Titel: | Ueber die Vermischung des Weingeists mit unschädlichen Substanzen, um ihn als Getränke unanwendbar und zu technischen Zweken abgabenfrei zu machen. |
Fundstelle: | Band 91, Jahrgang 1844, Nr. CIII., S. 390 |
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CIII.
Ueber die Vermischung des Weingeists mit
unschaͤdlichen Substanzen, um ihn als Getraͤnke unanwendbar und zu
technischen Zweken abgabenfrei zu machen.
Aus dem Moniteur industriel. 1844, No.
792.
Ueber Vermischung des Weingeists mit anderen Substanzen, um ihn als
Getränk unbrauchbar zu machen.
Die beiden französischen Kammern nahmen vor Kurzem einen Gesezentwurf an, welcher die
Regierung ermächtigt, den Weingeist steuerfrei zu lassen, wenn er auf
unzertrennliche Weise mit Substanzen versezt ist, die ihn als Getränk unbrauchbar
machen.
Das Comité der Société d'encouragement für chemische
Gewerbe mit der Untersuchung der zu dieser Veränderung des Weingeists
vorgeschlagenen Mittel beauftragt, legte den Ministern der Finanzen und des Handels
einen interessanten Bericht vor, dessen Hauptstellen hier folgen:
„Nachdem wir eine Menge stark riechender und schmekender Substanzen probirt
hatten, welche, in Alkohol aufgelöst, nicht mehr mit Vortheil davon abgeschieden
werden können, oder deren Zusaz der Anwendung dieser Mischungen zur Beleuchtung
hinderlich wäre, blieben wir zulezt bei folgenden Substanzen stehen, welche den
Weingeist derart verändern, daß er zum Getränke nicht mehr dienen kann:
Geruchgebende Substanz
Wasserfreier Alkohol
Gesammtvolum.
Rectificirtes Dippel'sches Oehl
2
998
1000
Roher Holzgeist
10
90
100
Rectificirter Holzgeist
15
85
100
Kohlenwasserstoffverbindungen aus Steinkohlen, von 80° bis
100° C. kochend
5
95
100
Kohlenwasserstoffverbindungen aus Steinkohlen, von 100° bis
110° kochend
15
85
100
Ueber Kalk gereinigter Holztheer
20
80
100
Wasserfreies rectificirtes Terpenthinoͤhl, mit Alkohol von 98
Centesimalgraden destillirt
40
60
100
deßgleichen
60
40
100
„Alle diese Mischungen können dem Geseze genügen, denn die Wiedergewinnung
des in ihnen enthaltenen Alkohols und seine Reinigung würden bei nur einigen
Litern mehr kosten als der Betrag der Abgaben auf trinkbaren Weingeist ausmacht;
und die Wiedergewinnung im Großen könnte heimlich nicht bewerkstelligt werden.
Die Menge übelriechenden Waschwassers, der während der Destillationen und der
Rectification der Oehle sich verbreitende Geruch, in Folge schlechter Verkittung
oder anderer Zufälligkeiten; der den Arbeitern anhängende Geruch, und ihr
hierdurch selbst hervorgerufenes Plaudern — alles dieß würde ein solches,
in betrügerischer Absicht versuchtes Unternehmen bald verrathen.“ Aus
obigen Mischungen wurde der Alkohol auf allerlei Weise in seiner ursprünglichen
Reinheit wieder abzuscheiden versucht, aber umsonst. Vergleicht man die Kosten eines
solchen heimlichen Industriezweiges mit seiner möglichen Rentabilität, so ergibt
sich, daß gar kein Nuzen aus demselben hervorginge, abgesehen von den im
Betretungsfalle daraufstehenden Strafen.
„Obgleich obige Mischungen alle als der Verwaltung hinlängliche Gewähr
leistend empfohlen werden können, so kommen doch wichtige Differenzen dabei in
Betracht.“
„Das rectificirte Dippelöhl, welches durch die Destillation von Knochen, Horn,
Fleisch, Blut, Haut und Wolle gewonnen wird, wäre eines der wirksamsten Mittel zur
Geruchertheilung. Schon zwei Tausendstel vom Volum des Alkohols würden genügen;
allein dieses Oehl ist nicht in Menge zu haben, steht hoch im Preise und die
Production desselben wird sich in Folge der neuen Quellen für ammoniakalische
Producte, welche die Destillation thierischer Stoffe wenig gewinnbringend machen,
noch mehr vermindern. Dieses brenzliche Oehl ist überdieß so übelriechend, daß seine
Gegenwart im Alkohol jeder andern Anwendung desselben, als zur Beleuchtung,
hinderlich wäre.“
„Ein Zusaz von 10 Proc. rohem, oder 15 Proc. rectificirtem Holzgeist würde den
Weingeist gewiß sehr verändern. Die Löslichkeit des Holzgeists in Wasser, sein mit
dem des Weingeists nahe zusammenfallender Siedepunkt, würden die Abscheidung des
leztern sehr schwierig machenMan vergleiche Dr. Ure's Versuche hieruͤber im polytechnischen Journal Bd. LXXXIX S.
