Titel: | Beobachtungen über das Verhalten regulinischer Metalle in einer wässerigen Lösung von Cyankalium; von Dr. L. Elsner. |
Autor: | Leonhard Elsner [GND] |
Fundstelle: | Band 101, Jahrgang 1846, Nr. XXVIII., S. 117 |
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XXVIII.
Beobachtungen über das
Verhalten regulinischer Metalle in einer wässerigen Lösung von
Cyankalium; von Dr. L. Elsner.
Elsner, über das Verhalten regulinischer
Metalle zu Cyankalium.
Es ist eine schon seit einigen Jahren bekannte Erfahrung, daß
metallisches Gold, Silber, Kupfer, Eisen in wässerigen Lösungen
von Cyankalium, auch ohne Mitwirkung des galvanischen Stroms,
sich bei gewöhnlicher Lufttemperatur (etwa 10–12°
R.) auflösen. So z.B. theilte schon vor mehreren Jahren Ellington mit, daß sich fein
zertheiltes metallisches Gold in Auflösungen von Cyankalium
auflöse (polytechn. Journal Bd. LXVI S. 126). Aehnliche
Beobachtungen machte später der Fürst Bagration (polytechn. Journal Bd. XCII S. 206). Nur
für die Auflösung des Eisens in wässeriger
Cyankalium-Lösung ist, so viel ich weiß, von Liebig die Erklärung des hiebei
stattfindenden chemischen Processes gegeben worden. Es schien
mir nicht ohne Interesse zu seyn, auch das Verhalten anderer
Metalle gegen Cyankalium-Auflösungen zu prüfen, um aus
den erhaltenen Resultaten vielleicht zu einem im Allgemeinen
gültigen Erklärungsgrunde des hiebei stattfindenden chemischen
Hergangs gelangen zu können. – Aus den durch ihr
charakteristisches Verhalten gegen Schwefelwasserstoff und
Schwefelammonium in drei Hauptgruppen zerfallenden Metallen habe
ich aus den einzelnen Abtheilungen das Verhalten folgender
Metalle gegen Cyankalium-Lösungen untersucht.
Aus der
ersten
Abtheilung:
Zink, Eisen, Nickel
„
zweiten
„
Kupfer, Silber, Cadmium,
Quecksilber.
„
dritten
„
Gold, Platin, Zinn.
Die Metalle wurden, entweder als feine Lamellen, als sehr dünne
Spänchen, oder als sehr feine Feilspäne angewandt; –
Quecksilber, wie sich von selbst versteht, in seinem flüssigen
Zustande. – Das Cyankalium wurde in vorher ausgekochtem
und dann wieder erkaltetem Wasser aufgelöst, etwa in einem
Verhältniß wie 1 : 10. Die einzelnen Metalle wurden in
Reagenzröhren gebracht und auf dieselben so viel der erwähnten
Cyankalium-Lösung gegossen, daß etwa noch der vierte
Theil des Inhalts jeder Röhre mit atmosphärischer Luft erfüllt
blieb; das offene Ende der Röhren wurde mit Korken verschlossen
und letztere noch mit geschmolzenem Siegellack
überzogen; hierauf wurden die Röhren, die Korke nach unten
gekehrt, ruhig bei Seite hingestellt; in dieser Lage blieben sie
mehrere Tage lang, während welcher Zeit der Inhalt derselben
bisweilen umgeschüttelt wurde; die Temperatur der umgebenden
Luft war 12° R.
Bei Gold, Silber, Zinn, Cadmium, Quecksilber war durchaus in der
Flüssigkeit keine äußere Veränderung wahrnehmbar, die Metalle
blieben metallisch glänzend liegen in der
Cyankalium-Lösung; eine Entwickelung von Gasblasen war
durchaus nicht bemerkbar. – Nur bei Gold und Silber,
welche Metalle in Form von Blattgold und Blattsilber angewandt
worden waren, wurde sehr deutlich die Verminderung der
angewandten Quantitäten bemerkt – ein Beweis für die
stattgefundene Auflösung der genannten Metalle in der schon mehr
erwähnten Cyanverbindung. Bei Kupfer, Eisen, Zink und Nickel
wurde dagegen eine sehr deutliche Gasentwickelung wahrgenommen,
die besonders stark bei Kupfer, Eisen und Zink war, minder
bedeutend bei Nickel; die kleinen Gasbläschen entwickelten sich
fortwährend, ausgehend von den glänzenden Metallpartikelchen,
besonders stark beim Drehen und Wenden der Glasröhren. Bei den
drei zuerst genannten Metallen war die Gasentwickelung so
kräftig, daß die gut mit Siegellack überzogenen Korke bei
einigen Röhren, welche völlig mit Cyankalium Lösung angefüllt
worden waren, mit einem kleinen Knall herausgeworfen wurden.
