Titel: | Ueber Papyrographie; von Hrn. Dr. Penot. |
Fundstelle: | Band 80, Jahrgang 1841, Nr. XXXVIII., S. 149 |
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XXXVIII.
Ueber Papyrographie; von Hrn. Dr. Penot.
Auszug aus einem Berichte desselben im Bulletin de la
Société industrielle de Mulhausen, No. 65., S.
434.
Penot, uͤber Papyrographie.
Der Gegenstand dieses Berichts ist eine Erfindung des Hrn. v. Manne, gegenwärtig Besizer eines Institutes zu Bois d'Ennebourg (Seine-Inférieure).
„Meine Erfindung, sagt Hr. v. Manne in einem
Briefe vom 14. Oktober 1839, besteht:
1) in einer beliebig öftern Vervielfältigung jeder mit der Feder ausgeführten
Arbeit, wie Zeichnungen, Schriften, Musiknoten u.s.w. mittelst einer von mir
erfundenen Tinte; mein Manuscript auf dem Papierblatt vertritt mir den Dienst
der Matrize, von welcher ich nach Belieben gerade oder verkehrte Abdrüke, so wie
auch das Relief oder den vertieften Abdruk nach Wunsch oder Bedarf erhalte;
2) in der Erzeugung von Zink- oder Messingplatten durch Guß über die mit
der Feder auf gewöhnlichem Papier gefertigte Arbeit, ohne sie zu verderben;
dieses Verfahren könnte vortheilhaft an die Stelle des Holzschnittes treten,
weil man nach einer Zeichnung einen Abguß zu typographischen Zweken, oder auch
einen vertieften zu Kupferstichen erhalten kann;
3) darin, daß Blinde in den Stand gesezt werden, Schrift zu lesen, und nicht nur
allein mit sehenden Personen, sondern auch unter sich zu correspondiren, und
zwar durch ihren so feinen und empfindlichen Tastsinn, indem meine metallische
Tinte sehr hervortretende Erhabenheiten bildet. Diese in Beziehung auf Humanität
so glükliche Erfindung verdient die vorzüglichste Beachtung;
4) in einer Methode, mittelst welcher man ohne Lehrer schreiben lernen kann,
indem der Schüler mit Feder und Tinte nur die progressiven Vorzeichnungen zu
überfahren hat.“
Der Berichterstatter würdigt nun diese Angaben, jedoch in einer andern
Reihenfolge.
Schreibmethode (4). Dieser schönen Erfindung gebricht das
Verdienst der Neuheit, wie ein von der Commission vorgelegtes, schon vor 30 Jahren
mit blasser Farbe auf solche Weise gedruktes Papier, dessen sich zu diesem Zwek ein
Lehrer zu Montpellier bediente, beweist. Auch Hefte aus neuerer Zeit von Clerc und Taupier lagen bei.
Nur hat Hr. v. M. seine Vorlegeblätter besser abgestuft, und vermeidet es wohl,
seine Schüler in kleinen Buchstaben schreiben zu lassen, weil, wie er beobachtet
hat, wenn sie in größerer Schrift einmal richtige Züge machen, es ihnen ein Leichtes ist,
die Buchstaben in jedem beliebigen Verhältnisse kleiner zu machen. Nachdem der
Berichterstatter sich über die Vortheile verbreitet hat, welche diese Methode des
Schreibunterrichts in dortigen Feiertagsschulen bewährte, erwähnt er noch als
besondere Eigenthümlichkeit des von Hrn. v. M. gefertigten Papiers, daß dasselbe mit
trokenem Stempel gepreßt ist, und so wohlfeil kömmt, daß das Buch im Detail, je nach
der Qualität, nur 40 bis 60 Centimes kostet. Um den Buchstaben auf diesem Papier
nachzufahren, muß man sich in der Nähe des Fensters bei links einfallendem Lichte
befinden, in welche Stellung in einer zahlreichen Schule nicht alle Kinder gebracht
werden können, welchem Einwurfe aber Hr. v. M. mit der Bemerkung begegnet, daß nur
die ersten Anfänger solchen Papieres bedürfen, deren in einer Schule von 100 Kindern
doch nur 10 bis 12 sind. Der Preis dieses gepreßten Papiers erhöht sich dadurch
wieder auf das Doppelte, daß es nur auf einer Seite zu dem bestimmten Zwek gebraucht
werden kann. Der Erfinder glaubt diesem Fehler durch den Vorschlag abzuhelfen, die
Buchstaben zuerst mit Bleistift, dann mit Blutstein und endlich erst mit Tinte
überfahren zu lassen, womit aber die Commission nicht einverstanden ist, und es
passender findet, wenn die Rükseite dieses Papiers von den größern Schülern noch zum
Rechnen oder zum Aufsezen ihrer Aufgaben angewendet wird.
