Titel: | Ueber die Veränderung des Holzes in den Kästen (Loogen) bei der Bleiweißbereitung nach der holländischen Methode; von Payen. |
Fundstelle: | Band 99, Jahrgang 1846, Nr. XC., S. 375 |
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XC.
Ueber die Veränderung des Holzes in den Kästen
(Loogen) bei der Bleiweißbereitung nach der holländischen Methode; von Payen.
Im Auszug aus den Annales de Chimie et de Physique,
Febr. 1846, S. 231.
Payen, über die Veränderung des Holzes in den Kästen bei der
Bleiweißbereitung.
In den Kästen oder Loogen, worin sich im Verlauf von 30 bis 40 Tagen unter dem
gemeinschaftlichen Einfluß von Luft, Wärme, Wasserdampf, Essigsäure, Kohlensäure,
kohlensaurem Ammoniak etc. das Blei in Bleiweiß verwandelt, erleidet das Holz,
welches über die Töpfe gelagert wird, eine große Veränderung, welche alle
Fabrikanten als eine wahre Verkohlung betrachten. Nachdem nämlich das Holz 8 bis
10mal verwendet worden ist, besitzt es die äußern Eigenschaften der Kohle: es ist
schwarz oder braun, leicht, zerbricht durch den geringsten Druck und brennt fast
ohne Flamme. Dessenungeachtet vermuthete ich nach früheren Beobachtungen über die
Zusammensetzung und Veränderungen des Holzes, daß das Product der speciellen
Veränderung desselben in den Bleiweißkästen complicirter seyn dürfte als man bisher
annahm, und es gelang mir bald nachzuweisen
1) daß die sogenannte Loogen-Kohle gar keine freie Kohle enthält;
2) daß in diesem Product die Materie, welche die Holzfasern umgab (incrustirte),
theils in eine braune in Wasser auflösliche Substanz verwandelt wurde (welche
gebundenes Ammoniak enthält und durch die Säuren gefällt wird), theils in drei
andere in den Alkalien auflösliche Substanzen.
Als ich solche Loogenkohle nacheinander mittelst Aether, Wasser, Ammoniak und
Aetzkali erschöpfte, erhielt ich folgende Producte:
fette durch Aether aufgelöste Substanz
0,20
braune in Wasser auflösliche Substanz
22,55
braune in Ammoniak aufgelöste Substanz
21,45
braune in kochendem Aetzkali aufgelöste Substanz
39,00
verändertes Pflanzengewebe
9,80
essigsaures Ammoniak
1,00
Sand, Kalisalz, erdige Materie, phosphorsaurer Kalk, Schwefelblei
6,30
––––––––
10,000.
Ein Stück Tannenholz, welches sich in den Loogen verändert hatte, lieferte beim
Ertrahiren mit Aether eine fette Materie, welche ausgewaschen, getrocknet und mit
Alkohol behandelt eine andere Substanz abgab, die fast so consistent wie Wachs war,
unter 62° R. schmolz, auf heißem Wasser schwamm und mit einer sehr
leuchtenden Flamme verbrannte.
Nach dem Erschöpfen mit Aether gab dasselbe Holz mit Alkohol behandelt eine braune
krystallisirbare, leicht schmelzbare Substanz von fetter Consistenz. Der Stickstoff
kommt in diesem veränderten Holz zum Theil in Form von Ammoniak vor, welches sich
bei einer Temperatur von 104° R. reichlich daraus entbindet; ein Beweis, daß
diese Temperatur in den Loogen nicht stattgefunden haben und daher auch keine
eigentliche Verkohlung erfolgt seyn kann.
Nach der Elementar-Analyse eines so veränderten eichenen Balkens würde die
Loogenkohle bestehen aus:
Kohlenstoff
54,65
Wasserstoff
4,77
Sauerstoff
32,48
Stickstoff
8,10.
Sie würde sich also von dem Eichenholz durch einen größeren Kohlenstoffgehalt im
Verhältniß zum Wasserstoff und Sauerstoff und durch einen noch viel größeren
Stickstoffgehalt unterscheiden.
Diese Zusammensetzung ließe sich durch die Bildung mehrerer braunen Säuren erklären,
welche einen großen Theil des Kohlenstoffs und Sauerstoffs vom Holze enthalten, und
mit dem aus dem Pferdemist entwickelten Ammoniak verbunden sind; sie ergäbe sich
nothwendig durch Verbrennung eines Theils des Wasserstoffs und die Ausscheidung von
Sauerstoff und Wasserstoff im Verhältniß zur Wasserbildung.
Anwendung der Rückstände von den
Bleiweißkästen.
