Titel: Bericht des Hrn. Seguier über den Chronograph von Rieussec.
Fundstelle: Band 97, Jahrgang 1845, Nr. L., S. 179
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L. Bericht des Hrn. Seguier uͤber den Chronograph von Rieussec. Aus dem Bulletin de la Société d'Encouragement, April 1845, S. 139. Mit Abbildungen auf Tab. III. Seguier's Chronograph. Schon im September 1821 hatte Hr. Rieussec, Uhrmacher zu Saint-Mandé bei Paris, den glüklichen Gedanken, die genaue Zeitdauer, welche die Rennpferde zum Durchlaufen der Rennbahn brauchen, mittelst einer besonders vorgerichteten Uhr zu markiren. Ein so wichtiges Instrument mußte die Aufmerksamkeit auswärtiger Künstler rege machen und bald darauf (im December 1821) wurde die Erfindung des Hrn. Rieussec in England mit unwesentlichen Abänderungen nachgemacht. Bei dem Chronograph ist die Grundidee eben so sinnreich, als die Mittel der Ausführung. Die Grundidee, welche seitdem bei allen Apparaten dieser Art vorwaltet, besteht darin, daß ein Merkzeichen auf eine Oberfläche gemacht wird, und zwar genau in dem Augenblik, welchen der Beobachter für den passendsten hält. Ein kleiner Tintenflek, der von einem sich beständig bewegenden Zeiger auf ein Zifferblatt gemacht wird, oder das Durchstechen eines sich mit gleichmäßiger Geschwindigkeit fortbewegenden Papierstreifens mittelst einer feststehenden Nadel sind die verschiedenen Arten, wodurch Hr. Rieussec seine Idee realisirt. Die Ausführung dieser Idee bot mehrere Schwierigkeiten dar. Die Bewegung des Beobachters mußte sich augenbliklich dem Zeiger mittheilen, ohne dessen Gang zu verzögern oder zu hemmen; auf die Punktirung selbst durste die größere oder kleinere Geschwindigkeit des Beobachters keinen Einfluß haben; die Zeitdauer mußte durch eine reine und genaue Punktirung ausgedrükt seyn, welche auf unzweifelhafte Weise den Anfang und das Ende einer Beobachtung markirt; kurz, der gemachte Punkt, oder die vollbrachte Durchstechung mußte vollkommen rund bleiben und nicht in die Länge gezogen seyn, sey es nun durch die Punktirvorrichtung oder durch die zu durchstechende Oberfläche, was immer der Fall seyn würde, wenn die zum Punktiren angewandte Zeit nicht so kurz wäre, daß sie im Verhältniß zur Geschwindigkeit des Zeigers oder der Punktir-Oberfläche als Null zu betrachten ist. Hr. Rieussec hat diese Schwierigkeiten glüklich überwunden; er löste das Problem durch Anwendung sehr einfacher aber sinnreicher mechanischer Mittel, die wir kurz beschreiben wollen. Eine Cylinder- oder andere Uhr bewegt einen Secundenzeiger gleichförmig, jedoch etwas rükweise, je nach der Anzahl der Unruhschwingungen, im Kreise. Dieser Zeiger (trotteuse) ist doppelt, und besteht aus zwei über einander liegenden Theilen. Der untere Theil ist an seinem Ende mit einem kleinen Recipient versehen, dessen Boden fein durchbohrt ist, und der als Tintenfaß dient; die Tinte wird darin ungeachtet der kleinen Oeffnung im Boden, durch Molekular-Attraction zurükgehalten. Der obere Theil des Zeigers endet mit einer gekrümmten Spize, welche in das Tintengefäß getaucht ist und nach dem Willen des Beobachters durch die Oeffnung im Boden des Gefäßes treten kann, um das Zifferblatt zu berühren und als Feder zu dienen; sie macht jedesmal, wenn sie in Anwendung kommt, d.h. so oft sie durch den Finger des Beobachters mittelst eines besonderen Mechanismus niedergedrükt wird, einen Punkt auf das Zifferblatt. Ein kleines Röhrchen befindet sich auf der Achse, welche den doppelten Zeiger trägt. Das obere Ende des Röhrchens ist an dem oberen Theil des Zeigers befestigt, während das untere Ende mit einer Scheibe versehen ist, auf welche eine gespannte Feder plözlich beim Abschnappen einen außerordentlich raschen Druk ausüben kann. Ein außerhalb angebrachter Drüker dient zum Spannen der Feder. Dieß kann nun schnell oder langsam geschehen, ohne daß es auf den Zeiger Einfluß hätte, weil die Feder erst im Moment des