Titel: | Ueber die chemische Natur des Stahls; von Professor Dr. Schafhäutl. |
Fundstelle: | Band 106, Jahrgang 1847, Nr. LVIII., S. 277 |
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LVIII.
Ueber die chemische Natur des Stahls; von
Professor Dr. Schafhäutl.
(Schluß von S. 233 des vorigen Hefts.)
Schafhäutl, über die chemische Natur des Stahls.
Einsatz-Härtung.
Wo es indessen darauf ankommt, weiches Eisen bloß mit einer harten Stahlhaut zu
überziehen, wie bei der sogenannten Einsetz,
Insatz- oder eigentlichen Oberflächen-Härtung, oder wo es gilt, dem künstlich an seiner
Oberfläche erweichten und zum Theil entkohlten Stahl wieder seine ursprüngliche
Härte zu ertheilen, wie vorzüglich bei Verfertigung irisirender Knöpfe, der
Siderographie oder Stahlstecherkunst, da bedient man sich dieser Eigenschaft des
Eisens, Kohle im rothglühenden Zustande zu absorbiren, ohne alle Rücksicht auf die
erzeugte Qualität des Eisens, weil das darunter liegende weiche Eisen die harte
Stahlhaut hinlänglich vor dem Zerspringen und Brechen schützt.
Da es hier Aufgabe ist, bloß die Oberfläche in eine Stahlhaut, aus dem härtesten
Stahle bestehend, zu verwandeln und den Kohlenstoff nicht in die Tiefe dringen zu
lassen, damit das Innere weich bleibe, so bedient man sich eines etwas abgeänderten
Verfahrens in Bezug auf das bei der eigentlichen Stahlcementation gebräuchliche,
damit die Absorption so rasch als möglich und zwar nur auf der Oberfläche, aber da
auch im höchsten Grade geschehe, ehe die Kohle tiefer eindringt. Die Kohle darf auch
deßhalb nicht im gröblichen Zustande, wie bei der eigentlichen Stahlcementation,
sondern nur im sehr fein zertheilten angewendet werden; am liebsten eine Kohle, die
etwas schmilzt und sich deßhalb desto dichter an die Oberfläche anlegt. Denn nur
unter diesen Verhältnissen wird die Oberfläche sogar selbst in Roheisen verwandelt,
ohne daß der Kern
merklich daran Theil nimmt – ein Umstand, der die Insatzhärtung vor der Cementation wesentlich
unterscheidet – was noch von keinem Schriftsteller beachtet worden ist.
Eine solche Kohle zur Insatzhärtung ist der Ruß, welcher gewöhnlich noch mit Urin
angefeuchtet wird, dann vorzüglich die thierische Kohle, z.B. aus Horn, Hufen, altem
Leder, und endlich das gelbe Cyaneisenkalium, gewöhnlich Blutlaugensalz genannt, das
aus Kalium und Eisen mit Stick- und Kohlenstoff verbunden besteht, und, auf
das rothglühende Eisen gestreut, schmelzend einen Theil seines Kohlen- und
Stickstoffes an das Eisen abgibt.
Beinahe eben so leicht als das Stabeisen in der Rothglühhitze Kohle verschluckt,
beinahe eben so leicht gibt es wieder einen großen Theil seiner Kohle ab, wenn es in
anhaltender Glühhitze der Einwirkung von oxydirenden Körpern ausgesetzt wird, sie
mögen nun gasförmig oder fest seyn. Wir haben dieß schon beim Schweißen des
Cementstahles gesehen, der während dieser kurzen Operation einen großen Theil seiner
aufgenommenen Kohle wieder abgegeben hat.
Dieselbe Eigenschaft besitzt alles Roheisen, und das weiße
reine behält, nachdem es einen Theil seines Kohlenstoffes verloren, noch seine
ursprüngliche Dichtigkeit bei, so daß man es poliren, hämmern und biegen kann. Die
Textur des grauen Roheisens hingegen wird dadurch
lockerer, weil sich die Veränderung bloß auf den weißen Antheil von Gußeisen, den es
enthält, erstreckt; man muß es deßhalb nach der Cementation umschmelzen, wenn man es
statt Stahl gebrauchen will.
Diese Eigenschaften des weißen Roheisens hat man im Großen
benützt, um das Roheisen in Stahl und sogar in Stabeisen von verschiedener Qualität
zu verwandeln. Swedenborg (in seinem Werke de ferro) kannte diese Eigenschaften des Stahles, und
bei Drahtziehern, vorzüglich bei denen in Lyon, war seit langer Zeit die Methode im
Gebrauche, sich ihre Zieheisen, für welche gewöhnlich unser härtester Stahl zu
spröde oder zu nachgiebig ist, aus Roheisen anzufertigen. Sie schmieden sich nämlich
einen flachen Trog aus Stabeisen, füllen diesen mit zerbrochenem Roheisen, wozu sie
am liebsten das von alten gebrauchten gußeisernen Töpfen wählen, das bereits weiß
geworden ist, bestreichen und bedecken die Oberfläche mit Lehm und bringen das
Roheisen im Kasten zum Erweichen. Fühlen sie, daß sich dasselbe zusammenarbeiten
läßt, so gebrauchen sie vorsichtig den Hammer, bringen es wieder zum Glühen, wobei
es sich, an dem Stabeisen haftend, sehr bald wie Stahl aushämmern läßt. Auch die
Ostindier machen ihren Gußstahl, Wooz
genannt, wenn er unter
dem Hammer zu unbändig ist, auf dieselbe Art geschmeidig, indem sie ihn mit einer
Decke von Lehm umgeben und ein paar Stunden lang in der Esse anglühen.
