Titel: | Bericht über Versuche hinsichtlich des der Zugkraft entgegenwirkenden Widerstandes auf Eisenbahnen. Von Edward Woods. |
Fundstelle: | Band 82, Jahrgang 1841, Nr. XLII., S. 171 |
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XLII.
Bericht uͤber Versuche hinsichtlich des
der Zugkraft entgegenwirkenden Widerstandes auf Eisenbahnen. Von Edward Woods.
Aus dem Civil Engineers and Architects' Journal. Sept.
1841, S. 323.
Woods, über den Widerstand auf Eisenbahnen.
In einem früheren Berichte des Comité'sMan vergl. polyt. Journal Bd. LXXII. S.
161, 241, 321, 401. wurden 5 verschiedene Methoden, den der Zugkraft entgegenwirkenden
Widerstand auf Eisenbahnen zu ermitteln, beschrieben und ihre relativen Werthe
erörtert. Es wurden mehrere Versuche nach einer dieser Methoden angestellt. Man
beobachtete nämlich die Bewegung einer Last, welche man eine schiefe Ebene
hinabrollen ließ; leztere war steil genug, um eine beschleunigte Bewegung zu
veranlassen. Hieraus ergab sich nun das augenscheinliche Resultat, daß der
Widerstand mit der Geschwindigkeitsvermehrung des Trains sich steigerte, in welchem
Verhältniß aber dieß geschah, wurde damals wegen gewisser, hauptsächlich der
Veränderlichkeit des Windes zur Zeit der Versuche zuzuschreibenden Schwankungen
nicht bestimmt. Das Comité wiederholte die Versuche mit Trains von
verschiedener Größe und verschiedenen Geschwindigkeiten an der schiefen Fläche bei
Sutton auf der Liverpool-Manchester-Eisenbahn, deren Neigung 1 in 89
beträgt, ferner an den mit 1 in 177, 1 in 265 und 1 in 330 geneigten Flächen auf der
Grand-Junction-Eisenbahn. Die gegebenen und in Rechnung zu ziehenden
Data waren:
1) Der Coefficient der Schwerkraft für die Neigung der Ebene;
2) die Anfangsgeschwindigkeit an einem bestimmten Punkte dieser schufen Ebene;
3) die Endgeschwindigkeit an einem bestimmten Punkte der Ebene;
4) die während des Durchlaufens der zwischen diesen beiden Punkten liegenden Streke
verflossene Zeit;
5) die zwischenliegende Streke;
6) die Schwerkraft;
7) das Gewicht des Trains außer den Rädern und Achsen;
8) das Gewicht der Räder und Achsen;
9) der Halbmesser der Räder;
10) der Abstand zwischen dem Mittelpunkt des Rades und dem
Oscillationsmittelpunkt.
Wenn ein Körper ohne Widerstand eine geneigte Ebene hinabrollt, so ist seine
Geschwindigkeit an irgend einer unter dem Punkte, wo seine Bewegung anfing,
gelegenen Stelle, derjenigen Geschwindigkeit gleich, welche er in Folge des freien
Falles durch dieselbe Höhe erlangen würde. Die Vergleichung dieser als gegeben zu
betrachtenden Geschwindigkeit mit der beobachteten Geschwindigkeit eines die
geneigte Ebene sich hinabbewegenden Körpers führt auf die Bestimmung des
Widerstandes, welchen der Körper während seiner Bewegung erfährt. Ein Einwurf,
welcher dieser Methode entgegengehalten wurde, liegt in dem auffallenden Mangel an
Uebereinstimmung in den Resultaten. Indessen ist in lezterer Hinsicht eine
Ausgleichung leicht zu bewerkstelligen, und der Bericht zeigt eine merkwürdige
Uebereinstimmung eines und desselben Zuges, wenn man ihn bei vollkommen ruhiger
Atmosphäre dieselbe Ebene von demselben Punkte aus hinabrollen läßt. Die übliche
Formel läßt sich auf drei Fälle, nämlich auf beschleunigte, gleichförmige und
verzögerte Bewegung anwenden. Demgemäß ist der Coefficient der Schwerkraft
beziehungsweise größer, gleich und geringer, als der Coefficient des Widerstandes,
und die gesuchte Correction wird negativ, Null und positiv seyn, so daß in allen
Fällen der Coefficient des Widerstandes aufgefunden werden kann. Das Verfahren,
diese Correction zu bestimmen, wurde in dem früheren Berichte auseinander gesezt.
