Titel: Ueber das Transportiren von Schiffen auf Eisenbahnen; von Gustav Tasché, Architekt.
Autor: Gustav Tasché
Fundstelle: Band 99, Jahrgang 1846, Nr. LXII., S. 248
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LXII. Ueber das Transportiren von Schiffen auf Eisenbahnen; von Gustav Tasché, Architekt. Tasché, über das Transportiren von Schiffen auf Eisenbahnen. Vor kurzem las ich in einem deutschen Blatte, daß ein Engländer mit dem Plane umgehe Eisenbahnen zu benutzen, um Schiffe von einem Hafen zum andern zu transportiren. Es ist mir unbekannt, ob diese Nachricht vielleicht nur in der Absicht mitgetheilt wurde, ein solches Unternehmen anzuregen, oder ob dieselbe durch eine in England wirklich beabsichtigte Unternehmung hervorgerufen wurde.31 In letzterem Fall ist es mir nicht unwahrscheinlich, daß ich zu einem derartigen Plane die erste Veranlassung gegeben habe. Bereits im Winter 1842 hatte ich dem Minister des brittischen Reichs, Sir Robert Peel, in einem Schreiben eine Idee mitgetheilt, wie man sich der Eisenbahnen bedienen könne, um Schiffe aus einem Hafen in den andern zu bringen, und wie sonach das für den Weltverkehr so unendlich wichtige Problem der Verbindung des stillen Meers mit dem atlantischen Meere, und des mittelländischen Meeres mit dem rothen Meere auf eine einfache Weise zu bewerkstelligen sey. Ich hatte in meinem Schreiben auseinandergesetzt, auf welche Weise das Heben der Schiffe mittelst Krahnen und balancirender Brücken ausgeführt werden könne. — Später kam mir der Gedanke, daß das Heben und Senken der Schiffe sich an Orten, wo genügender Wasserzufluß vorhanden, auf einfache Weise mittelst mehrerer Schleußen bewirken lasse. Ich theilte auch diese Idee im Frühjahr 1844 Sir Robert Peel mit. Da es Ihren Lesern vielleicht nicht uninteressant seyn möchte, etwas Näheres über die Art und Weise zu erfahren, wie nach jener Idee der Transport der Schiffe auf die Eisenbahn bewerkstelligt wird, so will ich dieselbe in kurzen Worten beschreiben. „Jede der beiden Seitenmauern der obersten Schleußenkammer hat einen mit einer eisernen Schiene belegten Mauerabsatz, der beim höchsten Stand des Wassers einige Fuß unter dem Wasserspiegel bleibt. Jene Schienen bilden die Fortsetzung einer Eisenbahn, werden jedoch von derselben durch ein gußeisernes Schleußenthor so lange geschieden, als die Schleußenkammer mit Wasser gefüllt ist. Die Verbindung der Schienen mit der Eisenbahn geschieht nach Oeffnung des Schleußenthors (dessen Flügel sich ziemlich tief in die Schleußenmauern einlegen) durch Umdrehung von um Scharniere beweglichen eisernen Bogenstücken. Die horizontale Tangente dieser Bogenstücke bildet die Fortsetzung der Schienen. Zur Aufnahme der Schiffe dient ein mit einer nach der Schwere der Schiffe berechneten Anzahl Metallrollen, statt der Räder, versehener Wagen, aus einer Verbindung von Guß- und Schmiedeisen, welcher stählerne Federn enthält, die sich an die Schiffe anlegen. Nachdem dieser Wagen von der Eisenbahn über die Verbindungsstücke in das Innere der Schleußenkammer geführt worden ist, werden die Verbindungsstücke wieder umgelegt, das zur Eisenbahn führende Schleußenthor verschlossen, hingegen das geöffnet, welches zu der Schleußenkammer führt, worin das Schiff sich befindet. Wenn alsdann auf diese Weise das Schiff in die oberste Schleußenkammer gelangt ist, wird das Schleußenthor hinter demselben geschlossen, dagegen die Communication mit einem höher liegenden Wasserbehälter hergestellt. Durch das eintretende Wasser wird das Schiff gehoben und kann nun leicht in den Rollwagen eingelassen werden. Hierauf läßt man das Wasser ab, befestigt das Schiff auf dem Wagen und stellt die Verbindung mit der Eisenbahn durch jene Bogenstücke wieder her. Durch eine dem Schiffe vorgespannte Locomotive gelangt dasselbe nun auf der Eisenbahn zu dem Hafen, wo eine ähnliche Schleußeneinrichtung zu seinem Empfang bereit ist. Da die Schienen für größere Schiffe eine sehr breite Spur haben müssen, und die bewegende Maschine nicht nothwendig eine gleiche Spurweite verlangt, so kann das Geleise der letzteren zwischen den für die Rollwagen bestimmten Schienen liegen, und zu Zeiten wo keine Schiffe transportirt werden, zum gewöhnlichen Güter- und Personentransport benutzt werden.“ Es läßt sich diese Idee des Schifftransports eben so leicht auf das Transportiren von Booten aus einem Canal in den andern, das Ueberführen von Schiffen aus einem Fluß oder Hafen in den andern, wie auf das Bringen der Seeschiffe aus einem Meere in das andere anwenden.