Adouciren.
Es ging indessen unter den Schmieden immer die dunkle Sage, daß mehrere die Kunst
besessen hätten, gegossene Eisenwaaren in Schmiedeisen umzuändern, ohne ihre Form zu
zerstören, die Kunst sey aber verloren gegangen. – So glaubte man allgemein,
die Beschläge der großen Thüren von Notre Dame zu Paris seyen auf diese Art bereitet
worden. Ja, zu Anfang des achtzehnten Jahrhunderts hatte ein Franzose in Paris eine
Compagnie für seine angebliche Erfindung gewonnen, Roheisen auf obige Art schmiedbar
zu machen. Es wurden auch wirklich Etablissements zu Cone und in der Vorstadt St.
Marceau zu Paris errichtet. Allein der Mann war seiner Sache nicht sicher, das
Unternehmen ging zu Grunde, und der Entrepreneur war eines Tages plötzlich
verschwunden.
So stand die Sache, als der berühmte französische Graf v. Reaumur, der einige ziemlich gut adoucirte
Gegenstände aus dem verunglückten Etablissement gesehen hatte, das Verhalten des
Eisens unter den verschiedenartigsten Umständen näher untersuchte, seine
Lieblingsidee, das Roheisen in Stabeisen umzuwandeln, ohne es weiter umzuschmelzen
und vor dem Gebläse bearbeiten zu müssen, mit besonderem Eifer weiter verfolgte, und
beinahe alle möglichen Versuche anstellte, gegossene Gegenstände aus Roheisen durch
bloße Behandlung im Glühfeuer in Stahl und Stabeisen zu verwandeln. Nach seinem
Vorgange behielt dieß Verfahren den Namen adouciren.L'art de convertir le fer forgé en acier, et
l'art d'adoucir le fer fondu, ou de faire des ouvrages de fer fondu
aussi fines que de fer forgé. Par Mons. deReaumur. Paris, 1722. 4, avec planches.
Da sich jedoch das Roheisen, unter Luftzutritt geglüht, während seine Kohle
verbrennt, zugleich immer mit einer Oxydhaut, dem sogenannten Glühspan, überzieht,
so versuchte der Graf beinahe alle aufzufindenden pulverigen Substanzen, welche im
Stande wären dem Roheisen seine Kohle zu entziehen, und zugleich den Abbrand auf der
Oberfläche zu verhindern. Dazu eigneten sich alle Pulver, welche entweder
metallische Oxyde waren, die demnach durch die Kohle des Roheisens auf eine niedere
Stufe der Oxydation zurückgeführt wurden – am besten jedoch solche, welche mehr die
Eigenschaft besaßen, die Kohle des Roheisens zu verschlucken, ehe sie dieselbe
wirklich verbrannten; von solcher Art fand er die Leinasche, welche im Durchschnitt
aus 86,5 Proc. phosphorsaurer Kalkerde, 6 Proc. kohlensaurem Kalk, 3–4 Proc.
phosphorsaurer Magnesia und gegen 5 Proc. phosphorsaurem Natron besteht. –
Wird nun ein Stück von weißem reinem Roheisen in solche Leinasche gepackt, und dann
in einem wohlverschlossenen Kasten eine Zeit lang in einer Kirschrothglühhitze
erhalten, so färbt sich dieß schneeweiße Pulver grau und später schwarz von
verschluckter Kohle, die eben im Begriffe war die Phosphorsäure des Kalkes zu
reduciren und deßhalb mit ihrem Sauerstoffe zu verbrennen. Dieß ersieht man daraus,
daß das Cementpulver, sobald es hinreichend Kohle eingesogen hat, sich mit dieser
verbindend zusammenzieht und sich leicht vom Roheisenstücke trennt.
Das Roheisen dagegen hat mehr oder weniger von seiner Kohle, aber natürlich keinen
Kiesel verloren, je länger oder kürzer es der Wirkung des Feuers ausgesetzt war, und
ist entweder in Stahl verwandelt worden, der sich nun hämmern und härten läßt, wie
gewöhnlicher Stahl, oder auch in Schmiedeisen selbst übergegangen, wenn das Roheisen
überhaupt nicht zu viel Kiesel enthielt, der durch die
Cementation natürlich nicht entfernt werden kann. – Wie bei der Reduction der
Eisenerze und bei der Stahlcementation, ist auch hier die geringste Veränderung der
Oberfläche des Eisens während des Adoucirens mit einer entsprechenden, wenn auch
verhältnißmäßig geringen Veränderung des Mittelpunktes verknüpft.
Trotzdem enthält jedoch das adoucirte Roheisen noch viel zu viel Kohle, und ist, da
es nicht mehr zusammensinken konnte, und immer mit etwas kieselsaurem Eisenoxydul gemengt wird, zu locker, um so fest wie der beste
Stahl zu seyn, auch wenn ihm mehr Kohle entzogen worden ist, wobei die Quantität des
kieselsauren Eisenoxyduls ebenfalls wächst. – Eines von den englischen
Rasirmessern aus adoucirtem Roheisen zu 24 Kreuzer von Beinhaner z.B. besteht aus
97,114
Eisen,
2,171
Kohle,
0,182
Kiesel,
0,532
Stickstoff.