Abschnappens auf den Zeiger wirkt. Die Wirkung der Feder findet statt, so bald ihr Ende, welches durch den Druk des Fingers auf eine schiefe Ebene gehoben wird, die höchste Stelle derselben erreicht hat; sie schnappt dann auf der entgegengesezten Seite der schiefen Ebene von selbst ab. Während dieses Abschnappens, wobei bloß die Elasticität der Feder die Geschwindigkeit bedingt, senkt sich der als Feder dienende Zeiger auf das Zifferblatt und macht mit Tinte einen Punkt auf dasselbe. Die Anordnung ist so, daß sich der obere Zeigertheil senkt, während der untere Theil mit dem Tintengefäß, womit er immer fest verbunden bleibt, vorwärts geht, ohne daß dadurch sein regelmäßiger Gang in irgend einer Weise gestört würde. Man wird leicht einsehen, daß dieß seyn kann, wenn man bedenkt, daß das Röhrchen, womit der obere Zeigertheil verbunden ist, unten eine kreisförmige Scheibe trägt, auf welche das Ende der Feder immer drüken kann, welche Stellung auch die Zeiger im Augenblik des Punktirens haben mögen. Diese mechanische Wirkung ist in der Uhrmachern unter dem Namen coup de fouet bekannt – ein Ausdruk, wodurch die Geschwindigkeit der Function gut bezeichnet wird. Hr. Rieussec oder seine Nachahmer versuchten auch andere Mechanismen anzuwenden, um dieselben Resultate zu erhalten. So glaubte der Erfinder des Chronograph selbst das Punktiren des Zeigers dadurch hervorbringen zu können, daß einer Masse, die an der Zeigerröhre befestigt wäre, dadurch eine plözliche Bewegung mitgetheilt würde, daß man an das ganze Instrument beim Beginn der Beobachtung schnell stößt. Andere wollten, anstatt einfach die Feder durch den Druk des Fingers zu spannen, die bewegende Kraft der Uhr noch zum Punktiren des Zeigers verwenden. Diese lezte Anordnung hat, ohne einen wesentlichen Vortheil darzubieten, den großen Nachtheil, daß bei jeder Beobachtung die Triebfeder im Federhaus etwas entspannt wird, was zur Folge hat, daß die Uhr nicht so lange geht als sonst. Mehr die Neuerungssucht, als das wirkliche Verlangen nach einer Verbesserung scheint bis jezt Veranlassung gewesen zu seyn, die von dem scharfsinnigen Erfinder getroffenen Anordnungen abzuändern. Dieser Vorwurf trifft aber nicht die schöne Idee, die Punktirung des Chronograph durch die Unterbrechung eines elektrischen Stroms hervorzubringen; nur ist zu bemerken, daß das Instrument, durch welches sehr kleine Bruchtheile einer Secunde angezeigt werden können, falsche Angaben machen würde, wenn man bei der Schlußrechnung nicht eine Correction vornehmen würde für die Zeit, welche zum Unterbrechen oder zum Herstellen des elektrischen Stroms nothwendig und wegen der Inductionsströme nicht so kurz ist, als man früher annahm. Der Chronograph des Hrn. Rieussec dient nun nicht mehr bloß als unparteiischer Schiedsrichter bei Pferderennen, sondern er wurde jedem Experimentator unentbehrlich, der mittelst einer Uhr die Dauer sehr kurzer Erscheinungen graphisch darstellen will. Beschreibung des Instruments. Die ersten von Hrn. Rieussec im Jahr 1821 verfertigten Chronographen hatten ein bewegliches Zifferblatt, dessen Ziffern nach und nach vor einem kleinen Fensterchen erschienen. Eine in Tinte eingetauchte Metallfeder, welche sich bewegte, sobald man auf einen Knopf drükte, zeigte auf dem sich drehenden Zifferblatt die Secunde oder Bruchtheile derselben an, welche dem Anfang oder dem Ende der Zeitperiode, die man messen wollte, entsprach. Hr. Rieussec änderte dieses System dahin ab, daß er das Zifferblatt feststellte, und die Feder auf die nun zu beschreibende Weise sich bewegen ließ. Hr. Rieussec verfertigt zwei Arten von Chronographen; die einen, von ziemlich großem Umfang, sind in einem Kästchen eingeschlossen; die anderen haben die Form einer gewöhnlichen Taschenuhr. Wir wollen uns zuerst mit denen der ersten Art beschäftigen. Fig. 25 zeigt den Chronograph von oben angesehen, und zwar in natürlicher Größe, aus dem Kästchen herausgenommen. Fig. 