Titel: | Ueber die Expansionsvorrichtungen, welche bei den stationären Dampfmaschinen und Locomotiven angewandt werden. |
Fundstelle: | Band 101, Jahrgang 1846, Nr. XXXIX., S. 180 |
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XXXIX.
Ueber die
Expansionsvorrichtungen, welche bei den stationären Dampfmaschinen
und Locomotiven angewandt werden.
Aus dem Bulletin de la Société d'Encouragement, März 1846, S. 105.
Mit Abbildungen auf Tab. III.
Ueber die Expansions-Vorrichtungen bei
stationären Dampfmaschinen und Locomotiven.
Die Theorie der Wirkung des Wasserdampfes zeigte, welchen
Nutzeffect man erhalten kann, wenn man den Dampf sich Expandiren
läßt, ehe er condensirt wird oder in die Atmosphäre entweicht.
Berechnet man das Maximum des Nutzeffectes für Dampf, welcher
unter einem gegebenen Druck erzeugt wird und sich unter einem
geringeren Drucke ausdehnen kann, so findet man eine große
Differenz zwischen diesem Maximum des Nutzeffectes und
demjenigen Nutzeffect, welcher aus demselben Dampfe
hervorgegangen wäre, wenn er sich nicht hätte Expandiren können,
ehe er condensirt worden oder in die Luft entwichen wäre.
Die Vorzüge der Anwendung des Dampfes mit Expansion oder
Absperrung wurden seit langer Zeit anerkannt und die Erfahrung
hat dieselben bestätigt. Es gibt eine große Anzahl von
Maschinen, deren mechanische Wirkung größer und zugleich weniger
kostspielig wurde, bloß dadurch, daß man die Expansionskraft des
Dampfes bei denselben benützt hat. Aus dieser Idee hat man
vorzüglich an den Maschinen der Gruben von Cornwallis in England
großen Nutzen gezogen, und man construirte Maschinen, welche
bloß den dritten Theil, sogar noch weniger Brennmaterial
verbrauchen, als es früher der Fall war. Diese Maschinen sind
Wasserhaltungsmaschinen, und die Verschiedenheit des Dampfdrucks
während der Expansion in den Cylindern bringt keinen
beträchtlichen Nachtheil, da die ungleichförmige Geschwindigkeit
wenig Einfluß auf den Gang der Pumpen ausübt. Man suchte bei den
Expansionsmaschinen die Ungleichmäßigkeit des Dampfdrucks
dadurch zu beseitigen, daß man mehrere Cylinder von
verschiedenen Durchmessern anwandte, bei denen der Dampf von dem
einen in den andern gelassen wurde, wobei er ein größeres
Volumen annehmen konnte, und wobei die Kolben zu gleicher Zeit
auf den Balancier wirkten. Auf diesem Princip beruhen die
Maschinen von Hornblower, Wolf etc.
Bei Maschinen mit einem einzigen Cylinder wandte man sehr große
Schwungräder und andere Mittel an.
Die Hochdruckmaschinen mit Expansion und ohne Kondensation sind
heutzutage die gebräuchlichsten; sie sind auch die einfachsten
und am leichtesten zu construiren. Da man
sich nun mit dem Bau dieser Art Maschinen am meisten
beschäftigte, mußte man natürlich Mittel suchen, durch welche
die Dampfvertheilung am vortheilhaftesten bewirkt würde, sey es
nun, daß man eine veränderliche oder eine unveränderliche
Expansion beabsichtigte. Unter den verschiedenen bis jetzt
angewandten Methoden, wodurch eine Dampfexpansion bewerkstelligt
wurde, wollen wir folgende hervorheben.
1) Man ließ anfangs den Dampf in einem zweiten Cylinder, welcher
drei-, vier- bis fünfmal so viel Rauminhalt hatte
als der erste, worin bloß Dampf mit vollem Druck gelassen wurde,
sich Expandiren. Nachdem nun der Dampf mit vollem Druck auf den
Kolben des kleinen Cylinders gewirkt hatte, ließ man ihn durch
Expansion in dem größeren wirken. Dieses System ist bei der
Maschine von Edwards angewandt (und
wurde im polytechn. Journal Bd. LXXXVIII S. 91 beschrieben).