Auf Reaumur's Ermunterung hatte sich sogleich eine
Compagnie gebildet, seine Erfindung im Großen auszuführen; allein der Vortheil in
Bezug auf die gewöhnliche Weise Eisen in Stahl zu verwandeln, war nicht so groß als man wohl
zu glauben geneigt war, und die Compagnie trennte sich wieder.
Einige Jahre später ließ sich der Engländer Lucas dasselbe
Verfahren patentiren, und führte die Operation im Großen aus. Indessen wurde die
Gültigkeit seines Patentes vor Gericht bestritten, Lucas
verlor den Prozeß und das Verfahren erhielt sich noch bis auf den heutigen Tag,
obwohl nicht in sehr großer Ausdehnung. Man verfertigt auf diese Weise kleine Nägel,
Pferdegebisse, Kutschenringe, Knöpfe, auch in der neuesten Zeit sogar Rasirmesser,
die jedoch vor dem Härten noch ausgeschmiedet werden, wie die sogenannten englischen
Rasirmesser von Beinhaner das Stück zu 24 Kreuzer lehren,
womit in den neuesten Tagen die Welt überschwemmt wird.
Im Jahre 1825 beschäftigte sich der Graveur Dr. Bauer in Bautzen mit demselben Verfahren. Als
Cementpulver bediente er sich gepulverten Thonschiefers, und verwandelte durch
Cementation das Roheisen in Stahl und Stabeisen. So schön und günstig seine
Experimente im Kleinen ausfielen, so scheiterten sie wieder bei der Ausführung im
Großen.
Etwas später nahm der bekannte Sir Henry (avenue de Madrid) denselben Proceß wieder auf,
verfertigte nebst Scheren, Amboßen, Hämmern, sogar Thurmglocken; allein auch diese
Fabrik konnte sich nicht halten. Dagegen hat die privilegirte Schrauben- und
Metallwaarenfabrik in Neunkirchen am Steinfelde in Niederösterreich von Brevillier und Comp. in den neuesten Tagen wieder zu
adouciren angefangen, und sendete vortreffliche Arbeiten zur letzten Wiener
Industrie-Ausstellung. Sie betreibt jedoch, wie man sieht, das Adouciren bloß
als einen Theil ihres Geschäftes, und dieß mag wohl der Grund seyn, daß sie
ökonomischer fabriciren kann. – Auch Berth. Fischer aus Traisen bei Lilienfeld in Niederösterreich hatte gleichfalls
einzelne adoucirte Gewehrschloß- und Maschinentheile ausgestellt.
Siderographie.
Auch die Adoucirung des Stahles wurde und wird noch für
gewisse Zwecke angewendet. Der Stahlfabrikant Shey in
Paris hatte schon 1808 ein Patent genommen auf Vervielfältigung gravirter stählerner
Knöpfe mittelst eines Prägwerkes, indem er zuerst den Stahl in reiner Eisenfeile entkohlte und ihn dann wieder durch Einsetzen
härtete. Eben so adouciren die Stahlarbeiter in Birmingham aus Stahlblechen gehauene
Theile, z.B. ihre Lichtscheren, bringen dann die erforderlichen Verzierungen
mittelst einer Presse oder durch Gravirung an, und ertheilen dem verzierten Theile
eine harte Oberfläche durch Insatzhärtung, wodurch die Waare jene schöne Politur
annimmt, welche die Birminghamer Stahlwaaren vor allen andern auszeichnet.
Allgemeineres Interesse jedoch gewann die Methode des Adoucirens von Stahl durch der
Amerikaner Perkins', Fairman's und Heath's Erfindung der Siderographie oder der technischen Stahlstecherkunst.Albrecht Dürer hatte indessen schon in Stahl
gravirt. Die Siderographie beschäftigt sich jedoch noch mit der raschen
Vervielfältigung der gravirten Stahlplatten selbst.
Der Künstler hatte hier seine Zeichnungen anstatt in das weiche Kupfer in eine harte
Stahlplatte zu graben, was nur mit unsäglicher Mühe gelang.
Perkins suchte deßhalb der Stahlfläche einen Theil ihres
Kohlenstoffes zu entziehen, indem er sie adoucirte. Dieß geschah, indem er sich als
Cementpulver der reinen Eisenfeile bediente.
Wegen der geringen Festigkeit aller auf diese Weise erzeugten Stahlgegenstände kann
man also Stahl, durch Adouciren des Roheisens erhalten, bloß zu Gegenständen
benützen, die einen hohen Grad von Politur bei großer Härte und geringer Festigkeit
verlangen.
Frischproceß.
Um besten Stahl aus Roheisen zu erzeugen, der zugleich den größten Grad von
Festigkeit (Tenacität) besitzt, muß das reinste Roheisen, während der Kohlenstoff
und Kiesel desselben verbrennt, flüssig gemacht werden, damit sich seine zum Theil
entkohlten kleinsten Theilchen frei bewegen, sich ungehindert so dicht als möglich
aneinanderlegen und das zugleich erzeugte Eisenoxydul ausstoßen können; denn es ist
nicht allein nothwendig, daß ein Theil Kohle des Eisens verbrenne, sondern daß
während die weniger kohlenhaltigen Theilchen wieder zusammenschmelzen, in demselben
Augenblicke auch das kieselsaure Eisenoxydul ausgeschieden werde, welches immer
entsteht, sobald sich Kohle im Eisen oxydirt. Man nennt diesen Verbrennungsproceß
überhaupt den Frischproceß, und wenn man Stahl dadurch
erzeugen will, Stahlfrischproceß, bei Eisen Eisenfrischproceß. Bei diesem Frischproceß muß jedoch
noch überdieß das Roheisen, wenn es sich für den einen oder den andern Frischproceß
gut eignen soll, eine verschiedene chemische Zusammensetzung besitzen.
