Titel: | Verbesserungen in der Dampfschifffahrt, von Hrn. v.Seguier. |
Fundstelle: | Band 107, Jahrgang 1848, Nr. LIII., S. 246 |
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LIII.
Verbesserungen in der
Dampfschifffahrt, von Hrn. v.Seguier.
Aus den Comptes rendus, Nov. 1847, Nr. 21.
Seguier's Verbesserungen in der
Dampfschiffahrt.
Ich sagte in einem vorausgehenden Artikel (S. 161 in diesem Bande
des polytechn. Journals) daß die größte Verbesserung, deren die
Dampfschifffahrt fähig ist, in der Herstellung eines Schiffes
bestünde, welches wechselweise mit Segel und mit Dampf zu gehen
vermöchte, ohne daß die jeder dieser Kräfte eigenthümlichen
Vorrichtungen einander beeinträchtigen, so daß das Schiff seine
größte Geschwindigkeit durch die gleiche zeitige Wirkung des
Windes und des Dampfes erhielte. Ich erklärte, wie mein Rad mit
um Zapfen sich drehenden Schaufeln bei normaler Beschaffenheit
des Antriebs fortwirkt, wenn das Schiff in Folge eines
Seitenwinds sich stark auf die Seite legt; dieses ist die
wesentliche Eigenschaft meines Treib-Organs, welches
sogar ganz unter Wasser seinen Dienst verrichten kann. Ich muß
nun mittheilen, welche Form des sogenannten Schiffsraums einem
solchen Schiffe die nöthige Stabilität zu geben gestattet, so
daß es ein großes Segelwerk tragen kann, ohne zu tief im Wasser
zu gehen; ich beendige hiemit die Auseinandersetzung der
Verbesserungen, welche ich praktisch auszuführen bemüht war,
durch die Beschreibung der besondern Art von Mastbäumen und des
Takelwerks, welche ich für solche Schiffe vorschlage.
Die Construction von Eisen schien mir hinsichtlich der
Leichtigkeit und Dauerhaftigkeit für ein Dampfschiff den Vorzug
zu verdienen; die Hitze und Feuchtigkeit, in Verbindung mit dem
Gewichte des Dampfkessels, haben eine zu große Einwirkung auf
das Holz, als daß ein solches Schiff sich nicht bald ausbauchen
müßte, namentlich bei den Längenverhältnissen, welche man ihm
geben muß, um einen guten Gang zu bezwecken. Doch kann ich es
nicht gutheißen, einen Schiffsrumpf so zu verfertigen, wie die
Glocke eines Gasometers; das zum Schiffbau zu verwendende Metall
soll nicht dem Schlendrian der Kupferschmiede überlassen
bleiben, welche das Schwarzblech gewöhnlich zu verarbeiten
pflegen; die Erfahrung des Schiffszimmermanns soll bei Anwendung
desselben die Arbeit leiten.
Mit Recht erschrickt man, wenn man bedenkt, welcher Kraftaufwand
beim Ziehen oder beim Widerstand dem Eisenblech, woraus die
Bekleidung eines Schiffes besteht, beständig zugemuthet wird,
wenn das Schiff die Wellen stampft und bald in der Mitte, bald
auf den Enden von den Wogen getragen wird; die
Unglücksfälle, welche eisernen Dampfschiffen widerfuhren, die in
der Mitte brachen, rechtfertigen meine Befürchtungen und
geschickte Schiffbauer müssen dieselben theilen, da manche neu
gebaute Schiffsrümpfe ein größeres Gewicht haben als hölzerne
Schiffe von gleichem Tonnengehalt.
Wie ich schon in meinem ersten Artikel sagte, macht die Roth
erfinderisch und die civilisirten Völker konnten von den wilden
schon sehr nützliche Dinge entlehnen, wie z.B. die Hängebrücken.
So gestehe ich denn frei, daß ich die Form meines Schiffsraums
von den Bewohnern der Südseeinseln und meine Construction
desselben von den Eskimos entlehnte.
