Titel: Geschichte der Fabrication der chinesischen Gong-gongs und der Cymbeln in Frankreich; von Hrn. d'Arcet.
Fundstelle: Band 81, Jahrgang 1841, Nr. XCIV., S. 366
Download: XML
XCIV. Geschichte der Fabrication der chinesischen Gong-gongs und der Cymbeln in Frankreich; von Hrn. d'Arcet. Aus dem Recueil de la Société polytechnique, April 1841, S. 3. d'Arcet, über die Fabrication der Gong-gongs und Cymbeln. Zur Zeit, als die Continentalsperre mit der größten Strenge ins Werk gesezt wurde, hatten die Musikmeister unserer Regimenter die größten Schwierigkeiten, um sich die Cymbeln zu verschaffen; man zahlte damals ein paar Cymbeln mit 600 Fr., die in Konstantinopel 20 Fr., und zur Friedenszeit in Paris 36 bis 40 Fr. kosteten. Von den in China fabricirten Gong-gongs (tam-tams der Franzosen) kamen in Frankreich gar keine an, und ein einziges, welches schon seit langer Zeit dort war, wurde damals um 6000 Fr. verkauft, d.h. um ungefähr den 15- bis 20fachen Ankaufspreis am Productionsorte. Bei diesem Stand der Dinge befahl Bonaparte, die Fabrication der Cymbeln und Gong-gongs in Frankreich einzuführen, und ich ward hiemit beauftragt. Die Verwaltung ließ mir die Trümmer von 22 Cymbeln und von 7 Gong-gongs zustellen; ich analysirte alle diese Muster und fand, daß alle aus derselben Legirung gemacht waren, welche in 100 Gewichtstheilen bestand aus:
Kupfer           80 Zinn 20
und deren specifisches Gewicht = 8,949 war. Als ich eine solche Regelmäßigkeit und Einfachheit in der Legirung dieser Schlaginstrumente wahrnahm, hielt ich nichts für leichter, als ihre Fabrication in Frankreich einzuführen. Ich machte nun ein Modell von Messing, indem ich in Gewicht und Gestalt ein der Oper angehöriges und mir von der Verwaltung des Musik-Conservatoriums anvertrautes Paar Cymbeln genau copirte, bereitete eine Legirung, indem ich 8 Kilogr. reines Kupfer und 2 Kilogr. 50 Gr. feines Zinn zusammenschmolz, versicherte mich durch die Analyse des richtigen Gehalts der Legirung und fand sie mit dem mittleren Gehalte der 22 Stüke von türkischen Cymbeln übereinstimmend. Ich goß von derselben drei Paar Cymbeln, deren Form ich nach dem messingenen Modell in Sand gebildet hatte. Diese Cymbeln wurden mittelst einer schlecht centrirten Drehebank geschabt, um ihnen das guillochirte Ansehen der türkischen Cymbeln zu geben; man bemerkte aber beim Drehen derselben, daß die Legirung härter sey als die der türkischen, und sie konnten nur mit vieler Mühe fertig gemacht werden; doch beunruhigte mich dieß Alles noch nicht. Hr. Sarrette, damaliger Director des Conservatoriums, berief die zur Prüfung meiner Cymbeln bestellte Commission am 10. Aug. 1810; meine Cymbeln wurden sorgfältig untersucht und, die äußern Merkmale betreffend, gut gemacht befunden; als sie aber der Cymbelschläger der Oper vibriren und rasch ertönen ließ, wie dieß mit den türkischen Cymbeln gewöhnlich geschieht, ohne daß sie brechen, zerbrach mein erstes Paar beim ersten Schlag in tausend Stüke. Ich war von diesem Unfall sehr bestürzt, zog mich mit den Trümmern zurük und bat um Zeit, das Geschehene in Ueberlegung zu ziehen. Mein erster Gedanke war, daß die von mir dem Gießer übergebene Legirung verwechselt oder verändert worden sey, ich überzeugte mich aber durch eine wiederholte Analyse, daß die Legirung allerdings die gewünschte sey und daß es da nicht fehle. Ich forschte nun hierüber in allen Beziehungen und hielt mich zulezt überzeugt, daß eine Legirung von 80 Kupfer und 20 Zinn in dünne Platten gegossen natürlich spröde seyn müsse wie Glas, und daß die türkischen und indischen Fabrikanten nur durch einen eigenen Handgriff dazu kommen konnten, diese Legirung