293.A. d. R., ohne dem Beleuchtungszweke
oder andern technischen Anwendungen schädlich zu werden; allein die Production
dieser Flüssigkeit ist sehr beschränkt und sieht keiner Ausdehnung entgegen; sie
kann daher nicht zur Grundlage für eine allgemeine Maaßregel dienen.“
„Die in dem Steinkohlentheer enthaltenen Kohlenwasserstoffe, namentlich
diejenigen, welche durch Destillation im Wasserbade oder durch indirecte
Dampfheizung leicht erhalten werden und sich bei 80 bis 110° C.
verflüchtigen, bieten eines der besten Mittel dar, um den Weingeist als Getränk
unbrauchbar zu machen. 5 Procent dieser Kohlenwasserstoffe ertheilen ihm einen
solchen Geruch, daß seine Wiederherstellung zwei Waschungen nöthig macht. Noch
bis zur vierten Destillation haben die Destillate einen unerträglichen Geschmak
und Geruch; das Wasser wird mehr oder weniger milchig davon und so die Gegenwart
des Kohlenwasserstoffs angezeigt.“
„Steinkohlentheer wird in Frankreich und England (allmählich auch in
Deutschland) in Folge der größern Verbreitung der Gasbeleuchtung immer mehr
gewonnen. Die zunehmende, so nüzliche Anwendung der Erdharze zu
wasserabhaltenden Kitten und die Benüzung des concentrirten Theers zur Bereitung
eines Brennmaterials für Dampfschiffe, werden ohne Zweifel die Production
solcher Kohlenwasserstoffe sehr erhöhen.“
„Man könnte demnach die Mischung mit 5 Proc. Kohlenwasserstoffs aus
Steinkohlentheer, der bei 80 bis 100° C. kocht, zur Vorschrift machen und den
auf diese Weise entarteten Weingeist zu den verschiedenen technischen Zweken
liefern. Noch sicherer wäre es, wenn man vorschriebe, daß der Weingeist vorher durch
Kalk auf 97 bis 99 Centesimalgrade (Volum-Procente) entwässert werden muß. Um
so mehr darf von nun an schon der Weingeist von 85–95 Centesimalgraden
abgabenfrei gemacht werden, wenn er wie es bei einem neuen IndustriezweigNaͤmlich bei der Bereitung des sogenannten Leuchtspiritus.A. d. R. geschieht, zu 60–66
Theilen mit 40 bis 33 Theilen Kohlenwasserstoff (aus Steinkohlen, welcher bei 100
bis 110° C. siedet) vermischt wird.“
„Eben so wäre gar nichts dabei zu wagen, wenn man, unter Ueberwachung der
Beamten der indirecten Steuern, die abgabenfreie Bereitung einer Leuchtflüssigkeit
gestatten würde, welche aus 25 bis 30 Grammen über Kalk gereinigten Holztheers,
gemischt mit 8 bis 10 Terpenthinöhl und 60–66 Weingeist von 85 bis 95
Centesimalgraden bestünde. Der so gereinigte Holztheer würde für sich allein schon
im Verhältniß von 20 Proc. ganz besonders zur Veränderung des Weingeists sich
eignen, aber wie gesagt, er ist im Handel nicht in hinreichender Menge zu haben, um
zu einer allgemeinen Maaßregel dienen zu können.“
„Aus obigen Thatsachen geht hervor:
„Es sind Gründe vorhanden, die Bereitung folgender Flüssigkeiten, unter
Ueberwachung der Verwaltungsbeamten, für abgabenfrei zu erklären:
1) Eine Mischung von 95 Raumtheilen Alkohol von 98–100 Centesimalgraden mit 5
Raumtheilen Kohlenwasserstoffs aus Steinkohlentheer, dessen Siedepunkt zwischen 80
und 100° C. fiele; diese Mischung könnte verschiedene technische Anwendungen
finden, wie zur Heizung, Beleuchtung, Firnißbereitung etc.
2) Eine zu demselben Zweke sich eignende Mischung von 10 Raumtheilen rohen, oder 15
Theilen rectificirten Holzgeists mit 90–95 Raumtheilen Alkohol von
98–100 Centesimalgraden.
3) Eine Leuchtflüssigkeit aus wenigstens 15 Raumtheilen Kohlenwasserstoffs aus
Steinkohle, der bei 100–110° C. kocht, mit 85 Raumtheilen Alkohol von
98 Centesimalgraden.
4) Eine Leuchtflüssigkeit aus wenigstens 20 Raumtheilen über Kalk gereinigten
Holztheers und 80 Raumtheilen Alkohols von wenigstens 90 Centesimalgraden.
5) Eine Flüssigkeit aus 40–60 Maaß rectificirten, wasserfreien Terpenthinöhls
und 40–60 Maaß Alkohol von 98–100 Centesimalgraden.Ueber fruͤhere Versuche den Weingeist durch Vermischung mit anderen
Substanzen zu Getraͤnken unanwendbar zu machen und seine Anwendung
zur Beleuchtung vergleiche man S. 195 in diesem Bande und S. 464 in Bd. LXXXVIII des polytechnischen Journals.A. d. R.