Titel: | Versuche über die Prüfung der Essige, insbesondere der Weinessige; von Guibourt. |
Fundstelle: | Band 103, Jahrgang 1847, Nr. CI., S. 433 |
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CI.
Versuche über die Prüfung der Essige,
insbesondere der Weinessige; von Guibourt.
Aus dem Journal de Pharmacie, Dec. 1846, S.
407.
Guibourt's Versuche über die Prüfung der Essige.
Die Versuche wurden zur Beantwortung der Frage angestellt: kann man verlangen, daß
der Essig ein gewisses Minimum der Dichtigkeit und des Säuregehalts hat? Ich war
bemüht das leichteste Verfahren zu ermitteln, um diese Flüssigkeit auf ihre Stärke
und Reinheit untersuchen zu können.
Der Essig sollte, wie es sein französischer Name (vinaigre) andeutet, immer das Product der Essiggährung (acétification) des Weines seyn; allein derselbe
wurde zu allen Zeiten auch aus dem Aepfelwein (Cider), Birnmost und dem Bier
dargestellt, in jenen Gegenden, wo diese Getränke den Wein ersetzen, und seit
einigen Jahren wird sehr viel Essig durch die Gährung des Traubenzuckers oder
anderer zuckerartiger Substanzen erhalten. Ueberdieß wird die durch trockene
Destillation des Holzes gewonnene Essigsäure benutzt, um den Säuregehalt aller
Essigarten, den Weinessig inbegriffen, zu verstärken, Ich bin nicht der Meinung, daß
diese verschiedenen Mischungen ohne weiteres zu verdammen seyen, betrachte es
vielmehr als einen Fortschritt, daß es der Chemie gelang Substanzen wie den
Holzessig, das Dextrin und den Dextrinzucker darzustellen und zu einem großen
Fabricationszweig anzuwenden, damit andere theuerere Urstoffe erspart werden. Doch
müssen dabei zwei Bedingungen erfüllt werden: 1) daß das Product nichts der
Gesundheit Nachtheiliges enthalte und seinem Zweck gehörig entspreche; 2) daß es
nicht unter dem Namen oder als das Erzeugniß einer andern Fabrication verkauft
werde. Letztere Bedingung muß im vorliegenden Fall um so mehr erfüllt werden, als
der Weinessig bisher hinsichtlich der Güte bei weitem den Vorrang vor den andern behauptete, und der
Käufer sehr in Schaden geriethe, wenn er Holzessig oder Traubenzuckeressig für
Weinessig erhielte. Wir werden daher bei unserer Untersuchung zweierlei zu
berücksichtigen: 1) die wahren Merkmale des Weinessigs zu ermitteln; 2) die
Eigenschaften festzustellen, welche man vom Essig überhaupt verlangen kann, damit
der Gebrauch desselben dem Konsumenten zum Nutzen gereiche.
Zwei Mittel kamen hauptsächlich in Vorschlag, um die Qualität und Stärke der Essige
zu bestimmen: die Ermittelung ihrer Dichtigkeit und ihre Sättigung mit einem Alkali.
Das erstere wird von vielen, als keinen hinlänglichen Maaßstab für den Werth des
Essigs gewährend, verworfen; und doch ist die Auskunft, die es gibt, von gleichem
Werthe wie die Sättigung; d.h. so wie die Sättigung nur insofern einen sichern
Maaßstab für den Werth der Essige abgibt, als man sich vorher überzeugt hat, daß sie
ihre Acidität keiner fremdartigen Säure verdanken, ebenso kann auch die Dichtigkeit
zu einem guten Merkmal werden, wenn man einmal die Gewißheit erlangt hat, daß sie
nicht durch den Zusatz einer fremdartigen Substanz erhöht wurde. Angenommen auch, es
ließe sich aus der erforderlichen Dichtigkeit nicht sogleich auf die gute Qualität
des Essigs schließen, so wird doch immer der Mangel an Dichtigkeit ein Beweis von
schlechter Qualität oder der Verdünnung mit Wasser seyn; es ist daher nicht ohne
Nutzen, dieses Merkmal zu Hülfe zu nehmen.
