Titel: | Ueber eine Veränderung der Ankerhemmung für Pendeluhren, welche von Hrn. Winnerl, Uhrmacher in Paris, angewandt wird. Ein der Société d'Encouragement von Baron Seguier erstatteter Bericht. |
Fundstelle: | Band 88, Jahrgang 1843, Nr. LXVIII., S. 254 |
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LXVIII.
Ueber eine Veraͤnderung der Ankerhemmung
fuͤr Pendeluhren, welche von Hrn. Winnerl, Uhrmacher in Paris,
angewandt wird. Ein der Société d'Encouragement von
Baron Seguier
erstatteter Bericht.
Aus dem Bulletin de la Société
d'Encouragement. Febr. 1843, S. 41.
Mit Abbildungen auf Tab.
IV.
Winnerl's Ankerhemmung für Pendeluhren.
Hr. Winnerl (rue de Lorette
No. 7) ist schon seit längerer Zeit unverdrossen bemüht, die gewöhnlichen, im
Handel vorkommenden Pendeluhren jener großen Genauigkeit zu nähern, welche nur den
mit der größten
Sorgfalt in allen ihren Theilen ausgearbeiteten Uhren vorbehalten zu seyn scheint.
Die Hemmung schien ihm bei der gewöhnlichen Pendeluhr dasjenige Stük zu seyn, worauf
er seine volle Aufmerksamkeit zu richten hätte, um das Resultat zu erreichen,
welches er sich vorgesezt hatte. Der Zwek seiner Bemühungen war, dieses Hauptstük
der Pendeluhr vollkommener zu machen, und seine Verrichtung zu sichern ohne seinen
Preis zu erhöhen.
Eine sorgfältig ausgeführte Pendeluhr behält die Regelmäßigkeit ihres Ganges so
lange, als keine Störung in die Verrichtungen ihrer einzelnen Theile kommt. Von der
Sorgfalt, welche auf ihre Ausführung verwendet wurde, der Regelmäßigkeit des
Räderwerkes, der Vollkommenheit der Zapfen und der gewissenhaften Wahl der Oehle zum
Schmieren, hängt hauptsächlich ihr gleichförmiger Gang ab. Die im Handel
vorkommenden Pendeluhren, welche mit Eilfertigkeit verfertigt wurden, und mittelst
Werkzeugen, welche oft dem zu bearbeitenden Stüke nicht jene lezte Vollendung geben,
die so nothwendig zur Erhaltung der einzelnen Theile ist, werden zu wohlfeil
verkauft, als daß eine Handarbeit auf sie verwendet werden könnte, welche um so
theurer ist, da sie von einem geschikten und gewissenhaften Künstler ausgeführt
werden muß, der sicherlich nur mit einer gewissen Langsamkeit arbeiten kann.
Um diesen bei den gewöhnlichen Pendeluhren nur zu fühlbaren Uebelständen vorzubeugen,
kam Hr. Winnerl auf den Gedanken, die Zapfen an der
Hemmung abzuschaffen. Durch die Beseitigung derselben ist man nicht nur der Sorgfalt
enthoben, welche die Ausführung dieser Zapfen erfordert, sondern es fallen auch die
Störungen weg, welche durch deren Abnuzung entstanden, nebst allen denen, welche aus
der Veränderung des Oehles zum Schmieren derselben hervorgingen. Hr. Winnerl hat dadurch, daß er die Arme des Ankers an das
Pendel selbst befestigte, noch andere Vortheile erreicht. Er hat die
Unregelmäßigkeiten vermieden, welche, je nach der Schlüpfrigkeit der Oehle, aus dem
größeren oder kleineren Spiele der Hemmungszapfen in ihren Löchern während einer
Oscillation entspringen, je nachdem das Steigrad auf den eingehenden oder
ausgehenden Ankerarm fällt. Er hat eben so den Einfluß der Oehle auf den Gang
siegreich beseitigt; gerade bei dem leztern beweglichen Theile üben aber die
Veränderungen in der Zähigkeit des Oehls einen großen Einfluß aus.
