Titel: | Ueber die Principien der Luftschifffahrt; von George Cayley. |
Fundstelle: | Band 88, Jahrgang 1843, Nr. CVI., S. 435 |
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CVI.
Ueber die Principien der Luftschifffahrt; von
George
Cayley.
Aus dem Mechanics' Magazine, April 1843, S.
274.
Mit Abbildungen auf Tab.
VI.
Cayley, über die Principien der Luftschifffahrt.
Nachdem Hr. Henson nunmehr die Beschreibung seiner
Flugmaschine veröffentlicht hat, woraus sowohl die Richtigkeit der theoretischen
Principien, auf welche die Construction des Apparates sich gründen soll, als auch
die Schwierigkeit der Ausführung zu erkennen ist, erlaube ich mir meine Ansichten
über diesen Gegenstand hier auszusprechen und meine darauf Bezug habenden
Beobachtungen mitzutheilen.
Die Größe des projectirten Fahrzeugs wird, wie ich befürchte, selbst als ein
Hinderniß des Fluges auftreten. Es scheint in der Natur für die geeignete Anwendung
von Flächen als Schwingen eine gewisse Gränze zu geben. Muskelkraft und animalische
Wärme stehen bei geflügelten Insecten und Vögeln wahrscheinlich in directem
Verhältnisse zum Kohlenstoff, welcher in einer gegebenen Zeit von dem Sauerstoff,
dem das Blut in den Lungen ausgesezt ist, consumirt wird; und die Natur scheint in
dieser Hinsicht um eine für den Flug der Vögel hinreichende Kraft zu schaffen, die
gewöhnlichen Gränzen weit überschritten zu haben.Die relative Consumtion des zur Muskelthätigkeit und animalischen Wärme
erforderlichen Kohlenstoffes läßt sich am besten aus einer Vergleichung der
Anzahl von Athemzügen in einer gegebenen Zeit beurtheilen. Nach Prevost und Dumas
athmet das Pferd in einer Minute 16mal, ein Mann 18mal, während ein
gewöhnlicher Vogel 30- und eine Taube 34mal in der Minute athmet. Das Gewicht eines Vogels nimmt mit dem Würfel seiner linearen Dimensionen
zu, so daß z.B. bei der doppelten Körperlänge das Gewicht eines Vogels das achtfache
wäre; die Oberfläche ihrer Flügel jedoch nur mit dem Quadrate ihrer linearen
Dimensionen. Hätten daher in diesem lezteren Falle die Flügel dasselbe relative
Verhältniß zu der vergrößerten Länge, welches sie zu der ursprünglichen Länge
hatten, so würden sie im Verhältnisse des Quadrates von 3 zum Cubus von 3, oder wie
9 : 27 zu klein seyn, d.h. ihr Flächeninhalt würde nur 1/3 des zur Unterstüzung des
fraglichen Gewichtes erforderlichen Flächeninhaltes betragen.
Henson gibt seiner Maschine eine seitliche Ausdehnung von
150 Fuß bei 30 Fuß Breite, wodurch er 4500 Quadratfuß Oberfläche erhält. Obgleich
der Apparat durch diagonale Spanndrähte wohl verwahrt ist, so bilden doch bei dieser
nothwendigerweise leichten Construction die gewaltigen Flügelflächen ein
gefährliches Hebelwerk.
Denn, wenn auch die Flügel unbeweglich bleiben sollen, so bildet doch die Luft selbst
bei mäßig ruhigem Wetter in der Nähe der Erde öfters wirbelartige Strömungen; dann
könnte das Gewicht der in der Mitte dieser ungeheuren Fläche angeordneten Maschine
bei einem plözlichen Stoß hinreichen, die leichte Construction zu zertrümmern. Bei
den größten Vögeln übersteigt das Hebelwerk, von den äußersten Flügelspizen an
gerechnet, selten 6 Fuß, während sich bei Henson's
Maschine die Flügel zu beiden Seiten 75 Fuß weit ausbreiten. Demnach wirkt jedes
Pfund in der Mitte dieses Apparates mit einer mehr als 11mal größern Hebelkraft, als
ein Pfund von dem Gewichte des Körpers des größten Vogels.