Die Dichtigkeit der Essige kann entweder mittelst des Collardeau'schen Dichtigkeitsmessers, oder mittelst der Essigwage ermittelt werden, welche letztere nichts
anderes ist, als die Baumé'sche Salz- oder
Syrupwage (Salzspindel), welche in der ganzen Länge
ihrer Scale nur mit den in Zehntheile abgetheilten Graden 0 bis 6 oder 8 versehen
ist. Da nun die guten (Orléans-)Essige eine Dichtigkeit von 1,018 bis
1,020 haben, oder an der Essigwage 2,50 bis 2,75 Grade zeigen, so ist wie mir
scheint, eine Dichtigkeit von 1,014 oder 2° Baumé schon als ein
Zeichen geringerer Qualität anzusehen. Bei vielen Detailverkäufern zeigt sich diese
Beschaffenheit, in Verbindung mit geringem Säuregehalt, ein Beweis, daß der Essig
mit Wasser verdünnt wurde. Ein solches Gemenge sollte nach meiner Ansicht verboten
seyn.
Die Sättigung mit einem Alkali ist unstreitig das genaueste Mittel zur
Werthbestimmung eines Essigs, vorausgesetzt daß man sich vorher überzeugt hat, daß
er keine fremdartige Säure, z.B. Schwefelsäure, Salzsäure oder Weinsteinsäure
enthält. Vor allem habe ich daher anzugeben, wie die Gegenwart dieser Säuren im
Essig erkannt wird.
Schwefelsäure. Es wurden schon viele Methoden zur
Erkennung des Vorhandenseyns freier Schwefelsäure im Essig vorgeschlagen. Descroizilles nahm an daß, von einem Tropfen reinen
Essigs geröthetes Lackmuspapier beim Trocknen an der Luft wieder blau werde, während
es bei einem mit Schwefelsäure versetzten Essig roth bleibe; letzteres ist
allerdings richtig, ersterer Saß aber nur dann, wenn lediglich mit Wasser verdünnte
Holzessigsäure probirt wird; er ist unrichtig beim Weinessig, dessen
doppeltweinsteinsaures Kali (Weinstein) durch das Trocknen seine Einwirkung auf das
Lackmus nicht verlieren kann. Dieses Verfahren ist daher zu verwerfen.
Chevallier, der sich viel und mit gutem Erfolge mit den
Mitteln beschäftigte, die Verfälschungen der Essige zu erkennen, schlug vor, den
verdächtigen Essig auf ein Achtheil seines Volums abzudampfen, dann erkalten zu
lassen und den Rückstand mit seinem 5 bis 6fachen Volum starken Alkohols zu
behandeln. Man filtrirt, verdünnt mit destillirtem Wasser und setzt Chlorbaryum zu,
welches keinen Niederschlag erzeugt, wenn der Essig rein war, einen solchen von
schwefelsaurem Baryt aber hervorbringt, wenn der Essig freie Schwefelsäure enthält.
Dieses Verfahren ist nicht ganz genau, denn wenn der Essig schwefelsaures Kali oder
schwefelsauren Kalk enthält, bildet sich durch die Concentration der Essigsäure
doppeltschwefelsaures Salz darin, welches etwas Schwefelsäure an den Alkohol abgeben
könnte.Dieses Resultat erhielt ich, als ich 100 Grammen reinen Essigs 5 Decigr.
schwefelsauren Kalk zusetzte. Doch muß ich anerkennen, daß dieß nur dann der Fall ist, wenn der Essig so
viel schwefelsaures Salz enthält, als es ihn an und für sich verwerflich macht und
daß jedenfalls die Reaction viel auffallender ist, wenn der Essig freie
Schwefelsäure enthält. Auch wollte ich nur erwähnt haben, daß dieses Verfahren keine
absolute Genauigkeit gewährt.
Irgendwo las ich, daß man den Schwefeläther vorschlug, um die Gegenwart von
Schwefelsäure im Essig nachzuweisen. Ich gestehe, daß es mir nicht in den Sinn kam
dieses Agens gerade so wie den Alkohol anzuwenden, nämlich einen durch vorläufiges
Abdampfen concentrirten Essig mit Aether zu behandeln; ich verfuhr aber wie folgt:
Ich schüttelte in einer Röhre 50 Kubikcentimeter guten (Orleans-) Essig,
welchem zwei Tropfen Schwefelsäure zugesetzt waren, mit 20 Kubikcentimeter Aether.