Die von Hrn. Winnerl angenommene Construction beseitigt
jede Art von Reibung der Pendelstange in der Gabel; die Nothwendigkeit einer
strengen Genauigkeit bei der Punktur der Hemmungszapfen in der Linie des
Schwingungs-Mittelpunkts des Pendels fällt weg, auch ist die unvermeidliche
Reibung der Stange eines Pendels, welches an einer Feder aufgehängt ist (und in
Folge der Biegung der Aufhängung eine Art Cycloïde beschreibt, während die
Gabel, welche sich um Zapfen dreht, sich in einem vollkommenen Kreisbogen bewegt)
beseitigt.
Der Fehler, welcher dadurch entsteht, daß die Hemmungsachse, woran die Gabel
befestigt ist und der Befestigungspunkt der Aufhängungsfeder nicht parallel liegen,
ist nicht mehr zu befürchten, einer Anordnung zufolge, welche den Anker mit dem
Pendel vereinigt und die Gabel und die Zapfen entbehrlich macht.Die in Deutschland längst gebräuchlichen Uhren mit dem sogenannten
Stiftengang bieten dieselben Vortheile wie die Erfindung des Hrn. Winnerl dar. Auch bei ihnen fällt die eigene
Achse des Ankers, also auch deren Reibung und eben so die Gabel weg. Die
Hemmung ist ebenfalls auf der Pendelstange festgeschraubt und folglich sind
alle die Uebelstände schon längst beseitigt, welche Hr. Winnerl so siegreich bekämpft hat.Daß beim Stiftengang in Folge der ganz andern Construction des Steigrades die
Form des Ankers auch eine andere seyn muß, versteht sich von selbst. Auch
der Uebelstand, daß bei der Aufhängung des Pendels an eine Feder der
Schwingungs-Mittelpunkt des Pendels nicht immer mit der Mitte der
Feder zusammenfällt, ist beseitigt, sobald man das Pendel an eine
Messerschneide statt an eine Feder hängt. Hiedurch wäre der Drehungspunkt
des Ankers fest und unveränderlich gegeben. A. d. Ueb.
Ein Einwurf könnte indessen gemacht werden: wie kann man gewiß seyn, die Ankerarme in
die gehörige Lage zum Steigrade zu bringen, da das Pendel, welches die Ankerarme
trägt, selbst an eine Feder aufgehängt ist, deren Krümmungspunkt unbestimmt ist? Es
reicht hin, die Uhr, welche von Hrn. Winnerl vorgelegt
wurde, aufmerksam zu betrachten, um zu erkennen, daß selbst ein beträchtlicher
Fehler in dieser Stellung nur einen kleinen Rükstoß auf das Steigrad hervorbringen
könnte, welcher ohne Einfluß auf den Gang der Uhr ist. Der beste Beweis, daß die
Ansichten des Hrn. Winnerl richtig waren und daß jener
Einwurf nicht gegründet ist, ist durch die praktische Erfahrung geliefert.
Gewöhnliche Handelsuhren, welche so abgeändert waren, wurden im Secretariat unserer
Gesellschaft deponirt. Sie haben durch die Regelmäßigkeit ihres Ganges alle Zweifel
gehoben. Eine davon mit einer Pendelstange von Fichtenholz war die ganze Zeit über
bei Hrn. Nanteuil, und Hr. Winnerl hatte nach Verfluß von 3 Monaten das Vergnügen zu erkennen, daß
ihre Genauigkeit während dieser Zeit so groß war, daß ihre ganze Abweichung noch
nicht einmal eine Minute betrug.