2) Expansion in einem und demselben Cylinder und zwar mittelst
eines zweiten Dampfschiebers, welcher dem gewöhnlichen
Schiebventil beigegeben wird. Der zweite kleinere Dampfschieber
liegt bei dieser Vorrichtung in einer besonderen Dampfbüchse,
welche auf der Haupt-Dampfbüchse angebracht ist, worin
das Schiebventil, das den Dampf, über und unter den Kolben
leitet, sich bewegt; der kleinere Schieber unterbricht nach
einer gewissen Bewegung des Kolbens den Dampfzufluß zum
Haupt-Schiebventile. Dieser zweite Schieber kann mit dem
ersten die gleiche oder eine zweimal so große Geschwindigkeit
haben, je nachdem man ihn einen kleineren oder einen gleichen
Weg machen lassen will, oder je nachdem es wünschenswerth
erscheint, daß er die Dampfmündung abwechselnd von beiden
Seiten, oder immer nur von einer Seite her verschließt. In
beiden Fällen ist der Grad der Expansion veränderlich; jedoch
muß, wenn die Expansion verändert werden soll, die Maschine
jedesmal stille gestellt werden. Dieses System ist bei der
Maschine von Imbert angewandt, auf
welche wir später zurückkommen.
3) Expansion durch denselben Schieber bewirkt) welcher die
Dampfvertheilung besorgt. Diese Art von Expansion läßt sich auf
verschiedene Weise herstellen. Entweder durch ein einfaches
Kreisexcentricum, oder überhaupt durch ein Excentricum von
irgend einer Curve, oder durch ein doppeltes Excentricum, bei
welchem sich ein Theil auf dem andern verschieben läßt. Falls
ein einfaches Kreisexcentricum angewandt wird, gibt man der
Dampfmündung eine größere Höhe, als es bloß zum Zulassen des
Dampfes nothwendig wäre, und dem Dampfschieber auch ein
verhältnißmäßig größeres Spiel. Man stellt das Excentricum sogar
auch so, daß es dem Krummzapfen vorläuft oder hinter demselben
zurückbleibt, statt mit demselben zu gehen. Dieß
geschieht vorzüglich bei den Schiffsmaschinen. Wendet man ein
einfaches, anders gekrümmtes Excentricum an, so ist ein Theil
desselben so construirt, daß es den Schieber bewegt, um während
eines Theiles des Kolbenhubes die Dampfmündung zu öffnen, sein
anderer Theil hingegen so eingerichtet, daß er diese Mündung
verschließt und während des noch übrigen Theiles des Kolbenhubes
geschlossen erhält. Um die Expansion veränderlich zu machen, muß
man das Excentricum entweder ganz auswechseln, oder doch
wenigstens denjenigen Theil desselben, welcher die Mündung
schließt und geschlossen erhält. Wendet man ein doppeltes
Excentricum an, bei welchem eines auf dem andern gleitet, so ist
nur das eine davon auf der Achse fest, und der Schieber muß so
eingerichtet seyn, daß er einen anderthalbmal so großen Weg als
gewöhnlich macht. Diese Methode, welche von Hrn. Saulnier
sen. und einigen andern
Maschinenbaumeistern angewandt wurde, gestattet eine Veränderung
der Expansion ebenfalls nur dann, wenn die Maschine stille
gestellt wird.
4) Expansion durch Schieber hervorgebracht, welche auf dem
Haupt-Schieberventile liegen und sich auf demselben
verschieben lassen. Dieses System, welches von Hrn. Farcot angewandt wurde (beschrieben
im polytechn. Journal Bd. XCIV S. 250), ist sehr vortheilhaft,
weil die Absperr-Schieber durch den Regulator selbst
bewegt werden können, und folglich die Expansion dadurch während
des Ganges der Maschine veränderlich gemacht wird. Aehnliche
Mittel wurden von Hrn. Edwards
vorgeschlagen und von ihm, Hrn. Pauwels, und einigen englischen Ingenieuren
ausgeführt.