Nachdem die beiden Flüssigkeiten sich geschieden hatten, wurde der Aether abgegossen
und durch andern ersetzt, welcher später zu ersterem gegossen wurde. Dieser Aether, an der
Luft abgedampft, hinterließ eine syrupähnliche Flüssigkeit, welche stark nach
Essigsäure roch und einen angenehmen Nebengeruch nach Weinessig hatteDieses Verhalten könnte ohne Zweifel auch dazu dienen, im Wein-Essig
eine Beimischung von Holz-, Bier- oder Melassen-Essig
zu entdecken.. Im Trockne abgedampft hinterließ er einen sehr geringen braunen Rückstand,
welcher im Wasser leicht löslich war und mit salpetersaurem Baryt durchaus keinen
Niederschlag gab. Als man der Mischung etwas von dem mit Aether behandelten Essig
zusetzte, entstand sogleich ein Niederschlag, woraus zu schließen ist, daß der
Aether dem Essig die Schwefelsäure nicht entzieht, dieses Verfahren daher zu
verwerfen ist. Ich kenne folglich kein Verfahren, welches mit absoluter Genauigkeit
die Gegenwart freier Schwefelsäure im Essig (welcher jetzt immer mehr oder weniger
schwefelsauren Kalk enthält) anzeigt;Ein leichtes Verfahren, in jedwedem Essig die Anwesenheit freier Schwefelsäure zu erkennen, gab Prof. R.
Böttger an (polytechn. Journal Bd. XCVI S. 53). Versetzt man nämlich
etwa zwei Drachmen Essig, dem kaum der 1000ste Theil freier Schwefelsäure
absichtlich beigemischt wurde, mit einem haselnußgroßen Stück
krystallisirten Chlorcalciums und erhitzt dann den Essig bis zum Sieden, so
sieht man, sobald derselbe wiederum völlig
erkaltet ist, eine auffallende Trübung und kurze Zeit nachher einen
bedeutenden Niederschlag von Gyps entstehen, was bei einem gewöhnlichen,
nicht mit Schwefelsäure verfälschten Essig niemals der Fall ist. Der geringe
Gehalt der Essige an schwefelsauren Salzen hat auf diese Probe keinen
Einfluß; ebensowenig freie Weinsäure oder Weinstein, welche der Essig
ursprünglich enthält oder womit er absichtlich versetzt wurde. zwei Merkmale zusammengenommen, genügen jedoch für Geschäftsleute: das erste
ist die Einwirkung selbst sehr verdünnter Schwefelsäure auf das Email der Zähne; das
zweite besteht in dem augenblicklich entstehenden Niederschlag durch salpetersauren
Baryt.
Essig, dem eine sehr kleine Quantität Schwefelsäure (zwei Tropfen auf 100 Gramme)
zugesetzt wurde, hat auf die Zähne eine solche Einwirkung, daß sie sich mit der
Zunge rauh und runzelig anfühlen. Reiner Essig hat diese Wirkung nicht.Um diesen Versuch anzustellen, taucht man einen Finger in den Essig und
bestreicht damit die Oberfläche der Zähne.
Mit eben so viel Schwefelsäure versetzt, gibt der Essig mit salpetersaurem Baryt
augenblicklich einen die Flüssigkeit stark trübenden weißen Niederschlag. Reiner
Weinessig wird durch dieses Reagens nicht sogleich getrübt und gibt nach einigen
Augenblicken einen nur sehr unbedeutenden Niederschlag. Jeder Essig also, welcher
die beiden Merkmale hat, die Zähne abzustumpfen (das Email derselben rauh zu machen)
und mit salpetersaurem Baryt sogleich einen Niederschlag
zu geben, muß verworfen werden.
Schwefelsaurer Kalk. Vor wenigen Jahren gab es noch sehr
reine Essige, worin salpetersaurer Baryt kaum einen Niederschlag hervorbrachte;
gegenwärtig aber werden die meisten Essige durch dieses Reagens beinahe unmittelbar
und ziemlich stark getrübt; und da sie verhältnißmäßig durch oralsaures Ammoniak
eben so stark getrübt werden, so ist daraus zu schließen, daß sie schwefelsauren
Kalk und nicht freie Schwefelsäure enthalten. Die Professoren der Ecole de Pharmacie beklagten sich anfangs bei ihren
Visitationen der Specereikrämer sehr über diese nachtheilige Veränderung der Essige;
sahen aber bald ein, daß die Menge des von den Reagentien so auffallend angezeigten
Kalksalzes in der Regel sehr unbedeutend ist, daß sie also der Gesundheit nicht
nachtheilig seyn kann und überdieß von Umständen herrührt, die nicht im Willen des
Fabrikanten sondern in der Bereitungsweise liegen. Solche sind der Zusatz von
Stärkezucker zum Traubenmost, in der Absicht den Alkoholgehalt des Weins zu
vergrößern, oder die Anwendung von Gyps während der Gährung, zu einem mir
unbekannten Zweck; ferner der Zusatz von Stärkezucker zu dem zur Essigbildung
bestimmten Wein, oder von Holzsäure zu einem Weinessig, welcher in seiner sauren
Gährung zurückblieb.