Mittelst der Chronometer von Winnerl kann man die Dauer
von Beobachtungen in Secunden, Minuten und selbst Stunden auf drei verschiedenen
Zifferblättern mit Hülfe von doppelten Zeigern bestimmen, wovon der eine, welcher
beim Anfange einer Beobachtung stillegestellt und bei der Beendigung derselben in Gang gesezt wird, mit
dem andern, welcher ununterbrochen fortging, nicht mehr zusammentrifft, bis die
Zeitdauer der Beobachtung bemerkt worden ist und der Beobachter dann wünscht, sie
wieder zu vereinigen, um sich zu einer neuen Beobachtung vorzubereiten.
Beschreibung der neuen Ankerhemmung für
Pendeluhren.
Die Pendeluhr, welche Fig. 47 im Aufriß und
Fig. 48
in der Seitenansicht und zwar in der Hälfte der natürlichen Größe darstellen, ist,
eben so wie das Aufhängestük des halben Secundenpendels dauerhaft auf dem
Marmorbloke A befestigt. Der Anker a ist auf das Aufhängestük b, welches das Pendel B trägt, aufgeschraubt und
der Schwingungspunkt des Ankers in der Mitte der Aufhängefeder c angenommen. Die Entfernung des Steigrades d ist so, daß die Ruhestellen sich im rechten Winkel mit
dem Mittel des Rades und dem Schwingungspunkte befinden. Diese Anordnung wird mit
Vortheil bei astronomischen Pendeluhren angewandt werden können, indem sie den
Einfluß der Zähigkeit des Oehls auf die Ankerzapfen und die Reibung, welche durch
Anwendung der Gabel entsteht, beseitigt.
Hr. Winnerl hat dieselbe mit Erfolg bei gewöhnlichen
Handelspendeluhren angewandt, ohne sonst eine bedeutende Veränderung
anzubringen.
Fig. 49 ist
ein Aufriß und Fig.
50 eine Seitenansicht einer halben Secundenuhr.
Fig. 51 und
52
stellen eine einfache Pendeluhr vor.
Die eine wie die andere hat eine Pendelstange von Fichtenholz C. Da das Mittel des Steigrades durch die Anordnung des Räderwerks gegeben
war, so hat der Erfinder das Stük, welches die Aufhängung trägt, an den gehörigen
Plaz befestigt, nach den früher angegebenen Grundsäzen, indem er die Mitte der
Aufhängefeder c als Schwingungs-Mittelpunkt des
Ankers annahm. Er schraubte den Anker hinter das Stük, woran das Pendel angehängt
ist und indem er die Mitte der Aufhängefeder sich bemerkte, bohrte er an diesem
Punkte ein Loch durch den Anker. Er brachte ihn hierauf mit dem Steigrade auf eine
Platte, in einer Entfernung gleich der Entfernung des Steigradmittels von der
Schwingungsmitte der Aufhängefeder, und ließ ihn so um einen Grad sich bewegen. Das
Schwingungsmittel der Aufhängefedern verändert sich unbedeutend nach dem Gewichte
des Pendels, fällt aber nie unter die Mitte, welche man als mittlere Stelle annimmt,
und obgleich die Härtung der Federn oft eine Veränderung in den Ruhekreisen
hervorbringt, so wird doch daraus keine merkliche Reibung erfolgen, welche den Gang
der Uhr stören könnte. Da der Erfinder diese Uhren senkrecht in ihre Gehäuse
stellte, so brauchte er das gewöhnliche Mittel, sie nach der Hemmung zu richten,
nicht anzuwenden. Man könnte aber auch, wenn es nöthig wäre, an dem Pendel die in
Fig. 53
und 54
gezeichnete Vorrichtung, von der man gewöhnlich für die Gabel Gebrauch macht,
anwenden. Auf das Hängestük e des Hakens befestigt man
mittelst einer Schraube das Stük f des Pendels, welches
mit zwei Ansäzen versehen ist, durch die eine Schraube g
sezt, welche in dem Stüke e mit einem Gewinde versehen
ist und es nach Bedürfniß entweder nach Rechts oder nach Links bewegt.