Titel: | Urwin's verbessertes Dampfmaschinen-System. |
Fundstelle: | Band 80, Jahrgang 1841, Nr. XVIII., S. 89 |
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XVIII.
Urwin's verbessertes
Dampfmaschinen-System.
Aus dem Mechanics' Magazine. Jan. 1841, S.
82.
Mit Abbildungen auf Tab.
IV.
Urwin's Dampfmaschinen-System.
Seit Watt durch die Erfindung der doppeltwirkenden
Dampfmaschine die Kraft des Dampfes verdoppelt hat, ist gewiß keine dieses mächtige
Agens betreffende Verbesserung an das Tageslicht gekommen, welche so wichtige
Vortheile dargeboten hätte, wie die des Hrn. Urwin. Diese
Verbesserung hat ein ganz neues System zum Vorschein gebracht, welches die
Leistungen der Dampfmaschine beinahe verdoppelt, und dennoch zur Erzielung des
verlangten Effects nur eine geringe Abänderung und einen mit unbedeutenden Kosten
verknüpften Zusaz zu den bestehenden Anordnungen erfordert. Die Vortheile dieser
neuen Verbesserungen beruhen indessen nicht allein auf der Theorie, sondern sie
haben sich an einem auf der Themse gehenden Schleppschiff, Namens Herkules, von
ungefähr 70 Pferdekräften praktisch erprobt. Die Eigenthümer dieses Dampfbootes
versicherten uns, durch Annahme des vorliegenden Systems eine Ersparniß von mehr als
40 Proc. an Brennmaterial erreicht zu haben.
Bei Dampfmaschinen gewöhnlicher Construction wird zur Erzeugung eines jeden
auf- oder niedergehenden Kolbenhubs eine gewisse Quantität Dampfes verwendet,
welcher darauf in die Atmosphäre oder in den Condensator entweicht. Gegenwärtige
Verbesserung dagegen besteht darin, daß man jedes von dem Dampfkessel in den
Cylinder überströmende Dampfvolumen beides, sowohl den auf- als auch
niedergehenden Kolbenhub hervorbringen läßt. Die beigefügten Zeichnungen mögen diese
neue auf eine gewöhnliche doppeltwirkende Condensationsmaschine angewendete Methode
erläutern.
A, Fig. 29, ist der Cylinder
und B der Kolben; C, D sind
die Oeffnungen, durch welche der Dampf oben und unten in den Cylinder tritt, und die
sich nur dadurch von den gewöhnlichen Dampfcanälen unterscheiden, daß der obere
Theil der unteren Oeffnung D in einer Höhe gleich der
Kolbendike plus 3/4 der Breite der Oeffnung von dem
Cylinderboden absteht. E ist der Condensator; F ein Expansionsrecipient, in welchen der untere
Dampfcanal D sich öffnet. G,
G sind zwei durch eine Stopfbüchse dergestalt mit einander in Verbindung
stehende Schiebventile, daß jedem Durchströmen des Dampfes von der einen Seite der
Stopfbüchse nach der anderen vorgebeugt ist. Diese Ventile öffnen und schließen auf
die gewöhnliche Weise abwechselnd die Dampfcanäle C und
D, sind indessen gewissen, unten zu erläuternden
Bedingungen unterworfen. Angenommen nun, der Kolben sey im Begriff herabzusinken, so
tritt der Dampf in Folge des Oeffnens des oberen Schiebventils durch den Canal C aus dem Dampfkessel in den oberen Cylinderraum, und
kann nun ungestört so lange zuströmen, bis die Oberfläche des Kolbens gerade unter
die obere Seite des Dampfcanals D zu liegen kommt.
Sobald dieselbe an diesem Punkte ankommt, schließt sich die obere Dampföffnung C, und sobald der Kolben an der unteren Oeffnung D vorübergeht, wird diese frei, so daß jezt der über dem
Kolben befindliche Dampf in den Expansionsbehälter F
überströmen kann, während ein Theil desselben durch eine von a nach b in den Cylinder gearbeitete Rinne
unter den Kolben strömt (Fig. 30). Dieser Theil
des Dampfes hilft eine unmittelbar rükgängige Bewegung des Kolbens erzeugen. Sobald
die Oberfläche des lezteren an der Dampföffnung D
vorübergegangen ist, öffnet sich durch das Spiel des oberen Schiebventils ein Weg,
durch welchen der in dem oberen Cylinderraum zurükbleibende Dampf in den Condensator
gelangen kann; zugleich aber strömt auch der Dampf, welcher in den Recipienten F entwichen war, in den unteren Cylinderraum unter den
Kolben und vollendet vermöge seines expandirenden Drukes den aufwärts gehenden Hub.
