Titel: | Ueber die Mittel sich von dem Grade der Reinheit der Luft in den Seidenzuchtanstalten zu überzeugen; von Hrn. Robinet. |
Fundstelle: | Band 88, Jahrgang 1843, Nr. XCVII., S. 381 |
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XCVII.
Ueber die Mittel sich von dem Grade der Reinheit
der Luft in den Seidenzuchtanstalten zu uͤberzeugen; von Hrn. Robinet.
Aus dem Echo du monde savant 1843, No.
37.
Robinet, über Prüfung der Luft in den
Seidenzuchtanstalten.
Es unterliegt keinem Zweifel, daß wir jezt sichere Mittel besizen, die Luft einer
Seidenwürmeranstalt zu erneuern. Wenn die äußere Luft kalt ist, so erhält die durch
einen CalorifèreMan vergl. polyt. Journal Bd. LIX S.
241, Bd. LXI S. 33 und
Bd. LXIII S. 147. A. d. R. erwärmte Luft eine aufsteigende Geschwindigkeit, durch welche der gewünschte
Erfolg mit wenig Kosten erreicht wird; die Luft steigt hinauf in die
Seidenwürmerkammer, verbreitet sich hier überall und zieht dann, nachdem sie
allenthalben wohlthätig wirkte, oben hinaus.
Ist hingegen die äußere Luft zu heiß, so schafft der lufteinblasende Ventilator
frische, reine Luft reichlich herbei, welche kräftig genug in die Anstalt getrieben
wird, um in kurzer Zeit die warme und verdorbene Luft daraus zu verdrängen.
Eine Frage jedoch, die der Oertlichkeit, bleibt noch zu besprechen übrig: wann ist
die Luft wirklich verdorben? Wann reicht das Ventilationsverfahren zu ihrer
Erneuerung hin?
Diese Fragen können erst dann entschieden werden, wenn mehrere Personen unter
verschiedenen klimatischen und baulichen Verhältnissen sich von der Reinheit der
Luft ihrer Anstalten überzeugt haben. So glaube ich mich durch positive Versuche
vergewissert zu haben, daß die Ventilation in der Mustermagnanerie zu Poitiers
jederzeit hinreichend ist; folgt aber daraus, daß diese Ventilation auch in Alais
und in Marseille hinreichen würde? Keineswegs; der Gegenstand muß daher, um
erschöpft zu werden, an verschiedenen Orten nach gleichem Verfahren untersucht
werden. Hiezu ist aber ein einfaches Verfahren nöthig, welches allen Züchtern gleich
zugänglich ist. Ein solches will ich mittheilen und hoffe, daß, wenn es Einige in
Anwendung bringen, die Seidenwürmerzucht dadurch bald einen weiteren Fortschritt
gemacht haben wird.
Jedermann kennt die an einer kalten Flasche, welche bei warmem Wetter aus dem Keller
geholt wird, zu beobachtende Erscheinung. Sie beschlägt stark mit Feuchtigkeit,
welche zulezt die Flasche hinunter rinnt. Dieses Wasser befand sich unstreitig in
der Luft und wurde von der niederen Temperatur der Flasche gezwungen, sich auf ihrer
Oberfläche verdichtet niederzuschlagen. Brächte man nun eine solche Flasche in eine
Magnanerie, so könnte man auf diese einfache Weise eine Quantität des in ihrer Luft
enthaltenen Wassers aufsammeln. Ist die Luft verdorben, so besizt dieses Wasser
sicherlich ihre verdorbenen Eigenschaften, welche also durch die Beschaffenheit des
aufgesammelten Wassers ermittelt werden können.
Man verfahre dabei wie folgt: kann man Eis haben, so fülle man eine Flasche oder
sonst ein Gefäß damit an. Das Eis muß so zerstoßen werden, daß es die inneren Wände
der Flasche möglichst berührt. Dieselbe stellt man auf einen reinen Teller und das
Ganze in den Raum, dessen Luft man untersuchen will.