Das Verhalten des Platins, in seiner Anwendung als Anode bei der
galvanischen Vergoldung und Versilberung von so großer
Wichtigkeit, wurde ganz besonders untersucht. Es wurde ein
Platinblech genau gewogen und fein Gewicht notirt; es diente
hierauf 24 Stunden lang als Anode bei der Versilberung eines
vorher verkupferten, eisernen Schlüssels. Die erhaltene
Versilberung war so stark, daß das Silber theilweise als zartes
Häutchen abgelöst werden konnte; hiebei hatte nach genauer
Wägung das Platinblech nichts an seinem zuerst gefundenen
Gewicht verloren; es hatte sich demnach, selbst bei Anwendung
der galvanischen Mitwirkung, das Platin nicht aufgelöst –
eine zwar schon bekannte Thatsache, die jedoch ihrer speciellen
Bedeutung halber wohl verdient hier der Vollständigkeit wegen
erwähnt zu werden.
Nach mehreren Tagen wurde die Cyankalium-Lösung von dem
metallischen Kupfer, Eisen, Nickel und Zink abfiltrirt und das
Filtrat mit reiner Salzsäure bis zur Röthung des blauen
Lackmuspapiers versetzt; hiedurch entstand in der
Cyankalium-Lösung bei jedem der genannten Metalle ein
weißlicher Niederschlag, eine Cyanverbindung; die respectiven
Niederschläge wurden abfiltrirt und ausgesüßt. Mit Phosphorsalz,
in der Löthrohrflamme auf Kohle behandelt, gaben die
Niederschläge aus der Cyankalium-Lösung, welche mit
Eisenfeile, mit Nickelfeile und mit Kupferblech in Berührung
gewesen war, unverkennbar die bekannten Reactionen der genannten
Metalle; die Niederschläge aus der Cyankalium-Lösung,
welche mit Zink in Contact gewesen war, gaben mit Soda in der
Löthrohrflamme auf der Kohle den charakteristischen
Zinkbeschlag. Die genannten Metalle hatten sich demnach in der
wässerigen Cyankalium-Lösung aufgelöst und zwar unter
Wasserzersetzung, denn das sich entwickelnde Gas wurde als
Wasserstoffgas erkannt; es brannte nämlich mit schwach
leuchtender Flamme und einer kleinen Detonation, als die Röhren
geöffnet und in den über der Flüssigkeitssäule befindlichen Raum
ein brennendes Holzspänchen hineingesenkt wurde. Der Sauerstoff
des zersetzten Wassers war hiebei offenbar verwandt worden zur
Oxydation eines Antheils von Cyankalium zu Kali, und das
hiedurch frei gewordene Cyan hatte sich mit einem Antheil des
regulinischen Metalls zu Cyanmetall verbunden, welches sich in
dem überschüssigen Cyankalium auflöste. Die Untersuchungen der
Cyankalium-Lösungen, welche mit Gold, Silber, Zinn,
Cadmium und Quecksilber in Berührung gewesen waren, gaben
folgende Resultate:
Die von den respectiven Metallen abfiltrirten
Cyankalium-Lösungen wurden, wie bei den oben erwähnten
Metallen, mit reiner Salzsäure übersättigt; nur bei Gold
unterblieb diese Operation, weil das angewandte Blattgold fast
gänzlich verschwunden war, es sich demnach nothwendigerweise in
der Cyankaliumlösung aufgelöst haben mußte; auch ist mir schon
seit längerer Zeit bekannt, daß mittelst einer solchen, mit Gold
digerirten Cyankalium-Lösung ganz vortrefflich auf nassem
Wege, mit und ohne Zinkcontact, Gegenstände aus Silber, Bronze,
Messing sich vergolden lassen (polytechn. Journal Bd. XCI S.
307). Weder in der mit Quecksilber, noch in der mit Zinn in
Berührung gewesenen Cyankalium-Lösung entstand beim
Uebersättigen mit Salzsäure ein Niederschlag, auch gab
Schwefelwasserstoff weder in der einen, noch in der andern
salzsauren Lösung irgend eine Trübung oder Niederschlag.
Auch auf Kupferblech konnte, wie sich erwarten ließ, keine Spur
von aufgelöstem Quecksilber nachgewiesen werden. Es hatten sich
demnach weder Zinn noch Quecksilber in der
Cyankalium-Lösung aufgelöst. Dagegen entstand in der
Cyankalium-Lösung, welche mit Cadmium in Berührung
gewesen war, beim Uebersättigen mit Salzsäure ein deutlicher weißer Niederschlag; derselbe gab abfiltrirt und ausgesüßt,
mit Soda in der Löthrohrflamme auf der Kohle geglüht, den
charakteristischen braunen, bunt angelaufenen Beschlag von
Cadmiumoxyd. Es hatte sich demnach Cadmium aufgelöst in der
Cyankalium-Lösung. Beim Uebersättigen mit Salzsäure der
mit metallischem Silber in Contact gewesenen
Cyankalium-Lösung entstand ein starker weißer
Niederschlag, er gab sich bei der weitern Untersuchung als
Chlorsilber zu erkennen. Es löst sich demnach auch Silber in
einer Cyankalium-Lösung auf.