Ich sagte, daß die Menge des schwefelsauren Kalks immer größer erscheint, als sie
ist; wirklich beträgt sie selten mehr als 5 Decigramme im Liter Essig; ich erhielt
ein einzigesmal von einem Krämer zu Montrouge Essig welcher durch salpetersauren
Baryt augenblicklich trübe und schlammig wurde und doch gab ein Liter nur 2 Gramme
geglühten schwefelsauren Baryt, und der mit oralsaurem Ammoniak gefällte Kalk
entsprach nach dem Auswaschen und Glühen 7 Decigrammen kohlensauren Kalks. Die 2
Gramme schwefelsauren Baryts entsprechen 1,2 Grammen schwefelsaurem Kalk und die 7
Decigr. kohlensauren Kalks nur 0,97 desselben Salzes; daraus, daß letztere Quantität
geringer ist als erstere, darf man aber nicht schließen, daß der Essig freie
Schwefelsäure enthielt. Dieser Unterschied kann von einer kleinen Menge
schwefelsauren Kalis oder auch davon herrühren, daß der kohlensaure Kalt in der
Rothglühhitze zum Theil zu Aetzkalk wird, wodurch die Quantität des geglühten
Products vermindert wird. So viel ist gewiß, daß ein Essig welcher 12 Decigr.
schwefelsauren Kalk im Liter enthält, aus diesem Grunde allein nicht als der
Gesundheit schädlich erklärt und verboten werden kann; dieß sollte aber geschehen,
wenn man außerdem noch findet, daß er sich nicht hinlänglich sauer verhält, oder daß
ihm scharfe und aromatische Substanzen zugesetzt wurden, um seinen geringen
Säuregehalt zu maskiren; oder endlich, wenn er trotz seiner schlechten Qualität dem
Publicum doch als guter (Orleans-) Essig oder Weinessig verkauft wird, weil
dieß den Käufer über die Beschaffenheit und Güte der Waare täuschen heißt.Chevallier, welcher im Jahr 1842 einen von S. zu
Paris fabricirten Essig und noch andere, durch Vermischung desselben mit
Orleans-Essig erzeugte Essige zu prüfen hatte, fand, daß S's. Essig,
welcher aus Waschwassern von Zuckerformen und andern zuckerhaltigen
Substanzen von sehr schlechter Qualität fabricirt war, nur halb so viel
Essigsäure enthielt als guter Orleans-Essig; ferner fand er daß
derselbe 2,8 Gramme schwefelsauren Kalk per
Liter und statt Weinsteins eine dem Dextrin ähnliche gummiartige Substanz
enthielt. Der gemischte Essig enthielt 1,8 Gramme schwefelsauren Kalk per Liter und besaß die durchschnittlichen
Eigenschaften der vermischten Flüssigkeiten. Chevallier trug auf Confiscation (suppression) dieser Flüssigkeiten an, obgleich sie nichts
Schädliches enthielten, weil sie den Zweck des Käufers nicht erfüllten,
welcher ihn für Weinessig zahlte und folglich über die Beschaffenheit seiner
Waare getäuscht wurde. (Journal de Chimie
médicale, 1843.)
Salzsäure. Chevallier mißbilligte das directe Zusetzen
von salpetersaurem Silber zum Essig, um die Gegenwart von Salzsäure darin zu
entdecken, und empfahl 500 Gramme Essig in einer mit Vorstoß und Vorlage versehenen
Retorte zu destilliren und die destillirte Flüssigkeit dann mit salpetersaurem
Silber zu versetzen. Ich überzeugte mich jedoch daß wenn man dem Essig direct
salpetersaures Silber zusetzt, seine Reinheit durch dieses Reagens allerdings zu
erkennen ist, indem der reine Weinessig eine Zeit lang nach dem Zusatz durchsichtig
bleibt, und die meisten in Orleans fabricirten Essige sehr unbedeutend durch
Silberauflösung getrübt werden.Nach 24 Stunden findet man bei jedem Essig auf dem Boden einen schwarzen
Niederschlag, welcher der Reduction des Silbers durch einen Bestandtheil des
Essigs zuzuschreiben ist. Es schien mir, als seyen es die besten Essige,
welche diese Reduction am stärksten bewirken. Im Gegentheil braucht man 100 Gramme reinen Essigs nur zwei Tropfen
Salzsäure zuzusetzen, um mit dem Silbersalz augenblicklich einen weißen Niederschlag
von Chlorsilber zu erhalten. Der directe Zusatz von Silbersalpeter zum Essig ist
daher ein gutes Mittel, um zu sehen, ob der Essig Salzsäure enthält oder nicht. Das
von Chevallier angegebene Verfahren müßte man sich für
den Fall vorbehalten, wo die Salzsäure quantitativ bestimmt werden soll. Auch müßte
man dann zur Vorsicht dem Rückstand von der Destillation ein- oder zweimal
Wasser zusetzen und nachher noch einmal destilliren, um die größtmögliche Menge
Salzsäure in der Vorlage zu erhalten.
