Titel: | Ueber eine neue Einrichtung der Mutter bei Mikrometerschrauben; von F. A. Nobert, Universitäts-Mechanikus in Greifswald. |
Fundstelle: | Band 92, Jahrgang 1844, Nr. XXV., S. 86 |
Download: | XML |
XXV.
Ueber eine neue Einrichtung der Mutter bei
Mikrometerschrauben; von F. A.
Nobert, Universitaͤts-Mechanikus in
Greifswald.
Aus Poggendorff's Annalen der Physik und Chemie. 1844. Nr.
1. S. 129.
Mit Abbildungen auf Tab.
II.
Nobert, über eine neue Einrichtung der Mutter bei
Mikrometerschrauben.
Bei Mikrometerschrauben hat man bekanntlich, wenn sie als sehr genaues
Messungshülfsmittel dienen sollen, sehr häufig mit dem Umstande zu kämpfen, daß der
von der Mutter parallel zur Längenachse der Schraube durchlaufene Raum nicht
proportional ist dem Bogen, welchen die eingetheilte Trommel der Schraube
beschrieben hat. Obgleich bei einzelnen Schrauben die Höhe oder Weite der Gänge sich
nach und nach ein wenig zu verändern scheint, so ist doch gewiß dieser Fehler selten
gegen denjenigen zu nennen, der innerhalb jedes Umganges aus einem ungleichen
Neigungswinkel des Ganges gegen die Achse der Schraubenspindel entspringt, und bei
gleichem Bogendurchlauf der eingetheilten Trommel,
z.B. von 90°, auf verschiedenen Punkten der Peripherie einen ungleichen, von der Mutter durchlaufenen Raum
herbeiführt. Bei einer kürzlich von mir ausgeführten Längentheilmaschine, bei der
ich mindestens eine Genauigkeit von 0''',001 in den Abtheilungen zu erzielen
wünschte, trat auch dieser Umstand hindernd entgegen, indem ich bei der Theilung der
Intervalle, deren Länge geringer als 3 Zoll ist, die Schraube als Hülfsmittel hiefür
anwandte, mich aber zugleich überzeugte, daß die Verfertigung guter Schrauben zwar
durch die Kluppe in der Art möglich wird, daß der Druk bei der Schneidung der
Schraube auf alle Theile der Gänge völlig gleich vertheilt wird, daß aber dessen
ungeachtet die Anwendung der folgenden, die Fehler (des ungleichen Neigungswinkels)
compensirenden Mutter von wahrem Nuzen für eine erhöhte Genauigkeit ist, wie die
Resultate der Beobachtungen lehren werden.
Die Anwendung dieser Mutter beruht auf dem Geseze, daß der mittlere Neigungswinkel einer fehlerhaften Schraube immer gleich ist dem
arithmetischen Mittel der Neigungswinkel zweier Punkte derselben Schraube, die um
180° gegenseitig entfernt sind.
Fig. 34 gibt
eine Ansicht dieser compensirenden Mutter, das Auge in der Verlängerung der
Schraubenachse gedacht, während Fig. 35 eine
Seitenansicht derselben, verbunden mit den übrigen Theilen der Schraube, darstellt.
Die eigentliche Mutter besteht aus den beiden völlig getrennten Hälften b und b, Fig. 34, welche die
Mikrometerschraube im diametralen Sinne umschließen, und in dieser Lage durch
die an der einen Hälfte befestigten Stahlplättchen c und
c erhalten werden. Diese Stahlplatten lassen also
nur eine relative Bewegung der Mutterhälften parallel zur Länge der Schraube zu, und jede der Hälften
wird für sich von der Schraube a bewegt. Durch den
stählernen quadratisch geformten Ring d, d gehen von
oben und unten die Schrauben β, β hindurch
und klemmen mit ihren zu sehr kleinen Halbtugeln gewölbten Enden in kegelförmigen
Vertiefungen die Muttern b, b gegen die Schraube a, so daß die leztere sich mit den Muttern b und b um die Spizen von
β, β innerhalb des Ringes d, d etwas drehen kann. Endlich ist der stählerne
quadratische Rahmen d, d noch von einem zweiten ähnlich
gebildeten e, e in der Art umgeben, daß er sich in
lezterem um die Spizen der Schrauben α, α
die von β, β um 90° entfernt sind,
drehen kann. Daß der Rahmen e, e mit dem eigentlichen
(das Reißerwerk für die zu ziehenden Linien tragenden) Schlitten, der von der
Mikrometerschraube geführt wird, fest verbunden ist, die Schrauben α, α im Rahmen e,
e, diejenigen β, β im Rahmen d, d ihre Muttern finden, die lezteren aber ohne
Berührung durch den Rahmen e, e hindurchgehen, ist aus
der Zeichnung hinlänglich zu erkennen.
