Titel: | Ueber die Anlage von Eisenbahncurven nach W. I. M. Rankine's Methode. |
Fundstelle: | Band 90, Jahrgang 1843, Nr. LXXII., S. 343 |
Download: | XML |
LXXII.
Ueber die Anlage von Eisenbahncurven nach
W. I. M. Rankine's
Methode.
Mit einer Abbildung auf Tab. V.
Rankine's Anlage von Eisenbahncurven.
Rankine's Methode Eisenbahncurven zu legen, beruht auf dem
bekannten geometrischen Saze, daß der Peripheriewinkel eines Kreises halb so groß
als der Centriwinkel ist, der mit ihm auf gleichem Bogen steht.
Die Punkte, welche man zunächst zu bestimmen hat, sind dieselben, wie bei jeder
andern Methode, nämlich: der Bahnhalbmesser, die Anzahl der Grade, Minuten und
Secunden, die der ganze Bogen der Curve enthält, und die Länge beider gleichen
Tangenten; jede dieser drei Größen kann aus den beiden übrigen berechnet werden.
Der Anfang A, Fig. 33, der Curve, ihr
Endpunkt B und der Durchschnittspunkt D beider Tangenten sind auf die gewöhnliche Weise auf
dem Boden abzusteken. Es ist angenommen, daß die Centrallinie der Eisenbahn mittelst
Stäben markirt werde, die man in gleichen Abständen, z. B. von 100 zu 100 Fuß,
einstekt. E sey der lezte Stab in dem der Curve
unmittelbar vorangehenden Theil der Bahnlinie, so wird die Distanz A F von dem Anfangspunkt der Curve bis zum ersten Stabe
in derselben die Differenz zwischen 100 Fuß und E A
seyn. Der zum Bogen A F gehörige Peripheriewinkel muß
berechnet werden, und nachdem ein genauer Theodolit in A
aufgestellt worden ist, so richtet man diesen Winkel von der Tangente ab. Das
Fernrohr gibt alsdann die Richtung an, in welcher der erste Stab in die Curve zu
steken ist; seine Distanz von A wird mit Hülfe der Kette
gemessen und seine Lage dadurch bestimmt.
Die gleichfalls berechneten und der Reihe nach von der Tangente ab gerichteten
Peripheriewinkel, die zu den Bögen A F+100′, A F+200′, A
F+300′, A F+400′ gehören, geben die
geeigneten Richtungen für die Stäbe G, H, I an, welche
der Reihe nach in gleichen Distanzen von 100 zu 100 Fuß eingestekt werden. Es wird
kaum der Bemerkung bedürfen, daß der Unterschied zwischen einem Bogen von 100 Fuß
und seiner Sehne bei gewöhnlichen Eisenbahncurven zu gering ist, um in der Anwendung
selbst bei einem sehr großen Abstände einen merkbaren Fehler zu veranlassen. Sollten
aber Curven von ungewöhnlich kleinen Halbmessern vorkommen, so ist es leicht, die
geeignete Sehne zu berechnen, und dieselbe anstatt der erwähnten 100 Fuß
abzusteken.
Sollten die Unebenheiten des Bodens die Visirlinie irgend einer der drei Stationen
unterbrechen, so daß nicht die ganze Curve von denselben aus abgestekt werden kann,
so dient jeder bereits eingestekte Stab als Station für den Theodolit.
Mit einem 6zölligen Theodolit, an dem sich noch 20 Secunden ablesen lassen, können
Stäbe in einer Distanz von 2500 Fuß von dem Instrument eingestekt werden, ohne
Gefahr mehr als 1½ Zoll aus der mathematischen Linie abzuweichen; denn der
Irrthum eines guten Beobachters beim Ablesen oder Richten der Winkel mit einem
solchen Theodolit übersteigt nicht leicht 10 Secunden, was bei einem Halbmesser von
2500 Fuß einem Bogen von ungefähr 1½ Zoll entspricht.
Die Vortheile vorliegender Methode bestehen darin, daß die linearen Messungen durch
Winkelmessungen ersezt sind, und daß die zeitraubende Errichtung von Ordinaten,
welche bei hügeligem durchschnittenem Terrain ungenau und öfters beinahe
unausführbar ist, ganz wegbleibt. Sie ist übrigens nur auf kreisförmige und nicht
auf die von einigen ausgezeichneten Ingenieuren empfohlenen parabolischen Curven
anwendbar; indessen dürfte die Geschwindigkeit und Genauigkeit, womit sich
kreisförmige Curven construiren lassen, ihre Abweichung von der wahren theoretischen
Gestalt mehr als ausgleichen. Im Jahr 1836 legte Rankine
an der Edinburg-Dalkeith-Eisenbahn einige Curven von der Gestalt der
gemeinen Parabel, um den Biegungen der Küste, längs welcher sich die Bahnlinie
erstrekt, zu folgen. Eine dieser Curven ist von besonders großer Ausdehnung und an
ihren Enden so flach, daß daselbst der Halbmesser der Krümmung dreimal so groß als
an dem Scheitel ist. Rankine stellte an dieser Curve in
Beziehung auf den Widerstand der Wagen Versuche an, konnte aber durchaus keinen
Vortheil über eine kreisförmige Curve von derselben mittleren Krümmung
wahrnehmen.