Titel: | Neues System der Canalschifffahrt; von F. A. Taurinus. |
Autor: | F. A. Taurinus |
Fundstelle: | Band 103, Jahrgang 1847, Nr. XIX., S. 82 |
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XIX.
Neues System der Canalschifffahrt; von F. A. Taurinus.
Taurinus' System der Canalschifffahrt.
Bei unsern schiffbaren Flüssen und Canälen dienen bekanntlich die gewöhnlichen
Kammerschleußen dazu, den Uebergang eines Fahrzeugs aus einem Wasserstand in den
andern zu vermitteln. Diese Einrichtung erforderte bisher einen außerordentlichen
Wasseraufwand. Sollen mehrere Fahrzeuge unmittelbar hintereinander aufwärts oder
unmittelbar hintereinander abwärts durch die Schleuße gehen, so muß diese jedesmal
von neuem gefüllt werden: beträgt daher z.B. ihre Länge 100', ihre Breite 20, und
die Höhe des Falls oder der Unterschied des obern und untern Wasserspiegels 10', so
erfordert jede vollständige Füllung der Schleuße einen Wasserzufluß von oben von
20,000 Kubikfuß.
Bei einer so großen Consumtion ist es leicht erklärbar, daß die bedeutendsten Canäle
oft im hohen Sommer Wassermangel leiden und die Schifffahrt gerade in der zum
Transport günstigsten Jahreszeit Aufenthalt und Unterbrechungen erfährt. Die erste
Frage bei der Anlage eines Canals mußte bisher die seyn, ob man jeder Zeit und für
jeden Punkt des Canals, hauptsächlich aber auf den Wasserscheiden, die er
durchschneidet, die nöthige Wassermenge werde auftreiben können. Die beständige
Rücksicht auf die Speisung des Canals nöthigte oft zu einer veränderten Richtung
desselben, zu kostbaren Durchgrabungen oder Ueberbrückungen, zur Anlage von
künstlichen Reservoirs, wo sich keine natürlichen darboten, wo diese Hülfsmittel
nicht ausreichten, mußte die Anlage unterbleiben. Man kann behaupten, daß durch
diese Rücksichten die Canalanlagen bisher nur auf besonders günstige
Localverhältnisse beschränkt waren.
Indessen lehrt eine leichte Betrachtung, daß ein so großer Wasseraufwand keineswegs
nothwendig ist. Betrachtet man das absolute Gewicht eines Fahrzeugs, nämlich sein
eignes Gewicht und die Fracht zusammen, als eine schwere Masse, die von einer
gewissen Höhe herabsinkt, so ist sie nach statischen Gesetzen im Stande ein Wasservolum von gleichem Gewicht
auf dieselbe Höhe zu erheben, und dieses gehobene Wasservolum wird wieder im Stande
seyn ein ähnliches Fahrzeug bis zu derselben Höhe aufzuwiegen, so daß in den meisten
Fällen eine mehr oder minder vollständige Compensation der Gewichte eintreten
könnte. Es ist alsdann Aufgabe der Mechanik, dieses Princip auf die zweckmäßigste
und einfachste Art zur Ausführung zu bringen. Hienach läßt sich auch beurtheilen,
welcher Theil des Wasseraufwandes bei den gewöhnlichen Schleußen als Wasser-
oder Kraftverlust betrachtet werden muß. Nehmen wir bei den obigen Dimensionen der
Schleuße ein Fahrzeug von 1800 Cntr. (preußisch) absoluten Gewichts an, das daher
3000 Kubikfuß (preußisch) Wasser aus der Stelle treibt, so finden folgende Fälle
statt:
1) Die Schleuße ist leer und ein Fahrzeug soll aufwärts durchgeschleußt werden; hier
beträgt der Wasseraufwand 23,000 Kubikfuß, denn nicht nur die Schleuße ist
vollständig zu füllen, sondern das Fahrzeug verdrängt auch noch bei seinem Austritt
in den obern Canal 3000 Kubikfuß in die Schleuße. Hier sind 20,000 Kubikfuß als
Verlust zu betrachten, denn 3000 Kubikfuß waren nöthig um das
Fahrzeug zu heben.
