Titel: | Ueber die Einwirkung des Bleies auf destillirtes und Flußwasser; von Richard Philipps. |
Fundstelle: | Band 95, Jahrgang 1845, Nr. XCIX., S. 386 |
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XCIX.
Ueber die Einwirkung des Bleies auf destillirtes
und Flußwasser; von Richard
Philipps.
Aus der Chemical Gazette, Januar 1845, S.
7.
Philipps, über die Einwirkung des Bleies auf destillirtes und
Flußwasser.
Es ergeben sich über diesen Gegenstand folgende Fragen: 1) ob das Blei behufs der
Oxydation nothwendig der Luft ausgesezt seyn muß, oder ob die Einwirkung auch
stattfindet, wenn sich das Blei unter der Oberfläche des Wassers befindet; 2) ob
reines oder destillirtes Wasser, wenn es von aller atmosphärischen Luft befreit ist,
auf das Blei wirkt; 3) welcher Natur der weiße Niederschlag ist; 4) ob sich außer
dem weißen Niederschlag auch ein auflösliches Bleisalz vorfindet; und 5) welchem der
im Flußwasser enthaltenen Salze die Verhinderung der Bildung eines weißen
Niederschlags zuzuschreiben sey.
Nr. 1 anbelangend wurden in Flaschen, welche destillirtes Wasser enthielten, zwei
Stüke Blei von ziemlich gleicher Größe gebracht. In beiden erzeugte sich ein weißer
Niederschlag, in derjenigen aber, worin das Blei über der Oberfläche des Wassers
gehalten wurde, weit mehr als in der andern, wo das Blei unter dem Wasser war;
woraus folgt daß, obwohl es nicht nöthig ist, daß das Blei sich über dem Wasser
befinde, damit die Einwirkung stattfinde, dieselbe doch durch den Zutritt der in der
Atmosphäre enthaltenen Gase beschleunigt wird.
Ich kochte reines destillirtes Wasser so lange, daß es von atmosphärischer Luft
gänzlich befreit wurde und brachte es, nachdem es seine frühere Temperatur wieder
angenommen hatte, mit einem Stük Blei in eine wohl verstopfte Flasche, welche ich
ganz damit anfüllte; obgleich keine Wirkung sichtbar war und das Blei seinen Glanz,
mit welchem es in die Flasche gebracht wurde, behielt, wurde das Wasser dennoch,
wenn man es mit Schwefelwasserstoff versezte, sogleich braun gefärbt, daher es Blei
enthielt, folglich beim Abkühlen so viel atmosphärische Luft absorbirt hatte, daß
dieselbe auf das Blei einwirken konnte. Wurde das Wasser noch warm in die Flasche
gebracht, das Blei zugesezt und die Flasche gut verstopft, so erzeugte sich beim
Abkühlen ein luftleerer Raum, welcher aber nicht unterhalten werden konnte und es
fand daher wieder Einwirkung auf das Blei statt. Ich wiederholte daher den Versuch,
aber unter der Vorsicht, nachdem die Flasche ganz voll war und sich noch kein Vacuum
gebildet hatte, den Pfropf unter Queksilber zu tauchen und Wasser über das
Queksilber zu gießen. Nachdem dieß Alles mehrere Monate so belassen worden, hatte
das Blei seinen ursprünglichen Glanz beibehalten; und als der Hals der Flasche
abgebrochen wurde (es konnte nämlich in Folge des Vacuums der Pfropf nicht
herausgezogen werden), brachte Schwefelwasserstoff nicht die geringste Wirkung
hervor; ein Beweis also, daß reines Wasser, ohne Zutritt von Luft, auf das Blei
nicht wirkt.
Die Bildung des weißen Niederschlags anbelangend, führten mich meine Versuche zu
gleichem Resultate, wie Hrn. Yorke
Polytechnisches Journal Bd. LIV S.