Weinsteinsäure. Um diese Verfälschung, welche schon
einigemal vorkam, zu entdecken, empfahl Chevallier den
Essig auf ein Viertel seines Volums abzudampfen, ihn erkalten zu lassen, damit sich
das
doppelt-weinsteinsaure Kali abseht, und die filtrirte Flüssigkeit in eine
concentrirte Auflösung von Chlorkalium zu gießen und umzurühren. Wenn der Essig
freie Weinsteinsäure enthielt, so erzeugt sich ein neuer Bodensatz von
Weinsteinrahm; im entgegengesetzten Fall zeigt sich nichts.
Nach Lassaigne enthält der weiße Orleans-Essig im
Liter durchschnittlich 2,5 Gramme doppelt-weinsteinsaures Kali, welche durch
Abdampfen und Krystallisiren der Flüssigkeit erhalten werden können. An diesem
Verhalten kann auch der Ursprung eines Essigs erkannt werden, obwohl es einleuchtet,
daß jeder Essigsäure so viel Weinstein zugesetzt werden kann, als der Weinessig
enthalten soll.
Prüfung mittelst kohlensauren Natrons. Nachdem nun im
Vorhergehenden die Mittel angegeben wurden, um zu erkennen, ob die Acidität eines
Essigs nicht irgend einer andern Säure als der Essigsäure zuzuschreiben ist, bleibt
nun noch der Grad dieser Acidität durch Sättigung des Essigs mittelst eines ätzenden
oder kohlensauren Alkalis zu ermitteln übrig; hier thut uns nur die Wahl weh.
Descroizilles schlug das Aetznatron vor; Bussy den kohlensauren Kalt; Soubeiran das kohlensaure Kali; Chevallier das
kohlensaure Natron.Prof. Otto und Dr. Wagenmann empfahlen das Aetzammoniak, wobei man
die Probe mit Sicherheit in der Kälte vornehmen
kann; man vergl. polytechn. Journal Bd.
LXXVI S. 280 und Bd. LXXXIV S.
452. Wohl anerkennend, daß das eine wie das andere dieser Agentien gleich
anwendbar ist, gebe ich doch dem kohlensauren Natron den Vorzug; nur verfahre ich
etwas anders als Chevallier und beschränke mich darauf
das zur Neutralisation der Säure erforderliche Mengenverhältniß in Procenten von
kohlensaurem Salze anzugeben, ohne daß eine Graduirung in Bezug auf eine Einheit
angenommen würde, was mir mit der complicirten und wandelbaren Natur des Weinessigs
nicht vereinbar zu seyn scheint.
Die hiezu erforderlichen Geräthe sind überall zu haben und bei vielen ähnlichen
Prüfungen gebräuchlich, nämlich:
1) ein gläsernes Maaßgefäß, welches 1/2 Liter oder 500 Kubikcentimeter faßt;
2) ein anderes Maaßgefäß oder sonst eine graduirte Röhre, worin 49 Kubikcentimeter
Essig abgemessen oder 50 Gramme von etwa 1018 bis 1020 Dichtigkeit abgewogen werden
können;
3) eine graduirte Röhre, unten mit einem Heber versehen, die 70 bis 75
Kubikcentimeter faßt und in halbe Centimeter abgetheilt ist, in der also 50 Centimeter 100
Abtheilungen bilden, wovon 10 einen Grad bilden, wornach
also jeder Grad in 10 Theile abgetheilt ist;
4) ein Glaskolben von ungefähr 3 Deciliter Inhalt;
5) ein Glasstab und blaues Lackmuspapier.