2) Die Schleuße ist leer, und ein Fahrzeug soll abwärts durchgeschleußt werden: hier
beträgt der Wasseraufwand zwar nur 17,000 Kubikfuß, indem das Fahrzeug bei seinem
Eintritt in die gefüllte Schleuße sogleich wieder 3000 Kubikfuß in die obere
Canalhaltung zurückdrängt: der Kraftverlust muß aber hier gleichfalls auf 20,000
Kubikfuß angeschlagen werden, denn das Fahrzeug hätte durch sein Gewicht 3000
Kubikfuß in den obern Canal heben können, die nützlich zu verwenden gewesen
wären.
3) Ein Schiff wird gehoben und unmittelbar darauf ein anderes niedergelassen. In
diesem Fall tritt an die Stelle des einen sogleich ein anderes; das Wasserconsum und
der Verlust beträgt 20,000 Kubikfuß, also für jedes Fahrzeug nur halb so viel wie
vorhin; dieser Fall ist also in Rücksicht der Oekonomie der Kraft der günstigste,
nur kann weder der regelmäßige Wechsel, noch die gleiche Belastung der Schiffe
willkürlich angeordnet werden.
Der Verlust an bewegender Kraft bei dieser Einrichtung ist bedeutend genug. 20,000
Kubikfuß Wasser, die von einer Höhe von 10 Kubikfuß herabsinken, bilden ein Moment
von 120,000 Cntr. einen Fuß hoch gehoben: eine Kraft gleich der wirklichen Leistung
eines Pferdes während einer ganzen Tagesarbeit, durch welche das nämliche Fahrzeug
5 Meilen weit auf dem
Canal fortgezogen, oder die sonst zu industriellen und agronomischen Zwecken
nützlich verwendet werden könnte.
Ist dagegen ein Schleußensystem ausführbar, das allen Kraftverlust vermeidet, so
bieten sich in einem längeren Zeitraum, während dessen sich alle Unregelmäßigkeiten
im Betrieb des Canals ausgleichen, folgende verschiedene Fälle dar:
1) Die abwärts und aufwärts gehenden Bruttolasten sind gleich; hier findet
vollkommene Compensation statt, es ist eigentlich gar keine bewegende Kraft nöthig;
nur soviel Wasserzufluß wird erfordert um den unvermeidlichen Verlust wegen
unvollkommener Wasserhaltigkeit der Apparate oder den Verlust zu ersetzen, den der
Canal durch Verdunstung erleidet, welcher letztere aber sehr unbedeutend ist. Diesem
Fall steht auch der gleich, wenn der Canal ein Plateau bloß überschreitet, ohne daß
die Fahrzeuge ausladen; hier ist auf dem höchsten Punkt gar kein Wasserzufluß zum
Betrieb nöthig, also gerade in dem Fall, wo man bisher am meisten für die Speisung
des Canals besorgt war. Aus diesem Gesichtspunkt erscheinen also die kostbaren
künstlichen Reservoirs auf der Wasserscheide des Languedoc-Canals als ein
überflüssiger mechanischer Luxus. Derselbe Fall tritt ein, wenn ein Thal ohne
Wasserverlust überschritten werden soll, wo die Canalführung auf kostbaren Dämmen
oder Bogenstellungen, wie man sie oftmals angewendet findet, völlig überflüssig
wird.
2) Die abwärts gehenden Bruttolasten übersteigen die aufwärtsgehenden. Dieses ist der
günstigste Fall. Wenn also z.B. aus einem höher gelegenen Bergwerke Massen nach
tiefer gelegenen Gegenden gefördert werden sollen und die Schiffe meistens leer
zurückkehren, so dürfte der Canal durch absolut wasserarme Gegenden führen, denn
durch die Function der Schleußen würde immer so viel Wasser in die Höhe geschafft
werden, um den Canal im gehörigen Wasserstande zu erhalten.
