Titel: | Verbesserungen an atmosphärischen Eisenbahnen, worauf sich William Prosser jun. und Jacob Brett zu London am 10. Mai 1845 ein Patent ertheilen ließen. |
Fundstelle: | Band 99, Jahrgang 1846, Nr. LXXXI., S. 343 |
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LXXXI.
Verbesserungen an atmosphärischen Eisenbahnen,
worauf sich William
Prosser
jun. und Jacob Brett zu London am 10.
Mai 1845 ein Patent ertheilen ließen.
Aus dem Repertory of Patent-Inventions, Jan.
1846, S. 1.
Mit Abbildungen auf Tab.
V.
Prosser's und Brett's Verbesserungen an atmospharischen
Eisenbahnen.
Unsere Verbesserungen beziehen sich auf eine eigenthümliche Anordnung des
Längenventils der Triebröhre, wodurch das Eindringen der Luft in die Röhre von
dieser Seite her vermieden wird; ferner auf die Anordnung zweier Ventile an einer
Röhre, wodurch mit einer einzigen Hauptröhre, die überdieß von kleinerem Durchmesser
und geringerer Metalldicke als die gewöhnliche Triebröhre seyn mag, eine doppelte
Eisenbahnlinie mit ökonomischem und vortheilhaftem Erfolge betrieben werden kann.
Diesen Zweck erreichen wir dadurch, daß wir unsere Hauptröhre a, a
Fig. 1, 2 und 3, mit einer
fortlaufenden Reihe longitubinaler oder kreisrunder Oeffnungen b, b anstatt jenes
ununterbrochenen Schlitzes zur Herstellung einer Verbindung zwischen der inneren und
äußeren Seite der Röhre und in kurzen Abständen mit schmalen Querstäben c, c versehen, welche an
diesen Stellen die Rundung der Röhre vollständig machen, und dadurch jedem
Bestreben, in Folge des äußeren Druckes gegen die Röhre zusammen zu fallen,
vorbeugen. Die eine Art unseres Ventils besteht in zwei halbcylindrischen Flächen
biegsamen Leders oder ähnlicher Substanz d, d, Fig. 1, 2 und 3, dessen untere Ränder zu beiden Seiten
der erwähnten Reihe von Oeffnungen, und deren obere Ränder an longitudinale Schienen
e, e befestigt sind.
Letztere liegen in Trägern n, n, welche an die Triebröhre befestigt sind. Die converen cylindrischen
Flächen werden durch Metallfedern f, f, durch elastische Holzstreifen m, m und durch den atmosphärischen Druck, wenn
in der Röhre ein. luftverdünnter Raum hergestellt ist, gegen einander gedrückt. Ein
metallener durchlöcherter Steg g, g, welcher über die Oeffnungen zu liegen kommt und sich auf die ganze
Länge der Triebröhre hin erstreckt, trägt die Lederstreifen d, d, so daß sie durch das auf ihnen lastende
atmosphärische Gewicht nicht abwärts gedrückt werden können.
Für eine doppelte Bahnlinie ist die Triebröhre auf ihrer ganzen Länge, wie Fig. 2 zeigt,
mit zwei solchen parallel zu einander laufenden Ventilen versehen. Eine andere
Ventilform ist durch Fig. 4 dargestellt. Die in den vorhergehenden Figuren vorkommenden Theile
sind auch in dieser Figur mit den nämlichen Buchstaben bezeichnet. h, h sind longitudinale
Eisenstangen, durch welche die ledernen Lappen d, d mit Hülfe der Schraubenbolzen i, i an die Triebröhre befestigt werden.
j, j, Fig. 5, sind zwei dünne
Eisenblechplatten, welche wir hie und da anwenden, um die Leder d, d gegen den Einfluß der
Witterung zu schützen und die mit einer fetten Substanz gesättigte Liederung k, k aus Faserstoff
zurückzuhalten. Diese Liederung hat den Zweck, das Leder biegsam und luftdicht zu
erhalten. Die Verbindung der unteren Ventilränder mit der Triebröhre wird durch
einen fetten Kitt luftdicht gemacht.