5) Expansion durch eine bewegliche Scheibe, die auf der
kreisförmigen Scheibe liegt, durch welche die Dampfvertheilung
hervorgebracht wird. Dieses Verfahren, welches von Hrn. Cavé bei seinen oscillirenden
Maschinen angewandt wurde, ist sehr einfach. Da hiebei die
Dampfvertheilung durch eine kreisförmige Scheibe, welche eine
ununterbrochene rotirende Bewegung erhält und mit einer Oeffnung
versehen ist, die abwechselnd die Verbindung mit dem oberen und
unteren Dampfzuleitungscanale und Cylinder herstellt,
bewerkstelligt wird, so ist leicht einzusehen daß, wenn man auf
diese Scheibe eine andere, ganz ähnliche, mit gleicher Oeffnung
legt, durch welche der vom Kessel kommende Dampf gehen muß, dann
– je nachdem diese Oeffnung mehr oder weniger mit der
Oeffnung in der ersten Scheibe zusammenfällt – letztere
früher oder später geschlossen, und folglich der Dampfzufluß
über und unter den Kolben früher oder später unterbrochen wird.
Die zweite Scheibe ist an einer Achse befestigt, welche man mit
der Hand dreht und der man eine feste Stellung gibt.
Daraus folgt, daß man die Expansion veränderlich machen kann,
ohne die Maschine stille zu stellen.
6) Expansion durch die Admissionsklappe hervorgebracht. Hr. Maudslay und mit ihm einige andere
Maschinenbaumeister brachten an der verschiebbaren Hülse des
Centrifugalregulators einen helicoïdischen Hebedaumen an,
welcher auf das Ende eines beweglichen Hebels wirkt, der mit der
Admissionsklappe im Dampfzuleitungsrohr in Verbindung ist.
Sobald der Hebedaumen steigt, schließt er die Klappe und
umgekehrt. Dieses Mittel, welches schon vor längerer Zeit
vorgeschlagen war, wurde bei den Maschinen des Hrn. Meyer in Mülhausen mit gutem Erfolge
angewandt. Nur muß die Admissionsklappe mit großer Genauigkeit
adjustirt seyn, um die Dampfmündung vollkommen
abzuschließen.
7) Expansion durch die Vertheilungsventile. An Maschinen, bei
welchen der Dampf durch conische Ventile vertheilt wird, läßt
sich am leichtesten eine Expansionsvorrichtung anbringen, und
zwar durch Excentrica, welche die Ventile heben, während eines
Theiles des Kolbenlaufes gehoben erhalten, und dann sie für den
übrigen Theil des Kolbenlaufes fallen lassen, um den Dampf
abzusperren. Hr. Gengembre baute
mehrere Maschinen dieser Art, auch befinden sich in Cornwallis
viele sehr starke Maschinen, denen dieses Expansionsprincip zu
Grunde liegt.
8) Man bewirkt auch die Expansion durch das Schieberventil, wenn
dieses durch Hebel und Stangen von der Bleuelstange aus bewegt
wird. Dieses System wurde von Hrn. Hawthorn bei seinen Locomotiven angewandt und von Hrn.
Schneider in Creuzot bei seiner
Maschine mit liegendem Cylinder, welche als Fördermaschine
dient.
9) Die Expansionsvorrichtung des Hrn. Trésel in Saint-Quentin ist aus zwei
Schiebern zusammengesetzt, von welchen einer zur
Dampfvertheilung, der andere zum Absperren desselben dient.
Diese Schieber, welche neben einander liegen, werden durch zwei
Excentrica, die von einander unabhängig aber einander ähnlich
sind und verschiedene Wege machen, bewegt.
Worin im Allgemeinen auch die Mittel bestehen mögen, durch welche
die Vertheilung und Absperrung des Dampfs bewerkstelligt wird,
der Zweck bleibt immer der nämliche, nämlich den Dampf während
eines Theiles des Kolbenlaufes einströmen zu lassen und ihn dann
während des übrigen Theiles des Kolbenlaufes abzusperren.
Nachdem wir nun die verschiedenen Expansionsmethoden, welche bis
zur neuesten Zeit angewandt wurden, angedeutet haben, gehen wir
in eine nähere Erörterung derselben ein, wobei wir die in der
„Publication industrielle“
von Armengaud
sen. enthaltenen Details
benutzen.