Wenn der Kolben seine höchste Stelle im Cylinder wieder erreicht, so schließt sich
durch das Spiel der Ventile die untere Oeffnung D, und
für den zulezt verwendeten Theil Dampfes öffnet sich ein Weg in den Condensator,
während gleichzeitig sich die obere Dampföffnung C
öffnet, um eine neue Quantität Dampfes in den oberen Raum des Cylinders einzulassen,
worauf das so eben beschriebene Spiel sich wiederholt. Und so arbeitet die Maschine
stetig und ununterbrochen so lange fort, als Dampf aus dem Kessel zuströmt.
Um die Maschine mit dem größtmöglichen Nuzeffect arbeiten zu lassen, sollte der
Recipient F einen wenigstens um die Hälfte größeren
Rauminhalt besizen, als der Cylinder; wo es indessen auf Raumersparniß nicht
ankommt, da dürfte es vortheilhaft seyn, ihn sogar dreimal so weit zu machen. Wo
zwei Maschinen in Anwendung kommen, wie bei Dampfschiffen, da müssen die beiden
Recipienten mit einander in Verbindung stehen. Die verticale Rinne g, welche den Dampf unter den Kolben leitet, dürfte etwa
1/3 der Dampföffnung D zum Querschnitt haben. Die
Schiebventile müssen so gerichtet seyn, daß das obere Ventil so viel der Kurbel
voraneilt, daß der obere Dampfcanal C gleichzeitig sich
schließt, während der untere D sich öffnet; deßwegen
sollte der Obertheil des oberen Schiebers bei Bestimmung der Länge der
Schieberstange ungefähr um 1/5 der Breite des Dampfcanals C über
dem lezteren liegen. Die Oberseite des oberen Schiebers muß ferner breit genug seyn,
um jede Communication mit dem Condensator so lange abzusperren, bis die obere
Kolbenfläche bei seinem aufwärts gehenden Rükhub an dem unteren Dampfwege D vorübergegangen ist.
Zur Bestimmung dieser Breite dienen folgende Regeln. Man mache die Oberseite des
oberen Schiebers immer um 3/4 breiter als den oberen Dampfcanal; darauf nehme man
einen Halbmesser gleich der Hälfte des Kolbenhubs und beschreibe mit demselben einen
Kreis Fig.
31. Diesen Kreis theile man in 7 gleiche Theile, ziehe durch einen derselben
eine Sehne, halbire dieselbe und errichte auf dem Halbirungspunkte die Senkrechte
oder den Durchmesser A, C. Angenommen nun, a, a stelle den Raum vor, welchen die Kurbel in
derselben Zeit durchläuft, in der sich der Kolben von B
bis C hin- und zurükbewegt, so wird die dem
Schieber zugegebene Extrabreite dem Raume entsprechen, welchen der Kolben in
derselben Zeit zurükzulegen hat. Demzufolge läßt sich der nach der Weite der
Dampfcanäle sich richtende Spielraum der Schieber leicht finden. Man muß darauf
sehen, daß die Breite des mittleren Stegs des unteren Dampfwegs D zu dem besonderen Raume, welchen der Schieber
zurükzulegen hat, im Verhältnisse stehe. Der Recipient F
muß ferner mittelst eines Sperrhahns mit der Dampfbüchse in Verbindung stehen, damit
man, ehe die Maschine in Gang gesezt wird, wenn sich der Kolben zufällig am Boden
des Cylinders befinden sollte, Dampf in den Recipienten einströmen lassen könne.
Dieser Dampf findet sodann durch die Rinne g seinen Weg
unter den Kolben und drängt ihn in die Höhe. Anstatt eine Rinne g in den Cylinder zu schneiden, kann man auch eine
Oeffnung von gleichem Flächeninhalt in dem Kolben selbst anbringen und mit einem
Ventil versehen, um dieselbe frei zu machen und zu verschließen. Dieses Ventil müßte
mit derselben Bewegung, welche den unteren Dampfcanal D
öffnet und schließt, in Verbindung stehen.
Anstatt den Kolben abwärts an dem Dampfcanal D
vorübergehen zu lassen, kann auch die Anordnung so getroffen seyn, daß, sobald er
diese Stelle erreicht, eine oder mehrere Oeffnungen entstehen, um dem über dem
Kolben befindlichen Dampf einen Weg unter denselben zu verschaffen; in diesem Falle
braucht der Dampfcanal im Cylinder nicht höher als gewöhnlich zu liegen. Endlich
müssen am Boden des Cylinders und des Recipienten Sperrhähne angebracht seyn, um das
verdichtete Wasser, welches sich in ihnen etwa angesammelt haben möchte,
wegzuschaffen, ehe die Maschine in Thätigkeit gesezt wird.