3) Die aufwärts gehenden Lasten haben das Uebergewicht. Dieser Fall ist der
ungünstigste, denn er erfordert einen Wasserzufluß von oben, jedoch auch nur im
Verhältniß des Unterschieds der auf- und abwärtsgehenden Bruttolasten, oder,
wenn die nämliche Zahl von Fahrzeugen zurückkehrt, im Verhältniß des Unterschieds
der auf- und abwärtsgehenden Nettolasten.
Ein Beispiel wird den Unterschied vom gewöhnlichen Systeme deutlich machen. Es sey
ein Canal von einer Stelle a aus über einen höheren
Punkt b nach einem wieder tiefer gelegenen Ort c geführt: die senkrechte Höhe ba sey = H, bc = h. Nimmt man an,
es gehe die nämliche Zahl
von Fahrzeugen n, deren Gewicht = O, hin und her, der Raum einer Schleuße sey v,
die Fracht von a nach c sey
M, von c nach a = N, so hat man den
Wasseraufwand nach dem gewöhnlichen System: 1) von a
nach b: = nvH + OH + MH; 2) von b nach c: = nvh – Oh – Mh; 3) von c nach b: = nvh + Oh + Nh; 4) von b nach a: = nvH – OH – NH: zusammen also
= 2nv (H
+ h) + (M – N) (H – h).
Das zweite Glied verschwindet in zwei Fällen, 1) wenn M =
N, 2) wenn H = h. Nehmen wir einen dieser Fälle, so ist der
Wasseraufwand = 2nv (H + h), und dieser reducirt sich im günstigsten Fall, wenn
nämlich jedesmal ein abwärtsgehendes Schiff mit einem gleich belasteten
aufwärtsgehenden abwechselt, auf die Hälfte oder nv (H + h). Dieß ist also das
Minimum des Wasseraufwandes nach dem gewöhnlichen System, welcher aber nach einem
vollkommneren Schleußensystem ganz erspart wird. Ganz derselbe Fall tritt ein, wenn
man den Punkt b anstatt über a und c, vielmehr tiefer gelegen annimmt.
Diese an sich ganz einfachen, aber für die Canalführung sehr wichtigen Verhältnisse
sind meines Wissens nie in dieser Allgemeinheit aufgefaßt worden, dagegen hat es
nicht an Versuchen gefehlt, den übermäßigen Wasserverbrauch der Schleußen zu
vermindern. Man hat sogar den Vorschlag gemacht, die Schiffe ohne irgend einen
Wasseraufwand aus einem Niveau ins andere zu heben, wobei also andere Kräfte zu
Hülfe genommen werden müßten: indessen wäre es vor allem wichtig, nur diejenige
Oekonomie der Kraft auch bei den Schleußen, bei welchen bisher die größte
Kraftverschwendung statt fand, einzuführen, die man sonst überall der Mechanik zum
Gesetz macht. Der glücklichste Versuch dieser Art ist das Schleußensystem von Girard,Polytechn. Journal Bd. XCIX. S.
163. welches in Frankreich neuerdings große Anerkennung gefunden hat, und von Poncelet mit Recht als eine der glücklichsten
Combinationen der neuern Mechanik bezeichnet und dem Ministerium der öffentlichen
Arbeiten zur Ausführung empfohlen worden ist. – Schon vor mehreren Jahren
hatte ich den nämlichen Gedanken aufgefaßt; ich hatte gleichfalls gefunden, daß
durch schwimmende Gefäße die Wasserconsumtion außerordentlich vermindert werden
kann, ohne jedoch gerade diese Idee soweit zu verfolgen als Girard, hauptsächlich aus dem Grunde, weil ich mich bald überzeugte, daß
das hier vorliegende Problem auf einem ganz verschiedenen Weg weit einfacher und
vollständiger gelöst werden kann. Nachdem mir daher die erste unvollständige Notiz von der Girard'schen Erfindung, im November v. J., zugekommen
war, reichte ich eine Beschreibung meines Systems dem k. preuß. Finanzministerium
ein, welches dasselbe auch im Februar d. J. als neu und eigenthümlich anerkannt, und
mir darauf im April d. J. ein Patent mit einem sehr erweiterten Termin zur
Ausführung ertheilt hat.