1) Expansionsmethode des Hrn. Imbert. Das Excentricum, welches das
Haupt-Schieberventil bewegt, ist auf der Schwungradachse
fest und mit einer langen cylindrischen Nabe versehen, auf die
ein zweites Excentricum aufgepaßt ist, welches verstellbar ist,
so daß die Schieberbewegungen und dadurch der Grad der Expansion
in dem Cylinder verändert werden können. Jedes der beiden
Excentrica ist mit einem eisernen Ringe, der aus zwei Hälften
besteht und in die Spur des Excentricums einpaßt, umgeben. Der
erste Ring ist an der verticalen Stange A fest, Fig.
5, die mit der Stange des Vertheilungsschiebers a durch ein Gelenk vereinigt ist;
der zweite hingegen ist mit der Stange B verbunden, welche ebenfalls durch ein Gelenk mit der
Stange des Absperrschiebers b
beweglich vereinigt ist.
Der erste Schieber a ist von
Gußeisen, von passender Größe und innen hohl, um durch diese
Höhlung abwechslungsweise die Verbindung zwischen den
Dampfcanälen c und d und der Austrittsöffnung e herzustellen, und zwar muß diese
Verbindung des einen Canales mit der Austrittsöffnung während
des größten Theiles einer Kolbenbewegung hergestellt
bleiben.
Der Dampf- oder Schieberkasten C ist auf die Fläche D,
welche sich auf der mittleren Höhe des Cylinders befindet und
drei Dampfmundungen enthält, aufgeschraubt. Er ist hoch genug,
um dem Schieberventile die ganze verticale Bewegung, welche es
machen muß, zu gestatten, und oben auf demselben ist eine
Stopfbüchse angebracht, durch welche die Schieberstange
dampfdicht geht.
Der Absperrschieber a liegt auf der
abgehobelten Fläche des Kastens C
und verschließt, abwechslungsweise von unten und von oben
kommend, die Dampfeintrittsmündung i, welche in der einen Fläche des Kastens C angebracht ist. Er unterbricht
folglich früher oder später während des Kolbenlaufes den
Dampfzufluß, je nachdem er früher oder später die
Eintrittsmündung verschließt. Damit der Absperrschieber die
Mündung i nicht zu frühe öffnet, ist
es nothwendig, daß er höher als diese Mündung gemacht werde;
denn nur so kann er die Mündung während der Zeit der Expansion
verschlossen erhalten. Die Zeitdauer des Verschließens muß
übrigens im Voraus nach der größten Expansion, mit welcher die
Maschine arbeiten soll, bestimmt werden.
Der Absperr-Schieberkasten E
ist kleiner als der erste, und in denselben wird der Dampf vom
Kessel aus durch die kupferne Röhre F geleitet.
Fig. 6 stellt einen Theil der Stange, welche den
Vertheilungsschieber bewegt, vor. f
ist ein mit einem Auge versehenes Stück, welches die Stange A mit der Schieberstange g vereinigt und durch welches die
Schieberstellung genau regulirt werden kann. Die Stange g ist mit dem Stangenstücke l durch
zwei Muttern verbunden, mittelst deren man sie höher oder tiefer
stellen kann. Mit ihrem anderen Ende ist sie in einen eisernen
Rahmen h eingeschraubt, welcher um
einen Ansatz an dem Vertheilungsschieber gelegt ist. Die
Absperrschieber-Stange k ist
mit der Stange B durch ein Gelenk
vereinigt und eben so wie die Stange g mit dem Schieber b
verbunden. Fig. 7
und 8 sind
die zwei äußersten Stellungen des Vertheilungsschiebers mit den
entsprechenden Stellungen des Absperrschiebers.
Ist der Kolben am Ende seines Laufes, so verschließt der
Vertheilungsschieber die Oeffnungen c und d, wie dieß der
Durchschnitt Fig. 5
andeutet. Ist er in der Mitte seiner abwärtsgehenden Bewegung,
so hat der Schieber die in Fig. 7
angegebene Stellung, wobei die Oeffnung c, welche in den oberen Cylinderraum führt, ganz offen
ist. Hat der Kolben seine mittlere Stellung beim Aufwärtsgehen
erreicht, so nimmt der Schieber die in Fig. 8
angegebene Stellung ein, wobei er die Oeffnung d, welche in den unteren
Cylinderraum führt, ganz offen läßt.
