Titel: | Compendiöse Dampfschiffmaschinen auf dem Clyde. Mitgetheilt von Dr. Mohr in Coblenz. |
Autor: | Dr. Karl Friedrich Mohr [GND] |
Fundstelle: | Band 79, Jahrgang 1841, Nr. L., S. 241 |
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L.
Compendioͤse Dampfschiffmaschinen auf dem
Clyde. Mitgetheilt von Dr. Mohr
in Coblenz.
Mit einer Abbildung auf Tab. IV.
Compendioͤse Dampfschiffmaschinen.
Die Dampfmaschinenbaukunst ist auf dem höchsten Grade der Vollkommenheit in England
und Schottland sowohl in Betreff der mechanischen Ausführung der Maschinen, als auch
wegen der höchst sinnreichen Combination. Alle englischen Dampfschiffe besizen
Maschinen von niederm Druk. Das Publicum ist für diese Einrichtung günstig gestimmt
und sie bietet auch den theoretischen Vortheil dar, daß bei der niedrigen Hebung des
Condensationswassers aus dem Vacuum eine größere Kraft entspringt, als diese Hebung
des Condensationswassers in Anspruch nimmt. Selbst wenn die Maschine mit Hochdruk
arbeitete, würde Condensation einen wesentlichen Vortheil gewähren, und in der That
gibt es auch an andern Orten Hochdrukdampfmaschinen mit Condensation.
Alle größeren Dampfschiffe in England haben zwei Maschinen an eine Welle angreifend,
und zwar nach der gewöhnlichen Construction. Die Cylinder stehen senkrecht, die
Kolbenstange hat ein Kreuset (bogenförmiges Querhaupt), von dem auf jeder Seite eine
Stange herab an den Balancier geht; dieses liegt auf beiden Seiten der Maschine im
Boden, ist durch eine Querstange und Bläuelstange mit der Kurbel verbunden. Diese
Normalconstruction befindet sich auf den großen transatlantischen Dampfbooten, und
jenen nicht viel kleinern zwischen Glasgow und Liverpool, Edinburgh und London.
Eine höchst sinnreiche Construction um Räumlichkeit und Maschinentheile zu ersparen,
bemerkte ich auf den kleinern Booten auf dem Clyde. Dieselben haben meistens nur
eine Maschine, und die todten Punkte der Kurbel werden durch das Moment des Schiffes
überwunden, obschon eine Ungleichheit im Radumgang immer bemerkbar bleibt.
Der Cylinder steht senkrecht unter der Radwelle, und da diese nicht weit über
demselben liegt, so mußte ein eigener Mechanismus gebraucht werden, um die gerade
Lenkung des Pistons mit der Belegung der Kurbel zu vermitteln. Derselbe ist in Fig. 76 so
deutlich dargestellt, als es eine flüchtige Skizzirung auf der Tour von Glasgow nach
Dumbarton erlaubte. Die Kolbenstange trägt, fest mittelst Keilen, ein bogenförmig
gebildetes Kreuset a, an dessen Enden zwei eiserne
Stangen b, b befestigt sind, die oben durch ein
unbewegliches Zwischenstük vereinigt sind. Dieses Zwischenstük hat seitlich zwei
rundgedrehte Stellen, auf denen sich die Bläuelstange c
oben mit einer Gabel bewegt. Die äußersten Enden gedachten Querstükes sind flach,
und laufen mit überragenden Lappen in den Coulissen d,
d, wodurch die senkrechte Bewegung des ganzen festen Systems bedingt wird. Die
aus dem Punkte e abwärts geführte Kurbelstange greift in
die einzige Kurbel ein und bringt diese zum Umwälzen. Indem nun die Warze der Kurbel
f in der Richtung des Pfeiles um die Radachse g kreist, bleibt sie beständig ganz nahe an dem Kreuset
a, wie dieß aus dem gemeinschaftlichen Ursprunge in
dem Punkte e ersichtlich ist, und beschreibt, bezüglich
auf das Kreuset a, beständig ein kleines Stük des
punktirten Kreises m, n; bezüglich auf jeden festen
Punkt aber einen Kreis um die Radachse g. Diese
eigenthümliche Bewegung der Kurbelwarze in der auf- und absteigenden
Kreislinie m, n wird begreiflich, wenn man bedenkt, daß
das bogenförmige Querstük a selbst beweglich ist, und
daß die Kurbelwarze selbst, in jedem Punkte ihrer kreisförmigen Bahn, immer gleich
weit von dem Querstüke a entfernt bleiben muß, weil
beide den gemeinschaftlichen Mittelpunkt e haben. Der
Vortheil dieser Construction liegt also darin, daß sich die Kurbelstange c innerhalb der beiden Fortpflanzungsstangen b, b bewegt, also auf beide mit gleichem symmetrischem
Widerstande wirkt, dann daß die Bewegung der Kolbenstange einen sehr kleinen Raum in
Anspruch nimmt, weil sie mit ihrem Kreuset scharf in die Kurbel hineintritt, und
also sogar den leeren Zwischenraum der Kurbel benuzt. Die Lager der Radachse sind in
dem Gerüste der Coulissen angebracht, und nach Unten auf dem gleichen Postamente mit
dem Cylinder befestigt. Der Maschinist steht bei diesen Maschinen auf dem Verdek und
vollführt die Befehle des Capitäns durch Drehen eines Griffes, der einen Zeiger auf
einer horizontalen Scheibe bewegt, worauf die Worte Vorwärts, Rükwärts, Anhalten
stehen. Jeder Passagier könnte hier den Maschinisten remplaciren.
Auf der Themse haben in lezter Zeit die Dampfboote von Ditchburn mit Maschinen von Penn in Greenwich
vielen Beifall gefunden. Eine kurze Notiz ist bereits in diesem Journale von
denselben gegeben worden. In ihnen ist das Princip der oscillirenden Cylinder wieder
aufgenommen. Wenn man zuerst eine solche Maschine betrachtet, so scheint es, als
wenn sie mit drei ganz gleichen Cylindern und drei Kurbeln arbeite; allein bei
genauerer Betrachtung findet man, daß der mittlere Cylinder die gemeinschaftliche
Luftpumpe ist, und daß seine Kurbel, statt zu treiben, getrieben wird. Die Cylinder
stehen gerade,
senkrecht unter der Radwelle, oscilliren um die Admissionsröhre des Dampfes, und
ihre Kolbenstangen greifen unmittelbar an den Kurbeln an. Diese Boote haben einen
ungemeinen Schnellgang und legen im ruhigen Wasser 15–16 engl. Meilen in der
Stunde zurük, gehen also halb so geschwind als eine gute Locomotive. Das schnellste
jezt fahrende Boot heißt Father Thames und geht zwischen Gravesend und London; es
fliegt wie ein Pfeil vorüber.