Titel: | Ueber die von Dr. Sell in Offenbach ausgeführten Asphaltdächer. |
Fundstelle: | Band 99, Jahrgang 1846, Nr. XLVII., S. 180 |
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XLVII.
Ueber die von Dr. Sell in Offenbach
ausgeführten Asphaltdächer.
Aus dem Monatsblättern des großh. Hess. Gewerbvereins,
1845 Nr. 7.
Ueber Sell's Asphaltdächer.
Die Fabrik des Dr. Sell,
welche sich gegenwärtig in Offenbach befindet, wendet jetzt ein Verfahren fläche
Dächer zu decken an, das sich in hohem Grade bewährt hat. Die Construction des
Dachgerüstes bietet weiter keine Eigenthümlichkeit dar, aber anstatt der in
Zwischenräumen von ½ Zoll auf das Sparrenwerk genagelten Latten läßt Sell gewöhnliche Dachdielen mit langen Lattnägeln gut
aufnageln, wozu Stücke von verschiedener Länge verwendet werden sollen, damit sie
nicht auf einem Sparren zusammenstoßen. Will man recht vorsichtig verfahren, so sägt
man sämmtliche Dielen in der Mitte durch, um das Werfen derselben zu verhüten. Da
Dachdielen niemals gleich dick sind, so wähle man dieselben beim Aufnageln so aus,
daß wo möglich gleich dicke neben einander zu liegen kommen, damit man eine schöne
ebene Fläche erhält. Um den nöthigen Abfall über die Sparrenköpfe oder das Gesims zu
bilden, werden an den freistehenden Seiten des Gebäudes circa 6 Zoll breite, nicht allzuschwache Eisenblechstreifen, welche nach vornen etwas
eingebogen sind, so auf das vorderste Brett aufgenagelt, daß sie etwa 2 Zoll
vorspringen. Diese Blechstreifen sind vorher auf beiden Seiten mit Mineraltheer
anzustreichen, um sie vor Rost zu schützen. Bei Gebäuden, bei welchen man weniger
auf ein schönes Aeußere zu sehen hat, kann man die Eisenblechstreifen ganz
weglassen; man schrägt alsdann die Kante des untersten Brettes, welches den Abfall
des Regens bilden soll, etwas ab und läßt dasselbe 2 bis 3 Zoll über den
Sparrenköpfen vorstehen.
Nun wird das Bretterdach von oben mit gewöhnlichem Steinkohlentheer getheert, was zum
Zweck hat, das Holz weniger hygroskopisch zu machen; es zieht dadurch weniger leicht
Feuchtigkeit aus der Luft an und wird bei trockener Witterung weniger schwinden,
dagegen bei feuchter Luft sich auch weniger ausdehnen. Ist der
Steinkohlentheer-Anstrich getrocknet, das heißt in das Holz eingezogen, was
bei Sonnenschein kaum einen Tag erfordert, so wird die ganze Dachfläche mit
gewöhnlichem Packleinen überzogen. Dieß geschieht, indem man dasselbe der Länge nach
von einem Sparrenkopf über den Forst hinaus zum andern straff ausspannt und an den
Enden mit kleinen Nägeln (Sattlernägeln) auf dem Bretterdache festnagelt, jedoch mit
der Vorsicht, daß man jede einzelne Bahn des Packtuches handbreit über die
nächstfolgende übergehen läßt, was auch bei der Einfassung mit Eisenblechstreifen
nicht versäumt werden darf. Hat man dieselbe jedoch ganz weggelassen, so nagelt man
das Packtuch unter dem untersten Gesimsbrett an und spannt es alsdann, wie
angegeben, bis zum andern Ende über die Dachfläche aus.