Mein System unterscheidet sich vom Girard'schen durch
folgende wesentliche Punkte:
1) Die Nebenschleuße, welche bei der Girard'schen
Erfindung nur zur Auf- und Niederbewegung des schwimmenden Gefäßes dient,
fällt als solche weg.
2) Der Wasserverlust wird gänzlich vermieden. Schon bei dem Girard'schen System ist der eigentliche Kraftverlust (nach dem oben
festgestellten Begriff) außerordentlich vermindert, auf 1/10 und weniger, dennoch
bleibt es wünschenswerth, auch diesen zu beseitigen.
3) Die Function der Schleußen geht mit der größten Leichtigkeit und Schnelligkeit von
statten, und da die zur Einführung und Ausführung der Schiffe erforderliche Zeit
durch eine sehr einfache Einrichtung auf ein Minimum beschränkt werden kann, so daß
bei der Vergleichung beider Systeme hauptsächlich nur die Zeit der Function der
Schleuße selbst in Betracht kommt, so ist unter gleichen Umständen, da hier die
Schleuße als Doppelschleuße wirkt, die Beförderung wenigstens achtmal schneller
– ein für die Bequemlichkeit der Schifffahrt sehr beachtenswerther
Vortheil.
Die Erfindung erfüllt also jede mechanische Anforderung vollständiger, als von irgend
einem Gegenstand der Mechanik gesagt werden kann; sie kann auch durch keine andere
überboten werden. Bei näherer Betrachtung ergeben sich auch noch einige andere
Vortheile. Der Wasserstand im Canal wird niemals verändert, während nach dem Girard'schen System der Canal meistentheils zugleich ein
Reservoir bildet, dem große Wassermassen ab- und zuströmen. Die
Wasserconsumtion der Girard'schen Schleußen ist nämlich
doppelt so groß, als gewöhnlich, und der Vortheil besteht nur darin, daß das Wasser
größtentheils an seine frühere Stelle wieder zurückströmt. Dieses Ab- und
Zuströmen fällt hier gänzlich weg, und dadurch ist eine
leichtere Bauart und größere Schonung der Schleußen bedingt. Bei diesen sind die
unteren Schleußenthore, welche den größten Druck erfahren und das Entweichen des
Wassers am meisten begünstigen, entbehrlich; es ist damit auch der Vortheil
verbunden, daß die Schleußen nicht verlängert zu werden brauchen, um Bauholz oder
andere Gegenstände von großem Raume durchgehen zu lassen, wenn sie so geladen sind, daß
sie nur auf der Vorder- oder Rückseite des Schiffs über dasselbe
hervorragen.
Eine sehr beachtenswerthe Anwendung des Systems scheint noch in dem Fall möglich, wo
hochbeladene Fahrzeuge unter einer niedrigen Brücke durchzuführen sind. Es wird
nicht selten der Fall vorkommen, daß der natürliche Wasserspiegel nur wenig unter
der gewöhnlichen Bodenfläche einer bedeutenden Stadt liegt, so daß nur die
Alternative bleibt, entweder die Brücken, welche die einzelnen Stadtheile verbinden,
in erhöhten Bogen mit steilen Auffahrten anzulegen, oder sie zur zeitweisen Oeffnung
für den Durchgang der Schiffe einzurichten, wodurch bald der Verkehr zu Lande, bald
zu Wasser unterbrochen wird. Dagegen lassen sich durch die neuen Schleußen Schiffe
auf das leichteste und schnellste herablassen, unter der Brücke durchführen und
jenseits wieder in die Höhe heben: man kann die Brücke in völlig horizontaler Linie
führen und weder die eine noch die andere Communication findet sich gehindert.
