Titel: | Elektrischer Telegraph, welcher von Hrn. Cooke nach einem verbesserten System an der Great-Western-Eisenbahn in Ausführung gebracht wurde. |
Fundstelle: | Band 90, Jahrgang 1843, Nr. VIII., S. 16 |
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VIII.
Elektrischer Telegraph, welcher von Hrn.
Cooke nach einem
verbesserten System an der Great-Western-Eisenbahn in Ausfuͤhrung
gebracht wurde.
Aus dem Mechanics' Magazine. Jun. 1843, S.
467.
Cooke's elektrischer Telegraph.
Cooke's an der Great-Western-Eisenbahn in
Anwendung gebrachtes neues elektro-telegraphisches System besteht der
Hauptsache nach darin, daß er die Leitungsdrähte in freier Luft an hohen Pfosten
aufhängt. In dieser Weise ist der Telegraph bereits auf eine Streke von 10 engl.
Meilen vollendet. Die Vortheile dieses neuen Systems bestehen im Vergleich mit der
älteren Methode
1) in Verminderung der Kosten,
2) in vollkommnerer Isolirung,
3) in leichterer Reparatur.
Die frühere Methode bestand darin, daß kupferne, mit Baumwolle überzogene und
sorgfältig gefirnißte Drähte in eine eiserne Röhrenleitung gelegt und der leichteren
Untersuchung und Reparatur wegen durch geeignete Anordnungen von Streke zu Streke
zugänglich gemacht wurden. Die sorgfältig getheerte Röhre wurde entweder in die Erde
eingegraben oder auf niedrigen Pfosten befestigt, und mit einer hölzernen Schiene
bedekt. Diese Methode wird in Tunneln, Städten u. s. w. immer noch in Verbindung mit
dem neueren System angewendet werden können.
Die Anlagekosten des elektrischen Telegraphen nach dem früheren System sind nahezu
folgende:
¾ zoͤllige innen und außen gefirnißte Roͤhre,
5¼ Pence per Fuß
115
Pfd. St.
10
Sh.
sechs uͤberzogene und gefirnißte Kupferdraͤhte zu 6 Pfd. St.
15 Sh. per engl. Meile
40
—
10
—
Arbeitslohn per Meile
27
—
—
—
eiserne Lager, Buͤchsen etc.
12
—
6
—
Theer, Pech, Harz und Geraͤthschaften
15
—
—
—
Pfosten und Schienen 3½ Pence per Fuß,
die Befestigung derselben mitgerechnet
17
—
—
—
––––––––––––––––––––
Totalkosten per Meile
287
Pfd. St.
6
Sh.
Die Kosten des neueren Aufhängungssystems gestalten sich ungefähr also:
Spannpfosten nebst Spannapparat per
Meile
48
Pfd. St.
—
Sh.
Gußeiserne Traͤger nebst Isolatoren (22 auf eine Meile) per Meile
52
—
—
—
Arbeitslohn fuͤr die Befestigung und das Anstreichen per Meile
12
—
6
—
Rostschuͤzender Anstrich und Theer per
Meile
11
—
—
—
Werkzeuge und Geraͤthschaften per
Meile
13
—
—
—
Zufaͤllige Ausgaben per Meile
13
—
—
—
––––––––––––––––––––
Totalkosten
149
Pfd. St.
6
Sh.
Hieraus ergibt sich zu Gunsten des vorliegenden Systems eine Ersparniß von ungefähr
50 Proc. und ein noch größerer Vortheil hinsichtlich der Dauerhaftigkeit der
Anlage.