Unsere längs der ganzen Bahnlinie ununterbrochen fortlaufende Triebröhre steht von
Strecke zu Strecke durch Seitenröhren mit Luftpumpen, die durch Dampf oder eine
sonstige Triebkraft in Bewegung gesetzt werden, in Verbindung. Diese Luftpumpen sind
von 6 zu 6 engl. Meilen längs der Bahnlinie angeordnet. Zur Fortbewegung der
Wagenzüge bedienen wir uns kleiner Locomotiven mit hin- und hergehenden oder
rotirenden Kolben, welche durch den Druck der Atmosphäre gegen einen luftverdünnten
Raum in Thätigkeit gesetzt werden.
Eine biegsame Röhre von der Beschaffenheit, daß sie den äußeren Druck, ohne
zusammenzufallen, aushält, communicirt zwischen den Austrittöffnungen der Locomotive
und dem Innern der Triebröhre vermittelst einer dünnen stählernen, Fig. 3 im Grundrisse
dargestellten Röhre l, l.
Diese Röhre gleitet bei erfolgender Bewegung zwischen den Ventilledern und öffnet
sie; unmittelbar hinter der Röhre schließt sich wieder das Leder durch den äußeren
Druck. Diese dahingleitende Röhre ist mit einer Rolle P
versehen, welche auf dem Rücken des Stegs g, g läuft, und ist mit der Locomotive durch die erwähnte biegsame Röhre und
durch hervorragende Arme verbunden, die elastisch genug sind, um unbeschadet des
Schlusses der Gleitröhre einer leichten Oscillation nachzugeben. Wenn ein
luftverdünnter Raum in der Triebröhre und die Verbindung zwischen den
Austrittöffnungen der Luftlocomotive und dem Innern der Röhre hergestellt ist, so
wirkt der ganze atmosphärische Druck gegen eine Seite der Locomotivkolben, während
auf der andern Seite derselben ein luftverdünnter Raum stattfindet; die Kolben
werden daher mit einer dem Unterschiede der Pressionen auf den entgegengesetzten
Kolbenflächen entsprechenden Kraft in Bewegung gesetzt. Diese Bewegung wird durch
geeignete mechanische Hülfsmittel auf die Treibräder übergetragen, deren Umlauf
somit, wie bei gewöhnlichen Dampfeisenbahnen Locomotive nebst Zug in Bewegung setzt.
Die luftdicht zwischen den longitudinalen Ventilledern gleitende Röhre oder Hülse
l, Fig. 3, welche an die
Locomotive befestigt ist, vermittelt während der Bewegung eine stete Communication
zwischen dem Innern der Triebröhre und den Locomotivcylindern.
Mit Hülfe des doppelten Ventils an einer zwischen einer doppelten Schienenleitung
gelegten Röhre können zwei Wagenzüge ohne die geringste Störung an einander
vorbeifahren. Durch Vermehrung oder Verminderung des Luftzutrittes zu den
Locomotivcylindern ist man im Stande, die Bewegung nach Belieben zu reguliren, und
durch Absperrung der Luft und Umkehrung der Ventilbewegung den Zug anzuhalten und
demselben erforderlichenfalls eine Bewegung nach der entgegengesetzten Richtung zu
ertheilen. Der größeren Ersparniß wegen sind die Locomotiven so eingerichtet, daß
die Luft in einfachen oder doppelten Expansionscylindern vermöge ihrer Expansivkraft
in Wirksamkeit ist. Braucht man z. B. bei geneigten Ebenen größere Kraft, so
arbeiten die Maschinen mit vollem Druck. Beim Hinabfahren wird die Thätigkeit der
Ventile in der Art modificirt, daß die Locomotivcylinder die Luft aus der Triebröhre
herauspumpen, so daß auf diese Weise die Bewegung des durch die Schwerkraft
hinabgetriebenen Trains nicht nur gemäßigt, sondern zugleich auch noch zur Erzeugung
eines besonderen Effectes benützt wird. Um die Geschwindigkeit an steilen Rampen zu
mäßigen, oder den Zug an irgend einer Stelle der Bahn zum Stillstand zu bringen,
haben die Ventilbewegung und die Luftcanäle eine solche Einrichtung, baß nach
Verschluß der Eductionscanäle die durch das Beharrungsmoment des Trains bewegten
Kolben der Locomotive Luft in einen an der Locomotive befestigten Behälter drücken
— eine Anordnung, welche eine sehr wirksame Luftbremse bildet. Da ferner die
in Vergleich mit dem
Dampf einem leichten Drucke ausgesetzten Locomotivkolben einen nach Maaßgabe der zu
transportirenden Last großen Flächeninhalt besitzen, so kann der Wagenzug ohne
Kraftverlust und ohne jene durch die gewöhnlichen Bremsvorrichtungen veranlaßte
Abnützung der Räder und Schienen, in kürzester Zeit eingehalten werden. Der aus der
Reibung der gewöhnlichen Bremsapparate hervorgehende Kraftverlust wird hier in der
comprimirten Luft gleichsam aufgespeichert, um nachher wieder durch die
Expansivkraft der letztern nützlich zu wirken, wenn der Zug in Bewegung gesetzt
werden soll. Die comprimirte Luft ist im vorliegenden Falle als ein Kraftmagazin
anzusehen, welches hinreicht, den Zug aus der Ausweichstelle, wo die
Ventilverbindung mit Hauptröhre unterbrochen ist, fortzubewegen, bis die gleitende
Röhre sich wieder zwischen die Ventilleder eingefügt hat, und die Verbindung
zwischen der Luftlocomotive und der Triebröhre wieder hergestellt ist. Derselbe
Zweck mag auch in einigen Fällen durch eine Handpumpe erreicht werden.