Wenn die Bewegung gleichförmig ist, so läßt sich der mittlere Widerstand für jede
besondere Geschwindigkeit bestimmen; ist dagegen die Bewegung zwischen den beiden
Beobachtungspunkten beschleunigt, so kann, obgleich der mittlere Widerstand bekannt
seyn mag, doch nicht mit Genauigkeit bestimmt werden, ob dieser mittlere Widerstand
zu der mittleren Geschwindigkeit oder zu irgend einer anderen zwischen den Gränzen
der Anfangs- und Endgeschwindigkeit liegenden Geschwindigkeit gehört, weil
die Erfahrung bis jezt noch nicht das zwischen der Zunahme des Widerstandes und der
Geschwindigkeit obwaltende Gesez ermittelt hat. Die von den Tabellen des
vorliegenden Berichtes dargebotenen Resultate lassen sich folgendermaßen eintheilen:
1) Bestimmung der Reibung; 2) Vermehrung des Widerstandes in Folge der
Geschwindigkeitserhöhung bei Trains von verschiedener Größe; 3) Erfolg, wenn man die
Form der Vorder- oder Hinterfläche der Wagen ändert, und sonstige Aenderungen
an der äußeren Fläche des Wagenzugs anbringt.
Man ließ drei Wagen der ersten Classe viermal hintereinander aus dem Zustande der
Ruhe die schiefe Ebene von Sutton, eine Länge von 2400 Yards, hinabrollen. Augenscheinlich
verminderte sich der Widerstand, bis der Train die Geschwindigkeit von 7,58 Meilen
per Stunde erreicht hatte, worauf er wieder zunahm;
bei 4,32 Meilen per Stunde betrug der Widerstand 6,07
Pfd. auf die Tonne, bei 7,58 Meilen per Stunde 5,6 Pfd.
auf die Tonne. Dieses merkwürdige bis zu jenem Zeitpunkt noch nie beobachtete
Resultat ist wahrscheinlich Folge einer vollkommneren Schlüpfrigkeit der Achsen bei
größerer Geschwindigkeit. Es bildet sich nämlich zwischen dem Oberlager und der
oberen Fläche des Zapfens eine dünne Fettschichte, welche die beiden Flächen mit
mehr Erfolg auseinander hält; bei geringerer Geschwindigkeit dagegen hat der Druk
des Oberlagers auf den Zapfen Zeit, das aus der Schmierbüchse zugeführte Fett zu
verdrängen, woraus dann eine größere Reibung entspringt. Man ließ nun acht Wagen der
zweiten Classe die schiefe Ebene von Sutton hinab. Bei 5,84 Meilen per Stunde erreichte die Reibung ein Minimum.
Folgende Resultate lassen sich aus obiger Reihe von Versuchen herleiten.
1) Die Friction war am geringsten, wenn der Wagenzug mit einer Geschwindigkeit von
ungefähr 6 Meilen per Stunde sich bewegte.
2) Der Totalwiderstand war also bei ungefähr 6 Meilen in der Stunde am geringsten,
ungeachtet des Einflusses der Atmosphäre bei dieser Geschwindigkeit.
3) Der mittlere Widerstand der ersten Wagenclasse betrug nie weniger als 5,6 Pfd. auf
die Tonne, und derjenige der zweiten Wagenclasse nie weniger als 7,75 Pfd. auf die
Tonne; 6 und 8 Pfd. per Tonne repräsentiren sehr nahe
den mittleren Widerstand.
Die Bewegung dieser Wagenzüge wurde an den unteren Theilen der geneigten Ebene
beobachtet, wo die Geschwindigkeiten weit größer als die obigen waren. Der
Widerstand des Trains von drei Wagen belief sich bei Geschwindigkeiten von 22, 16
und 29 Meilen per Stunde beziehungsweise auf 8, 12 und
16 Pfd. per Tonne; der einem Train von 8 Wagen
dargebotene Widerstand betrug bei Geschwindigkeiten von 20, 25 und 29 Meilen in der
Stunde beziehungsweise 11, 12 und 14 1/2 Pfd. per Tonne.
Man förderte Trains von 4 und 6 Wagen auf die Höhe der schiefen Ebene; sie singen
an, nachdem die Maschine von ihnen getrennt war, mit einer Geschwindigkeit von 33
und 26 Meilen per Stunde hinabzurollen. Die erste Hälfte
der schiefen Ebene durchliefen sie mit einer mittleren Geschwindigkeit von 34 und 29
Meilen in der Stunde, die leztere Hälfte mit einer mittleren Geschwindigkeit von 37
und 33 Meilen
per Stunde. Andere Versuche wurden an der
Grand-Junction-Eisenbahn angestellt; das Gesammtresultat zeigt die
Existenz einer entgegengesezten, durch die Geschwindigkeit selbst gleichsam
geschaffenen und die bisherigen Ahnungen weit übersteigenden Kraft.
