Titel: | Rangeley's sich drehende Sicherheit-Eisenbahn. |
Fundstelle: | Band 79, Jahrgang 1841, Nr. LXV., S. 330 |
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LXV.
Rangeley's sich drehende
Sicherheit-Eisenbahn.
Aus dem Civil-Engineer and Architects' Journal.
Nov. 1840, S. 372.
Mit Abbildungen auf Tab.
V.
Rangeley's sich drehende Sicherheits-Eisenbahn.
Die hier folgende Beschreibung dieser Eisenbahn ist nur ein kurzer Auszug einer
Abhandlung, welche der British Association über das neue
System von Eisenbahnen vorgetragen wurde.
Fig. 27 ist
eine Seitenansicht einer Reihe von Rollen mit den Seilen und Rädern; sie zeigt auch
einen Theil eines auf den Rädern laufenden Wagens.
Fig. 28 ist
eine Endansicht davon.
Fig. 29
innere Seite der Gepäkkiste.
Fig. 30 obere
Ansicht der Räderreihe, der Rollen und Seile, der Träger und Lager in zwei
parallelen Reihen.
Fig. 31 eine
Ansicht (von der Unterseite) von einem Ende der Gepäkkiste; man sieht darauf ein
Paar der Leitrollen und den Untertheil einer Bremse.
Dieses System besteht in der Anwendung von Rädern, die in zwei parallelen Reihen
längs der beabsichtigten Bahn angebracht sind; sie sind von mäßiger Größe und ihre
Entfernung von der Mitte eines Rades bis zur Mitte des nächstfolgenden in der
Längenrichtung der Bahn darf nicht zu groß seyn. Sie werden Tragräder genannt und
sind mit einer
Doppelrolle aus einem Stüke gegossen oder sonst auf eine Art fest verbunden und auf
einer gemeinschaftlichen Achse angebracht; in der Zeichnung sind sie mit d und e bezeichnet. Die
Achsen dieser Tragräder und Rollen drehen sich in Lagern c,
c, welche auf gußeisernen Schienen oder Tragrahmen b befestigt sind, die zu 12 Fuß Länge angenommen wurden und auf drei
liegenden hölzernen Balken befestigt sind; wie sie miteinander verbunden sind, zeigt
Fig. 30.
Um diese eisernen Träger nicht zu sehr über den Boden erheben zu müssen, wären
Kammern von Mauerwerk oder Gußeisen nöthig, welche die Tragräder in den Stand sezen,
sich frei und ohne Hinderniß umzudrehen.
Ueber jede Rolle ist ein Seil geschlagen und mit dem Seil der nächsten Rolle
verbunden, so daß alle Räder auf einer Seite der Bahn (oder wenigstens immer eine
große Anzahl derselben) durch ein Seil ohne Ende verbunden sind, und so alle zu
gleicher Zeit in einer oder der andern Richtung bewegt werden können.
Nachdem die allgemeine Einrichtung nun so weit beschrieben ist, soll die Art der
Wirkung erklärt werden: eine Dampfmaschine, ein Wasserrad, oder irgend eine andere
Triebkraft sey mit den Rollen an jedem Ende einer solchen Reihe von Rädern verbunden
und theile ihnen Bewegung mit, so würde diese in kurzer Zeit allen übrigen Rädern
mitgetheilt werden; da sich nun jedes Rad in derselben Richtung dreht, so ist klar,
daß ein auf die obere Peripherie dieser Räder gelegter Körper, wenn er die Richtung
derselben nicht verlassen kann, in kurzer Zeit von einem Ende bis zum andern
fortgetrieben würde, und zwar in längerer oder kürzerer Zeit, je geringer oder
größer die Umfangsgeschwindigkeit dieser Räder ist.
In Fig. 27 und
28 wird
man bemerken, daß der Wagen selbst keine Räder hat, sondern eine Art von Schlitten
vorstellt; auf der untern Seite seines Tragrahmens sind eiserne Schienen angebracht,
um die schnelle Abnüzung zu Verhindern, welche wegen der Reibung der Räder beim
Fortschaffen des Wagens stattfindet.
Die Sicherheit dieser neuen Transportart ist eine Folge des beträchtlichen Theiles
des Wagens, welcher zwischen den Rädern herabhängt und eine Kiste k zur Aufbewahrung des Gepäkes bildet, und die stetige
Bewegung des Wagens hängt zum großen Theil von der Ladung ab, welche hineingepakt
wird.
Um die seitliche Reibung an den Rädern auf den Trägern zu vermeiden, sind an jedem
Ende der Gepäkkisten Reibungsrollen m, m angebracht,
welche zu gleicher Zeit verhindern, daß der Wagen fein Geleise verlassen kann, und
ihm seine Führung an den Stellen, wo die Bahn im Bogen geführt ist, geben.
Eine Bremse ist an jedem Ende des Wagens angebracht, wie in Fig. 27 und 28 zu sehen
ist, um den Gang zu mäßigen oder den Wagen zu hemmen; diese Wirkung wird
hervorgebracht, indem man mittelst der Schraube t, die
um einen festen Punkt sich schwingenden Hebel v, v
niederdrükt, welche ihrerseits wieder auf Winkelhebel u,
u wirken, die dadurch an die Seitenflächen der eisernen Träger angedrükt
werben und so eine Reibung erzeugen, welche die Beschleunigung der Bewegung hindert,
oder die Bewegung ganz aufhebt.
Bemerkungen über dieses Eisenbahnsystem.