Die Construction des neueren Systems besteht zunächst darin, daß man von 500 zu 500
oder 600 zu 600 Yards starke 16 bis 18 Fuß hohe gezimmerte Pfosten fest in den Boden
einrammt. Diese Pfosten, welche unten 8 Zoll im Geviert messen und sich nach Oben
auf 7 Zoll Breite und 6 Zoll Dike verjüngen, sind auf starken Schwellen befestigt
und mit Streben gehörig versehen. Oben auf diese Pfosten ist eine der Anzahl der
Leitungsdrähte entsprechende Anzahl kleiner Winden oder Spannapparate befestigt, und
zwischen je zwei Pfosten sind von 60 zu 60 oder 70 zu 70 Yard hölzerne Träger oder
Stüzen angeordnet. Man legt einen Ring Eisendraht (Nr. 7 oder 8) um einen auf einer
Tragbahre befindlichen Haspel, befestigt das eine Ende des Drahtes an die Spannwinde
des einen Pfostens und spannt den Draht bis zum nächsten Pfosten, wo man denselben
an der correspondirenden Spannwinde festmacht. Durch Umdrehung der Sperrradachse
mittelst eines Schlüssels ertheilt man dem Drahte den nöthigen Grab der Spannung. So
kann das Aufziehen der Drähte mit der größten Genauigkeit regulirt werden, bis sie
vollkommen parallel zu einander hängen. Eine gute Isolirung der Drähte an ihren
Berührungsstellen mit den Pfosten ist ein Gegenstand von großer Wichtigkeit, indem
sonst bei nassem Wetter die Feuchtigkeit des Holzes das elektrische Fluidum in die
Erde oder in den benachbarten Draht leiten würde. Um diesen Zwek zu erreichen, sind
an den Spannpfosten hölzerne Büchsen angeordnet, welche den Theil des Pfostens
umschließen, woran die Spannwinden befestigt sind. Für den freien Durchgang der
Drähte befinden sich kleine Oeffnungen in diesen Büchsen, doch so, daß die Drähte
mit der Büchse selbst nicht in Berührung kommen können. Die Träger sind mit Dekeln
versehen; ein Metallöhr mit einem Schliz an der oberen Seite bildet einen Haken,
worauf der Draht ruht. Um den Draht von dem Haken zu isoliren, wird über denselben
ein Kiel (split quill) geschoben, auf den er zu liegen kommt. Das Ganze
erhält sodann mehrere Lagen rostschüzender Anstriche; auch Asphaltfirniß kann zu
diesem Zwek angewendet werden. Wenn die Drähte gefirnißt werden sollen, so macht man
sie von den oberen Enden der Träger los und läßt sie auf Nägel nieder, die zu ihrer
Aufnahme an einer tiefer gelegenen Stelle der Pfosten temporär eingeschlagen werden.
Nachdem die Drähte ihren Firnißüberzug erhalten haben, werden sie wieder am oberen
Theile der Träger eingehakt. Dieß ist die einfachste und wohlfeilste Methode. Für
große Streken jedoch verwendet Hr. Cooke zum Zwek der
Isolirung Porzellan oder Glas, gußeiserne Träger und Pfosten mit Obertheilen aus
Eschbaumholz und bildet die elektrische Kette, anstatt aus einzelnen Drähten, aus
Strängen von sechs oder mehreren zusammengedrehten Drähten. Für sehr große
Entfernungen, bei denen ein vorzügliches Leitungsvermögen von besonderem Belang ist,
kommt in die Mitte des Stranges ein kupferner Draht zu liegen, welcher, während er
das Gewicht nur um ein Geringes vermehrt, das Leitungsvermögen der Drahtleitung mehr
als verdoppelt, wobei der Eisendraht immer noch die nöthige Stärke darbietet, um der
Spannung zu widerstehen. Das Leitungsvermögen des Kupferdrahtes verhält sich zu dem
des weichsten Eisendrahtes nahe zu wie 7 zu 1. Beim Durchgang unter Brüken hat man
verschiedene Methoden in Anwendung gebracht, welche dem Zwek der Spannpfosten
entsprechen; man befestigte z. B. die Spannwinden an ein Stük Holz, das theilweise
in das Mauerwerk eingelassen wurde, um die Feuchtigkeit, den größten Feind des
elektrischen Leitungsvermögens, zu vermeiden. Zwischen der Spannwinde und dem Draht
wurden irdene Isolatoren angebracht. Hr. Cooke
beabsichtigt auch über den eisernen Trägern irdene Büchsen anzubringen. Bei der
Station Slough sind gußeiserne Träger und Spannpfosten in Anwendung, die einen
leichten und eleganten Anblik gewähren. Hier ist eine Linie von sechs Drähten
vollendet, und beim Hinweggehen über einen der Station unmittelbar
gegenüberliegenden Wagenschoppen sind die Drähte auf eine Länge von 438 Fuß ohne
alle Zwischenträger gespannt, und zwar so genau angeordnet, daß kein Unterschied in
ihrem Parallelismus bemerkbar ist. Die Spannpfosten stehen in diesem Falle ½
Meile aus einander, obgleich die Linie eine leichte Krümmung bildet. Beim
Hinweggehen über eine Station oder einen Feldweg oder bei Durchkreuzung der
Eisenbahn wendet man höhere Träger an, welche die Drähte in einer Höhe von 25 bis 30
Fuß frei über die Hindernisse hinwegführen.
