Titel: | Weitere Versuche über die Elektricität des Wasserdampfes; von Hrn. L. Pattinson. |
Fundstelle: | Band 79, Jahrgang 1841, Nr. XLIV., S. 206 |
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XLIV.
Weitere Versuche uͤber die
Elektricitaͤt des Wasserdampfes; von Hrn. L. Pattinson.
Schreiben an die Herausgeber des Philisophical Magazine,
Decemberheft 1840, S. 457.
Mit Abbildungen auf Tab.
III.
Pattinson, uͤber die Elektricitaͤt des
Wasserdampfes.
Seit meinem lezten Schreiben vom 19. Nov. (S. 25 im 1sten Januarheft des polytechn.
Journals) in Betreff der Elektricität des aus zwei Dampfkesseln bei den Kohlengruben
in Cramlington austretenden Dampfes, wurde dieser Gegenstand von mir und Anderen
weiter verfolgt, wobei man aus dem Dampfe verschiedener Kessel, nach jeder Richtung,
Funken erhielt. Das Verfahren war im Allgemeinen das schon früher beschriebene; man
ließ nämlich den Dampf durch das Sicherheitsventil des Dampfkessels entweichen, und
prüfte seine
Elektricität, indem man auf dem Isolirschämel stehend eine Schaufel oder einen
Eisenstab hineinhielt. Manchmal waren die Anzeichen nur sehr schwach, und oft zeigte
sich kaum eine Spur von Elektricität in dem Dampfe; in diesen Fällen waren aber die
Versuche gewöhnlich unter ungünstigen Umständen angestellt worden und aus allem
bisher Geschehenen geht mit Sicherheit die Annahme hervor, daß der Dampf immer mehr
oder weniger elektrisch ist. Doch ist er, wie ich sogleich zeigen werde, nicht immer
unter demselben Druke gleich stark elektrisch.
Hr. Armstrong war der erste, welcher Versuche mit einem
Locomotiv-Dampfkessel (von der
Newcastle-North-Shields-Eisenbahn) anstellte, womit er sehr
auffallende Resultate erhielt. Die Directoren der
Newcastle-Carlisle-Eisenbahn gestatteten mir mit den Kesseln ihrer
Locomotiven zu experimentiren, und ich will nun die Resultate dieser Versuche
mittheilen, bei deren Ausführung mir, wie früher, Hr. Henry Smith und Hr. Anton Hall, der
Maschineningenieur dieser Eisenbahn, behülflich waren.
1) Es wurde ein 1/2 Zoll diker und 5 Fuß langer, der Leich tigkeit wegen hohler
Kupferstab angeschafft; an dessen einem Ende befand sich eine Kugel von 2 Zoll
Durchmesser, an dem anderen rechtwinklich umgebogenen Ende aber zehn oder zwölf
scharf zugespizte Drähte, die sich, um die Elektricität des Dampfes vollkommener auf
zusammeln, nach allen Richtungen ausbreiteten. (Fig. 16.)
2) Die Locomotive „Wellington“ wurde unmittelbar nach ihrer
Ankunft (mit Passagieren) auf der Station zu einem Versuch benuzt. Der Dampf blies
gerade gewaltig aus dem Sicherheitsventile, bei einem Druke von 52 Pfd. auf den
Zoll. Als man den Conductor mit seinen abwärts gekehrten Spizen in diesen Dampfstrom
hielt, wobei das denselben haltende Individuum auf dem Isolirschämel stand, sprangen
3 bis 4 Zoll lange Funken von dieser Person zu dem Dampfkessel über. Wenn man das
Ventil eine oder zwei Minuten niederdrükte und dann plözlich aufhob, so daß eine
große Menge Dampfes rasch entweichen konnte, waren die Funken am größten. Bei diesem
Verfahren waren die Funken oft 4 Zoll lang und belästigten die Person auf dem
Schämel sehr, auch wenn sie von einer in ihrer Hand gehaltenen Messingkugel gegeben
wurden. Sehr groß waren die Funken, wenn die Spizen des Conductors ungefähr 2 Fuß
hoch über das Ventil, noch größer aber, wenn sie viel höher gehalten wurden; und es
wurden in der That auch Funken erhalten, wenn der Conductor ganz außerhalb der
Dampfwolke eine Streke davon entfernt gehalten wurde, denn die Luft in der Holzhütte, worin wir
operirten, war bald durchaus elektrisch geworden. Die Elektricität war positiv.