Lesen und Schreiben der Blinden (3). Auch diese Erfindung
ist nicht neu und die erste Idee zu derselben gehört, wie man glaubt, dem Bruder des
berühmten Mineralogen, dem Lehrer der Kalligraphie, Val. Hauy, an. Er ist es, der zuerst Bücher mit erhabenen Lettern für Blinde
druken ließ, deren noch vorhanden sind. Was Hr. v. M. derselben hinzufügt, ist die
schnelle und wenig kostspielige Bewerkstelligung dieses Drukes.
Vervielfältigung von Schriften, Zeichnungen, Musikalien u.s.w.
auf Papier (1). Diese Erfindung erscheint der Commission eben so neu als
sinnreich. Ein am 6. Jun. 1839 der Société
libre d'émulation zu Rouen darüber erstatteter Bericht bestätigt,
was der Erfinder von ihr sagt.
„Das Verfahren des Hrn. v. M., sagt jener Berichterstatter, ist sehr
leicht. Nachdem er mit seiner Tinte auf gewöhnliches Papier eine Zeichnung,
Schriftzüge oder Musiknoten gezeichnet hat, bewirkt er durch eine geheim
gehaltene Operation, daß die Züge in Relief hervortreten und dabei eine sehr
große Härte annehmen; er befestigt diese Matrize auf eine Metallplatte, legt
unmittelbar darauf das Papierblatt, welches den Abdruk empfangen soll und bedekt
dieses mit einem Stüke Zeug. Mittelst einer gewöhnlichen Presse läßt er das Ganze durch eine
Walze laufen, und die auf der Matrize in Relief befindlichen Züge erscheinen in
dem Abdruk vertieft. Die Commission hat sich überzeugt, daß die Platten des Hrn.
v. M. hart genug sind, um eine beträchtliche Anzahl von Abdrüken zu geben, ohne
zu verderben. Es wurden einige Blätter in der größten Geschwindigkeit in unserer
Gegenwart mit Zeichnungen versehen.“
Diesem Zeugnisse pflichtet die Commission vollkommen bei. Es wurden in einer Drukerei
mit zwei Modellen, oder vielmehr zwei Papierplatten des
Hrn. v. M. Proben angestellt und mit der größten Leichtigkeit trokene Stempelabdrüke
aller Art (s. oben 1) erhalten. Man kann sogar, indem man mehrere Blätter auf die
Matrize legt, eben so viel Abdrüke auf einmal erhalten, was die Drukkosten bei
dieser Methode so unbedeutend macht. Eben so leicht erhält man auch Farbenabdrüke,
jedoch etwas weniger schnell und wohlfeil. Wenn man sich statt, wie hier geschehen,
einer Drukerpresse, einer Walzenpresse, wie bei der Lithographie oder dem
Kupferdruke, bediente, so würde dieß wegen der größeren Kraft noch vorzuziehen seyn.
Jeder einzelne Zug wird bei diesem Verfahren mit der größten Treue wiedergegeben,
und die Abzüge sind alle höchst sauber.
Mit Papier erhaltene Güsse von Metallplatten (2). Dieses
ist der wichtigste Theil der Erfindung des Hrn. v. M. Ein großes Verdienst dieser
Erfindung, welche sehr vieler Anwendungen fähig zu seyn scheint, ist, daß man mit
dieser Zeichnung auf Papier einen eben so guten Abguß darstellen kann, wie mit einem
Holzschnitt, wodurch man Werke, für welche Abbildungen unentbehrlich sind, auf sehr
billige Weise druken kann. Beim Holzschnitt hat man den Zeichner, das Holz und den
Holzschneider zu bezahlen; bei der Papyrographie hat man keine anderen Auslagen als
für die Zeichnung, von welcher man sogleich so viele gravirte Platten und Abgüsse
erhält, als man will, und zwar mit weniger als der Hälfte der Unkosten und mit
derselben Genauigkeit wie bei der Autographie. Die Commission hat solche
Metallplatten, welche nach der Angabe des Hrn. v. M. durch Papiermatrizen
dargestellt wurden (überzeugen konnte sie sich hievon nicht wegen der Abwesenheit
des Erfinders), zu sehen bekommen, und war über dieselben erstaunt. Man sah auf
denselben Vertiefungen und Erhöhungen von 2 bis 3 Millimeter (8/10–1 3/10
Lin.). Auch in Gyps, in Schwefel, in Wachs, selbst in Leim kann man diese
Papiermodelle abdrüken, ohne sie, außer wenn die Operation schlecht gemacht wird, zu
verderben. Nur ist es Schade, daß die Verhältnisse und Mittel des Erfinders ihm
bisher noch nicht gestatteten, sich zur gehörigen Ausführung und befriedigenden Anwendung seiner
Erfindung auf verschiedene Künste und Industriezweige das nothwendige Material und
die Vorrichtungen zu verschaffen.
Die Commission hat beantragt, demselben zur Ermunterung, obgleich die Papyrographie
kein Gegenstand der von der Société
industrielle ausgegangenen Preisaufgaben ist, eine silberne Medaille zu
ertheilen.