Alles Roheisen nämlich, welches geschmolzen unter Zutritt von Luft im Herde oder
durch Beimengung oxydirender Körper im Flammenofen behandelt wird, geht endlich nach
diesem Frischen in einen Zustand über, in welchem es seine Flüssigkeit verloren hat,
sich mehr oder weniger zäh mittelst des Spießes anfühlen, und zugleich mehr oder
weniger leicht rothglühend mittelst des Hammers behandeln läßt, ohne zu
zerfallen.
Untersuchen wir ein solches Frischproduct näher, so finden wir, daß es entweder einen
Eisenklumpen oder einen Stahlklumpen bildet; denn gewisse Roheisenarten haben vorzügliche Neigung
nach dem Verfrischen durch Schmelzung und nach seiner eigenthümlichen Gare Stabeisen, die andern jedoch nur Stahl oder wenigstens ein stahlartiges Product
zu geben. Wir nennen die letzte Gare, durch welche das Roheisen in Stahl umgewandelt
wird, Stahlgare; die erste Eisengare.
Untersuchen wir durch chemische Analyse die verschiedenen Roheisensorten, welche sich
zur Eisen- oder Stahlgare vorzüglich eignen, so werden wir sogleich einen
Fingerzeug über die Ursache dieser ihrer verschiedenen Eigenschaften erhalten.
Roheisen aus der
Champagne mit Eisengare:
Blumiges Roheisen vom
Erzberg (Steiermark) mit Stahlgare:
Eisen
96,133
94,5765
Kohle
2,324
3,6204
Kiesel
0,840
0,1201
Mangan
Spuren
0,9975
Stickstoff
+
+ +
0,5842
Wir sehen sogleich, daß unter den Quantitäten der verbrennbaren Beimengungen, welche
die zwei Roheisenarten enthalten, eine große Differenz herrscht. Wir finden z.B. im
Roheisen, welches sich zur Eisengare hinneigt, siebenmal mehr Kiesel, als im Eisen mit Stahlgare; dagegen im letzteren ein großes
Quantum Mangan, während das Roheisen mit Eisengare davon
nur Spuren enthält.
Nebenbei bemerken wir zugleich, daß das Roheisen mit Stahlgare nur gerade so viel
Kiesel enthält, als der verfrischte Stahl selbst enthalten muß, ja sogar noch
weniger als z.B. der Gußstahl. Es leuchtet also von selbst ein daß, wenn wir den
Kohlen-Verbrennungsproceß oder Stahlfrischproceß mit solchem Eisen
unternehmen wollen, wir verhindern müssen, daß kein Kiesel zugleich mit der Kohle
verbrennt, was im Großen nicht wohl möglich ist. Denn bringen wir z.B. Roheisen mit
viel Kiesel, wie das Champagner Eisen im geschmolzenen Zustande, vor das Gebläse, so verbrennen Kiesel
und Kohle sammt dem entsprechenden Aequivalent Eisen zu gleicher Zeit; und ist so
viel Kiesel im Eisen verbrannt als nöthig ist, um dem entsprechenden Producte
gehörige Festigkeit zu ertheilen, so haben wir zugleich so viel Kohle mit oxydirt,
daß das erhaltene Product nicht mehr rothglühend im Wasser abgelöscht härtet,
sondern in mehr oder weniger hartes Stabeisen verwandelt worden ist.
Wollen wir demnach eine bestimmte Quantität Kohlenkiesel im Frischproducte
unverbrannt erhalten, so viel nämlich als nöthig ist Stahl zu erhalten, so müssen
wir mit dem Kiesel des Roheisens noch ein anderes Metall verbinden, welches die
Rolle desselben ganz oder größtentheils übernimmt. Ein solches Metall hat uns die
Natur im Mangan gegeben, das sie selbst schon als Erz mit
allen jenen Eisenerzen in Verbindung gebracht hat, die sogenannten Spatheisensteine nämlich, welche ausgezeichneten Stahl
durch den Frischproceß geben.
Wir wissen nämlich, daß sich das Manganmetall sowohl allein als in Verbindung mit
andern Metallen, sowohl auf nassem als trockenem Wege äußerst leicht, und viel
leichter als andere schwere Metalle oxydirt; und wirklich bringen wir solches
Roheisen, in welchem ein Theil des Kohlenkiesels durch Kohlenmangan ersetzt ist, im
Frischfeuer zum Frischen, so finden wir, daß sich eben so während des ganzen ersten
Theiles des Frischprocesses Mangan und Kohle oxydiren, während der Kiesel beinahe
unberührt bleibt; und wir finden daß, wenn alles Mangan verbrannt ist, gerade so
viel Kohle zurückbleibt, als man nöthig hat, um das zurückbleibende Frischproduct
als Stahl zu verwenden. Man nimmt nun in diesem Zeitpunkte den Frischklumpen aus dem
Herde und schmiedet ihn unter dem Hammer zu Kolben u. dergl. aus.