Die zweckmäßigste Gestalt eines Schiffsrumpfs, welcher bald vom
Wind, bald von Dampf getrieben werden, also Kräften gehorchen
soll, welche so verschieden wirken, die eine nämlich weit
oberhalb des Schwerpunkts, die andere in einer demselben sehr
nahen, manchmal auch darunter liegenden Ebene, ist wirklich eine
sehr verwickelte Frage; was für den Lauf mit Segeln zweckmäßig
ist, ist dem Gang mittelst Dampf nachtheilig. Um den Widerstand
des Wassers auf den Hauptquerschnitt zu vermindern, muß man dem
Rumpf wenig Höhlung, wenig Breite geben, dagegen eine große
Länge; ein Schiff aber, welches nur eine geringe Wassertiefe
hat, dessen Hauptquerbalken im Verhältniß zu seiner Länge
schwach ist, hat nicht Stabilität genug, und kann ohne Gefahr
keine bedeutende Fläche von Segeltuch tragen. Die nothwendige
Beschaffenheit eines Segelschiffes und diejenige eines
Dampfschiffes scheinen sich daher nicht vereinbaren zu lassen.
Die Schwierigkeit, so unvereinbar scheinende Eigenschaften zu
vereinigen, hielt lange Zeit von dem Gebrauche sogenannter
gemischter Schiffe ab; die Vorzüge derselben aber sind
gegenwärtig so einleuchtend, daß man die Lösung des Problems mit
Beharrlichkeit verfolgt. Was ich selbst hierin that, ist weniger
die Ausführung eines neuen Gedankens, als die mit allen uns zu
Gebot stehenden Hülfsmitteln versuchte Einführung eines
Schiffsbausystemes, welches bei vielen Inselbewohnern
gebräuchlich ist. Durch den Pirogue (Einbaum) mit Balancier
(franz. auch pro-volant)
schien mir das gesuchte Problem vollkommen gelöst zu seyn.
Ich dachte daher, daß man den Rumpf eines Dampfschiffes in seinen
Böden sehr dünn machen und ihm wenig Tiefgang geben müsse, indem
man seine Stabilität durch oberhalb der Tauchlinie dicker
werdendes Bauwerk sichert. Die bedeutende Verrückung, welche,
wenn das Schiff sich stark auf die Seite legt, die gewöhnlich
außerhalb des Wassers befindlichen Theile erleiden, gestattet
denselben wie die Balanciers zu wirken,
welche sich bei den Piroguen so kräftig erweisen, wenn der in
ihr ungeheures Segelwerk blasende Wind sie zum Umschlagen zu
bringen droht. Diese vom Capitän Paris in seinem vortrefflichen Werke über die
Fahrzeuge (embarcations) der
außer-europäischen Völker so gut beschriebene und so treu
abgebildete Bauart wurde von Capitän Montagnac für die Schiffsboote (Schaluppen)
vorgeschlagen, und ich freue mich, hinsichtlich der Form des von
mir vorgeschlagenen Schiffskörpers mich auf die Ansicht so
ausgezeichneter Seeleute berufen zu können. Ein eisernes Schiff
wäre unbewohnbar ohne hölzernen Weger (innere Bekleidung); es
würde sonst unter den Strahlen der Sonne zu einem wahren
Backofen. Bei einer Temperatur unter Null würden es seine innern
Wände, indem sie die in der Luft enthaltenen Dünste
verdichteten, in den Kühlapparat einer Destillirgeräthschaft
verwandeln.
Bei meiner Bauart lasse ich diesen unentbehrlichen Weger eine
noch bedeutendere Rolle spielen: ich richte ihn nämlich so ein,
daß er die äußere Schiffsverkleidung von Eisen einem einzigen,
aber ununterbrochenen Kraftaufwand unterwirft; um ihn von dem so
verderblich einwirkenden Wechsel von Widerstand und Spannung zu
befreien, lasse ich ihn wie die Robbenknochen wirken, deren sich
die Eskimos so sinnreich bedienen, um die Felle derselben Thiere
auszuspannen, aus welchen sie ihre Piroguen verfertigen. Die so
ohne Höhlung, ohne breiten Hauptquerbalken gefundene Stabilität
für den Gang mit Segel ist aber erst eine theilweise Lösung des
Problems eines gemischten Schiffes; das Mastwerk und Takelwerk
desselben dürfen auch seiner Fortschaffung mittelst Dampfkraft
gegen conträre Winde nicht zum Hinderniß werden.