Ich nehme reines und getrocknetes kohlensaures Natron; wie sorgfältig das Salz aber
auch aufbewahrt gewesen seyn mag, so erhitze ich dasselbe jederzeit zum Rothglühen,
ehe ich dasselbe anwende, und wäge 50 Gramme davon ab, die ich in destillirtes
Wasser in dem Halblitergefäß auflöse, so daß genau 1/2 Liter oder 500
Kubikcentimeter Auflösung erhalten werden. Diese acetimetrische (essigprüfende) Flüssigkeit
bewahre ich in einer verstopften Flasche auf.
Ein Kubikcentimeter dieser Flüssigkeit
enthält
0,10 Gr
trocknen
kohlensauren Natrons.
Ein halber Centimeter oder eine
Abtheilung
0,05
„
„
Zehn halbe Centimeter oder ein Grad
0,50
„
„
Läßt man diese Flüssigkeit auf 50 Gramme Essig einwirken, so sieht man sogleich, daß
jeder Grad einem Hunderttheil kohlensauren Natrons entspricht, und jede Abtheilung
oder jeder Zehntelsgrad einem Tausendtheil.
Um den Sättigungspunkt zu erkennen, bedienen sich einige der Lakmustinctur, welche
sie dem Essig zusetzen und sie halten die Neutralität (Sättigung) für erreicht, wenn
die dem Essig ertheilte rothe Farbe ins Bläulich-Violette übergeht. Da aber
der Essig für sich allein, wenn er diesem Sättigungsgrad nahe ist, sich braun färbt,
so läßt sich auf diese Weise der Augenblick wo dieser Zustand eintritt, sehr schwer
genau beurtheilen, und ich ziehe es bei weitem vor, die Sättigung durch einen auf
blaues Lackmuspapier gebrachten Tropfen Flüssigkeit zu beurtheilen. Da man bei
solchen Versuchen der wirklichen Neutralisation sicher seyn muß, so halte ich es
nicht für genügend, die Flüssigkeit unter öfterm Umrühren zu erhitzen, um die
Kohlensäure auszutreiben, welche momentan das Lakmus röthend, Irrthum veranlassen
und zu dem Zusetzen einer weitern Quantität kohlensauren Natrons veranlassen könnte;
sondern die Flüssigkeit muß gegen das Ende vollkommen zum
Sieden gebracht werden, damit man gewiß ist, daß alle Kohlensäure
ausgetrieben ist. Auf folgende Weise überzeugte ich mich von der Nothwendigkeit
dieses Verfahrens.
Als ich den Gehalt einer krystallisirten Essigsäure bestimmen sollte, vermischte ich
sie zuerst mit 9 Theilen Wasser, um sie auf das Zehntel reiner Säure zu verdünnen,
und beim Prüfen derselben mit der acetimetrischen Flüssigkeit, wobei sie, wie eben
erwähnt, nur erhitzt wurde, ohne zum Kochen gebracht zu werden, mußte ich 9,4 Grade
alkalischer Flüssigkeit
zusehen, um den auf das blaue Papier gebrachten Tropfen dahin zu bringen, daß er
dasselbe gar nicht mehr röthete. Nun entspricht nach dem Verhältniß der Atomgewichte
des trocknen kohlensauren Natrons und der Essigsäure mit 1 Atom Wasser (662,50 :
750) ein acetimetrischer Grad: 1,132 Essigsäure und 9,4 Grade: 10,54 Essigsäure.
Multiplicirt man diese Quantität mit 10, so erhält man 105,4 für das Quantum Säure
mit 1 Atom Wasser, welches in 100 Theilen krystallisirter Säure enthalten ist,
woraus hervorgeht, daß die angewandte Menge kohlensauren Natrons zu groß war.
Hierauf begann ich den Versuch von vorn und mit größerer Vorsicht, indem ich die
Flüssigkeit kochen ließ, wobei die entstandene
Malagafarbe anzeigte, daß ich mich dem Neutralisationspunkt nähere. Ich brauchte nun
nur 8,9 kohlensauren Natrons, um die Flüssigkeit dahin zu bringen, daß sie Lackmus
gar nicht mehr röthete. Dieses Quantum mit 10 multiplicirt, entspricht auch noch
100,75 Essigsäure mit 1 Atom Wasser auf 100 krystallisirbare Säure. Ich hätte nur
8,833 Flüssigkeit, oder 88,33 kohlensaures Natron auf 100 Essigsäure nehmen
sollen.Man wird vielleicht fragen, warum ich, statt den Gehalt der acetimetrischen
Flüssigkeit so zu wählen, daß jeder Grad einem Hunderttheil Essigsäure mit 1
Atom Wasser entspricht (was leicht zu machen gewesen wäre durch Auflösen von
44,16 Gr. statt 50 Gr. kohlensauren Natrons in 1/2 Liter Wasser), es nur so
machte, daß jeder Grad 1 Hunderttheil kohlensauren Natrons angibt.