2) Expansion des Hrn. Farcot. Dieser
geschickte Maschinenbaumeister wandte im Jahre 1836 bei einer
Hochdruckmaschine mit oscillirendem Cylinder ein veränderliches
Expansionssystem an, welches im allgemeinen für alle stationären
Maschinen benutzt werden kann. Diese Expansionsvorrichtung,
welche der Erfinder Differenzen-Expansion nennt, und
worauf er am 22. October 1836 ein Erfindungspatent auf 5 Jahre
nahm, besteht der Hauptsache nach aus kreisförmigen Scheiben
(die er Cocardes nennt), welche mit
Oeffnungen versehen sind, die sich sehr rasch verschließen.
Durch diese Vorrichtung wird der Dampf mit der Spannung, welche
er im Kessel hat, verwendet und weniger Dampf verbraucht. Hr.
Farcot wendet auch rechtwinkelige
Schieber an, die abwechslungsweise fest stehen und sich
verschieben. (Letztere Expansionsvorrichtung wurde bereits im
polytechn. Journal Bd. XCIV S. 250 beschrieben, weßhalb wir nur
noch einiges über die Expansion mit kreisförmigen Scheiben sagen
wollen.) Die kreisförmigen Scheiben (Cocardes) sind in Fig.
9, 10
und 11
abgebildet. Sie sind mit mehreren Oeffnungen h, h versehen, deren Quadratfläche
zusammengenommen so groß ist als die Quadratfläche der
Schieberöffnungen. Die Scheiben sind auf den Grundflächen eines
Cylinders D, Fig.
10, angebracht, welcher eine kreisförmig hin-
und wiederkehrende Bewegung macht und das Schieberventil bildet.
Sie gestatten dem Dampfe leicht den Durchgang, so daß er mit
einer Spannung, die der Spannung im Kessel nahe kommt, zum
Kolben gelangen kann und unterbrechen den Dampfzufluß rasch in
dem Augenblicke, von welchem an die Expansion beginnen soll.
Auch kann durch dieselben entweder von Hand oder durch den
Regulator der Grad der Expansion, während die Maschine im Gange
ist, verändert werden. Das Dampf-Einströmen kann auch
beliebig entweder auf beiden Seiten des Kolbens gleich oder
ungleich bewirkt werden.
3) Expansion des Hrn. Clapeyron. Schon
in den Jahren 1839 und 1840 beschäftigte sich Hr. Clapeyron damit, die Schiebventile an
Locomotiven so einzurichten, daß durch dieselben eine größere
Expansion hervorgebracht werden kann als bisher. Er wollte jeden
complicirten Mechanismus vermeiden, und erreichte durch die
Stellung des Excentricums auf der Achse, durch das Voreilen und
die Ränder des Schiebers so viel, daß er während des dritten
Theiles des Kolbenlaufes, ja sogar während 5/12 desselben mit
Expansion fahren konnte.
Der Dampf, welcher von dem Kessel kommt, geht, wenn die
Admissionsklappe offen ist, durch die Röhre A, Fig.
12, und gelangt so unmittelbar in den
Dampfvertheilungskasten B, welcher
mit dem Dampfcylinder C aus einem
Stücke gegossen ist. Der Dampfkasten hat oben eine große
Oeffnung, durch die man zu dem Schieberventile gelangen kann und
welche durch einen viereckigen Deckel D, der an seinem Rande ringsum aufgeschraubt wird,
verschlossen ist. Die eine Stirnfläche des Dampfkastens ist
ebenfalls mit einer Oeffnung versehen, durch welche man den
eisernen Rahmen a, der das
Schieberventil umgibt und in Bewegung setzt, einbringen kann.
Die gegenüberliegende Stirnfläche ist mit einer Stopfbüchse
versehen, durch welche die Schieberstange E dampfdicht geht. Das Schieberventil ist eine Art
rechtwinkeliger Kasten F, welcher
sich auf der horizontalen, vollkommen gerade abgehobelten innern
Fläche des Dampfkastens verschieben läßt. Es hat den Zweck, den
Dampf so zu vertheilen, daß er bald der einen, bald der andern
Kolbenfläche durch die Dampfcanäle b,
b zugeführt wird. Die Sohle, mit welcher der
Dampfschieber auf der abgehobelten Fläche des Dampfkastens
aufliegt, ist viel größer als die Mündung der Dampfcanäle; sie
steht nicht bloß außerhalb, sondern auch innerhalb des
Dampfschiebers vor. Von der Breite dieser Sohle und ihrer
jedesmaligen Stellung während des Ganges der Maschine hängt die
Zeitdauer der Dampfeinführung in den Cylinder ab und folglich
der Grad der Expansion, mit welcher die Maschine arbeitet.