Es ist wohl kein Zweifel, daß dieses Project nie in größerem Maaßstabe zur Ausführung
kommen wird; gegen seine Ausführung im Großen lassen sich eine Menge Gründe
anführen, die jedem Techniker bei dem ersten Blik in die Zeichnung dieses Systems
einleuchten werden. Der erste und wichtigste Grund möchten wohl die Kosten seyn,
welche für Anlage und Erhaltung dieser Bahn erforderlich wären und die, wie sich
leicht nachweisen läßt, mindestens das Dreifache einer gewöhnlichen Bahn betragen
müssen. Die Erdarbeiten bleiben dieselben, auch muß dieselbe Sorgfalt beim Legen der
Schienen beobachtet werden; dazu kommt nun aber, daß hier eine vierfache Reihe von
Schienen erforderlich ist, die zwar von Gußeisen und vielleicht etwas schwächer als
die gewöhnlichen hergestellt werden können, aber dennoch der doppelten Länge wegen
theurer kommen werden Ferner sind nach den Erklärungen des Hrn. Hawkins in der British
Association für die englische Meile 1760 Tragräder, folglich eben so viele
Achsen und Doppelrollen, also auch eben so viele gemauerte Kammern und doppelt so
viele Achsenlager nöthig. Diese Achsen und Räder dürfen aber keineswegs
oberflächlich gearbeitet seyn, sondern die Räder müssen genau centrirt und die
Achsen sorgfältig abgedreht seyn, damit die Reibung so gering als möglich werde und
die Achsen nur sehr wenig Spielraum erhalten. Für jede englische Meile würde ferner
wenigstens Eine stehende Dampfmaschine erforderlich seyn. Um eine 1 engl. Meile
lange Reihe von Rädern mit einer Peripheriegeschwindigkeit von 30 engl. Meilen in
der Stunde zu bewegen, sollen nach angeblich gemachten Versuchen 17 Pferdekräfte
erforderlich seyn; so wie für die Bewegung je eines Wagens mit 40 Personen zu 100
Cntr. mit Einschluß der Ladung gerechnet, auf horizontaler Bahn zwei Pferdekräfte
weiter nöthig seyn sollen. Es würde also ein Train von nur 5 Wagen Dampfmaschinen
von 27 Pferdekräften erfordern, welche gewiß bei einer längern Streke, die eine
größere Anzahl von
Maschinen nöthig machte, ebenfalls das dreifache Brennmaterial von einer Locomotive
erfordern würden.
Die größte Schwierigkeit, ja Unmöglichkeit der Ausführung liegt aber in der
Fortpflanzung der Bewegung durch Seile auf so große Entfernungen und auf eine solche
Zahl von Rädern. Es ist bekannt, auf welche Schwierigkeiten man stößt, wenn man bei
einer Spinnmaschine nur 80 bis 1(10 leichter Spindeln durch eine Schnur bewegen
will. Die Erfahrung und genau angestellte Versuche bei den Spindelbänken der
Baumwollenspinnereien haben gezeigt, daß die Spindeln derselben, obwohl sie nur eine
höchst unbedeutende Kraft zu ihrer Drehung bedürfen, in der Minute 10 bis 12
Umdrehungen weniger machen, als sie vermöge der Geschwindigkeit ihrer Hauptachse und
dem Verhältnisse ihrer Treibrollen machen sollten, und daß jede von ihnen eine etwas
andere Geschwindigkeit annimmt; die Ursache davon liegt in einem zeitweisen Gleiten
der Schnüre, welches unter allen Umständen stattfindet, am häufigsten aber in
Fällen, wo der Widerstand der zu bewegenden Achse sehr ungleichförmig ist, wie es
gerade in dem fraglichen Falle stattfindet. Jedes Rad wird hier Plözlich und nur auf
sehr kurze Zeit mit einer Last von ungefähr 12 Cntrn. gedrükt; die nothwendige Folge
davon ist ein kurzes unausbleibliches Gleiten des Seiles und folglich eine weit
geringere Peripheriegeschwindigkeit des immer zuerst in Berührung kommenden Rades;
diese Geschwindigkeit wird zwar gleich wieder zunehmen, kann aber, so lange der
Wagen mit dem Rade in Berührung ist, noch nicht so groß geworden seyn, als die der
leer laufenden Räder. Jedes der mit dem Wagen in Berührung stehenden Räder wird in
Folge dessen eine etwas andere Peripheriegeschwindigkeit annehmen und einige werden
zeitweise selbst ganz stille stehen; dadurch wird notwendigerweise eine bedeutende
Reibung an dem Umfang der Räder stattfinden, die Geschwindigkeit des Wagens wird
selbst oft größer als die der Räder seyn und leztere werden dann als Bremsen wirken;
in Folge dieser Reibung muß die zum Bewegen der Räder nöthige Kraft bedeutend
gesteigert werden und die wirkliche Geschwindigkeit des Wagens weit hinter der
erwarteten zurükbleiben. Welche Schwierigkeiten und Kosten würde es ferner
verursachen, diese 3520 Achsenlager per engl. Meile
immer in Schmiere zu erhalten und 1760 Kammern stets von Unrath zu reinigen, der
durch das Wehen des Windes hineingeführt würde! Was würde im Winter das Einfrieren
aller dieser Achsen hindern, wodurch sollte der Schnee zwischen den Rädern und aus
den Kammern schnell entfernt werden?
Wir wollen hier von der Abnüzung des langen Seiles, welches beständig der Witterung
ausgesezt ist und von noch vielen andern Hindernissen gar nicht reden, weil das oben Gesagte als
hinreichend erscheinen wird, die Unmöglichkeit einer Ausführung dieses Systems im
Großen, mit der Aussicht auf einen Vortheil, zu zeigen.
S.