Mein Mastbaum, welcher in Falzen hinauf- und
heruntergelassen wird, ohne je seine Stütze durch die Wandtaue
zu verlieren, scheint mir das Werk zu vollenden.
Eine auf den Kiel des Schiffes eingesetzte und durch metallene
Wandtaue, die man mit Schrauben befestigt, fest unterstützte
Röhre von Eisenblech dient als Scheide eines niedern hölzernen
Mastes, dessen erste Hälfte sie bildet; der hölzerne Mast steigt
in der Eisenblechröhre auf und ab mittelst einer endlosen Kette,
eines wahren durch einen Haspel regierten Hißtaues. Die
Wandtaue, welche an einem ihrer Enden mit Haken an den,
gewöhnlich an den Seiten des Schiffes angebrachten eisernen
Latten befestigt sind, gehen über eine beim Topp mit einem Tau
befestigte doppelte Rolle zurück und steigen längs des Körpers
des Mastbaums wieder hinauf, um sich mit ihrem andern Ende auf
die Glocken eines zweiten Haspels aufzuwickeln, der die Form
einer Schnecke hat, um immer solche Längen der Wandtaue aufzunehmen,
wie sie dem allmählichen Niedergehen des Mastes entsprechen. Es
mußte dieses so gemacht werden, damit ungeachtet der Veränderung
des Winkels zwischen den Wandtauen und dem Mast, in dem Maaße
als letzterer heruntergeht und die Wandtaue kürzer werden, ihre
Spannung doch immer dieselbe bleibt.
Der den Mast herunterlassende und der die Wandtaue verkürzende
Haspel sind nur, während dieß bewerkstelligt wird, miteinander
verbunden; wenn man dieselben aber außer Verbindung setzt, kann
man den Wandtauhaspel ohne den Masthaspel wirken lassen; die
Spannung der Wandtaue, welche durch hygrometrische Umstände
Veränderungen unterworfen ist, kann auf diese Weise vor dem
Herunterlassen oder Aufziehen des Masts immer wieder auf den
gehörigen Grad zurückgeführt werden. Ein Korbmast mit Schlüssel
an einer Ziehstange (clef à
bascule), welcher vom Verdecke aus regiert werden kann,
und auf gewöhnliche Weise in die eisernen Eselshäupter
eingesetzt wird, vollendet das Mastwerk.
Das Takelwerk, welchem ich den Vorzug gab, ist das der
gewöhnlichen Goeletten (Schooner), weil es leichter zu handhaben
ist als die großen lateinischen (dreieckigen) Segel, mit welchen
man die Galeeren versah. Die Hörner aber, welcher ich mich
bediene, um meine Segel festzumachen, sind von besonderer
Construction: sie sind innerlich mit Eisenblech beschlagen in
Form einer Rinne mit aufgebogenen Rändern. Das obere Saumtau
(Leik, ralingue de tête)
wird, statt auf Raabändern längs des Horns, von Stelle zu Stelle
an kleinen Röllchen befestigt, welche zu zwei Paaren
zusammengefügt sind, die in jener Rinne wie auf einer Eisenbahn
laufen, so daß man das Segel sehr leicht schießen lassen oder
zusammenziehen kann. Letzteres geschieht hiebei nicht mehr durch
Aufheben der untern Ecke des Segels gegen das Horn zu, mittelst
des sogenannten untern Aufziehtaues (Geitaues), sondern durch
Zurückführen des ganzen Segels gegen den Mast. Eines ähnlichen
Verfahrens bedient man sich schon in der Handelsmarine, um
weniger Leute zu brauchen; bei dessen Annahme hatte ich
vorzüglich den Zweck, alle Theile des Takelwerks zu beseitigen,
deren sich die widrigen Winde, wenn das Schiff bloß mit
Dampfkraft geht, bemächtigen könnten. Aus demselben Grunde sind
die Hörner selbst mit Scharnieren versehen, um sich gegen den
Mast herunter und hinter ihn zu legen. Meine Rollen sind ganz
von galvanisirtem Eisenblech, damit die Feuchtigkeit keinen
Einfluß auf sie haben kann; auch wird durch ihre Verfertigung
aus Metall sowohl das Volum als das Gewicht dieser zahlreichen
Organe vermindert.