Ueber die Fälle der Anwendung dieses Schleußensystems läßt sich im allgemeinen noch
folgendes bemerken: wo sich Wasser zur Speisung der Schleußen zu jeder Zeit in
Ueberfluß findet, wo es nicht vortheilhafter zu andern Zwecken verwendet werden
kann, auch der Verkehr nicht so bedeutend ist, um eine schnellere Function der
Schleußen wünschenswerth zu machen, kann man sich mit der gewöhnlichen, einfacheren
und wohlfeileren Einrichtung begnügen: in allen andern Fällen, wo auch die Girard'sche Erfindung nicht ausreicht, scheint das neue
System eine unfehlbare und treffliche Aushülfe, theils bei schon bestehenden
Canälen, theils um neue unter solchen Verhältnissen anzulegen, wo man bisher an
Canalanlagen nicht denken konnte.
Mit diesem Schleußensystem verbinde ich noch einen andern Vorschlag. Bei den
Schleußen kam es darauf an, die Verschwendung der bewegenden Kraft zu beschränken;
hier aber fragt es sich um die Benutzung der bewegenden Kraft des Wassers, wo sie
gegeben ist, für die Zwecke der Canalschifffahrt. Schon vor mehreren Jahren hatte
ich ein hydraulisches Bewegungssystem angegeben und eine Anwendung davon auf
Eisenbahnen vorgeschlagen, die auch in manchen geeigneten Fällen statthaft seyn
möchte; dagegen schien ein solches Bewegungssystem für Canäle gleichsam von selbst
gefordert, da hier sogleich der Haupteinwurf, daß ein solcher hydraulischer
Mechanismus durch den Frost unwirksam werde, wegfällt, indem seine Wirksamkeit mit
der des Canals selbst gleichen Schritt hält. Es fand sich hier nur eine
Schwierigkeit, denn so
schwer es ist, durch einen einfachen hydraulischen Mechanismus eine so große
Geschwindigkeit zu erreichen, als jetzt auf den Eisenbahnen gewöhnlich ist, eben so
schwierig schien es, bei einer geringen Geschwindigkeit die hinreichende Kraft zu
erhalten; denn benutzt man hiezu auch eine geringe Druckhöhe, so bringt sie doch
schon eine zu große Geschwindigkeit des Wassers hervor und es geht ein zu großer
Theil der bewegenden Kraft verloren. Die Geschwindigkeit der Bewegung auf einem
Canal kann aber nur gering seyn, wenn man nicht die Vortheile des Wassertransports
aufgeben will, die hauptsächlich darin bestehen, daß bei langsamer Bewegung der
Widerstand äußerst gering und oft nur 1/10 des Widerstandes auf einer Eisenbahn ist.
Indessen habe ich mich überzeugt, daß die Schwierigkeit sich durch eine eigene
Einrichtung sehr wohl heben läßt, und daß eine hydraulische Locomotion sich bei
Canälen mit sehr geringen Kosten und mit großem Vortheil anbringen läßt.
