Titel: | Dr. Romershausen's verbesserte Schrotflinte. |
Fundstelle: | Band 99, Jahrgang 1846, Nr. XCIX., S. 415 |
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XCIX.
Dr. Romershausen's verbesserte
Schrotflinte.
Mit einer Abbildung auf Tab. VII.
Romershausen's Schrotflinte.
So gewagt auch das Unternehmen erscheinen mag, an unsern im Laufe der Zeit durch die
fortgesetzten Bestrebungen der trefflichsten Mechaniker und Künstler so hoch
ausgebildeten Jagdgewehren noch eine wesentliche
Verbesserung zu unternehmen, so wohl begründet ist dasselbe doch nicht allein in der
allgemeinen Erfahrung, daß unsere Schrotflinten, bei
einer weit stärkern Pulverladung, der Kugelbüchse immer
noch an Kraft und Wirksamkeit unverhältnißmäßig nachstehen, sondern auch in dem
Umstände, daß selbst unsere geschicktesten Gewehrfabrikanten, bei sorgfältigster
Beachtung ihrer Kunstregeln, nicht immer im Stande sind diese Gewehre von gleicher
Güte mit Sicherheit darzustellen. Vorzüglich aus letzterm geht hervor, daß eben
diese Regeln der Construction immer noch schwankend und nicht auf ein allgemeines
wissenschaftlich feststehendes Princip gestützt sind, welches den Künstler überall
mit gleicher Sicherheit leiten würde. Auch ein geringer Beitrag zur Feststellung
dieser Regeln wird daher nicht ohne Interesse seyn, umsomehr da er auf
experimentellem Wege vollkommene Bestätigung gefunden hat.
I. Allgemeine Erscheinungen, welche die
seither gewöhnliche Einrichtung der Schrotgewehre darbietet.
Eine sorfältigere Beobachtung der allgemeinen Erfahrungen, welche uns der praktische
Gebrauch der Schrotgewehre vorlegt, zeigt:
1) Daß oft ein altes, vom Zahne der Zeit zerfressenes und vielleicht völlig kunstlos
ausgeführtes Gewehr das kostbarste, nach den neuesten Kunstregeln gebaute an Schärfe
und Trefflichkeit des Schusses bei weitem überbietet.
2) Daß im allgemeinen die sogenannten damascirten oder bandförmig gewundenen Rohre,
mit querlaufenden, abwechselnd mehr und minder harten Fibern, die gewöhnlichen
Gewehrläufe aus gleichförmigem Eisen nicht nur an Dauer, sondern auch an Schärfe
übertreffen.
3) Daß im allgemeinen alle im Innern sehr glatt polirten Läufe, wie auch Rohre von
hartem Eisen, schlecht schießen.
4) Daß das beste Schrotgewehr die Schärfe des Schusses verliert, wenn mit
Talgpflastern geladene Kugeln daraus geschossen werden, oder wenn überhaupt das
Innere des Rohres mit irgend einer Fettigkeit überzogen wird.
5) Daß lange Rohre im Ganzen weiter tragen als kurze, und daß bei der seitherigen
Construction eine gewisse Gränze der Verkürzung stattfindet, wobei sie den Schuß
völlig verlieren.
6) Daß die nach einer neuern Einrichtung, nach dem Pulversack hin etwas weniges
conisch erweiterten Rohre schärfer schießen, als die völlig cylindrischen; daß aber
auch diese Erweiterung eine genau bestimmte Gränze hat, wenn nicht eine weit größere
Zerstreuung der Schrote stattfinden soll.
7) Daß alle die verschiedenen, zum Theil wunderlichen Proceduren, wodurch die Jäger
ein Gewehr, welches den Schuß verloren hat oder nicht tödtet, zu verbessern suchen,
eigentlich dahin abzwecken, die Seele des Laufes auf chemischem oder mechanischem
Wege zu rauhen.
8) Daß der Zusammenhalt der Schrote gewöhnlich mit der Schärfe des Schuffes verbunden
ist, und umgekehrt daß Gewehre, welche sehr zerstreuen, auch wenig Kraft
besitzen.
9) Daß die Schärfe des Schusses nicht durch ein Uebermaaß des Pulvers erzwungen
werden kann, sondern daß dieses vorzüglich nur auf größere Zerstreung der Schrote
wirkt.
Wenn nun auch alle Jäger und Gewehrkenner in diesen und mehreren andern hieher
gehörigen Erfahrungen übereinstimmen werden, so sind sie doch über die Gründe
dieser Erscheinungen sehr verschiedener Meinung, und es wird daher nothwendig seyn,
zuvor eine an sich einleuchtende Erklärung derselben festzustellen.
II. Erklärung obiger Erscheinungen aus
einem einfachen Grundsatze der Mechanik.