Allerdings wäre, wenn man stets mehr oder weniger mit Wasser verdünnte
Essigsäure zu prüfen hätte, der Gehalt der Flüssigkeit so einzurichten, daß
jeder Grad einem Hunderttheil reiner Säure entspräche; da es aber
hauptsächlich darum zu thun ist, Essige zu prüfen, die in ihrem normalen
Zustand Weinstein enthalten, so würde die Probeflüssigkeit in diesem Falle
doch nie die wirkliche Quantität der Essigsäure anzeigen.
Auf dieselbe Weise bestimmte ich den Werth einer Holzessigsäure, welche mit der
Essigwage 8 Grade (1059 Dichtigkeit) anzeigte, was auf beinahe reine Säure
hindeutete; als ich dieselbe auf das Zehnfache verdünnte, erforderte sie nur 3,4
Grade acetimetrischer Flüssigkeit oder 3,4 Hunderttheile kohlensauren Natrons,
welche 3,85 Säure mit 1 Atom Wasser entsprechen. 100 Theile dieser Säure enthielten
also nur 38,5 Säure mit 1 Atom Wasser, und ihre Dichtigkeit war ihr durch einen
Zusatz von essigsaurem Natron künstlich gegeben, wovon ich mich durch Abdampfen
derselben zur Trockne überzeugte.
Auf folgende Weise endlich bestimmt man den Säuregrad eines Essigs in Procenten
kohlensauren Natrons.
Man mißt 49 Kubikcentimeter oder was gleich ist, wägt 50 Gr. davon ab, bringt ihn in
einen kleinen Glaskolben, schwenkt das erste Gefäß mit etwas Wasser aus und setzt
das Ausgeschwenkte dem Essig zu.
Man füllt die graduirte Röhre mit Auflösung von kohlensaurem Natron bis die
Oberfläche der Flüsigkeit 0 der Scale berührt und gießt dann ungefähr 30
Abtheilungen oder 3 Grade in den Essig. Es gibt schlechte Essige, die auch nicht
mehr bedürfen. Hierauf erwärmt man den Essig und wenn die Farbe desselben dunkler
wird und sich derjenigen des Malagaweins nähert, erhitzt man ihn noch weiter bis zum
Sieden und prüft dann die Flüssigkeit durch Herausnehmen eines Tropfens mit einem
Glasstäbchen, welchen man auf ein Streifchen blauen Lackmuspapiers fallen läßt. Wird
das Papier noch geröthet, so setzt man noch etwas alkalische Flüssigkeit zu und
damit fährt man vorsichtig fort, bis die Farbe des Papiers nicht mehr verändert
wird. Die Anzahl der gebrauchten Grade deutet auf eben so viele Hunderttheile
kohlensauren Natrons und, wie ich oben schon sagte, entspricht jeder Hunderttheil:
1,32 Essigsäure mit 1 Atom Wasser. Etwas Uebung erleichtert übrigens diese Versuche
sehr. Ein sehr klarer und dunkelgelber Essig ist gewöhnlich von guter Qualität und
erfordert über 6 Hunderttheile des kohlensauren Salzes; ein blasser und
opalisirender Essig erfordert davon gewöhnlich viel weniger.
So lange die Farbe des Essigs sich nicht verändert, kann man sicher seyn daß man noch
weit vom Sättigungspunkt entfernt ist; wird sie aber dunkler, dem Malagawein
ähnlich, so muß man den Essig zum Kochen bringen und vorsichtiger prüfen. So lange
der Essig noch Acidität besitzt, trübt er sich durch das Kochen nicht; sobald er
aber vollkommen neutralisirt ist, trübt er sich durch den niedergeschlagenen
kohlensauren Kalk. Wenn dieses letztere Merkmal eintritt, ehe man die Flüssigkeit
schon zu wiederholtenmalen geprüft hat, so ist zu befürchten, daß man die
Neutralisationsgränze schon überschritten habe, wo man dann wieder von vorn anfangen
müßte, unter vorsichtigerm Zusatz des kohlensauren Alkali's.