geschmeidig genug herzustellen, damit ihre Cymbeln und Gong-gongs den Schlägen so gut widerstehen können, welche sie im Orchester aushalten müssen. Dieß stand nun bei mir fest und ich wollte keine Zeit damit verlieren, auf geradewohl einen Handgriff zu suchen, weßhalb ich vorerst die Versuche aufgab. So stunden die Sachen, als ich vom Hrn. Finanzminister beauftragt wurde, eine große Menge am Anfange der Revolution aus Glokengut geschlagener Münzen schmelzen und in Barren gießen zu lassen. Als ich aus der Analyse der erhaltenen Barren ersah, daß diese Legirungen ungefähr dieselben wie die der Cymbeln etc. seyen, drang sich mir sogleich die Frage auf, wie man eine solche Legirung am Prägewerk wohl habe prägen können, und ich hoffte hier durch Zufall den mir fehlenden Handgriff zu finden. Ich ließ die noch vorhandenen alten Münzarbeiter fragen, und erfuhr, daß bei jener Fabrication der Glokensous im Jahre 1793 die von dieser Legirung gegossenen Platten, um ihnen die Sprödigkeit zu benehmen, wieder bis zum Rothglühen erhizt und dann, um sie blank zu machen, unmittelbar in mit Schwefelsäure verseztes Wasser getaucht worden seyen. Ich behandelte nun die Trümmer meiner Cymbeln auf diese Weise und fand sie dann zu meiner Freude nicht nur nicht mehr spröde, sondern in Folge dieser Behandlung geschmeidig genug, um beinahe im rechten Winkel gebogen werden zu können. Ich überzeugte mich, daß die Schwefelsäure hiezu nicht nothwendig sey und daß das kalte Wasser allein hinreiche, um bis zum Dunkelrothglühen erhizte und plözlich hineingetauchte Cymbelstüke geschmeidig zu machen. Ich machte mich nun sogleich wieder an die Fabrication der Cymbeln und hatte bald 60 Paare fertig. Aber nun traten die Ereignisse von 1814 ein; die türkischen Cymbeln waren wieder wohlfeil zu haben, die Regierung legte keinen Werth mehr auf diese Arbeit, und ich gab sie auf. Ueber das Verfahren bei ihrer Fabrication wird das Folgende hinreichenden Aufschluß geben. Kupfer und Zinn müssen rein seyn; es ist besser, sich die Legirung in Vorrath durch eine vorgängige Schmelzung zu bereiten; bei fortgesezter Arbeit jedoch und wenn man recht in der Uebung ist, kann man ganz wahrscheinlich die Legirung auch erst in dem Augenblik machen, wo man sie in die Formen gießen will.46) Die Formen, deren ich mich bediente, waren aus Sand gemacht und gehörig ausgetroknet; doch glaube ich, wäre es besser, sie aus Gußeisen zu machen, wobei die nöthigen Vorsichtsmaßregeln stattfinden müßten, um das Anhängen oder Anschmelzen der Legirung an das Eisen im Augenblik des Gießens zu verhindern; in Betreff der Stellung dieser Formen fand ich es von sehr großem Vortheil, sie horizontal zu legen und die Cymbel am obersten Theil ihrer Erhöhung einzugießen; man bedarf in diesem Falle keiner Presse; man sezt den zweiten Rahmen auf den ersten und beschwert ihn mit 5 Kilogrammgewichten, deren man eines auf jede Eke des Rahmens sezt; den Guß kann man von einer beliebigen Höhe herab machen, indem man auf den Mittelpunkt des Rahmens je nach der Form, welche man dem Gußstrahle geben will, einen hohlen Cylinder von gebrannter Erde oder Gyps und Cement aufsezt, und durch Einreibung und mittelst Eisendrähten auf den oberen Rahmen befestigt, so daß die mittlere Oeffnung des Cylinders zusammentrifft mit jener auf der Oberfläche des Rahmens, welche wieder mit dem obersten Theile der Cymbelerhöhung correspondirt. Die Luftröhren betreffend fand ich es sehr gut, deren zwölf oder fünfzehn horizontal und in Strahlen nach dem Umkreise der Cymbel anzubringen; wenn man ihnen nur 1 Millimeter (1/2 Par. Linie) Durchmesser gibt, so kann bloß die Luft durch sie entweichen und sie verstopfen