Eine andere Art ein gehöriges Quantum Kiesel nebst dem zu
Stahl erforderlichen Quantum Kohle im Frischproducte
zurück zu behalten, ist die: Roheisen, das nahe die zu gutem Stahle erforderliche
Quantität Kiesel enthält, unter einer flüssigen Schlackendecke, also vor der
Berührung der Luft geschützt, flüssig zu erhalten. Die Kohle muß in diesem Eisen
sehr vorwaltend, in großer Menge, von nur geringer Quantität Kiesel oder Eisen
gebunden seyn. In diesem Falle gibt die Schlacke, aus Eisenoxydul und Kieselsäure
bestehend, einen Theil ihres Sauerstoffes an die Kohle des Roheisens ab und
verbindet sich mit demselben zu Kohlenoxydgas, welches bei seiner Bildung und
Entweichung natürlich einen viel größeren Platz einnimmt als die ursprünglich feste
Kohle, und deßhalb das Eisen in eine Art Schaum verwandelt, nach demselben Principe, nach welchem
flüssige zähe Körper, wie z.B. Milch, beim Kochen in einen ähnlichen Schaum
verwandelt, aufzuschwellen und überzulaufen pflegen. Beim Stahlfrischen im Herde
heißt diese Erscheinung das Hochwiederkommen der
sogenannten Stahlheiße, beim Frischen im Flammenofen
heißt sie einfach das Kochen, und der Ofen, der deßhalb
einen so gebauten Herd enthält, daß das aufkochende Eisen nicht überlaufe, Kochofen (Boiling oven, four
bouillant). Der größte Theil des Kiesels, der in einem solchen Eisen an das
Eisen selbst gebunden seyn muß und Kieseleisen bildet,
wird natürlich von dem Eisenoxydul-Silicat nicht
afficirt, wie wir schon oben gesehen, sondern verbrennt bloß bei unmittelbarer
Berührung der Luft, wie bei der Erzeugung des Stahleisens im Flammenofen. Von Eisen
demnach, das den größten Theil seines Kiesels an Eisen gebunden enthält, als Kieseleisen, ist unser graues
Roheisen bei vollkommenem Gargange des Hohofens erzeugt; jedoch darf es,
wie wir schon gesagt, für Stahl nicht zu viel Kiesel enthalten.
Der erste, welchem, so viel mir bekannt ist, das Stahlfrischen im Kochherde gelang,
ist der Hüttenmeister auf dem bayerischen Eisenhammerwerke Weiherhammer, Fr. X. Schmied.
Untersuchungen über die Eigenschaft des Stahles, im Wasser
abgelöscht hart zu werden.
Nachdem wir also das innere Wesen des Stahles untersucht haben und eine
wissenschaftliche Theorie seiner Erzeugung auf den verschiedenen Wegen der Praxis zu
begründen bemüht waren, haben wir zuletzt noch den Grund einer seiner
Eigenthümlichkeiten zu untersuchen, deren Erklärung den Chemikern und Physikern viel
zu schaffen gemacht hat, nämlich seine Eigenschaft im hellrothglühenden Zustande,
plötzlich abgekühlt, sehr hart und zugleich sehr fest zu
werden, weßhalb er eben als unentbehrliches Material zur Bearbeitung der Metalle und
Steine die Basis unserer ganzen heutigen Industrie geworden ist. Die Eigenschaft,
nachdem der Stahl durch die Einwirkung der Wärme gleichsam aufgelockert worden,
durch Abkühlung hart zu werden, theilt er gewissermaßen mit dem Gußeisen; nur mit
dem Unterschiede, daß das freie Spiel seiner kleinsten Theile schon in einem
Hitzegrade hergestellt wird, welcher die Dunkelrothglühhitze nur um einige Grade
übersteigt, und daß die wechselseitige Wirkung seiner kleinsten Theile aufeinander
schon so groß geworden ist, daß ihm die Wärme plötzlich entzogen werden muß, wenn er
nicht während des langsamen Erkaltens in den weichen Zustand zurückkehren soll.
Verschiedene Schriftsteller über Stahl haben diese scheinbar so räthselhafte
Eigenschaft auf verschiedene Weise zu erklären versucht. Die einen, mit Karsten, suchen den Grund derselben in einer rein
chemischen Veränderung des Stahles während des Glühens; die anderen, mit Mitscherlich, mehr in einer mechanischen.
Karsten stützt nämlich seine Theorie auf die Thatsache,
daß graues Roheisen, welches bei der Auflösung in Säuren zum Theil großschuppigen Rückstand hinterläßt, rasch abgekühlt weiß
erscheint, weßhalb man glaubte, es habe dadurch die Natur des weißen Roheisens
angenommen. Da der großschuppige glänzende Rückstand, den das graue Roheisen
hinterläßt, als reine Kohle angesehen wird, so kam Karsten auf den Gedanken, beim langsamen Erkalten scheide sich ein Theil
Kohlenstoff als sogenannte reine Kohle (Graphit) vom übrigen nur wenig gekohlten
Eisen aus; beim raschen Erkalten hingegen habe der Kohlenstoff keine Zeit, sich von
dem übrigen Eisen zu trennen, er bleibe deßhalb im weißen Gußeisen chemisch mit der
ganzen Masse des Eisens verbunden (wie langsam erkalteter ungehärteter Stahl), so
daß demnach ein kohlenstoffarmes weiches Eisen mit einem Tricarburete des Eisens
FeC³ gemengt wäre. Er reiht deßhalb den langsam
erkalteten, also ungehärteten Stahl dem grauen
Gußeisen an. Da sich aber nach der Auflösung des ungehärteten Stahles kein
Graphit abscheidet, wie beim grauen Gußeisen, so nennt er diesen Rückstand ein
Polycarburet aus FeC³ (einem Mischungsgewichte Eisen und drei
Mischungsgewichten Kohle) bestehend, welches den Graphit des Gußeisens zu
repräsentiren habe, und glaubt, dieses Polycarburet sey mit dem weichen (?)