Der Grund aller dieser Erscheinungen ergibt sich nach mehrjährigen sorfältigen
Versuchen vollkommen einleuchtend aus dem bei dem Bau unserer Schrotgewehre seither
übersehenen Hauptgrundsatz der wissenschaftlichen Mechanik:
Daß die Wirksamkeit einer jeden gegebenen und
in einer gewissen Zeitdauer erst zu voller Stärke anwachsenden Kraft abhängig
ist von dem bis zu diesem Moment vorhandenen verhältnißmäßigen Widerstände der
zu bewegenden Masse.
Ein jeder Körper, welcher weder durch seine Masse, noch durch einen geeigneten Stützpunkt derselben der bewegenden Kraft den
zur Mittheilung der Bewegung erforderlichen Widerstand leistet, gestattet weder die
volle Entwickelung und Einwirkung dieser Kraft, noch eine derselben entsprechende
Bewegungsgröße.Vergl. Romershausen, über die Kraft des
Schießpulvers. Halle 1822. So wird z. B. eine volle Manneskraft,
welche sich gegen eine Pflaumfeder stemmt, zur Bewegung derselben nicht mehr
leisten, als der geringste Lufthauch, welcher sie trifft u. s. w. Wenden wir diesen
feststehenden Grundsatz zur Beurtheilung unserer Schrotflinten an, so ergibt sich
nun folgendes:
In dem glatten Rohre liegen die in ihrer Gesammtmasse zersplitterten Schrote locker
eingeschichtet; schon der erste Moment der beginnenden Pulverentzündung wirft
dieselben wie Spreu vor die Mündung des Rohres, ohne daß die einzelnen Körner im
Rohre selbst einen geeigneten Stützpunkt finden sich
gegen die andringende Pulverkraft zu einer Gesammtmasse zu verdichten und so zu
voller Entwickelung und Einwirkung des expandirten Gases denjenigen Widerstand zu
leisten, welcher erforderlich wäre, ihnen eine der vorhandenen Kraft entsprechende
Bewegungsgröße zu ertheilen. Die geringe Kraft, womit dabei die Schrote die ihnen
mitgetheilte geradlinige Bewegung verfolgen, ist sodann nicht zureichend, um der
ihnen erst vor der Rohrmündung nachfolgenden Hauptexplosion des Pulvers widerstehen
zu können; sie werden
vielmehr durch die Seitenexpansion des Gases mehr oder minder von der geraden
Richtung abgebeugt, dadurch noch mehr geschwächt und unwirksam zerstreut. Letzteres
erfolgt aber um so mehr, je mehr das Pulvermaaß verstärkt wird, da in diesem Falle
die nachfolgende Pulverexpansion um so stärker auf die Schrote wirkt. Ein Versuch im
Winter auf dem Schnee lehrt sogar, daß in diesem Falle durch den ersten Moment der
beginnenden Explosion nicht allein die Schrote, sondern selbst noch unentzündetes
Pulver aus dem Laufe geworfen wird.
Hienach erklären sich nun die obigen allgemeinen Erscheinungen leicht und
genügend.
Alle im Innern durch Oxydation zerfressenen Rohre — Rohre von weichem,
frictions- und eindrucksfähigerem, zur Politur aber minder geeignetem Eisen
— damascirte und mit abwechselnd mehr oder minder harten Querfibern
durchwundene Rohre — conisch nach der Mündung zu sich verengernde und auf
chemischem oder mechanischem Wege gerauhete Läufe u. s. w. schießen schärfer, weil
die Schrote hier an den Innenwänden einigen Stützpunkt finden, wodurch sie, zu einer
dichter verbundenen Masse zusammengedrängt, der sich entwickelnden Pulverkraft
denjenigen Widerstand gewähren können, welcher ihre vollkommene Wirksamkeit
bedingt.
Dagegen sind glatt polirte Rohre von gleichförmigem, vorzüglich von härterm,
politurfähigerem Eisen, Rohre, deren Frictionsfähigkeit durch einen Fettüberzug
beseitigt wurde u. s. w., um so weniger geeignet den Schroten einen Stützpunkt zu
bieten und dadurch den erforderlichen Widerstand zu gewähren; ihr Schuß ist daher
kraftlos, er tödtet nicht, d. h. er durchdringt nicht mit der Schnelligkeit und
Gewalt die Körpertheile des Wildes, welche eine plötzliche letale Entzündung zur
Folge haben.
Daß aber sehr fein zertheilte Körper an den Innenwänden rauher, wenn auch kurzer
Röhren, den zureichenden Stützpunkt finden, um sich in eine dichte, der Pulverkraft
hinreichenden Widerstand bietende Masse zu verbinden, lehrt uns das Sprengen der
Steine bei locker aufgeschüttetem Sande; dagegen sehen wir diese Wirkung bei hartem,
glattem Gestein oft vereitelt.