An Durchkreuzungs- oder Ausweichstellen läßt man die Triebröhre, wie die Figuren 6, 7, 8, 9 zeigen, unter
der Eisenbahn hinweggehen und unterbricht das Längenventil an solchen Stellen. Die
Figuren 8
und 9 zeigen
die Art, wie man in einem solchen Falle die Enden der Längenventile verschließt. Die
Lederstreifen d, d
erstrecken sich abwärts nach der tiefer gelegten Röhre, an der sie befestigt sind,
und die Federn o, o drücken
dieselben in innige Berührung. In der Nähe ihrer Enden q, q divergiren die Ventilleder, wie Fig. 9 zeigt,
und an den divergirenden Stellen sind ihre inneren Flächen mit dünnen und glatten
Metallplatten beschlagen. Auf solche Weise geht der Austritt der Gleitröhre aus
einer Ventilsection und ihr Eintritt in die andere gut von statten.
Unsere atmosphärische Röhre ist, wie bereits bemerkt wurde, ihrer ganzen Länge nach
ununterbrochen, und erfordert unter gewöhnlichen Umstanden keine Aus- und
Eintrittventile, weil die Röhre keinen Kolben enthält. Unter besondern Umständen
dagegen mag es vortheilhaft seyn, die Triebröhre in Sectionen abzutheilen; sie ist
daher an den Stationen mit separirenden Ventilen versehen, die im erforderlichen
Falle aus freier Hand geschlossen werden können. Sollte an irgend einer Stelle Luft
in die Röhre eindringen, so muß man, sobald dieses durch den an der Station
befindlichen Barometer angezeigt wird, das Stationsventil an jeder Seite der
schadhaften Röhre schließen; auch durch einen selbstthätigen Apparat kann dieser
Verschluß bewerkstelligt werden. Da unsere Triebröhre unter gewöhnlichen Umständen
ihrer ganzen Länge nach ununterbrochen ist, so ist klar, daß jede Seitenröhre, welche die
Hauptröhre mit den Luftpumpen verbindet, die Luft aus der Hauptröhre auf der einen
wie auf der andern Seite derselben auspumpt, und daß, wenn die Luftpumpen 6 Meilen
von einander entfernt sind, eine Luftlocomotive höchstens die Hälfte dieses Raumes
oder drei Meilen von einer Luftpumpe entfernt seyn kann. Demnach können unsere
Luftpumpen in bedeutenden Abständen von einander angeordnet werden und dennoch eine
im Vergleich unmittelbare Wirkung auf die Locomotivkolben ausüben. Da die Hauptröhre
einen geringen Durchmesser besitzt, indem sie nur den Dienst einer Verbindungsröhre
zu versehen hat, und da sie wegen des fehlenden fortlaufenden Schlitzes nicht
zusammengedrückt werden kann, so schlagen wir vor, dieselbe in gewissen Fällen aus
galvanisirtem, oder mit einem bituminösen Kitt überzogenen Eisenblech anzufertigen.