Das Asphaltiren des Packtuches ist nun die nächstfolgende Arbeit. Man schmilzt
nämlich Mineraltheer und Mineralkitt (Asphaltmastix, bituminöser Kalk) in einem
geräumigen Kessel zusammen. Das Verhältniß des Mineralkitts zum Mineraltheer ist
nach der Witterung verschieden; man kann, je nachdem die Temperatur noch eine
leichte Verarbeitung zuläßt, die Menge des Kitts zum Theer auf 3–4 Theile des
ersteren gegen einen Theil des letzteren steigern. Ein starker Zusatz von
Mineralkitt gewährt die Annehmlichkeit, daß dann um so weniger ein Erweichen des
Anstrichs in der glühendsten Sonnenhitze zu befürchten steht. Die zu dieser Arbeit
erforderlichen Geräthschaften sind die gewöhnlichen. Bei der Arbeit des Asphaltirens
ist es zweckmäßig, wenigstens zwei Arbeiter auf dem Dache zu haben; einen zum
Anstreichen, den andern zum Besanden, und einen Handlanger zur Unterhaltung des
Feuers, zum Aufrühren der Mischung, was fleißig geschehen muß, und zum Zutragen der
geschmolzenen Masse. Man beginnt nun, wo möglich auf dem Dache selbst, den
Mineralkitt, welcher vorher in kleine Stücke zerschlagen wird, und Mineraltheer in dem
geeigneten Verhältniß in den Kessel zu bringen und bei anfänglich starkem Feuer
zusammen zu schmelzen, was man durch Umrühren befördern kann. Ist die Masse gut im
Fluß, so daß Blasen aufsteigen, dann wird das Feuer etwas gedämpft, mittlerweile der
zweite Kessel gefüllt, damit die Arbeit ununterbrochen fortgesetzt werden kann, und
mit dem Anstreichen begonnen. An einer Ecke des Daches fängt man an, streicht eine
Bahn des Packtuches nach dem Forste zulaufend dick an und bewirft sogleich diese
Fläche reichlich mit heißem, staubfreiem Sande von Senfkorn- und Linsengröße.
Ist der Sand so weit erhitzt, daß man ihn nicht in der Hand halten kann, so dringt
er sogleich ein und wird beim Erkalten festgehalten. Hat man die ganze Dachfläche
auf diese Art angestrichen und besandet, so kehrt man den Antheil Sand, welcher
nicht fest auf der Fläche haftet, gut ab, und wiederholt diese Arbeit nochmals,
indem man nun 4–5 Theile Mineralkitt auf 1 Theil Mineraltheer
zusammenschmilzt, anstreicht und wie vorher behandelt.
Da, wo ein Kamin einzudecken ist, oder das Dach an ein Seitengebäude oder eine Mauer
anstößt, muß man besonders aufmerksam verfahren. Man läßt am besten das Packtuch
einen halben Schuh an der anstoßenden Fläche aufsteigen, asphaltirt, wie angegeben
und läßt dann den Verputz der Mauer oder des Schornsteins über das Packtuch
gehen.
In diesem Zustande läßt man nun das Dach einige Tage der Sonnenhitze ausgesetzt und
wartet wo möglich einen Regen ab, um sich zu überzeugen, ob dasselbe auch vollkommen
wasserdicht ist. Hat es diese Probe ausgehalten, so bereitet man einen dünnen Mörtel
(Speiß), wie man ihn zum Mauern verwendet, und breitet diesen auf dem Dache mittelst
eines Staupbesens gleichmäßig aus. Nach einigen Tagen ist dieser Ueberzug erhärtet
und wird von keinem Regen abgespült. Durch diese Mörteldecke, die eigentliche
Schutzlage des Asphalts, ist die sonst schwarze Fläche in eine weiße umgeschaffen,
was von unglaublicher Wirkung ist. Die Temperatur auf einer schwarzen Fläche steigt
in der Mittagshitze bis auf 60° R., während eine weiße nur die der Atmosphäre überhaupt annimmt. Was ist die Folge dieser
Erscheinung? — Es können dem Asphalt die flüchtigen Bestandtheile nicht
entzogen werden, welche allein seine Zähigkeit und mit dieser seine Dauerhaftigkeit
bedingen.
Das nun fertige Dach soll bei genauer Befolgung in der Ausfuhrung vorstehender
Angaben allen Anforderungen entsprechen. Die Gründe für das Verfahren werden dem
Kenner von selbst einleuchten und er die Zweckmäßigkeit desselben, besonders der großen
Billigkeit wegen, zu würdigen wissen.
Es sind in der Fabrikanlage des Hrn. Sell vor drei Jahren
etwa 15,000 Quadratfuß auf angegebene Weise gedeckt worden, ohne daß bis jetzt ein
Pinselstrich für eine Reparatur nöthig gewesen wäre. Das Aussehen der Dächer ist
noch jetzt so, als seyen sie gestern fertig geworden.
Erforderliches Material für 1000 Quadratfuß rheinisches Maaß Dachfläche:
50
Steinkohlentheer,
150
Mineraltheer,
700
Mineralkitt,
3½
Stück Packtuch,
1400
Sattlernägel,
1
Karren Quarzsand.
