Titel: | Untersuchungen über die Locomotivmaschinen; von Gouin und Le Chatellier. |
Fundstelle: | Band 97, Jahrgang 1845, Nr. I., S. 2 |
Download: | XML |
I.
Untersuchungen uͤber die
Locomotivmaschinen; von Gouin und Le
Chatellier.
Aus den Comptes rendus, Mai 1845, Nr.
20.
Gouin's und Chatellier's Untersuchungen über die
Locomotiven.
Die Eisenbahn-Ingenieure Gouin und Le Chatellier gaben unlängst ein Werk unter dem Titel:
Recherches expérimentales sur les machines
locomotives heraus; die Resultate, zu welchen sie durch ihre Versuche
gelangten, müssen zu bedeutenden Verbesserungen in der Construction der Locomotiven
führen.
Sie maßen mittelst eines besonderen Instruments den Druk des Dampfes im Kessel, in
der Dampfbüchse und im Cylinder, sowohl beim Zulassen des Dampfes, als auch während
der Expansion und beim Ausblasen oder Auslassen desselben. Sie suchten ferner die
Menge Wassers zu bestimmen, welches vom Dampfe mit fortgerissen wird, seinen Einfluß
auf den Druk in den Cylindern, und begannen mehrere andere interessante
Forschungen.
Vergleichung der Dampfspannung in dem Kessel und in den
Cylindern. – Die von dem Instrumente verzeichneten Curven
bewiesen:
1) daß bei Locomotiven der Druk in dem Cylinder während der Zulassungsperiode und
während des größten Theiles der Auslassungsperiode ziemlich gleichmäßig ist;
2) daß der Dampfdruk während der Expansion sehr nahe, und für die Praxis mit
hinreichender Genauigkeit dem Mariotte'schen Geseze
folgt;
3) daß das Verhältniß des Dampfdrukes in dem Cylinder zu demjenigen in dem Kessel,
von der Oeffnung des Regulators, der Geschwindigkeit der Maschine und von den
Dampfwegen abhängt; daß aber bei dem gewöhnlichen Gange, wenn die Regulatoröffnung
1/20 bis 1/25 der Kolbenfläche beträgt, die Differenz des Drukes in dem Kessel und
dem Cylinder während der Zulassung und bei einer Geschwindigkeit von 36–40
Kilometer in der Stunde, nicht mehr als höchstens 6–10 Procent des Drukes im
Kessel beträgt;
4) daß die mitgerissene Wassermenge diesen Unterschied im Druk bedeutend vermehrt,
was sehr begreiflich ist, und beweist, wie wichtig es ist, die Dampfkuppel gehörig
groß zu machen und am richtigen Plaze anzubringen.
Diese Versuche ergaben, daß die mitgerissene Wassermenge, welche von Pambour im Durchschnitt zu 24 Proc. des aus dem Kessel
abgehenden Wassers angenommen wurde, je nach der Anordnung des Domes oder der
Dampfkuppel und der Höhe, auf welcher der Maschinist das Wasser hält, zwischen 18
und 40 Procent wechseln kann, woraus erhellt, daß die Berechnung des Drukes in dem
Cylinder, welche auf den Wasserabgang im Kessel basirt ist, sehr unsicher ist.
Eine der wichtigsten von den HHrn. Gouin und Chatellier angegebenen Thatsachen ist die, daß der
Gegendruk auf den Kolben beim Auslassen des Dampfes und bei der gewöhnlichen
Geschwindigkeit der Maschine, im Mittel 50 Procent des absoluten bewegenden Drukes
beträgt, was bei weitem mehr ist, als andere Beobachter mit mehr oder weniger
genauen Schäzungsmitteln angegeben haben. Dieses wichtige Resultat zeigt daß, wenn
auch die Anwendung des Ausblaserohres den Vortheil darbietet, die Verbrennung zu
befördern, dasselbe den großen Nachtheil mit sich bringt, den Gegendruk auf den
Kolben unverhältnißmäßig zu vergrößern, und die Locomotivenerbauer sollten, durch
dieses Resultat aufmerksam gemacht, andere Mittel suchen, eine große Menge Dampf zu
erzeugen, und dessen Abzug entweder durch Vergrößerung der Mündungen, oder durch
besondere Austrittsöffnungen erleichtern. Die Nüzlichkeit ähnlicher Verbesserungen
ist durch die Versuche der HHrn. Gouin und Chatellier hinreichend erwiesen, welche ergaben daß, wenn
man durch irgend ein Mittel dahin gelangt, den Gegendruk zu vermeiden, der Nuzeffect
des Dampfes in der Locomotive um 42 Procent vergrößert wird. Die HHrn. Gouin und Chatellier zeigten
auch, daß das Verschließen der Ausströmungsöffnungen durch die Schiebventile
wenigstens um einige Millimeter verzögert werden sollte, und daß, wenn man die
Dimensionen so groß macht, wie sie in neuester Zeit versucht wurden, daraus ein
Kraftverlust hervorgeht neben dem Uebelstande, daß häufig am Ende jedes Kolbenhubes
die Schiebventile gehoben werden.
Ihre Abhandlung schließt mit den Resultaten einiger Versuche über den Widerstand der
zu bewegenden Wagenzüge, woraus hervorgeht, daß bei ruhigem Wetter dieser Widerstand
bei Geschwindigkeiten von 10 und 15 Metern per Secunde
sich von 1/150 zu 1/125 der Last veränderte – ein Resultat, welches sich
demjenigen sehr nähert, welches die Commission der Akademie, die beauftragt war das
Wagensystem von Arnoux zu untersuchen, erhielt.
Offenbar verbreiten also die Resultate der HHrn. Gouin und
Chatellier neues Licht über Thatsachen, welche bis
jezt nur unvollkommen studirt waren und deren genaue Kenntniß von großer Nichtigkeit
für die Vervollkommnung der Eisenbahntransporte wäre. Wenn zwei Ingenieure, deren
sehr strenger Dienst (auf der Paris-St. Germain-Eisenbahn, rechtes
Ufer) ihnen wenig Zeit für schwierige und gefahrvolle Untersuchungen übrig läßt, in
ihrem Eifer Mittel finden konnten, um so wichtige Resultate zu erhalten, was könnte
man nicht von vollständigen systematischen Studien und Nachforschungen dieser Art
erwarten, welche im speciellen Auftrage und mit Unterstüzung der Regierung von
einigen geschikten Ingenieuren angestellt würden, und wie sehr ist es zu bedauern,
daß in der jezigen Zeit, wo so viele Millionen auf Eisenbahnenbauten verwendet
werden, nicht die gehörigen Schritte gethan werden, um über so viele wichtige Punkte
ins Reine zu kommen!