Stabeisen im Stahle so verbunden, wie der Graphit mit demselben weichen Eisen im
grauen Roheisen. Der gehärtete Stahl ist ihm dann analog dem weißen Roheisen, und
deßhalb eine gleichartige Verbindung des Kohlenstoffes mit der ganzen Quantität
Eisen, weil die Kohle nicht Zeit hatte sich als Polycarburet abzuscheiden. Allein
die wirkliche Abscheidung eines sogenannten Polycarburets während der Auflösung des
ungehärteten Stahles findet gar nicht statt.
Ich habe schon in meiner englischen AbhandlungPhil. Mag. Bd. 16, Nr. 103, S. 301, April 1840. dargethan:
1) daß, was nach dem Auflösen des gehärteten und ungehärteten Stahles zurückbleibt, stets schuppig, gleich
dem Graphit, aber sehr feinschuppig ist, so daß es dem freien Auge anfangs als
pulverig erscheint;
2) daß dieser Rückstand kein Polycarburet des Eisens, sondern eine Verbindung des
Eisens mit Kohlenstoff, Wasserstoff und Stickstoff sey;
3) daß sich die Quantität des Rückstandes und das
quantitative Verhältniß seiner chemischen Bestandtheile nach der Härte des Materials, der Concentration der Säure, und zum
Theile nach der Temperatur richte, bei welcher die Auflösung geschah, so daß man,
wenn man die Concentration des Auflösungsmittels in ein richtiges Verhältniß zur
Härte des aufzulösenden Materiales setzt, aus gehärtetem sowohl als ungehärtetem
Stahle Rückstände von ganz gleicher Beschaffenheit erhält, die bei niederer
Temperatur oft sogar weißgelb ausfallen; weßhalb also von einem verschiedenen
Zustande der Kohle im gehärteten und ungehärteten Stahle keine Rede seyn kann;
4) daß nur weißes Roheisen diesen eigenthümlichen
Rückstand hinterlasse, ganz graues aber nur sogenannten Graphit, dann Alumin, Kiesel
und Kieselerde.
Mitscherlich dagegen glaubte, der gehärtete Stahl bestehe aus einem Gemenge von
weichem Stabeisen und weißem Roheisen; der
ungehärtete, langsam abgekühlte Stahl dagegen aus Eisen
und weichem Kohleneisen.
Die Wirkung des gehärteten Stahles erklärt er sich demnach folgendermaßen: er
vergleicht dasselbe mit der Wirkung der stählernen oder kupfernen Scheibe der
Steinschneider, in welche sie gröbere Stückchen von Diamant hineinschlagen und so im
Stande sind die Edelsteine damit zu schleifen, denn die Oberfläche einer so
vorgerichteten Scheibe erhält dadurch die Härte des Diamants und die Festigkeit
des Kupfers. Auf gleiche Weise nun sey die Schneide eines
gehärteten schneidenden Instrumentes aus Theilchen vom harten,
weißen Roheisen, umgeben von Stabeisen, zusammengesetzt. Je kleiner diese
Theilchen sind, um so gleichmäßiger ist die Schneide; je
größer die harten und weichen miteinander gemengten Theile sind, um so weniger
gleichmäßig kann man die Schneide darstellen. Allein dieß Geschäft der Scheibe der
Diamantschneider ist kein anderes, als bloß die kleinsten eckigen Diamantkörner
festzuhalten; was den zu schleifenden Diamant angreift, sind bloß die Ecken jener
kleinen Diamantsplitter, und die Kupferscheibe selbst ist an dieser ihrer Wirkung
ganz unschuldig. Die Ursache aber, weßhalb die Diamantsplitter in einer
Kupferscheibe den zu schleifenden Diamant angreifen, ist die außerordentliche
Geschwindigkeit, mit welcher sie gegen den zu schneidenden ruhenden Edelstein
gestoßen werden; ungefähr nach eben den Principien, nach welchen man mit einem in eine Pistole statt der
Kugel geladenen Talglichte durch ein ziemlich dickes Brett schießen kann. Ebenso
schleift man sehr leicht Diamanten, wenn man einen in eine Drehbank spannt, schnell
umlaufen läßt und den anderen dagegen hält; eine mit dem Diamantborde armirte
Scheibe der Diamantschneider wirkt durchaus nicht auf den Diamant, wenn man sie als
Feile gebrauchen will, sondern es ist nur ihr rascher
Umschwung und Stoß auf den ruhenden Körper. Ueberdieß sind noch die kleinen dunklen
Diamantenkörner, die man zum Diamantbord benützt, gewöhnlich viel härter als die
großen klaren, die geschliffen werden sollen; ja es gibt ganz schwarze Diamanten,
gegen welche jede solche Scheibe ohne Wirkung bleibt. In keinem Falle würde diese
letztere Erklärung hinreichend seyn, weil es sich bei schneidenden Instrumenten
nicht so sehr um die Ungleichförmigkeit der Schneide, als um ihre Sprödigkeit oder
ihre Weiche handelt. Die Schneide bricht nämlich bei schlechtem Stahle, wenn sie
fein wird, aus, oder sie legt sich um und schneidet deßhalb nicht lange genug. Man
müßte daher die letzte Erklärung dahin abändern, daß im ersten Falle zu viel weißes
Roheisen mit dem weichen Eisen gemengt sey, im letzten
Falle zu wenig. Die Ableitung der Eigenschaften des gehärteten und ungehärteten
Stahles aus chemischen Verbindungen, die sich bilden oder zerstören, fällt immer
schon deßhalb unnatürlich aus, weil der Stahl in verschiedenen Hitzegraden
verschiedene Härten annimmt. Man müßte deßhalb selbst in der dunklen Rothglühhitze
noch eine Bildung von weichem Kohleneisen und weißem Roheisen annehmen, was allen
chemischen Erscheinungen und aller Wahrscheinlichkeit widerspricht.