Die gewöhnlichen Vorsichtsmaßregeln mit Verkohlen, Theeren und Kyanisiren der Pfosten
sind sorgfältig beobachtet; sollte aber ein Träger in der Nähe der Erde morsch werden, so braucht man
nur den unteren Theil durch ein neues Stük zu ersezen und dieses mit dem oberen
Theil zusammen zu schiften. Die Methode wie die Träger in die Erde eingesezt werden,
ist neu und bequem. Hr. Cooke wendet zu diesem Zwek ein
Bohrzeug an, genau von der Weite der eisernen Träger und für die hölzernen etwas
weiter. Bei geeignetem Boden ist das Loch in wenigen Minuten gebohrt, der Träger
befestigt und ringsum fest eingerammt, ohne daß das umgebende Erdreich aus seiner
Lage gebracht worden wäre.
Merkwürdig ist die Anwendung dieses Systems auf Fälle, wo ein Telegraph nur
gelegentlich und temporär erforderlich ist, z. B. bei Bahnreparaturen, wenn eine
Linie nach dem Einsturz einer Brüke oder nach der Senkung eines Dammes auf eine Zeit
lang geschlossen werden muß. Die im Vorrath vorhandenen Materialien werden alsdann
an Ort und Stelle geschafft, Löcher für die Pfosten gebohrt, der Draht ausgespannt,
und in wenigen Stunden ist der Telegraph bereits in betriebsfähigem Zustande.
Ein bemerkenswerther Vortheil, welcher mit diesem äußerst wichtigen Fortschritte der
Telegraphie in Verbindung steht, liegt in der vollkommenen Isolirung von der Erde.
Dieser Umstand gestattet die Anwendung des Erdreichs selbst als Hälfte der
galvanischen Kette, ohne Gefahr, daß der galvanische Strom durch irgend eine
unvollkommen isolirte Stelle einen kürzeren Weg finde. Vor etwa 2 Jahren machte Hr.
Cooke in Betreff dieses Punktes erfolgreiche Versuche
an der Blackwall-Eisenbahn, nachher auch an der Manchester- und
Leeds-Eisenbahn. Wenn jedoch, wie dieses hier der Fall war, die Drähte in
einer eisernen Röhre eingeschlossen sind, so ist immer Gefahr vorhanden, daß durch
einige Wassertropfen ein partieller, oder durch die Berührung des Drahtes mit der
Röhre ein vollkommener metallischer Contact stattfinde, wo dann die Elektricität,
anstatt ihren Kreislauf zu vollenden, den kürzeren Weg wählt und das am einen Ende
der Linie gegebene Signal am andern Ende nicht bemerkbar werden kann. Werden dagegen
die Drähte frei in der Luft anfgehängt, so ist eine solche Gefahr nicht zu
befürchten, während aus der Anwendung des Erdreichs als Leiter folgende zwei
Vortheile entspringen.
1) Bei jeder galvanischen Kette wird ein Draht erspart, wodurch der Apparat an
Einfachheit gewinnt und zugleich die Kosten vermindert werden;
2) Da die Erde als ein großes Reservoir der Elektricität, oder wie einige meinen, als
ein vortrefflicher Leiter wirkt, so wird der Widerstand, welchen die Transmission
der Elektricität findet, ungemein vermindert; und die Batterie ist im Stande, mit einem
dünneren Leitungsdrahte auf eine weit größere Entfernung hin zu wirken.
Ein bei dieser Anordnung zu beobachtender wichtiger Punkt besteht nächst einer guten
Isolirung längs der telegraphischen Linie darin, daß man von dem Instrumente aus
einen Seitendraht nach der Erde gehen läßt und denselben mit einer möglichst großen
Oberfläche in Berührung bringt. Bei Blackwall wird dieser Zwek einfach dadurch
erreicht, daß man den Seitendraht mit der das telegraphische Bureau erleuchtenden
Gasröhre in Verbindung brachte. Diese Gasröhre steht an vielen Punkten mit der
Maschine in Verbindung und ist die Fortsezung einer mehrere Meilen langen Gasleitung
mit Gasometern, Wasserröhren u. s. w. Bei der Great-Western-Eisenbahn
wird der erwähnte Seitendraht mit der Maschine, welche das Wasser bei Slough
herbeipumpt und mit den Gasröhren zu Paddington in Verbindung gesezt.