Um der aus den Locomotiven in die Hauptröhre tretenden Luft einen größeren Raum zu
ihrer Ausbreitung darzubieten, sind von Strecke zu Strecke längs der Bahnlinie
luftdichte Behälter angeordnet, welche durch Seitenröhren mit dem Innern der
Hauptröhre communiciren, so daß sie eben so wie die letztere luftleer gemacht
werden. Unter gewöhnlichen Umständen wird die Hauptröhre durch die ununterbrochene
Thätigkeit der Luftpumpen in einem stets luftleeren oder luftverdünnten Zustande
erhalten. Die stationären Maschinen brauchen daher in Vergleich von geringer Kraft
zu seyn, und leichte Trains können mit großer Bequemlichkeit und Oekonomie in
rascher Folge expedirt werden. Die Communication zwischen der Hauptröhre und den
Vacuumreservoirs sollte daher unter gewöhnlichen Umständen frei und ununterbrochen,
die Ventile und Hähne dagegen sollten so eingerichtet seyn, daß sie unter besondern
Umständen nöthigenfalls gebraucht werden können. Da die Luftlocomotiven in Vergleich
mit Dampflocomotiven äußerst leicht sind, so können Passagiere und Gepäck zum Theil
auf der Locomotive untergebracht werden, die von aller Gefahr frei ist. Das System
eignet sich besonders für die Anwendung von Holzschienen, die eine für die Zugkraft
hinreichende Adhäsion darbieten würden.
Die specifische Wärme der verdünnten Luft nimmt bekanntlich schneller ab, als die
Verminderung ihres Volumens. Die Wärmecapacität der Luft wird mit ihrer Verdünnung
größer; sie entzieht daher dem Metall der Röhre so lange Wärme, bis ihre erhöhte
Wärmecapacität gesättigt ist. In verdünntem und expandirtem Zustande hat nun die
Luft die Temperatur der äußeren umgebenden Luft. Verdichtet sich aber wieder ihr
Volumen bis zum Druck der äußern Luft, so wird der Ueberschuß an Wärmestoff, welcher in ihrem
verdünnten Zustande latent blieb, nun wahrnehmbar, und bewirkt eine bedeutende
Temperaturerhöhung des Ganzen. Man hat beobachtet, daß die Luft aus einer Luftpumpe
unter einer bedeutend über dem Siedepunkt liegenden Temperatur entweicht. Es ist
ferner bekannt, daß sich Luft bei einer Temperaturerhöhung von je 1°
Fahrenheit um 1/480 ihres Volumens ausdehnt; demnach würde ein Luftvolumen bei
60° Wärme auf ⅓ des Volumens bei 220° herabsinken. Da unter
diesen Umständen die Pumpe ⅓ des Luftvolumens in die freie Luft zu entleeren
hat, während das Resultat in der Hauptröhre nur der Entleerung eines einzigen
Volumens gleichkommt, so wird begreiflicherweise ⅓ der ganzen Kraft
verwendet, ohne einen äquivalenten Effect in der Hauptröhre hervorzubringen. Ein
äußerlicher Ueberzug der Röhre mit einem schlechten Wärmeleiter würde diesem
Uebelstande nicht wirksam genug abhelfen, indem die große specifische Wärme des.
Metalles der verdünnten Luft immer mitgetheilt würde. Wir schlagen daher vor, unsere
Hauptröhre nicht nur von außen, sondern auch innen mit einem schlechten Wärmeleiter
zu überziehen, z. B. mit Filz, der mit einem bituminösen Kitt gesättigt worden
ist.
Bei atmosphärischen Röhren nach dem gewöhnlichen Princip mit Treibkolben geben wir
dem Längenventil die Fig. 10 im Durchschnitt
dargestellte Form. Das Ventil r besteht aus Streifen gut
getrockneten Holzes, die so mit einander verbunden sind, daß sie eine
ununterbrochene Länge bilden, und an ihrer unteren Fläche mit Leder oder einem
ähnlichen elastischen Material überzogen sind. Durch die hindurchtretende Platte,
welche die Kolbenstange mit dem vordersten Wagen verbindet, wird das Ventil zur
Seite bewegt. Nach dem Vorübergang des Kolbens kehrt das Ventil durch die elastische
Thätigkeit der Federn s in seine ursprüngliche Lage
zurück, so daß es die longitudinale Oeffnung wieder schließt, während das Gewicht
der äußern atmosphärischen Luft das Ventil luftdicht an seinen Sitz drückt.