Ein 40 1/2 Tonnen schwerer Train von 8 Wagen würde den Madely-Abhang, dessen
Gefälle 1 in 177 beträgt, mit Geschwindigkeiten, die von 23 bis 26 Meilen per Stunde wechselten, hinabgelassen; die mittlere
erreichte Geschwindigkeit betrug 25 1/2 Meilen auf die Stunde. Die Bewegung des Zugs
wurde gleichförmig, so daß die Coefficienten der Schwere und des Widerstandes gleich
waren. Der mittlere Widerstand des Zugs betrug 12 1/2 Pfd. per Tonne. Man ließ einen Zug von 4 Wagen mit einer Geschwindigkeit von 40
Meilen in der Stunde die geneigte Ebene hinab; in der Mitte dieser Ebene war die
Geschwindigkeit bereits bis auf 30 Meilen per Stunde
reducirt, und am Fuße derselben betrug sie nur noch 25 Meilen in der Stunde. Vier
andere Wagen ließ man mit einer Geschwindigkeit von 32,7 Meilen in der Stunde
hinabrollen. Nachdem sich die Geschwindigkeit bis auf 22,7 Meilen verzögert hatte,
bewegten sich die Wagen, diese Geschwindigkeit beibehaltend, bis an den Fuß der
schiefen Ebene. Die bei diesen Versuchen mit Trains von 8 Wagen erhaltenen Resultate
sind von großer praktischer Wichtigkeit, indem sie den Verhältnissen der
Personentrains sehr nahe kommen. Dreißig Meilen in der Stunde ist eine schöne
mittlere Geschwindigkeit, und der Widerstand bei dieser Geschwindigkeit beläuft sich
ungefähr auf 15 Pfd. per Tonne oder nur auf ungefähr den
doppelten Betrag der Reibung. Die Reibung läßt sich zwar durch besondere
Aufmerksamkeit auf die Maschinentheile und vollkommenes Schmieren der Achsen
vermindern, allein ihre Reduction ist in Betreff der ökonomischen Verhältnisse der
Passagiertrains von untergeordneter Wichtigkeit, indem diese, wegen ihrer großen
Geschwindigkeit nothwendiger Weise reichliche und unabhängige Quellen des
Widerstandes mit ins Spiel bringen.
Nachdem der Widerstand der Wagenzüge bei verschiedenen Geschwindigkeiten ermittelt
war, richtete das Comité seine Aufmerksamkeit auf den Einfluß der äußeren
Form auf den Widerstand. Ein in eine Schneide zulaufender Körper wurde nacheinander
an die Spize und an das Ende des Wagenzuges befestigt, allein die beobachteten
Unterschiede waren äußerst unbedeutend, und nur so, wie sie sich bei Wiederholung
eines und desselben Versuches herausgestellt haben würden. Die Schneide übte, sie
mochte vorn oder hinten angebracht werden, keinen merkbaren Einfluß auf die Bewegung
des Trains oder auf den Widerstand, dessen Zeichen diese Bewegung ist.
Man veranstaltete ferner Versuche, um sich zu überzeugen, ob wohl Wagen, welche man
mit ihren vierekigen Seiten an die Spize des Zugs stellte, anstatt ihnen Locomotive
und Tender vorangehen zu lassen, Einfluß auf das Resultat hätten; allein auch hier
zeigten sich keine größern Differenzen, als diejenigen, welche man von wiederholten
Versuchen erwarten kann. Kurz, die Form der Vorderfläche hat keinen wahrnehmbaren
Einfluß; der Widerstand bleibt derselbe, es mögen sich die Locomotive nebst Tender,
oder zwei Wagen von gleichem Gewichte an der Spize des Trains befinden. Die zwischen
den Wagen enthaltenen Räume wurden eingeschlossen, indem man starken Kanvas von
Wagen zu Wagen spannte und auf diese Weise den ganzen Zug in eine ununterbrochene
Masse verwandelte. Die Resultate waren zu Gunsten des Trains ohne Kanvas, indessen
war der Unterschied äußerst unbedeutend. Es ist demnach außer Zweifel, daß durch die
offen bleibenden Räume zwischen den Wagen kein weiterer Widerstand veranlaßt
wird.
Nachdem das Comité das Resultat festgestellt hat, daß der Ueberschuß des
Widerstandes nach Abzug der Reibung, zu seiner Schäzung das Vorhandenseyn einer
außerhalb der Dimensionen und Form der Vorderfläche, so wie der Continuität der
Oberfläche liegenden Ursache nöthig macht, so drängt sich die wichtige Frage auf,
welches ist das so mächtigen Einfluß ausübende Element? Der frühere Bericht des
Comité's enthält die Resultate von Versuchen, welche auf der schiefen Ebene
von Madely mit Waggons angestellt wurden, deren jeder mit 6 Tonnen belastet, und mit
beweglichen Vorder- und Seitenflächen versehen war; die aus den Resultaten
sich ergebenden Unterschiede wurden damals nur auf die vergrößerte Vorderfläche
bezogen. Den im gegenwärtigen Berichte ins Einzelne beschriebenen Versuchen zufolge
wurde es jedoch wahrscheinlich, daß der zunehmende Widerstand von dem Hauptvolumen
der verdrängten Luft sehr abhängig war. Das Comité empfiehlt, die Versuche so
anzuordnen, daß man den Einfluß bestimmen kann, welchen die Verminderung und
Vermehrung des Volumens des Trains bei unverändertem Gewichte auf den Widerstand
hat.
