dicht
zusammengerieben, oder vielmehr polirt waren. Allem Anschein
nach ist dieser Achsenschenkel seit längerer Zeit schon
gebrochen gewesen, das Rad dennoch aber in völliger Ordnung
gelaufen, ohne die geringste Andeutung zu der Vermuthung zu
geben, daß der Achsenschenkel gebrochen sey.
Es liegt also hier der für das Eisenbahnwesen überaus wichtige
Fall vor, daß die an dieser Achse
befindlichen Räder sich unabhängig in den Curven gedreht
haben müssen, und deßhalb der Hoffnung Raum gegeben
werden darf, daß mit Anwendung meines Achsenrahmens vielleicht
noch das Problem zu lösen seyn werde, die Räder der
Eisenbahnwagen unabhängig zu machen,
wodurch dann allerdings alle durch Torsion entstehenden
Zerstörungsursachen mit einem Schlage gehoben seyn würden.
Bei weiterer genauer Untersuchung des zweiten innern
Achsenschenkels zeigte sich an derselben Stelle, an welcher die
erste Achse gebrochen war, ein kaum sichtbarer Anbruch in
Gestalt eines feinen Zickzacks. Nachdem in Gegenwart des
zufällig anwesenden Hrn. Ingenieur Rust, königl. preuß. Baumeister in Halle, einige
Hammerschläge auf den überstehenden Achsentheil geführt worden
waren, trennte sich auch dieser Schenkel in dem bezeichneten
Anbruche mit ebenfalls Hellem krystallinischen Bruche.
Diese auffallenden Erscheinungen dürften insofern von Wichtigkeit
seyn, als dadurch in Frage kommt, ob die Brüche nur durch
Einwirkung der Torsion auf den schwächsten Theil des Eisens
erfolgt sind oder nicht, vielmehr in der Vibration ihren Grund
haben, welche durch die Hämmerung des innern schweren Theils der
Achse entsteht und das Eisen an der
schwächsten Stelle krystallisirt. Die Belastung des Wagens kann
natürlich bei der hier angewendeten zweiseitigen Auflagerung
nicht in Rede kommen, da solche gleichmäßig zu beiden Seiten des
Rades liegt und keinen Einfluß auf die Krystallisation des
Eisens ausüben kann.
Ich muß den gelehrten Physikern und Mathematikern überlassen,
daraus Schlußfolgerungen zu ziehen, da ich selbst als Empiriker
mich nur an die aus der Praxis hervorgegangenen Thatsachen
halten kann.
Aus diesen aber scheint auf das entschiedenste und höchst
befriedigend zu resultiren:
1) Daß durch Anwendung meines Achsenrahmens
der Achsenbruch unschädlich zu
machen ist.
2) Daß aber auch der Achsenbruch durch diesen
Achsenrahmen verhütet werden
kann, wenn die Achsen an der innern Seite des Rades in ihrer
vollen Dicke gelassen und nach der
Mitte hin möglichst verdünnt werden.
Zu 1) muß ich erläuternd hinzufügen: da bei den vorstehend
angegebenen ungünstigsten Umständen des Schenkelbruches das Rad
nicht gefallen ist, obwohl es von allen Seiten noch Spielraum
von 4 bis 10 Zoll hatte, so wird dieses um so weniger geschehen
können, wenn nach meinem Vorschlag das
Holz des Rahmens von allen Seiten ganz dicht an das Rad
gelegt wird, was nicht die geringste Schwierigkeit hat.
Erfolgt dann ein Bruch der Achse, gleichviel an welcher Stelle
der innern Achsenpfanne, oder an dem innern Theile der Nabe, so
wird das Rad unfehlbar und augenblicklich zur Bremse, welche den
Train zum Stillstehen bringt. Ein Bruch zwischen den innern
Achsenpfannen oder an dem äußern
Achsenschenkel ist ohnehin schon völlig gefahrlos.
Zu 2) ist Folgendes zu bemerken: wie schon in den mehrerwähnten
beiden Gutachten angedeutet worden, ist es sicherer, wenn die
innern Achsenschenkel den vollen Durchmesser des Nabenloches
oder einen noch größern erhalten.
In dem Gutachten des Hrn. Prof. Dr.