In Ermangelung des Eises nimmt man möglichst kaltes Wasser; da in der Regel diese
Versuche bei warmem Wetter angestellt werden, wobei die Excremente der Würmer
schneller in Gährung gerathen, so wird in den meisten Fällen das kalte Wasser schon
genügen.
Man bringt erwähnten Apparat in den oberen Raum der Anstalt, wo er bald stark
beschlägt und das verdichtete Wasser von allen Seiten herunterrinnt auf den Teller.
Wenn man so ungefähr 30 Gramme Flüssigkeit aufgesammelt hat, gießt man dieselbe in
ein Fläschchen von weißem Glase.
Die Umstände, unter welchen diese Operation vorgenommen wird, müssen aufgezeichnet
werden, nämlich das Datum, die innere und äußere Temperatur, der Zustand der
Atmosphäre, der Stand des Barometers, das Alter der Würmer, ihr Zustand zur Zeit des
Versuchs, die Beschaffenheit des Mistes, ob er troken oder feucht, der beim Eintreten in die Würmerstube bemerkliche Geruch, die
Quantität der zu dieser Zeit und den Tag über verzehrten Blätter. Man bemerkt
ferner, ob die Stube von Oben bis Unten mit Würmern angefüllt ist; ob sie dicht oder
dünn auf den Tischen liegen; ob das Laub troken oder naß, frisch oder welk gestreut
wurde. Befindet sich in der Magnanerie eine künstliche Ventilirvorrichtung, so muß
bemerkt werden, ob dieselbe zur Zeit des Versuchs in Thätigkeit gesezt wurde.
Endlich muß in gewissen Fällen auch auf den herrschenden Wind geachtet werden, weil
an vielen Orten gewissen Luftströmungen ein schädlicher Einfluß zugeschrieben
wird.
Wir gehen nun zur Untersuchung des aufgesammelten Wassers über und nehmen diese auf
vergleichendem Wege vor, wodurch sie Jedermann zugänglich wird.
Man bedient sich hiezu zweier oder dreier Fläschchen, wie jenes, in welchem sich das
Wasser der Magnanerie befindet, und füllt das eine, wenn dieß ungefähr zur selben
Zeit möglich ist, mit Regenwasser. Das zweite Fläschchen
füllt man mit Fluß- oder Quellwasser, dem gewöhnlichen Trinkwasser. In
Ermangelung solchen Wassers nimmt man jenes vom Hausbrunnen. Wir haben also drei
Fläschchen, das erste mit dem Wasser der Magnanerie, das zweite mit Regenwasser, das
dritte mit Quellwasser. Man zerschneidet nun ein Stükchen Curcumapapier, welches in jeder Apotheke zu haben ist, in drei kleine
Streifen, welche in die drei Fläschchen getaucht werden. Die gelbe Farbe desselben
wird von dem Regenwasser keine andere Veränderung als die von der Nässe
hervorgebrachte erleiden; wahrscheinlich ebenso von dem Quellwasser. Das Wasser der
Magnanerie aber, wenn es von dem Würmermiste entwikeltes Ammoniak oder flüchtiges
Alkali enthält, färbt obiges Papier bald mehr oder weniger dunkelbraun; kein gutes
Anzeichen.
Nach diesem Versuche, welcher nur einige Minuten dauert, bringt man die Fläschchen in
die Würmerstube und stellt sie daselbst an die wärmste Stelle. Sie brauchen nur mit
Papier verstopft zu werden; die Temperatur, welcher sie dabei ausgesezt werden,
beobachtet man mittelst eines Thermometers in ihrer Nähe. In dieser Stube werden die
drei Fläschchen zweimal täglich besichtigt, wobei man folgendes bemerken wird:
Das Regenwasser erfährt gar keine merkliche Veränderung. Es
trübt sich nicht und entwikelt keinen übeln Geruch.
Ist das Fluß-, das Quell- oder Brunnenwasser gut, so können sie
ebenfalls die hohe Temperatur, welcher sie ausgesezt sind, mehrere Tage lang
aushalten, ohne sich zu verändern.