Es wurden ferner Versuche in Betreff der Bestimmung der zum Betrieb der Eisenbahn
verwendeten Triebkraft angestellt. Zu dem Ende mußte die Beschaffenheit der
Bahnlinie hinsichtlich ihrer Gefälle, das Gewicht und Volumen des Trains und die
Geschwindigkeit, womit die Ladung befördert werden sollte, in Erwägung gezogen
werden. Nur das erste dieser Verhältnisse, welches von der Natur des bergan-
oder bergabsteigenden Terrains abhängt, ist constant. Nach dynamischen Gesezen ist
(die Widerstände bei jeder Geschwindigkeit als constant vorausgesezt) der Kraftaufwand eines zwischen
zwei in gleicher Höhe liegenden Punkten hin- und hergehenden Trains derselbe,
die Bahn mag eben oder wellenförmig seyn. Bei ebener Bahn ist die Geschwindigkeit
gleichförmig, bei undulirender Bahn veränderlich. Es fragt sich nun, wird wohl die
Geschwindigkeitsvermehrung an den abwärts gehenden Flächen den Zeitverlust an den
bergan gehenden ausgleichen? Wird die mittlere Geschwindigkeit auf der ganzen Linie
eine Differenz zeigen? Um in Betreff dieses Punktes ein einigermaßen bestimmtes
Resultat zu erlangen, wurde Anstalt getroffen, einen Train von Liverpool nach
Birmingham, eine Streke von 190 Meilen, hin und zurük zu senden. Dieser Versuch
wurde mit viel Umsicht angeordnet und die Resultate wurden mit großer Genauigkeit
aufgezeichnet. Aus lezteren läßt sich nun folgender merkwürdige Schluß ziehen, daß
ein von einer und derselben Maschine gezogener Train von 12 Wagen eine
Eisenbahnstreke, deren Steigungen innerhalb der bezeichneten Grenzen liegen, in
derselben Zeit zurüklegen kann, in welcher er eine vollkommen ebene Bahnstreke von
gleicher Länge zurüklegen würde. Im gewöhnlichen Betrieb würde zwar eine Maschine
von erprobten Dimensionen (die Hekla) an den geneigten Ebenen von Sutton, Whiston
und Warrington, deren Gefälle 1/89, 1/96 und 1/80, beträgt, Beihülfe in Anspruch
nehmen; dieß war aber bei obiger Versuchsfahrt nicht der Fall. Hieraus läßt sich
daher folgern, daß die aufgestellte Ansicht richtig war, d.h. daß Trains, deren
Gewicht zu der Beschaffenheit der zurükzulegenden schiefen Flächen in einem
bestimmbaren Verhältniß steht, diese schiefen Flächen mit derselben mittleren
Geschwindigkeit durchlaufen können, welche durch die Maschine auf ebener Bahn
erreicht wird, und daß ein gewöhnlicher Wagenzug die
Grand-Junction-Eisenbahn (die steileren Gefälle von 1 in 96
ausgenommen) in eben so kurzer Zeit zurüklegen würde, als wenn die Bahnlinie
vollkommen horizontal wäre.
Hr. Brunel bemerkt, daß die aus
dem Hinabrollen der Trains über schiefe Ebenen sich ergebenden Resultate auf den
gewöhnlichen Dienst der Wagenzüge auf Eisenbahnen nicht anwendbar seyen. Mehrere der
in dem Berichte dargelegten Resultate weichen von den Resultaten seiner Erfahrung
hinsichtlich des Betriebs der Great-Western-Eisenbahn außerordentlich
ab. Der Grund dieses Unterschiedes liegt in der Art und Weise, wie man die
Widerstände erhielt. Wenn ein Wagenzug eine schiefe Ebene hinabrollt, so wird jeder
Wagen von dem zunächst hinter ihm befindlichen leicht gedrükt, so daß der ganze Zug
in der Lage eines geschobenen Zugs sich befindet; und es ist bekannt, daß der
Widerstand eines von Hinten geschobenen Trains weit großer ist, als der Widerstand
desselben Trains, wenn er von Vorn gezogen wird, weil im ersteren Falle die Wagen
aus ihrer richtigen Lage gerükt werden.