Zwischen den beiden Dampfcanälen b,
b, durch welche der Dampf beiden Cylinderenden
zugeführt wird, so daß er bald auf die eine, bald auf die andere
Kolbenfläche wirken kann, ist eine dritte, sehr große Oeffnung
o angebracht, durch die der
Dampf entweichen kann, sobald er auf den Kolben gewirkt hat.
Die Locomotivmaschinen sind des regelmäßigen Ganges wegen immer
zweicylinderig und deßhalb sind auch zwei Schiebventile
nothwendig, nämlich eines für jeden Cylinder. Um die
Schiebventile hin und zurück zu bewegen, bekommt die horizontale
Schieberstange E eine geradlinig
hin- und wiederkehrende Bewegung, welche mit der
Kolbenbewegung correspondirt. Die Schieberstange ist mit der
Hülse c vereinigt und in ihrer
horizontalen Bewegung durch die eiserne Stütze d geleitet, welche auf den
Kolbenstangenkopf aufgeschraubt ist. Durch die Hülse c geht ein Nagel, durch welchen die
Stange e beweglich mit ihr vereinigt
ist. Das andere Ende der Stange e
ist auf ähnliche Weise mit dem Hebel f verbunden, der in seiner Mitte eine hohle Nabe hat,
mit welcher er sich frei auf der Achse g drehen kann, wenn der zweite Hebelarm h in der Gabel i der Excentricumstange G liegt und durch dieselbe eine
oscillirende Bewegung erhält.
Das andere Ende der Excentricumstange bildet einen zweitheiligen
Ring, der den Umfang des gußeisernen Excentricums H umgibt, welches auf die
schmiedeiserne Treibachse der Locomotive aufgekeilt ist. Die
drehende Bewegung, welche das Excentricum von dieser Achse
erhält wird durch die Excentricumstange und den Hebel f in eine abwechselnde verwandelt,
und durch Vermittlung der Stange e
als eine geradlinig hin- und wiederkehrende der
Schieberstange E und ihrem
Schiebventile F mitgetheilt.
Da die Locomotive zwei Dampfcylinder und zwei Dampfkästen hat, so
muß sie auch nothwendig zwei gleiche Excentrica haben, von denen
das eine seine Bewegung dem einen Dampfschieber, das andere
hingegen dem anderen Dampfschieber mittheilt. Außerdem ist aber
noch nothwendig, daß die Locomotive oben sowohl vorwärts als
rückwärts gehen und die Abänderung in der Richtung der Bewegung
hervorgebracht werden kann, während die Maschine im Dienste ist.
Man bringt deßhalb auf der Treibachse der Maschine vier
Excentrica an, von denen zwei beim Vorwärtsgehen der Maschine,
zwei hingegen beim Rückwärtsgehen derselben gebraucht werden.
Die beiden ersteren sind neben einander auf der Mitte der Achse
befestigt, und die beiden andern H'
liegen neben den ersteren auf derselben Achse. Die Excentrica
bestehen aus zwei Theilen, welche fest zusammengeschraubt
werden; man befestigt sie durch Stellschrauben auf der
Achse, nachdem man ihnen die richtige Stellung gegeben hat.
Zu den vier Excentricis sind auch vier Excentricumstangen
nothwendig, von denen je zwei in Thätigkeit sind, um die
Schiebventile zu bewegen. In den Gabeln i der ersten beiden Excentricumstangen G liegen die Daumen der Hebel h, und diese werden so von den
Stangen bewegt. Die andern Stangen G' sind dagegen außer Eingriff und liegen ganz frei.
Um die Locomotive in entgegengesetzter Richtung gehen zu lassen,
muß man die zwei Gabeln der Stangen G außer Berührung mit den Daumen an den Hebeln h bringen, und dagegen die beiden
andern Excentricumstangen mit Daumen an den nämlichen Hebeln
vereinigen, damit nun sie die Hebel h mit den Schiebventilen bewegen. Um dieß
bewerkstelligen zu können, ist das Ende der horizontalen Achse
g, welches mit einem Hebel
versehen ist, mit einer langen Zugstange vereinigt, die an der
Seite des Kessels hinläuft und bis zum Platze des
Locomotivführers reicht, wo sie mit einem Hebel mit einem
Handgriffe vereinigt ist, der auf der halben Mannshöhe steht.