Angenommen, es habe nun die Mikrometerschraube a den
gerügten Fehler des ungleichen Neigungswinkels, so wird dadurch beim Drehen der
Mikrometerschraube a ein ungleiches Fortrüken der
Mutterhälften b und b in der
Längenrichtung der Schraube erzeugt; der Rahmen d, d
wird sich also gegen seine ursprüngliche Lage vermöge seiner Verbindung mit den
Muttern b, b neigen, also um die Spizen von α, α drehen, und diese Drehung bis zur
Beendigung eines Umgangs fortsezen, wo eine der ersten Lage parallele hergestellt
seyn wird. Bei diesem Vorgange werden die Spizen der Schrauben α, α, also auch der äußere Rahmen und
Schlitten um die halbe Summe der Totalbewegung der beiden Mutterhälften
fortgeschoben, und da die Summe zweier diametraler Neigungswinkel des Ganges der
vollkommenen, wie der fehlerhaften Schraube eine beständige Größe ist, so muß die
Längenverschiebung des Schlittens eine dem durchlaufenen Bogen der Schraubentrommel
proportionale Größe seyn. Ob der Mechanismus seinem Zwek entspricht oder nicht, ist
leicht mit Hülfe eines stark vergrößernden zusammengesezten Mikroskops, das am
Schlitten befestigt ist, zu erkennen, wenn das leztere auf einen mit dem Rahmen d, d verbundenen Theil gerichtet wird. Hat nämlich die
Schraube den besprochenen Fehler, so wird der Rahmen d,
d, relativ zum Schlitten, beim Drehen der Schraube in beständiger Bewegung
seyn, und diese durch das Mikroskop erkannt werden. Aus der Zeichnung ersieht man ferner am andern
Ende der Schraubenspindel die Halbkugel m, m, die statt
des sonst gewöhnlichen recht- oder schiefwinkligen Ansazes zur Uebertragung
der Längenbewegung der Schraube dient und mit Hülfe der schwachen Kreisfeder l, l beständig in die entsprechende Aushöhlung des
Klobens k, k gedrükt wird. Die aus hartem Stahl
verfertigte Halbkugel ist mit ihrer Aushöhlung aufs genaueste wie zwei optische
Schleifschalen zusammengeschliffen.
Die Prüfung einer Mikrometerschraube geschieht bekanntlich am zwekmäßigsten, wenn man
den Zwischenraum zweier Linien, die nahe um 0,5, oder 1,5, oder 2,5 u.s.w. Ganghöhe
der Schraube von einander entfernt sind, wiederholt an verschiedenen Punkten des
Umfanges der Schraube durch die leztere mißt. Ich zog zu diesem Behufe, mit Hülfe
des Linienziehers des Instruments, auf einem Silberplättchen zwei sehr schwache, mit
dem bloßen Auge fast nicht erkennbare Linien in dem Abstande von 0,5
Schraubengangsweite und stellte, außer dem Inder, ein zusammengeseztes
achromatisches Mikroskop darüber. Durch Veränderung in der Lage des Klobens k, k, die, wie die Beobachtungen lehren werden, immer
nahe 0,2 Schraubengangsweite betrug, brachte ich bei jeder nächsten
Beobachtungsreihe diejenigen Theile der Gänge zur Wirkung, welche von den vorher
benuzten Theilen um nahe 72° entfernt waren, und stellte zugleich, um jede
mögliche Excentricität der eingetheilten Trommel zu eliminiren, die leztere nach
fünf vollzogenen Messungen um 180° um und machte darauf die lezten fünf
Beobachtungen in dieser Lage des Klobens. Die nachfolgenden, für 0,0, 0,2, 0,4, 0,6
und 0,8 des Standes der Schraubentrommel gegen ihren Inder geordneten Beobachtungen
und Rechnungsresultate enthalten daher in der ersten verticalen Spalte die
abgelesenen Zahlen der Trommel bei der Einstellung auf den ersten Strich des
Silberplättchens, während die zweite Columne den Ablesungen beim zweiten Strich, die
dritte aber den aus den vorhergehenden Beobachtungen entspringenden Differenzen, als
den eigentlichen Werthen, welche die Schraube für den Abstand der beiden Linien
gibt, angehört. Die aus diesen Zahlen abgeleiteten arithmetischen Mittel sind also
auch als die Angaben zu betrachten, welche die Schraube an fünf symmetrisch
vertheilten Punkten ihres Umfanges für die Entfernung der zwei Linien gibt.
Textabbildung Bd. 92, S. 89
Aus den fünf arithmetischen Mitteln 0,5004, 0,5019, 0,5001, 0,5008 und 0,4991 ergibt
sich als wahrscheinlichster Werth in Schraubenumdrehungen für den Abstand der beiden
Linien = 0,50046. Leitet man hieraus nach der Methode der kleinsten Quadrate die
wahrscheinliche Abweichung des einzelnen Mittels von diesem wahrscheinlichsten aller
Werthe ab, so ist diese, ebenfalls in Umdrehungen, = 0,00062, während der
wahrscheinliche Fehler des Endresultats 0,50046, = 0,00027 Umgang ist. Um auch ein
Urtheil über die Genauigkeit einzelner Beobachtungen
fällen zu können, habe ich mit Hülfe der dritten Columne der Abtheilung 0,0 den
wahrscheinlichen Fehler jeder dieser Differenzen berechnet und ihn = 0,00154 Umgänge
gefunden. Es ist also die aus der Unvollkommenheit der Schraube hervorgehende
Unrichtigkeit noch nicht halb so groß wie der Fehler, der aus einer zweimaligen
Einstellung mit einem achromatischen, 50mal linear vergrößernden Mikroskope
hervorgeht. Da sehr nahe 5,2 Umgänge der Schraube = 1 Par. Linie sind, so ist die
Genauigkeit im absoluten Maaße für die zweimalige Einstellung mit dem Mikroskope =
0''',00029, während man Eins gegen Zehn wetten kann, daß der von der Schraube herrührende Fehler die Größe 0''',00012 nicht
übersteigt.
Greifswald, im November 1843.