Daß indessen längere Gewehrläufe unter übrigens gleichen Umständen weiter tragen,
schärfer schießen und die Schrote besser zusammenhalten, leuchtet von selbst ein, da
hier die Schrote der Einwirkung des Pulvers auf längerem Wege in geradliniger
Richtung ausgesetzt sind.
Nach diesen vorangehenden Bemerkungen wird nun die folgende einfache aber wesentliche
Verbesserung unserer Schrotflinten leicht verständlich seyn.
III. Die verbesserte Einrichtung der
Schrotgewehre.
Um den Schroten in jedem Gewehre nach dem oben
entwickelten Grundsatz der Mechanik den erforderlichen Stützpunkt zur Aufnahme der
vollen Pulverkraft gleichförmig zu gewähren, erhält die Innenfläche des Rohres
passende Querfurchen. Ob nun gleich parallel laufende eingedrehte Ringe denselben
Vortheil gestatten würden, so ist doch nach sorgfältigen Versuchen in mehrfacher
Hinsicht ein flachlaufender Schraubenzug mit möglichst geringer Steigung
vorzuziehen, indem der sich selbst regulirende Gang der Schraube sowohl die
regelmäßige Anfertigung, als auch die Reinigung dieser Züge erleichtert, den
Schroten zugleich ohne ruckweise Unterbrechung jenen fortdauernden Stützpunkt bietet
und die Haltbarkeit des Rohres weniger beeinträchtigt.
Fig. 37 zeigt
die zweckmäßigste Einrichtung dieses Schraubenzugs an dem
Durchschnitte eines solchen Rohrstücks. Er bildet eine sehr
flach abgerundete Vertiefung und wird vermittelst der jedem
Gewehrfabrikanten bekannten Vorrichtung gleichförmig und sauber eingeschnitten, doch
bleibt der etwas sich erweiternde Pulversack davon befreit; er beginnt vielmehr an
der Stelle, wo die Schrote bei der Ladung liegen und läuft ohne Unterbrechung fort
bis etwa zu der Hälfte der Rohrlänge, wo sich derselbe in der glatten Cylinderfläche
des Rohres verläuft. Dieses letztere ist für den richtigen Zusammenhalt der Schrote
wichtig.
Ein solcher einfacher Schraubenzug ist besser als ein gedoppelter, da sich dabei der Winkel, unter welchem er
die Richtungslinie des Schusses durchschneidet, soviel als möglich dem rechten
nähert. Die gedoppelte Schraube, welche mehr Steigung hat, muß aber vorzüglich darum
vermieden werden, weil sie die Schrotmasse mehr oder weniger zu einer Achsendrehung
veranlassen würde, welche sie, nachdem sie das Rohr verlassen hat, in einem Kreise
herumschleudert. Dieses lehrt schon ein Schrotschuß aus dem gewundenen
Büchsenrohre.
Dieser Schraubenzug bedarf nur einer sehr geringen Tiefe,
um den Schroten den erforderlichen Stützpunkt zu gewähren; er muß dagegen mehr in
die Breite abgeflacht werden, auch müssen sich die Ränder desselben ohne alle
Schärfe in der cylindrischen Höhlung des Rohres verlieren, damit sowohl die an der
Wandung des Rohres laufenden Körner der dicht zusammengepreßten Schrotmasse nicht
gewaltsam zerrissen werden, als auch der Wischer bei der Reinigung leicht und
ungehindert die Vertiefungen des Zuges durchlaufen kann.
Bei dieser Einrichtung ist die gewöhnliche Rohrstärke einer Doppelflinte schon
zureichend diesen Schraubenzug aufzunehmen, ohne daß die Festigkeit des Rohres
dadurch gefährdet würde.
IV. Vortheile und Vorzüge, welche diese
neue Einrichtung der Schrotgewehre nach praktischen Erfahrungen
darbietet.
1) Da dieser Schraubenzug den Schroten gleichförmig den erforderlichen Stützpunkt zur
Einwirkung der vollen Pulverkraft gewährt, so kann dadurch ein
jedes, sonst nur richtig gebautes Gewehr, mit Sicherheit zu gleichförmiger
Schärfe des Schusses gebracht werden.
2) Halten diese Gewehre die Schrote weit besser zusammen, da die erhöhte Kraft, womit
die im Rohre dichter verbundene Schrotmasse die Richtung der Schußlinie verfolgt,
der durch die nachfolgende Seitenexpansion des Pulvergases bewirkten Abbeugung
derselben kräftiger widersteht.
3) Gestatten diese Gewehre ein größeres Pulvermaaß ohne Rückstoß, indem die Kraft
desselben im Innern des Rohres vollkommener benutzt wird, und ihr Schuß ist
wirksamer und tödtlicher.