Die Frage über den relativen Werth der Eisenbahnen und Canäle ist in neuerer Zeit
öfters zur Sprache gekommen. Von nicht wenigen ist sie unbedingt zum Vortheil der
Eisenbahnen entschieden und behauptet worden, daß diese wohl mit der Zeit das
ausschließliche Communicationsmittel bilden würden. Nic. Wood, eine der geachtetsten Autoritäten in diesem Fache, neigt sich in
seinem Werke über Eisenbahnen gleichfalls auf diese Seite; er bemerkt, daß die
Eisenbahnen schon jetzt in Kraft und Geschwindigkeit Außerordentliches leisten und
eine noch größere Entwickelung versprechen, während das System der Canalschifffahrt
seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts, seit welcher Zeit England mit einem dichten
Netze von Canälen überzogen wurde, kaum irgend eine wesentliche Verbesserung
erfahren habe, auch einer solchen nicht leicht fähig scheine; er findet die
Superiorität der Eisenbahnen besonders in der Anwendbarkeit mechanischer Motoren
begründet. Wir möchten dagegen folgendes erinnern:
1) Die Canalschifffahrt ist augenscheinlich verschiedener Grade der Vervollkommnung
fähig: dieß zeigt ein Blick auf die Schifffahrt der Chinesen, die den Vortheil der
Canäle zur Schifffahrt und Bewässerung seit den ältesten Zeiten kennen und in der
weitesten Ausdehnung benutzen, deren Schifffahrt sich aber mit den unvollkommensten
und unbequemsten Hülfsmitteln behilft, indem sie z.B. zum Uebergang der Fahrzeuge
aus einem Niveau ins andere nur Fluthschleußen oder gar schiefe Ebenen anwenden.
Leicht möchte nun die künftige Canalschifffahrt, wenn sie alle mechanischen
Vortheile benutzt, sich in gleichem Maaße günstig gegen die jetzige stellen, als diese
offenbar der chinesischen überlegen ist.
2) Die Anwendung des Dampfes ist von den Canälen nicht ausgeschlossen: man kann
Schraubenschiffe oder Dampfwagen, die auf einer Bahn nebenher laufen, zum Zug
anwenden; allein für gewöhnliche Transporte darf man keine größere Geschwindigkeit
zu erreichen suchen, wenn man nicht allen Vortheil eines möglichst geringen
Widerstandes aufopfern will; bei langsamer Bewegung aber ist eine so geringe Kraft
erforderlich, daß sich die Anwendung des Dampfes gar nicht rechtfertigen läßt. Am
vortheilhaftesten scheint also ein hydraulischer, mit geringen Kosten herstellbarer
Mechanismus, zum Ersatz der Zugkraft der Pferde, und da dieser Tag und Nacht
fortwirken kann, so können Frachten dennoch 10 Meilen in 24 Stunden zurücklegen.
Dabei bleibt immer noch die Möglichkeit, leichte bloß für den Personentransport
berechnete Fahrzeuge mit wenigstens dreifacher Geschwindigkeit zu befördern.
3) Wood glaubt zu beweisen, daß mechanisch betrachtet die
Eisenbahn stets das Uebergewicht behaupte, allein die Wahrheit ist, daß hier der
Canal stets im entschiedensten Vortheil ist. Es folgt dieß ganz einfach daraus, daß
der Widerstand auf dem Canal sehr viel geringer ist, als auf der Eisenbahn; findet
eine Neigung statt, so hat die Eisenbahn aufwärts so gut die Schwere zu überwinden,
wie der Canal, abwärts aber ist dieser im größten Vortheil, weil er die Schwere zu
Nutzen bringt, indem er Wasser hebt, während die Eisenbahn alle Mittel und Vorsicht
anwenden muß, um die Beschleunigung der Schwere zu vernichten.
4) Der Werth der Canäle muß in den meisten Fällen darnach beurtheilt werden, daß sie
eine Verbindung unter den natürlichen Wasserstraßen eröffnen; so lange diese nicht
aufhören, die Hauptpulsadern des Verkehrs zu seyn, kann kaum die Frage seyn, sie
durch Eisenbahnen zu ersetzen.
5) Der wichtigste Punkt ist ohne Zweifel, daß die Canäle wohlfeiler transportiren.