20.; ich erhielt kleine Häufchen krystallinischer Schuppen, welche sich auf der
Oberfläche des Bleies gebildet hatten und sich in Essigsäure ohne das mindeste
Aufbrausen lösten. Es kann jedoch, wie ich glaube, diesem Körper keine bestimmte
Zusammensezung zugeschrieben werden, denn als ich Yorke's Versuch, diese Substanz unter der
Luftpumpe zu troknen, mit zwei Proben wiederholte, wovon die eine mehrere Jahre, die
andere aber nur einige Wochen aufbewahrt worden war, fand ich in der erstern weit
mehr Kohlensäure als in der leztern, woraus hervorgeht, daß der Niederschlag keine
bestimmte Zusammensezung hat, sondern daß sein Gehalt an Kohlensäure davon abhängt,
wie lange er in der Flüssigkeit mit Luft in Berührung blieb.
Die Existenz eines löslichen Bleisalzes in der Flüssigkeit anbelangend, weicht meine
Ansicht allerdings von derjenigen Christison's und Yorke's ab, indem ich das, was sie als aufgelöst betrachteten, nur
für mechanisch suspendirtes Bleioxydhydrat halte und zwar aus folgenden Gründen: ich
fand, bei Wiederholung eines von Yorke angestellten
Versuchs, nämlich Niederschlagen von Bleioxydhydrat und Auswaschen desselben mit
warmem destillirtem Wasser, daß die filtrirte Flüssigkeit, nachdem alle gebildeten
Salze weggewaschen waren, mit Schwefelwasserstoff einen braunen Niederschlag gab;
beim Wiederfiltriren einer Portion durch ein mehrfaches Filter aber das Reagens
nicht die geringste Farbenveränderung mehr hervorbrachte; und da Hr. Yorke der Ansicht ist, daß das
auflösliche Salz Oxydhydrat und davon am Anfange der Einwirkung des Bleies auf das
Wasser mehr vorhanden sey, brachte ich ein Stük Blei in destillirtes Wasser und
prüfte die Flüssigkeit mehrere Wochen hindurch alle Tage sorgfältig mit
Schwefelwasserstoff, konnte aber nie die geringste Farbenveränderung wahrnehmen. Da
aber dieses Reagens so empfindlich ist, daß es, nach Pfaff, noch ein 100,000tel des aufgelösten Metalls anzeigt, so müßte es,
wenn ein 10,000tel Oxyd sich gelöst befände, dasselbe noch deutlich angezeigt
haben.
Da Hr. Christison der Ansicht
war, daß die Bildung eines löslichen Bleisalzes von kohlensaurem Blei herrühre,
welches mit der Länge
der Zeit in zweifach-kohlensaures umgewandelt werde, so prüfte ich die
Flüssigkeit von einem der oben angeführten Versuche, bei welchem das Blei in
destillirtem Wasser sechs Jahre lang der Einwirkung der Luft ausgesezt war, konnte
aber nach sorgfältigem Filtriren nicht die geringste Farbenveränderung wahrnehmen.
Ich schließe also hieraus, daß kein auflösliches Bleisalz durch die Einwirkung der
atmosphärischen Luft auf in Wasser befindliches Blei gebildet wird.
Die lezte Frage betreffend, „welchem der im Flußwasser enthaltenen Salze
die Verhinderung des weißen Niederschlags zuzuschreiben sey“, bemerke
ich, daß dieß der schwefelsaure Kalk ist, indem das Chlornatrium, welchem man bisher
allgemein diese schüzende Kraft zuschrieb, sie nicht besizt, denn es bildet, wenn es
zersezt wird, ein zum Theil lösliches Bleisalz.
Die Nichteinwirkung des nach lange andauerndem trokenen Wetter gefallenen
Regenwassers auf Blei ist wahrscheinlich Folge des geringen Gehalts der
atmosphärischen Luft an kohlensaurem Ammoniak.