26 zeigt denselben von der Seite angesehen. Fig. 27 ist die Ansicht des Chronograph von unten; man ersieht daraus den Mechanismus, wodurch die Unruhe aufgehalten oder frei gemacht wird. Fig. 28 zeigt das Innere des Instruments mit der Drükervorrichtung, durch welche der Zeiger punktirt. Fig. 29 ist der Grundriß und Aufriß des Secundenzeigers, welcher aus zwei über einander gelegten Theilen besteht. In diesen fünf Figuren bezeichnen dieselben Buchstaben denselben Gegenstand. A Platte für das Zifferblatt. B und C Gestell für das Uhrwerk. a, Fig. 26, Federhaus. b vierekiger Schlüsselstift. c Zahnrad am Federhaus, das in ein (Betrieb d eingreift, auf dessen Achse das Rad e befestigt ist, welches ein (Betrieb e' treibt, das mit dem Secundenrad f verbunden ist. Dieses Rad ist mit dem (Betrieb g des Steigrads h im Eingriff. i, Fig. 27, Unruhe. k unteres Spindellager. l, Fig. 25, kleiner Zeiger, welcher in fünf Minuten eine Umdrehung macht, und zwar auf einem Zifferblatt, das in fünf Theile getheilt ist. m Secundenzeiger (trotteuse), welcher in dem Lager m' liegt und dessen umgebogene Spize n, Fig. 29, in ein kleines Näpfchen o taucht, welches an dem Ende eines anderen darunter liegenden Zeigers, der sich aber auf derselben Achse befindet, angebracht ist. Das Näpfchen enthält ein wenig rothe Tinte, welche so dik ist, daß sie nicht durch das Loch in dem Näpfchen ausfließt. Die Spize des Zeigers m, welche in die Tinte eingetaucht ist, geht durch dieses Loch und macht einen Punkt auf das Zifferblatt, und zwar genau beim Beginn oder beim Ende einer Operation, wenn man auf den Punktirknopf q drükt. Diese Bewegung geschieht auf folgende Weise. Die Achse des Knopfs q trägt eine schiefe Ebene r, welche, wenn sie abwärts gedrükt wird, eine kleine Rolle s bewegt, die an einem Winkelstük t, Fig. 28, angebracht ist, das sich um den Zapfen u dreht. Auf den kurzen Arm des Winkelstüks drükt eine Feder u'; der längere Arm desselben ist mit einer Feder v versehen, deren Kopf sich an eine Achse x stüzt, die durch einen festen Bügel getragen wird und wie ein umgestürzter Kegel eingeschnitten ist, damit der Kopf sie nicht verlassen kann, wenn irgend eine zu starke Bewegung dem Stük mitgetheilt würde. Jedesmal, wenn das Winkelstük sich dreht, schnappt die Feder aus und bewirkt dadurch eine Punktirung, daß sie dem Ansaz y begegnet, welcher auf der Gabel z befestigt ist, die aus einer Feder besteht. Diese Gabel umgibt das Rohr des Zeigers m und verschiebt diesen. Der Zeiger senkt sich, seine Spize dringt durch das kleine Näpfchen, und macht einen Punkt auf das Zifferblatt. Dieß geschieht, während die Zeiger im Gang sind. a' ist ein Getrieb, welches auf die Zeigerachse aufgestekt und mit dem Rad b' im Eingriff ist; lezteres macht in fünf Minuten eine Umdrehung und trägt den kleinen Zeiger l. Um das Uhrwerk zu hemmen oder es wieder in Gang zu sezen, drükt man auf den Knopf c'. Die Achse dieses Knopfs, deren Ende eine schiefe Ebene bildet, verschiebt beim Abwärtsgehen eine kleine Rolle, welche an einem Arme befestigt ist, der auf die Achse des Drükers d' aufgestekt ist, dessen Ende einen Geisfuß trägt. Diese Achse dreht sich und nähert den Drüker dem Stern e'', wodurch lezterer um einen Zahn springt, so wie auch das dreiflügelige mit dem Stern verbundene Excentricum f'. In der in Fig. 27 angegebenen Lage befindet sich der Springer g' zwischen den Flügeln des Excentricums, und die Feder h', welche mit dem Springer verbunden ist, drükt gegen die Unruhe und hält sie, und damit das Uhrwerk und den Secundenzeiger. Drükt man nun von neuem auf den Knopf c' so dreht der Drüker den Stern wieder um einen Zahn und bringt einen Flügel des Excentricums gegen den Springer, so daß dieser zurükgedrükt wird. Zu gleicher Zeit entfernt sich die Feder h' von der Unruhe und macht diese frei. Man sieht daraus daß, wenn man einmal auf den Knopf c' gedrükt hat, um die Zeiger stille zu stellen, man