Wir bedürfen indeß nicht einmal solcher hypothetischen, durch kein Experiment
erweisbaren, entstehenden und vergehenden chemischen Verbindungen in einem
Hitzegrade, der noch viel zu niedrig ist, solche definitive Verbindungen so rasch zu erzeugen und zu
zerstören, um die Wirkung des gehärteten Stahles zu erklären.
Die Wirkung der Glühhitze auf alle gleichförmigen Körper und die Vorgänge beim
langsamen, sowie beim raschen Abkühlen erklären hinreichend den verschiedenen
Härtegrad, welchen Körper, wie der Stahl, bei verschieden rascher Abkühlung
annehmen, und zwar auf die einfachste Weise.
Wir haben schon bei der mikroskopischen Betrachtung der Bruchflächen gehärteten und
ungehärteten Stahles gesehen, daß der Unterschied zwischen gehärtetem und
ungehärtetem Stahle höchst wahrscheinlich nur eine verschiedene Anordnung und
Gruppirung der kleinen krystallinischen Stahltheilchen sey. Beim ungehärteten Stahle
sind diese Krystalltheilchen vertheilt in ungleichförmigen Gruppen durch die ganze Masse; die Facetten dieser Krystalle liegen in der
Regel alle in einer Ebene, sehr viel Aehnlichkeit mit denen vom grauen Gußeisen
verrathend, und die Gruppen sind durch tiefe Furchen und Thäler getrennt. Diese
ausgebildete Gruppirung konnte nur stattfinden beim langsamen
Erkalten, wo den Krystalltheilchen zur beliebigen
Gruppirung Zeit gegeben war. Läßt man hingegen den krystallinischen
kleinsten Theilchen des glühenden Stahles nicht Zeit, daß sie sich so lange
gruppiren, bis ein stabiles Gleichgewicht in der ganzen Masse hergestellt ist, indem
man ihnen rasch Wärme entzieht, und sie also in derjenigen Stellung fixirt, in
welcher sie sich eben langsam zu ihrem alten Aequilibrium zurückkehrend befanden, so
erscheinen sie mehr oder weniger gleichförmig vertheilt durch die ganze Masse, und
ihre Facetten haben nur eine zufällige Stellung. Betrachten wir nur die Wirkung,
welche Glühhitze auf alle Körper äußert. In jedem flüssigen Körper sind die Molecule
desselben so weit von einander entfernt, daß ihre Masse nicht mehr als ein Polygon,
sondern als eine vollkommene Sphäre angesehen werden kann, die von ihrem
Mittelpunkte aus nach allen Seiten hin mit gleicher Stärke wirkt, und dadurch
entsteht eben bei absolut flüssigen Körpern eine vollkommene
Verschiebbarkeit aller ihrer Theile. Diese große Entfernung der Molecule
eines Körpers von einander wird gewöhnlich durch die Wärme bewirkt, welche zufolge
ihres größeren oder geringeren Grades diese Molecule mehr oder weniger weit von
einander treibt. Läßt die Wärme die Molecule so nahe aneinander rücken, daß die
einzelnen Flächen der Molecule schon im Verhältniß ihrer Lage und Größe, also nach
verschiedenen Richtungen, verschieden aufeinander wirken,
so ist das Gleichgewicht der flüssigen Masse schon zum Theile aufgehoben, also die
Verschiebbarkeit der Molecule nicht mehr als absolut zu betrachten, und der Körper
besitzt schon einen unvollkommenen Grad der Flüssigkeit.
Nähern sich die Molecule bei noch größerem Verluste von Wärme noch mehr einander, so
tritt die ungleichförmige Wirkung der Molecule aufeinander zufolge ihrer Gestalt
noch mehr hervor; es bilden sich verschiedene Mittelpunkte der Attraction, um welche
sich die am nächsten liegenden Molecule sammeln und sich zu einem geometrischen
Körper gruppiren, der von der ursprünglich geometrischen Form der Molecule bedingt
wird. So ist die säulenförmige Bildung der Basalte zu betrachten, und auf ähnliche
Weise theilt sich die früher ganz gleichförmige Rast eines Hohofens, wenn sie lang
einer anhaltenden Weißglühhitze ausgesetzt gewesen, gleich dem Basalte in
polyedrische Prismen.
Beim völligen Erkalten ist die wechselseitige Attraction der Flächen dieser Molecule
auf den höchsten Grad gestiegen. Die kleinsten Theilchen krystallinischer Gruppen
befinden sich in Bezug auf diese Gruppen im vollkommenen Gleichgewichte, und dieß
Gleichgewicht ist stabil in beiden Rücksichten.