Die HHrn. Chevallier, Gobley und Journeil haben (im Journal de Chimie
médicinale. 1843) ihre Versuche mit 20 Proben von
Orleans-Essig bekannt gemacht, von welchen
5 zu ihrer Sättigung
7–7,4
Hundertel kohlensauren Natrons erforderten,
8
„ „
6,5–6,9
„ „ „
7
„ „
6–6,4
„ „ „
Auch ich stellte viele Versuche mit Proben an, welche im J. 1845 bei allen
Essigfabrikanten zu Orleans auf Anordnung des Handelsministeriums auf Gerathewohl
aus den Vorrathsfässern abgezogen wurden, und bedurfte zu deren Sättigung folgender,
in abnehmender Ordnung gereihter Quantitäten kohlensauren Natrons, nämlich 8,3; 7,7; 7,5; 7,4; 7,4; 7,3;
7; 6,9; 6,8; 6,6; 6,5; 6;3; 5,8; 5,7; 4,9; 3,0.
Es wäre groß gefehlt, wenn man aus allen diesen Zahlen eine mittlere ziehen wollte,
um daraus eine Normalzahl für den Wein- (oder Orleans-) Essig zu
bilden; denn die vier letzten, vorzüglich aber die zwei letztern Zahlen, gehören
einer zu schlechten Sorte an, um sie als gesetzmäßige Waare Passiren lassen zu
können; wenn aber unter 36 Versuchen, obige von Chevallier etc. inbegriffen, 12 sind, die für Orleans-Essig eine 7
Hunderttheile kohlensauren Natrons übersteigende Sättigungskraft ergeben, so kann
man diese Stärke als leicht zu erzielen und als die erste Qualität Essig darstellend
betrachten. Da ferner unter denselben 36 Proben ebenfalls 12 sind, deren Stärke
zwischen 5 und 7 Hunderttheile fällt, so ist diese Stärke wohl als der Ausdruck
einer zweiten guten Handelssorte zu betrachten. Eben so können die 8 zwischen 6 und
6,5 Hunderttheilen kohlensauren Natrons begriffenen Proben eine dritte, im Handel zu
verhältnißmäßig billigerem Preise zuzulassende Qualität bilden. Die Essige unter 6
Grad hingegen halte ich nicht für gesetzmäßig und kaufrecht, und ich möchte
behaupten daß solche unter 5 Graden Sättigung als betrügerische Waare mit Beschlag
belegt werden sollten.
Ich will zum Schluß die Kennzeichen eines guten Weinessigs noch einmal
zusammenfassen.
Solcher Essig ist klar, etwas fahl- und ziemlich dunkelgelb, zeigt 1018 bis
1020 Dichtigkeit (2,50 bis 2,75° an der Baumé'schen Essigwage). Sein Geschmack ist sehr sauer, aber
durchaus nicht scharf und er macht die Zähne mit der Zunge nicht runzelig
anzufühlen. Durch salpetersauren Baryt und oralsaures Ammoniak wird er ein wenig,
und durch salpetersaures Silber nur sehr wenig getrübt. Er sättigt 6 bis 8
Hunderttheile seines Gewichts wasserfreies kohlensaures Natron und ist von desto
größerm Werth, je größer sein Säuregehalt zwischen diesen beiden Gränzen ist. Beim
Neutralisiren nimmt er die Farbe des Malagaweins an und zugleich einen etwas
weinartigen Geruch, ohne empyreumatischen Nebengeruch. Er enthält ungefähr 2,5
Gramme Weinstein im Liter, aber weder eine gummiartige Substanz, noch Dextrin, noch
Stärkezucker. Auch enthält er keine Metallsubstanz, welche mit
schwefelwasserstoffsamem Alkali eine schwärzlichbraune, oder mit Blutlaugensalz eine
ziegelrothe Färbung hervorbringen könnte.
Jeder Essig, welcher von diesen Merkmalen stark abweicht, nämlich trübe, sehr
blaßgelb, von einer Dichtigkeit unter 1016, nur schwach sauer ist, und weniger als 6
Hundertel kohlensauren Natrons sättigt, oder der die Zähne abstumpft und mit salpetersaurem Baryt
oder salpetersaurem Silber augenblicklich einen reichlichen Niederschlag gibt,
oder einen scharfen Geschmack, einen unangenehmen Geruch hat,
oder durch schwefelwasserstoffsaures Kali schwärzlichbraun, oder durch Blutlaugensalz
roth gefärbt wird, ist als verdächtig zu betrachten und einer weitern Prüfung zu
unterziehen, welche über seine Qualität ein bestimmtes Urtheil zuläßt.