Das in der Magnanerie aufgesammelte Wasser aber wird in den meisten Fällen sich
wahrscheinlich bald trüben, einen übeln Geruch annehmen und faulen; zulezt wird
es eine flokige Substanz, die sich allmählich bildet,
absezen.
Dieß sind die vorzüglichsten und von Jedermann leicht zu beachtenden
Verschiedenheiten. Der Tag, an welchem sich das Wasser trübte und den übeln Geruch
annahm, muß ebenfalls aufgezeichnet werden.
Wenn das erwähnte Curcumapapier durch das Wasser am Tage, wo es aufgesammelt wurde,
nicht gebräunt wurde, so muß es alle Tage wiederholt darein getaucht und der Tag, wo
es das Papier zu bräunen anfing, aufgezeichnet werden.
In Ermangelung von Curcumapapier können ein paar Tropfen Veilchensyrup angewandt werden, und zwar folgendermaßen:
In drei Kelchgläschen bringt man einen Fingerhut voll der drei zu untersuchenden
Wasser und sezt jedem 1–2 Tropfen dieses Syrups zu.
In ganz reinem Wasser behält der Syrup seine röthlichviolette Farbe; in Wasser aber,
welches Ammoniak enthält, geht die Farbe sogleich deutlich ins Grüne über. Das in der Würmerstube gesammelte Wasser wird sehr oft diese
Reaction hervorbringen, was ein übles Zeichen ist.
Gehen wir jezt zur Anwendung dieses einfachen Versuches über:
Sezen wir zuerst voraus, daß ein Züchter ihn das erstemal in dem Augenblik anstelle,
wo er seine Würmer in die große Würmerstube bringt; sie befinden sich zu dieser Zeit
im zweiten oder dritten Lebensalter. Das aufgesammelte Wasser zeigt gar kein
Merkmal, wodurch es sich vom Regen- oder Quellwasser unterschiede. Es
verändert weder das Curcumapapier, noch den Veilchensyrup. Im wärmsten Theile der
Stube, bei 25° C., trübt es sich in mehreren Tagen nicht, und nimmt keinen
übeln Geruch an.
Unser Züchter macht nun einen zweiten Versuch mit Würmern vom fünften Alter, z.B.
während der Hauptfreßzeit; diesesmal aber bräunt das aufgesammelte Wasser das gelbe
Papier und grünt den Veilchensaft; am dritten Tage trübt es sich und nimmt bald
einen faulen Geruch an.
Es geht daraus für den Seidenzüchter mit Bestimmtheit hervor, daß die in den ersten
Arbeitstagen reine Luft seiner Kammer sich gegen das Ende
der Zucht zu ihrem Nachtheile Verändert hat und seine Ventilirmittel
unzureichend sind, daher nochwendig verbessert werden müssen.
Angenommen nun, der Director der Anstalt sey, durch den Geruch aufmerksam gemacht, im
Begriff, den für schwierige Fälle bestimmten Blaseventilator in Gang zu sezen. Er
muß Wasser aufsammeln, ehe er zu diesem Mittel schreitet, dann aber nach dem
Ingangsezen des Ventilators noch einen zweiten Versuch anstellen. Die Vergleichung
der beiden Wasser zeigt ihm dann bestimmt an, ob der Ventilator ausreichte, um die
verdorbene Luft der Kammer durch reine zu ersezen.
Es scheint mir überflüssig, noch weiter zu gehen und alle Fälle anzugeben, wo solche
Vergleichungen angestellt werden können. Man wird wohl einsehen, daß wenn solche
Versuche in gehöriger Anzahl angestellt worden wären, man wenigstens weit besser als
durch Berechnungen wüßte, was von den empfohlenen Ventilirmethoden zu erwarten, was
von gewissen atmosphärischen Einflüssen zu fürchten ist, in welchen Fällen der
Veränderung der Luft die eingetretenen Krankheiten der Seidenwürmer zuzuschreiben
sind und in welchen Wen dagegen die Ursachen dieser Krankheiten in der
Beschaffenheit der Blätter, in der Qualität der Eier, dem Brütverfahren, der Anzahl
der Mahlzeiten etc. zu suchen sind.