Dieser Gegenstand erforderte einen gründlichen Beweis in Zahlen, wozu aber die
nöthigen Daten noch fehlen. Die Transportkosten auf Eisenbahnen betreffen theils die
Abnutzung von Eisen und Holz der Geleise, theils die Locomotivkraft. Nach unsern
Verhältnissen kosten die Schienen einer Doppelbahn 100,000 Thlr., die Holzschwellen
25,000 Thlr. per Meile. Angenommen, die Schienen dauern
20 Jahre, wenn über jedes Geleise jährlich 100,000 Tonnen Fracht gehen, so sind in
dieser Zeit die Schienen einmal, die Schwellen aber wenigstens zweimal zu erneuern;
dieß gibt einen Aufwand von 150,000 Thlr. auf 4 Mill. Tonnen, oder 13,5 Pfennige per Tonne und Meile. Die Fahrt einer Locomotive kommt
auf 2 Thlr. per Meile, wenn man Zinsen und Abnutzung
gehörig mit in Rechnung bringt; sie muß aber bei schweren Transporten, wo mehr Zeit
und Brennstoff aufgewendet werden muß, um 1/3 höher angeschlagen werden.
Transportirt nun jeder Zug eine Fracht von 100 Tonnen, so erhält man per Tonne und Meile 10,8 Pf. – im Ganzen also
24,3 Pf.
Auf einem Canal dagegen werden die Kosten eines Fahrzeugs, das von einem Pferd
gezogen wird, auf 3 Thlr. täglich berechnet, und da damit 1000 Cntr. Fracht 4 1/2
Meilen weit gezogen werden sollen, so erhält man per
Tonne und Meile 4,8 Pf. (Dieß ist allerdings ein geringer Anschlag, denn nach M. Chevalier kostet die Fracht auf den französischen Canälen
6 1/2 Cent. per Tonne und Lieue von 4 Kilometer, mehr
als noch einmal so viel, wobei aber wahrscheinlich keine Rückfracht und eine
geringere Belastung berücksichtigt sind.) Die Fracht stellt sich demnach auf einem
Canal nur auf 1/5 der Fracht auf einer Eisenbahn, und kann ein hydraulischer
Mechanismus die Zugkraft der Pferde ersetzen, wodurch die Hälfte der Kosten
wegfällt, so sinkt die Canalfracht auf 1/10 der Eisenbahnfracht.
Was die Anlagekosten und das dafür zu erhebende Bahn- oder Canalgeld betrifft,
so darf man wohl annehmen, daß nach den Erleichterungen, die durch diese neuern
Erfindungen im Canalbau eröffnet werden, ein Canal weit weniger kostet, als eine
Eisenbahn (in Amerika 150,000 Thlr. per Meile im
Durchschnitt); die Fälle, wo Canäle größere Kosten verursachen, müssen mit
denjenigen verglichen werden, wo auch die Eisenbahnen weit über das Gewöhnliche
kosten. Hienach bleibt den Canälen, auch abgesehen von den Verbindungen, die sie in
einem Flußnetz eröffnen, und der vorzüglichen Bequemlichkeit des Transports, der für
viele Gegenstände kaum auf eine andere Art ersetzt werden kann, noch der Vorzug
einer wohlfeileren Communication, was für den allgemeinen Verkehr sehr hoch
anzuschlagen ist. Dieser Vorzug der Canäle scheint auch in neuerer Zeit, wo der
Aufschwung der Eisenbahnen den Höhepunkt erreicht hat, noch immer anerkannt: denn
gerade in dieser Zeit hat Deutschland in dem Donau-Main-Canal das
erste große Werk dieser Art erhalten. Nach öffentlichen Nachrichten hat auch Se.
Maj. der König von Preußen einen umfassenden Plan zur Herstellung der beiden
Wasserstraßen zwischen Spree und Oder genehmigt und dadurch das Andenken an die
Wiederherstellung des Finow-Canals durch Friedrich dem Großen vor hundert
Jahren auf das Ansprechendste erneuert. Auch in Nordamerika scheint die Anlage von
Canälen im größten Maaßstab durch die weiteste Ausdehnung der Eisenbahnnetze
keineswegs verbrängt.