Bewegt man den Handgriff von Rechts nach Links, so folgt die
Zugstange dieser Bewegung, und da sie durch einen Hebel mit der
Achse g in Verbindung ist, so wird
diese um einen gewissen Winkel gedreht. Mitten auf der Achse g ist ein zweiarmiger Hebel k, l befestigt, an dessen Enden zwei
gerade Stangen m, m hängen, deren
unteres Ende mit den Excentricumstangen vereinigt ist. Wird die
Achse g von rechts nach links
gedreht, so geht der Hebelarm k
nieder und mit demselben zwei der Stangen m; die andern zwei Stangen m dagegen gehen in die Höhe
und heben zugleich die Excentricumstangen G, welche mit ihren Gabeln n' die Daumen auf bell Hebeln h fassen. Daraus geht nun hervor, daß der
Maschinenführer bloß den Handgriff nach Links oder nach Rechts
zu bewegen hat, um die Excentricumstangen G oder diejenigen G' in
Thätigkeit zu setzen, so daß die Schiebventile entweder durch
die Excentrica H oder die H' bewegt werden. Da nun die Mitten
der beiden Excentricumpaare einander diametral gegenüberstehen,
so begreift man daß, wenn die ersten Excentrica die
Schiebventile bewegen und dadurch die Locomotive so steuern, daß
sie vorwärts geht, dieselbe rückwärts gehen muß, wenn die
Schieber durch die Excentrica H'
bewegt werden.
Wird der Handgriff vertical in die Mitte des Weges, den er machen
kann, eingestellt, so sind die vier Excentricumstangen frei,
wirken nicht mehr auf die Schiebventile, und es findet also auch
keine Dampfvertheilung mehr statt und die Maschine kommt zum
Stillestehen. Die Excentrica sind auf der Treibachse so
gestellt, daß die beiden ersten H,
welche die Maschine vorwärts gehend machen, genau einen rechten
Winkel zwischen sich einschließen. In Bezug auf die Kurbeln sind
sie aber so gestellt, daß die Schieber etwas voreilen. Die
beiden Excentrica H' schließen
ebenfalls einen Winkel von 90° zwischen sich ein.
Geht die Kurbel aus ihrer horizontalen Lage links in die
horizontale Lage rechts über oder umgekehrt, so bewegt sich der
Kolben in der entsprechenden Richtung geradlinig, das
Excentricum aber geht während dieser Zeit von seiner unteren
verticalen Lage in seine obere verticale Lage über und
umgekehrt, und bewegt deßhalb das Schiebventil hin und zurück.
Während der Kolben die erste dieser Bewegungen macht, macht das
Schiebventil die beiden andern, es geht hin und zurück, öffnet
den Zuflußcanal und schließt ihn nach und nach wieder. Macht der
Kolben zwei halbe Bewegungen hin und zurück, so daß dadurch die
Kurbel von einer verticalen Stellung in die andere übergeht, so
bewegt sich das Schiebventil während dieser Zeit geradlinig in
ein und derselben Richtung. Bei jeder dieser Bewegungen nimmt,
wenn die Kolbengeschwindigkeit zunimmt, die Geschwindigkeit der
Schiebventile ab und umgekehrt.
Seit mehreren Jahren schon bemerkte man aber, daß es nothwendig
sey, die Excentrica nicht ganz im rechten Winkel zur Kurbel zu
stellen, sondern den Winkel etwas größer zu machen, so daß das
Schiebventil dann, wenn die Kurbel horizontal steht, schon etwas
mehr als die Hälfte seiner Bewegung gemacht hat. Was das
Schiebventil über die Hälfte seiner Bewegung macht, nennt man
das Voreilen des Schiebers. Der Grund, warum man diese Aenderung
in der Dampfvertheilung einführt, ist, daß man die Wirkung der
Maschine dadurch erhöhen wollte; die Maschinen ziehen nämlich
einen gleich schweren Wagenzug bei dieser Abänderung mit
größerer Geschwindigkeit.
(Der Schluß folgt im nächsten
Heft.)