Um über den Erfolg der nach der vorbeschriebenen Methode ausgeführten Dächer
zuverlässige Nachrichten zu erhalten, hat der großherzogliche hessische Gewerbverein
Hrn. Oberbaurath Brenner in Amorbach um eine nähere
Mittheilung gebeten, uachdem man vernommen, daß dieser mehrfache Ausführungen dieser
Art hatte vornehmen lassen. Hr. Brenner theilte dem
Verein hierüber Folgendes mit:
„Die ersten flachen Dachbedeckungen ließ ich vor ungefähr zehn Jahren nach der
bekannten, aber nichts taugenden Dorn'schen Manier
ausführen, mit Lehm und Lohe auf Lattenspalirung, Steinkohlen- und
Mineraltheeranstrich. Es wurde damals auf Marienhöhe (im Badischen) ein neuer
Oekonomiehof errichtet, dessen Scheuer, Stallungen, Brennerei etc. mit dieser
Dachung versehen worden sind. Schon nach Verlauf von einigen Jahren halfen alle
Ausbesserungen nichts mehr, ich mußte also die kleineren Gebäude, deren Holzwerk
bereits Schaden gelitten hatte, mit Ziegelbedachung auf neuem Dachstuhl versehen
lassen. Bei der Scheuer wurde der letzte Ausbesserungsversuch damit gemacht, daß ich
nach der Methode des Hrn. Sell in Offenbach die ganze
Dachfläche mit Packleinwand belegen, dieselbe mit einer Mischung von Mineraltheer
und Asphaltkitt mit dem Pinsel zweimal überstreichen und mit heißem Sand tüchtig
bestreuen ließ. Seit dieser Zeit — jetzt drei Jahre — ist keine
Ausbesserung daran weiter nothwendig gewesen. Darauf im Jahr 1842 ließ ich in
Ernstthal den Ueberbau zum Sommerbierkeller beim dortigen Bräuhause auf ähnliche
Weise belegen, indem ich auf die nach Dorn'scher Manier
präparirte Unterlage Packleinwand aufziehen und ebenso mit Mineraltheer, Asphalt und
heißem Sand überziehen
ließ. Diese Arbeit war jedoch im Spätjahr bei nicht ganz trockener Unterlage gemacht
worden, weßhalb im darauf folgenden Frühjahre wegen Verziehen des Packtuches einige
Risse entstanden, die aber leicht auszubessern waren, und seitdem ist die
Dachdeckung vollkommen gut geblieben, welche ich überdieß zu Verminderung der
Wirkung der Sonnenhitze mit Kalkweiß überstreichen ließ.
Im verflossenen Jahre habe ich mehrere große Dachungen nach derselben Methode, jedoch
auf den Rath des Fabrikanten Sell in Offenbach —
von welchem ich die Materialien bezog — mit dem Unterschied ausführen lassen,
daß statt der Lehm- und Lattenunterlage eine solche bloß von gefügten, einfachen Brettern gefertigt wurde. Dieß hat den
Vortheil, daß man nicht zu warten braucht, bis die Unterlage getrocknet ist, und daß
also fast zu jeder Jahreszeit die Dachbedeckungsarbeit vorgenommen werden kann. Auf
diese Weise können flache Bedachungen am einfachsten, wohlfeilsten und jedenfalls
sehr dauerhaft nach meiner Ueberzeugung gefertigt werden, so daß ich keinen Anstand
nehme, diese Methode bei allen Gebäuden anzuwenden, wo flache Dächer vorkommen.
Vor ungefähr sechs Jahren habe ich auch flache Dächer mit Asphaltguß nach der Anleitung des Martin Schlamp zu Frankfurt und nach eigenen Versuchen anfertigen lassen. Der
Erfolg war jedoch weniger befriedigend. Obwohl diese Dächer jetzt noch bestehen und
nach vieler Ausbesserung auch seit zwei Jahren vollkommen Wasser halten, so haben
sie doch anfänglich öfters Sprünge bekommen, so daß die eindringende Nässe die
Gebäude beschädigt hat. Die Dächer mit Aspaltguß sind überdieß viel theurer, weil
man mehr Material dazu braucht.
Die Pferdestände in dem früheren Marstalle dahier habe ich zur damaligen Zeit auf ein
Rollpflaster von Backsteinen auch mit Asphaltguß überziehen lassen, welcher ohne
Ausbesserung seit sechs Jahren gut gehalten hat.
Dachbedeckungen mit Metall (Zink oder Eisenblech) können
nie so flach gemacht werden, als die mit Asphalt, darum wird die Dachconstruction
kostspieliger, auch die Fläche größer, und vermöge des auf Eisenblech wenigstens
alle drei Jahre zu erneuernden Oelanstriches die Unterhaltung sehr
theuer.“