Es war sehr wahrscheinlich, daß die Auflösung der letztgenannten
Metalle, ebenso wie bei Kupfer, Eisen, Zink und Nickel,
eigentlich nur unter Vermittelung von Sauerstoff stattgefunden
hatte; da nun bei den zuletzt aufgeführten Metallen keine
Wasserzersetzung stattgefunden hatte, so mußte, war die
Voraussetzung richtig, Sauerstoff aus der über der
Flüssigkeitssäule noch vorhandenen atmosphärischen Luftschicht
entnommen worden seyn. Die deßhalb angestellten Versuche gaben
folgende Resultate:
Bei Gold und Silber, welche in dünnen Lamellen zu den Versuchen
verwandt wurden, hatte auch sichtbarlich die bedeutendste
Auflösung der genannten Metalle in der Cyankalium-Lösung
stattgefunden; folglich mußte auch gerade bei diesen Metallen am
deutlichsten ein Verschwinden von Sauerstoff aus der in dem
Glasrohr noch vorhandenen Luftschicht wahrzunehmen seyn. Als
nach Oeffnung der Korke ein brennendes Holzspänchen langsam in
die Luftschicht eingesenkt wurde, erlosch die Flamme desselben
sofort, bei Silber sowohl als bei Gold. Als der Kork einer
Röhre, in welcher länger als 8 Tage Cyankalium-Lösung mit
metallischem Silber in Berührung gewesen war, unter Wasser
geöffnet wurde, so drang ein Theil des letztern in die Röhre
hinein.
Als eine Röhre, welche Cyankalium-Lösung und Silber
enthielt und außerdem noch einen mit Luft erfüllten Raum, mit
Quecksilber abgesperrt, hingestellt wurde, so war nach mehreren
Tagen ein Aufsteigen des Quecksilbers in dem Glasrohr deutlich
wahrnehmbar. Die Resultate der angeführten Versuche weisen
demnach eine Absorption von Sauerstoff aus der Luft unverkennbar
nach. Ferner wurde durch Zink aus salpetersaurer Silberlösung
niedergeschlagenes, völlig ausgesüßtes poröses Silberpulver in
ein Glas gethan, welches mittelst eines eingeriebenen gläsernen
Stöpsels völlig verschlossen werden konnte; hierauf wurde das
Glas völlig mit Cyankalium-Lösung angefüllt und unter
öfter wiederholtem Umschütteln bei Seite gestellt.
Nach mehreren Tagen wurde der Stöpsel geöffnet und von dem Inhalt
des Fläschchens etwas in reine Salzsäure gegossen; hiedurch
entstand kein bemerkbarer Niederschlag; als aber der Inhalt des
Fläschchens durch ein Filter filtrirt worden war, gab das
Filtrat mit Salzsäure einen deutlich wahrnehmbaren weißen
Niederschlag.
Die Berührung der Cyankalium-Flüssigkeit mit der
atmosphärischen Luft und gleichzeitig mit dem auf dem Filter
zurückbleibenden Silberpulver während der Zeitdauer des
Filtrirens war demnach ausreichend gewesen, die Bildung von
Cyansilber zu veranlassen, welches sich sofort in dem Ueberschuß
von Cyankalium aufgelöst hatte.
Darf aus den so eben mitgetheilten Versuchen und deren Resultaten
ein allgemeiner inductiver Schluß gezogen werden, so würde
anzunehmen seyn, daß die Metalle rücksichtlich ihres Verhaltens
zu einer Auflösung von Cyankalium, bei gewöhnlicher Temperatur
und ohne Mitwirkung eines galvanischen Stroms, in zwei
Abtheilungen zu bringen seyn dürften; nämlich in solche, die
sich in Cyankalium-Lösungen nicht auflösen, und in
solche, die sich darin lösen. Zu der ersten Abtheilung gehören,
obigen Versuchen zufolge, Platin, Quecksilber und Zinn. Die
Metalle der zweiten Abtheilung würden wieder zerfallen in zwei
Unterabtheilungen und zwar erstens in solche, die sich unter
Wasserzersetzung auflösen, und zweitens solche, deren Auflösung
ohne Wasserzersetzung stattfindet. Zu der ersten Unterabtheilung
gehören z.B. Eisen, Kupfer, Zink, Nickel, zu der andern gehören
z.B. Gold, Silber, Cadmium. In beiden zuletzt genannten Fällen
ist jedoch die Auflösung der Metalle durch die Mitwirkung von
Sauerstoff vermittelt, welcher in dem einen Fall durch
Zersetzung des Wassers, im andern Fall durch Absorption aus der
Luft einen Antheil des Cyankaliums auf die Weise zersetzt, wie
oben schon angegeben worden ist.