Nachdem ich mich überzeugt hatte, daß die braunen Säuren, aus welchen die Loogenkohle
besteht, zum Theil mit Ammoniak verbunden sind, vermuthete ich, daß es möglich wäre,
diese Basis mittelst einer Säure auszuziehen. 200 Gramme solcher Kohle von braun und
zerreiblich gewordenen Tannenbrettern wurden gepulvert mit 500 Kubikcentimetern
Wasser behandelt, welches 20 Gramme Salzsäure enthielt und sodann mit Wasser
vollkommen ausgewaschen; die Flüssigkeiten lieferten beim Verdampfen 24 Gramme
krystallisirten Salmiak, welcher mit der braunen in Wasser auflöslichen Substanz
imprägnirt war. Das in den Kästen veränderte Holz kann daher 12 Proc. seines
Gewichts Salmiak liefern, welcher zu gewissen Zwecken unmittelbar angewandt werden
kann, namentlich als Dünger für die Landwirthschaft. Um das Ammoniak in reinerem
Zustand zu gewinnen, brauchte man die gepulverte Loogenkohle nur mit Kalk oder Kali
in geschlossenen Gefäßen der Siedhitze auszusetzen und das Ammoniakgas in
Schwefelsäure aufzufangen.
Pferdemist aus den Loogen.
Dieser Mist verliert bei seiner Gährung im Verlauf von 30 bis 40 Tagen keinen seiner
festen Bestandtheile, sondern nur die weichen oder flüssigen organischen Materien.
Er liefert natürlich in der Landwirthschaft ganz andere Resultate als der
gewöhnliche Pferdemist, obgleich die stickstoffhaltigen Bestandtheile in beiden in
ziemlich gleicher Menge vorhanden sind. Der normale Pferdemist enthält nämlich
leicht zersetzbare organische Substanzen und liefert daher den Pflanzen flüchtige
ammoniakalische Verbindungen, während der Rückstand aus den Loogen, welcher der
zersetzbarsten Substanzen beraubt ist, in derselben Zeit nur geringe Mengen
ammoniakalischer Dämpfe liefern kann.
Die Rückstände aus den Loogen finden bisweilen eine Anwendung, wozu sie dem
gewöhnlichen Pferdemist vorzuziehen sind; wenn es sich nämlich darum handelt, die
Beete der Kunstgärtner gegen den Frost zu schützen; in Folge des Verlusts der
weichen und flüssigen organischen Materien bietet nämlich der Pferdemist aus den
Loogen bei gleichem
Gewicht viel mehr Flächen dar, wodurch er, über den Wurzeln der Pflanzen
ausgebreitet, die Ausstrahlung der Erde besser aufhält und die Wirkungen des Frosts
länger verzögert. Uebrigens brauchte man diese Rückstände nur mit einer gewissen
Menge leicht zersetzbarer Materien, z. B. Urin, zu versetzen, um sie wie
gewöhnlichen Pferdemist benützen zu können.
Aehnliche Erscheinungen, wie diejenigen, welche das Holz und das Stroh des
Pferdemistes in den Loogen verändern, müssen nach meiner Ansicht in der Masse der
Tabakblätter stattfinden, die man zur Bereitung des Schnupftabaks in Gährung
versetzt. Die Resultate der erwähnten Beobachtungen stimmen mit keiner der
gewöhnlichen Hypothesen über die bekannten Veränderungen des Holzes überein; sie
scheinen mir auch auf eine neue Theorie über die Wirkung der concentrirten
Schwefelsäure auf das Holz führen zu müssen. Läßt man concentrirte Schwefelsäure mit
fein zertheiltem trockenem Eichenholz in der Kälte in Berührung, so veranlaßt sie
die Bildung von Producten, welche, je nach der Dauer der Berührung, verschiedene
Eigenschaften zeigen und genau untersucht zu werden verdienen. Nach Verlauf einer
Stunde ist das flüssige rothbraun gefärbte Gemisch fast gänzlich in Wasser
auflöslich; hat die Reaction 15 bis 18 Stunden lang gedauert, so wird die dunkler
gefärbte Mischung durch überschüssiges Wasser reichlich in braunen Flocken gefällt;
nach 36stündiger Berührung ist die Flüssigkeit klebriger und brauner geworden und
setzt beim Verdünnen mit Wasser braune Flocken ab, welche ausgewaschen und zerrieben
sich größtentheils in Ammoniak auflösen; versetzt man diese Mischung mit einer
Auflösung von Aetzkali, so sondern sich daraus schwere Flocken ab, welche sich bei
72 bis 76° R. zu einer eiweißartigen Masse vereinigen, die in der so
geklärten durchsichtigen Flüssigkeit schwimmt. Läßt man die concentrirte
Schwefelsäure 60 Stunden mit dem Holz in Berührung, so verwandelt sich die Mischung
zuletzt in eine schwarze Masse, welche wie eine consistente Gallerte aussieht.
Auch die Reaction der weniger concentrirten Schwefelsäure verdient genau studirt zu
werden, weil wir dadurch nützliche Aufschlüsse über die Bereitung der schwefelsauren
Krappkohle erhalten können; dieses Product dürfte nach meiner Ansicht schwerlich
freie Kohle enthalten.