Aus dieser Betrachtung geht hervor, daß, wenn man große Gewichte in der Luft
schwebend erhalten will, die hiezu erforderliche Fläche nicht in einer Ebene,
sondern in parallelen, in geeignetem Abstande über einander liegenden Ebenen
angeordnet werden sollte, wodurch ein compacterer Apparat mit kleinerem Hebelwerk
entstünde.
Bei Henson's Apparat ist die ungeheure Fläche in einer
horizontalen Ebene ausgebreitet. Dieses ist der Erfahrung gemäß nicht die Form, um
der Maschine die geeignete seitliche Stabilität zu ertheilen; die Fläche sollte
vielmehr die Gestalt des Buchstabens V, doch mit einem weit stumpferen Winkel
besizen.
Die rein mechanische Luftschifffahrt muß von Flächen abhängen, welche sich mit
bedeutender Geschwindigkeit durch die Luft bewegen. Um in Wirksamkeit zu treten, muß
das Fahrzeug von einer erhöhten Stelle aus niedergelassen werden; für den
gewöhnlichen Gebrauch muß es an jeder zu seiner Aufnahme hinreichend geräumigen
Stelle landen und von dieser Stelle aus sich in die Luft erheben können; dasselbe
sollte ferner im Stande seyn, nöthigenfalls sich stationär in der Luft zu erhalten.
Um diesen Anforderungen der mechanischen Luftschifffahrt zu entsprechen, ist ein
sehr großer Kraftaufwand unumgänglich nöthig, und Hr. Henson würde sich ein großes Verdienst erwerben, wenn es ihm gelingen
sollte, mit einer Maschine, deren Gewicht 600 Pfd. nicht übersteigt, eine Kraft von
20 Pferden zu erzielen. Wenn sich dieser Herr bei der Schäzung seiner projectirten
Triebkraft nicht selbst täuscht, so werden uns demnächst gutgeleitete Versuche mit
seiner eigenthümlichen Methode näher bekannt machen.
Es unterliegt keinem Zweifel, daß die geneigte Ebene mit einem Treibapparate nach
horizontaler Richtung das richtige, dem Vogelfluge abgesehene Princip der
mechanischen Luftschifffahrt in sich schließt. Das Princip ist schon früher bekannt
gewesen und näher untersucht worden, allein es konnte in Ermangelung einer
hinreichenden Kraft nicht in Anwendung kommen. Diese Kraft will nun Hr. Henson herbeischaffen.
Unter welchem Winkel mit der Linie des Fluges die Vögel ihre Flügel in Thätigkeit
sezen, ist nicht genau bekannt; wahrscheinlich ändert sich dieser mit der Weite des
Flügels in Vergleich mit dem Gewichte des Vogels. Wir haben deßhalb keinen genauen
Maaßstab, wonach wir den Kraftaufwand schäzen könnten. Doch scheint es nach
verschiedenen Versuchen mit geneigten Flächen wahrscheinlich, daß für je 1000 Pfd.
Gewicht des Luftfahrzeugs 8 bis 10 Pferdekräfte nöthig seyn werden.
Je größer die Oberfläche in Vergleich zu dem Gewichte ist, eine um so geringere
Geschwindigkeit erfordert sie um sich schwebend zu erhalten; und da Henson's Maschine eine Oberfläche besizen soll, deren
Verhältniß zu ihrem Gewichte das der meisten Vögel übersteigt, so wird auch ihre
Geschwindigkeit nicht so groß seyn, wie die der Vögel. Sollte daher sein Project
einen vollkommenen Erfolg haben, so dürfte doch die Geschwindigkeit seines Fluges
etwas geringer genommen werden, wie die der Krähe, welche in ruhiger Luft 24 Meilen
in der Stunde – ungefähr die Geschwindigkeit der Eisenbahnen –
zurüklegt.
Große längliche Ballons aus festen luftdichten Materialien können, den auf empirische
Resultate sich gründenden Berechnungen zufolge, vermittelst Maschinenkraft ungefähr
mit der Geschwindigkeit der Eisenbahnen durch die Luft getrieben werden, und dabei
vermöge ihrer Schwimmkraft eine bedeutende Last mit sich führen. Der Ballon ist das
leichteste, wirksamste und sicherste Mittel zur Luftschifffahrt. Längliche Ballons
von großen Dimensionen bieten, weil die ganze Last frei in der Luft hängt, weniger
Schwierigkeiten dar, Personen und Güter durch die Luft zu transportiren, als
Fliegmaschinen, welche, wenn sie je zur Ausführung kommen sollten, mehr für einen
kleinen Betrieb und für geringere Distanzen geeignet scheinen.