Weber heißt es: „diese
Schwächung des innern Achsenschenkels ist aber nach Angabe
des Hrn. Busse durchaus nicht
erforderlich, vielmehr kann die Achse in voller Dicke
bleiben. Bei dieser vollen Dicke des innern Achsenschenkels
würde derselbe gewiß hinreichende
Sicherheit gewähren etc.“
In dem Gutachten der Regierungs-Commission lautet es
wörtlich: „Wagen von dieser Bauart werden einen sehr großen Vorzug vor jenen mit
der üblichen Stützung von Achsen hinsichtlich der
Sicherheit bieten, wenn die innern Lagerzapfen
nicht so schwach wie an dem bei den Versuchen
präsentirten Wagen sind, sondern wenn
die Achsen innerhalb der Räder allenthalben mindestens
die Stärke haben wie die Achsen ebendaselbst bei der
bisherigen Construction.“
Dem füge ich aber noch hinzu, daß auch die Befürchtung einer
Abdrehung in Folge der Radklemmung in den Curven vollständig zu beseitigen seyn
dürfte, wenn der Theil der Achse zwischen den innern
Achsenschenkeln viel dünner gemacht
wird als bisher gebräuchlich. Es wird wohlgethan seyn,
der Achse hier weniger als die Hälfte des Durchmessers zu geben,
wie solcher in der Nabe oder der innern Achsenpfanne ist. Die
Einwirkung der Curven würde sich dann nicht mehr, wie bisher
angenommen, als Abdrehung an der innern Radnabe zeigen, sondern
da wirken müssen wo die Achse am
schwächsten ist, also in der Mitte, wo eine Abdrehung,
wenn überhaupt eine solche noch erfolgen sollte, in keiner Weise
gefährlich werden kann. Man hat das bisher bei einseitiger
Auflagerung der Achse nicht ausführen können, weil die an einer
Seite des Rades aufliegende Last eine zwischen den Rädern zu
dünne Achse krümmt, wodurch natürlich die Räder eine schiefe
Richtung erhalten und die Schiene verlassen. Deßhalb mußte man
die Achsen sehr dick in der Mitte nehmen. Diese Einwirkung ist
aber durch meinen Achsenrahmen völlig aufgehoben, da jetzt die
Last zu beiden Seiten des Rades
liegt, deßhalb auch weder eine Krümmung der Achse stattfinden
kann, noch ein Bruch der Achse durch
Belastung des Wagens denkbar ist, sondern es sich nur
um die Abdrehung oder die Krystallisation, oder beides zusammen
handeln kann, dem also nach Möglichkeit vorgebeugt werden
muß.
Ein höchst günstiger Umstand in Bezug auf Krystallisation tritt
nun hier ein, da durch die Verdünnung der Achse das bedeutende
Gewicht in der Mitte, was bisher wie ein schwerer Hammer auf die
beiden Endpunkte des innern Achsentheils wirkte, um die Hälfte
und mehr sich vermindert. Dadurch wird die Vibration, welche in
dieser Weise nach allgemeiner Annahme das Eisen krystallisirt
und brüchig macht, in hohem Grade vermindert. Mag diese
Einwirkung auch hin und wieder in Zweifel gezogen werden, bis
jetzt liegt noch keine gegründete Veranlassung vor, diese
Zweifel zu theilen, und deßhalb muß jedes Mittel erwünscht seyn,
jene Einwirkung zu mindern und solche auf einen unschädlichen
Theil hinzuleiten. Ob die mehrgedachte Abdrehung oder Torsion
von großem Einfluß ist, mag dahin gestellt bleiben. Daß aber die
Vibration und in deren Folge die
Krystallisation eine Hauptursache des Achsenbruchs ist, das
dürfte durch die eben beschriebene Erfahrung aufs neue sich
bestätigen, und ich darf mich hier auf meine früheren
MittheilungenPolytechn. Journal Bd. CII S. 99. beziehen, in welchen ich die ungeschweißten Achsen in
Vorschlag brachte, welche wenig vibriren und die bis jetzt sich
gut halten. Um auch auf andere Weise die sehr bedeutenden
Schwingungen in den Eisenbahnachsen, oder die Vibration und
dadurch die Krystallisation möglichst zu mindern, kann man die
nach meinem Vorschlage verdünnte Achse in der Mitte oder an
mehreren Stellen in einer Holzstütze laufen lassen. Dadurch
würde das Eisen weniger vibriren.
Indem ich nun Vorstehendes der Oeffentlichkeit und somit der
Begutachtung aller Sachverständigen übergebe, wünsche ich, daß
man allerseits meine Construction versuchsweise in Anwendung
nehmen möge, um durch eigene Erfahrungen sich von der
Richtigkeit meines Systems zu überzeugen und somit einen, für
das Leben der Reisenden so gefährlichen Uebelstand, den
Achsenbruch, zu beseitigen, zugleich aber auch die großen
ökonomischen Vortheile zu benutzen, welche dasselbe
darbietet.Nach Hrn. Busse's neuesten
Verbesserungen in der Oelschmierung ist es auch nicht mehr
erforderlich die Achsen mit dem Oelringe zu versehen; er
hat durch eine seit längerer Zeit erprobte Schmierung
mittelst eines schwimmenden Korkes gleich gute und
völlig befriedigende Resultate erhalten. Diese Methode,
durch welche die Kosten der Schmierung der
Eisenbahnwagen und Maschinen aller Art auf ein Minimum
zu bringen sind, theilen wir im nächsten Heft des
polytechn. Journals mit. A. d. R.
Leipzig, den 17. Februar 1848.