sie durch einen zweiten Druk sogleich wieder in Gang bringen kann. Beim Beginn einer Beobachtung bringt man die Zeiger auf Null des Zifferblatts; dann drükt man auf den Knopf c' und sie fangen an sich zu bewegen. Um den Anfang der Beobachtung genau zu markiren, drükt man auf den Knopf q, und augenbliklich tritt die krumme Spize des Zeigers durch das Näpfchen und macht einen rothen Punkt auf das Zifferblatt. Die Tinte, welche in das Näpfchen o des Zeigers p kommen soll, befindet sich in dem Gefäße i', in welches die Spize des Knopfs j' taucht. Zieht man diesen Knopf aus dem Gefäß, so bleibt an seiner Spize ein Tröpfchen Tinte hängen, das man dann in das Zeigernäpfchen bringt. Taschenchronograph. – Diese Chronographen haben die Form einer gewöhnlichen Taschenuhr und sind von zweierlei Art; die einen mit doppelter, die anderen mit einfacher Bewegung. Fig. 30 stellt einen Chronograph mit doppeltem Räderwerk dar. Fig. 31 zeigt denselben von hinten angesehen, nachdem der Dekel abgenommen ist, damit man den Mechanismus sehen kann. Fig. 32 anderer Chronograph mit einfachem Räderwerk und einem excentrischen Stunden- und Minuten-Zifferblatt. Fig. 33 derselbe inwendig; Fig. 34 Bodenplatte desselben, worauf die Feder zu sehen ist, welche den Drüker zurükhält; Fig. 35 Secundenzeiger mit der Punktirvorrichtung in größerem Maaßstab gezeichnet. Fig. 36 und 37 Grund- und Aufriß derselben mit dem Räderwerk, welches sie bewegt, in natürlicher Größe. Fig. 38 und 39 Grund- und Aufriß des Federhauses mit seinem Rade. Fig. 40 zwei Ansichten der Feder, welche das Punktum bewirkt. Fig. 41 zwei Ansichten der Feder, durch welche das Zeigerwerk stille gestellt wird. Ohne uns lange damit aufzuhalten die verschiedenen Theile des Chronograph zu beschreiben, welche den Theilen einer Cylinderuhr ähnlich sind, wollen wir uns mit dem Mechanismus zum Stillstellen und Punktiren beschäftigen, welcher von dem oben beschriebenen abweicht. k', Fig. 35, verzahntes Rad, welches den Secundenzeiger bewegt. l' Rohr des Zeigers p, das auf die Röhre m'' des Zeigers m mit welchem sie sich dreht, fest aufgestekt ist. n' Achse des Zeigers, welche durch die Röhre m'' geht. o' Getriebe, welches an das Rad k' befestigt ist und sich auf der Röhre m'' frei dreht, wenn die kleine conische Scheibe p', die daran befestigt ist, nicht von unten nach oben gedrillt wird, was durch eine andere Scheibe q' geschieht, die unmittelbar darunter liegt und auf der Röhre r' fest ist. Dieser Druk wird durch eine Feder s' Fig. 41, hervorgebracht, deren gekrümmtes Ende mit der Scheibe t' auf der Röhre r' in Berührung kommt und dadurch das Getrieb mit dem Zeiger verbindet. Lezterer wird dadurch in Gang gesezt; sobald man ihn stille stellen will, muß man die Scheibe q' niederlassen, und sobald diese nicht mehr gegen die Scheibe p' drükt, ist der Zeiger frei. Um dieß zu bewerkstelligen, darf man nur einen kleinen Riegel u' verschieben, der am Umfang der Uhr angebracht ist und auf den gekrümmten Arm der Feder s' wirkt. Sobald diese Feder nicht mehr auf die Platte t' drükt, geht leztere abwärts und das Getrieb dreht sich dann um seine Röhre ohne die Zeiger zu bewegen. Will man Punktiren, so drükt man auf den Drüker v', welcher die Feder x' in Bewegung sezt, die man in Fig. 40 besonders, und in Fig. 33 unter der Gabel y' sieht, welche das Ende der Zeigerachse n' umgibt. Diese Gabel ist unten mit einem schiefen Ansaz versehen, unter welchen die Feder tritt. Dadurch wird das Heben der Gabel und das Abwärtsgehen des Zeigers bewirkt. Die Feder geht so schnell unter dem Ansaz der Gabel vorbei und wirkt mit solcher Geschwindigkeit, daß man ihr den Namen coup de fouet gegeben hat. Die Feder x' legt sich an einen Stift in der Brüke z' an, und wenn sie auf die andere Seite der Gabel tritt, was aus Fig. 33 zu sehen ist, so begegnet sie einem anderen Stift, der ihre Weiterbewegung hemmt.

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