Eine bedeutende Schwierigkeit liegt bei Flugmaschinen in dem enormen Unterschiede der
Kräfte, welche erforderlich sind, den Flug, wie bei Vögeln, vermittelst einer
anfangs abwärts schwebenden Bewegung einzuleiten. Die mit einem Pfunde belastete
Fläche von einem Quadratfuß, wie dieß bei der Krähe der Fall ist, würde mit einer
Geschwindigkeit von 21 Fuß in der Secunde senkrecht niedersteigen; um daher ihr
eigenes Gewicht in der Luft zu erhalten, muß die Krähe ihre Flügel mit dieser
Geschwindigkeit abwärts bewegen; dieß kommt einer Kraftäußerung gleich, womit sie
ihr eigenes Gewicht in einer Secunde 21 Fuß hoch hebt. Würde nun eine Flugmaschine
1000 Pfd. wiegen und sie sollte mit dieser Geschwindigkeit gehoben werden, so wäre die dazu
erforderliche Kraft 38 Pferdekräfte, und Henson's 3000
Pfd. wiegende Maschine würde 114 Pferdekräfte erfordern. Die Kraftäußerung des
Vogels ist übrigens noch größer, denn er hat beim abwärts erfolgenden Flügelschlage
den Zeitverlust während der Aufwärtsbewegung seiner Flügel wieder gut zu machen.
Die Krähe legt schwebend ungefähr 36 Fuß in der Secunde zurük, wobei sie ungefähr 1/8
dieser Streke, oder 4 1/2 Fuß herabsinkt. Der erforderliche Kraftaufwand kann daher
nicht größer als im Verhältniß von 4 1/2 zu 21 seyn, und in diesem Falle würden 1000
Pfd. um schwebend erhalten zu werden, 8 1/4 Pferdekraft erfordern, vorausgesezt, daß
dieses Schweben eben so wie bei Vögeln vor sich ginge. Mit Gewißheit läßt sich
indessen die zum Forttreiben von Luftfahrzeugen erforderliche absolute Kraft nicht
bestimmen.
Die Figuren
25, 26
und 27
stellen die Skizzen eines nach den aufgestellten Principien construirten
Luftfahrzeugs von ungefähr 530 Quadratfuß Flächeninhalt dar. Fig. 25 ist eine
Endansicht, Fig.
26 ein Grundriß und Fig. 27 ein Seitenaufriß
des Apparates. Die Hauptflächen A, A und B, B liegen hier über einander und sind paarweise durch
starke Wellen miteinander verbunden; leztere sind an jedem Ende einer stählernen
Achse, die sich frei in den Hälsen D, D dreht, in Hülsen
befestigt und enthalten die Rollen E, E, mit deren Hülfe
sie durch einen Riemen oder eine Kette von der in dem Wagen F befindlichen Maschine aus in Umdrehung gesezt werden können. Diese
kreisrunden Flächen A, A und B,
B haben Aehnlichkeit mit einem sehr flachen Regenschirm; wenn sie durch die
Maschine in Umdrehung gesezt werden, so öffnen sie sich und nehmen die Gestalt des
Flugrades Fig.
28 an. Beide Flugräderpaare sind unter einem stumpfen Winkel zu einander
gestellt, um der Maschine mehr Stabilität zu geben. Von diesen Flugrädern, welche
Man mit dem Namen Steigflügel bezeichnen kann, sind zwei kleinere G, G mit schiefgestellten Flügeln zu unterscheiden,
welche zum Forttreiben der Maschine dienen. Bei 11 1/4 Fuß Durchmesser enthalten die
Steigflügel ungefähr 100 Quadratfuß Fläche. Der Hebelarm zu beiden Seiten von der
Mitte des Wagens an gerechnet, beträgt nur 8 Fuß, und erhält überdieß noch durch
diagonale Streben eine sichere Lage. Das breite horizontale Ruder oder der Schwanz
H, dem sich durch Drehung um fein Scharnier jede
beliebige Winkelstellung geben läßt, bewirkt unter Anwendung des Treibapparates das
Auf- oder Niedersteigen und bildet ein Hauptmittel, dem Fluge die nöthige
Stabilität zu ertheilen. Das kleine verticale Ruder I
dient zum Seitwärtssteuern.