Titel: | Einige Bemerkungen über die sogenannte galvanische Bleichmethode; von C. F. Schönbein. |
Autor: | Prof. Dr. Christian Friedrich Schönbein [GND] |
Fundstelle: | Band 101, Jahrgang 1846, Nr. XI., S. 41 |
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XI.
Einige Bemerkungen über die
sogenannte galvanische Bleichmethode; von C. F. Schönbein.
Schönbein, über die sogenannte galvanische
Bleichmethode.
Zu wiederholtenmalen ist in der neuern Zeit von einer
galvanischen Bleichmethode in öffentlichen Blättern die Rede
gewesen und die Mittheilung des Geheimnisses derselben für Geld
angeboten worden. Man hat zu gleicher Zeit angedeutet, daß es
die atmosphärische Luft sey, welche durch galvanische Mittel so
modificirt werde, daß dieselbe bleichende Eigenschaften
erlange.Man vergl. polytechn. Journal Bd. XCVII S. 75.A. d. Red.
Da ich allen Grund habe zu vermuthen, daß die fragliche Methode
auf nichts anderem beruht als auf der von mir vor einigen Jahren
gemachten Beobachtung, daß Phosphor in Berührung mit feuchter
atmosphärischer Luft die Erzeugung einer kräftig bleichenden
Materie verursacht, so dürfen mir vielleicht manche Leser dieses
Journals einigen Dank wissen, wenn ich denselben einige nähere
Angaben über diesen Gegenstand mache.
Wie ich dieß in meinem (1844 bei Schweighäuser erschienenen) Werkchen „Ueber
die Erzeugung des Ozons auf chemischem Wege“
mittheilte, erhält die atmosphärische Luft, wenn sie bei
gewöhnlicher Temperatur gleichzeitig mit Wasser und Phosphor von
reiner Oberfläche in Berührung gesetzt wird, ziemlich schnell
(schon nach einigen Stunden) das Vermögen, darin aufgehangene
Streifen von Lackmus- oder Indigopapier in wenigen
Minuten vollständig zu bleichen. Diese farbenzerstörende Kraft
erhält aber die Luft nicht in Folge eines galvanischen
Processes, sondern dadurch, daß der Phosphor auf eine noch
unerklärte Weise das Wasser bestimmt, mit freiem Sauerstoff sich
chemisch zu vereinigen und dasjenige zu bilden, was ich seines
starken Geruches halber Ozon genannt habe. Diese gasförmige
Verbindung ist in ihrem chemischen Verhalten dem Chlor sehr
ähnlich und besitzt namentlich oxydirende Eigenschaften in einem
so ausgezeichneten Grade, daß sie schon bei gewöhnlicher
Temperatur die meisten Metalle, selbst das Silber oxydirt und
auch auf die Mehrzahl der organischen Substanzen einen
oxydirenden Einfluß ausübt. Wir müssen deßhalb annehmen, daß das
Ozon der Leichtigkeit, mit der es seinen Sauerstoff auf
oxydirbare Substanzen überträgt, seine Bleichkraft verdankt.
Bekannt ist, daß das oxydirte Wasser Thenard's ebenfalls ein ausgezeichnetes Bleichvermögen
besitzt.
Wenn nun das Ozon einen so dauerhaften Farbstoff wie Indigo zu
bleichen vermag, so stand zu erwarten, daß dieß auch mit roher
Leinwand der Fall seyn werde. Und es ist mir in der That auch
gelungen, ganze Ellen von Leinwand, wie sie vom Weber kommt,
einzig und allein dadurch zu bleichen, daß ich dieselbe
8–10 Tage in atmosphärischer Luft hängen ließ, die ich
durch Phosphor fortwährend ziemlich stark ozonisirt erhielt.
Rohe Seide und Wolle wurden auf die gleiche Weise gebleicht.
Da aber nach meinen Erfahrungen das Ozon auch durch reine
Pflanzenfasern zerstört wird und diese Zerstörung auf einer
theilweisen Oxydation dieser Faser beruht, so muß das Ozon, wie
das Chlor, bei zu langer Einwirkung einen nachtheiligen Einfluß
auf die Festigkeit der Fasern ausüben. Ich habe auch gefunden,
daß sowohl Leinwand als Seide bei vollständiger Bleichung etwas
an ihrer ursprünglichen Zähigkeit verloren hatten.
Da bei der Ozonbleiche der in Anwendung gebrachte Phosphor zu
sogenannter phosphatischer Säure oxydirt wird und diese sich
leicht und mit verhältnißmäßig geringen Kosten zu Phosphor
reduciren läßt, so ist es vielleicht möglich, diese
Bleichmethode ökonomisch anwendbar zu machen. Sollten aber
fernere Versuche zeigen, daß die Faser, wenn man sie
durch Ozon entfärbt, eben so viel an Zähigkeit einbüßt, als die
Faser, welche durch Chlor gebleicht wird, so würde sich die
Ozonbleiche kaum zur praktischen Anwendung empfehlen.
Jedenfalls verdient aber der Gegenstand von Technikern genau
geprüft zu werden, und diejenigen, welche sich einer derartigen
Untersuchung, in etwas großem Maaßstabe angestellt, unterziehen
wollten, werden über die Bedingungen der chemischen
Ozonerzeugung in dem oben erwähnten Werkchen die nöthigen
Angaben finden.
Basel, den 20. Jun. 1846.