sich bald durch das geschmolzene Metall während des Gießens. Wenn man die Cymbel aus der Form nimmt, bricht man die kleinen Metallstäbchen, welche die Luftröhren ausfüllten, mit der Hand ab, sägt das überschüssige Metall, welches sich vertical über der Cymbelerhöhung ansezte, ab, bohrt ein kleines, 3 bis 4 Millimeter (1 1/2 Linien) im Durchmesser weites Loch in den Mittelpunkt der Erhöhung, und dann darf die Cymbel abgelöscht werden. Ich hatte, um meine Cymbeln abzulöschen, ohne daß sie brechen oder sich verbiegen, ein Modell oder eine Form angefertigt, durch welche sie bei ihrem Wiedererweichen im Feuer und bei dem Ablöschen ihre Form beibehielten; glaube aber nicht, daß die türkischen Fabrikanten so vorsichtig sind, welche sich damit begnügen dürften, die Cymbeln so gleichförmig als möglich zum Glühen zu bringen, sey es nun in einem Ofen oder auf gut glühender Holzkohle, und sie dann geradezu und schnell in einen Zuber mit Wasser zu werfen; ich aber erhielt meine Cymbeln in der erwähnten Form in der gehörigen Lage, erhizte sie so ohne Gefahr nach und nach bis zum anfangenden Rothglühen und tauchte sie dann sogleich und ohne sie aus der Form zu bringen, in sehr kaltes Wasser. Uebrigens nahm ich das Ablöschen Nachts oder an einem dunkeln Orte vor, um die Erhizung sowohl in Bezug auf Gleichmäßigkeit als auf die Dichte gut reguliren zu können.47) Die wohl abgelöschten Cymbeln waren manchmal verbogen und am Rande etwas verdreht troz dem Schuz der Form; man gab ihnen aber in diesem Falle ihre ursprüngliche Gestalt wieder, indem man sie mit dem Hammer wieder ebnete.48) Es blieb nun nichts mehr übrig, als ihnen die gehörige Ausbauchung zu geben und sie, um ihnen den gewünschten Ton zu ertheilen, einer passenden Hämmerung zu unterwerfen. Der Arbeiter half sich hierin mit als vorzüglich anerkannten türkischen Cymbeln, die er als Modell nahm, sowohl in Bezug auf die Intensität, als auf die Dauer der Schwingungen. Auch gab man nach Anleitung der Professoren des Conservatoriums den beiden Cymbeln eines Paares verschiedene Töne. Die Cymbeln und Gong-gongs, welche, wenn sie aus der Form kommen, einen klaren und hellklingenden Ton mit langen Vibrationen haben, nehmen einen um so tiefern Ton an und vibriren um so kürzere Zeit nach dem Ablöschen, je stärker sie erhizt und in je kälteres Wasser sie getaucht werden. Die Cymbeln und Gong-gongs müssen daher zur gehörigen Zeit abgelöscht werden, um ihnen die gehörige Geschmeidigkeit und Biegsamkeit zu geben, und es ist darauf zu sehen, daß dieses Ablöschen gehörig geschehe, damit der Arbeiter, welcher den Instrumenten den gewünschten Ton zu geben hat, dieses vollführen kann, sowohl ohne sie zu zerbrechen, als indem er sie so wenig als möglich zu hämmern braucht.49) Nun müssen die Cymbeln nur mehr gehörig abgeschabt werden, indem man sie an eine schlecht centrirte Drehebank bringt und ihnen daran das vollkommene Ansehen der türkischen Cymbeln erster Qualität gibt. Wenn ich schon glaube, daß das, was ich hier über die Fabrication der Cymbeln und Gong-gongs mittheilte, genügt, um eine genaue Vorstellung von diesem Industriezweig zu geben, so beziehe ich mich doch noch auf die von mir im Jahr 1833 über die Verfertigung dieser Instrumente in den Anales de Chimie et de Physique, tome IV. p. 331 (polytechnisches Journal Bd. LII. S. 246) mitgetheilte Notiz und erinnere schließlich daran, daß diese Fabrication nach meiner Angabe in der Ecole des Arts et Métiers de Châlons-sur-Marne eingeführt worden ist, während ich zugleich auf die HHrn. Hildebrand und Desch aufmerksam mache, welche sich ebenfalls mit der Verbesserung und Entwikelung dieses Industriezweiges beschäftigen.