Die allgemeine Kraft der Cohäsion jedoch wirkt nur in solch einem langsam erkalteten und deßhalb aus Gruppen
zusammengesetzten Körper von verschiedenen Mittelpunkten aus,
also verschieden in verschiedenen Richtungen. So ist die größte Wirkung in
der Nähe der Mittelpunkte der Krystalle und nahe der Achse der Krystallisation, und
die wechselseitige Attraction und Cohäsion dieser krystallinischen Gruppen ist gar viel schwächer als die cohäsive Kraft der Molecule, aus denen sie
zusammengesetzt sind; wie z.B. der härteste aller Körper, der Diamant, sich sehr leicht spalten läßt, parallel zu den Flächen seiner Stammform, die ein Octaeder ist.
Versuchen wir nun unsere hartgewordene Masse wieder flüssig zu machen. Der immer mehr
und mehr in die Masse eindringende Wärmestoff vergrößert die relative Distanz
zwischen den Moleculen immer mehr und mehr; die Stabilität des
Gleichgewichtes in Bezug auf Position nimmt also eben in dem Verhältnisse
ab – die geometrische Form der Molecule verliert ihre Influenz auf die
benachbarten Molecule immer mehr und mehr in eben demselben Verhältnisse, als das
Gleichgewicht in Bezug auf Entfernung überwiegend wird, und ein mehr oder weniger
vollkommenes Gleichgewicht der ganzen flüssigen Masse tritt
ein.
Gesetzt, wir entziehen nun so rasch als möglich dem in
mehr oder weniger vollkommenen flüssigen Gleichgewichte befindlichen Körper den
Wärmestoff, so haben die Molecule keine Zeit sich vollkommen ins Gleichgewicht in
Bezug auf Position zu ordnen. Alle die beinahe unwiderstehlichen Kräfte der
Attraction sind im selben Augenblicke wieder erweckt und wieder hergestellt, als die
ihnen entgegenwirkende Wärme fort ist. Die Molecule werden in dieser durch das
früher flüssige Gleichgewicht bedingten Lage festgehalten, und fort und fort
einander anziehen mit gleicher Kraft durch die ganze
Masse – aber eben deßhalb wird es unter dem nämlichen Verhältnisse nicht
möglich seyn, daß z.B. ein Grabstichel oder eine Feile, die aus demselben
Materiale verfertigt sind, das unter derselben gleichkräftigen Influenz einer gleichen Molecular-Anziehung steht,
die Molecular-Cohäsion eines ihr gleichen Körpers sollte zerstören können,
ohne daß nicht zugleich ihre eigene Molecular-Cohäsion von ganz gleicher
Kraft sollte zugleich mit zerstört werden.
Ganz ebenso wirkt ein Diamant nicht auf den andern, wenn er nicht in äußerst rascher Bewegung gegen den ruhenden stößt.
Daß sich die kleinsten Theilchen des gehärteten Stahles in einer größeren Entfernung
von einander befinden, als im langsam erkalteten Stahl, also in einer Entfernung,
welche der größere oder geringere Hitzegrad bestimmte, wird schon dadurch bewiesen,
daß gehärteter Stahl, welcher vor dem Härten durch eine genau passende Oeffnung
ging, jetzt nicht mehr durch selbe gebracht werden kann. Diese
Volumen-Vergrößerung des Stahles durch das Härten richtet sich noch überdieß
ganz nach seinem ursprünglichen Grade der Abkühlung, das ist nach seinem
Härtegrade.
Aehnliche mechanische Wirkungen des raschen Abkühlens finden bei anderen
Metallgemengen, ja selbst bei einfachen Körpern statt.
Das Glockengut, aus 78 Theilen Kupfer und 22 Theilen Zinn bestehend, ist, langsam
abgekühlt, ein sehr sprödes Metall. Wird es hingegen glühend in Wasser abgelöscht,
so wird es weich und hämmerbar; langsam abgekühlt hingegen erlangt es seine alte
Sprödigkeit wieder, bei ungleich größerer durch das Hämmern vermehrter Dichtigkeit.
Es findet hier der entgegengesetzte Fall statt, welcher beim Stahle unter gleichen
Umständen eintritt, weil der innere mechanische Zustand des Metalles, in welchem es
z.B. die harten Cymbeln formirt, gerade der entgegengesetzte des Stahles in seinem
gehärteten Zustande ist. Langsam erkaltetes Glockenmetall ist spröde und bricht krystallinisch, weil es sich im vollkommenen Flusse
befand. Die krystallinische Structur des Gußstahles hingegen, die ihn spröde aber
nicht hart macht, war schon vor seinem Härten durch Hämmern
zerstört; langsam erkalteter Gußstahl bricht deßhalb uneben mit deutlich
gruppirten Nestern.
Beim krystallinischen Glockenmetall bringt die Hitze die Molecule desselben in solche
Entfernung von einander, daß die Stabilität des Gleichgewichtes in Bezug auf
Position aufgehoben wird. Entzieht man der Masse in eben diesem Augenblicke ihre
Wärme wieder, so haben die Molecule nicht Zeit sich krystallinisch zu ordnen, und
der Grund der Sprödigkeit ist deßhalb aufgehoben.
Nach eben diesem Principe wird z.B. im Sauerstoffgas-Gebläse geschmolzene
Kieselerde, die flüssig ins Wasser fällt, durch Abkühlung so hart, daß sie mittelst
des Hammers nicht mehr zerschlagen werden kann, weil sie sich in gewisser Beziehung
ähnlich dem gehärteten Stahle nicht im krystallinischen, sondern im amorphen
Zustande befindet.