3) Der Dampf im Kessel wurde nun nach und nach ausgelassen, um zu sehen, wie sich der
elektrische Zustand mit dem Druk ändert. Bei 40 Pfd. auf den Zoll nahmen die Funken
sehr ab; der größte maß keine 3 Zoll mehr. Bei 39 Pfd. erreichte der größte nicht
mehr 2 Zoll; bei 20 Pfd. war er nur 1 Zoll lang; bei 10 Pst. nicht mehr als von 1/4
bis zu 1/2 Zoll lang; und bei 5 Pfd. auf den Zoll Druk war der Funke kaum mehr
sichtbar. Wenn man aber das Ventil bei irgend einem Druk einige Minuten
niederdrükte, so daß der Dampf sich ansammeln mußte und es dann plözlich wie der
öffnete, so nahmen die elektrischen Erscheinungen für einen Augenblik immer wieder
bedeutend zu.
4) Ein anderer Dampfkessel von der Locomotive „Bliz“, welche
ebenfalls gerade von einer Fahrt kam, und den Dampf bei einem Druk von 50 Pfd. auf
den Zoll heftig ausblies, diente jezt zu denselben Versuchen, wie vorher der
„Wellington“. Als man den mit Spizen versehenen Conductor
in den Dampf hielt, sowohl wenn dieser regelmäßig aus dem Ventil blies, als wenn er
beim plözlichen Oeffnen desselben mit großer Heftigkeit ausgestoßen wurde, gab er
keinen über 1/4 Zoll langen Funken. Wir bliesen hierauf einen Theil des Wassers aus
dem Dampfkessel des „Blitzes“, bis es nur mehr die inneren
Röhren bedekte, und als nachher der bei 50 Pfd. Druk auf den Zoll entweichende Dampf
geprüft wurde, fand man den Funken auf beinahe 2 Zoll in der Länge angewachsen. Doch
war der Dampf des „Blitzes“ viel weniger elektrisch als der des
„Wellington“ beim gleichen Druk, unter allen bei unseren
Versuchen obwaltenden Umständen.
5) Der starke Strom von Dampf und Wasser, der aus dem Dampfkessel des
„Blitzes“ trat, als man das Wasser, wie wir so eben
erzählt, ausblies, ward auf Elektricität geprüft; es konnten aber keine. Anzeichen
derselben wahrgenommen werden.
6) Ein sehr großer Conductor von 2 Zoll im Durchmesser haltenden Zinkröhren wurde
folgendermaßen angefertigt: man machte aus dieser Röhre drei Ringe, von 3 Fuß, 2 Fuß
und 1 Fuß Durchmesser. Diese Ringe wurden durch Seitenstüke in einer Entfernung von
anderthalb Fuß so mit einander verbunden, daß sie ein Stük eines hohlen Kegels
bildeten, der 3 Fuß hoch war, an einem Ende 3 und am anderen 1 Fuß Durchmesser
hatte. Die Innenseite dieses Kegels wurde kreuzweise mit Kupferdraht überspannt und
das Ganze mit zugespizten Drahtborsten nach jeder Richtung versehen. (Fig. 17.)
Mittelst einer langen Eisenstange, die aufrecht in einen Harzkübel gestekt war (sowohl um sie zu
isoliren, als um ihr als Fuß zu dienen) und eines aus derselben hervorgehenden
horizontalen Armes, welcher an der verticalen Stange auf und ab zu schieben war,
konnte der große Conductor in jeden Theil der aus dem Sicherheitsventile tretenden
Dampfwolke gebracht, und die abgegebene Elektricität von ihm aus nach jeder Richtung
geführt werden. Man hatte zur Vorsicht alle Theile dieses Conductors abgerundet, um
scharfe Spizen und Eken so viel als möglich zu vermeiden. Als mit diesem Conductor
in dem Dampfstrome des „Wellington“ Versuche angestellt wurden,
fanden wir uns getäuscht, indem er keine längeren Funken warf, als der kleine
zugespizte Kupferstab, mit welchem wir vorher experimentirt hatten. Der Funke war
dem Volum nach größer, besaß aber keine größere Intensität. Er durchzukte nie mehr
als einen Raum von 3 Zoll, seine Wirkung aber auf die ihn empfangende Person war
sehr heftig und schmerzend. Wir hatten die Absicht zu bestimmen, wie stark große
Flaschen vom Dampfe geladen werden können, um einen Begriff von der Menge der
abgegebenen Elektricität zu erhalten; aber der Abend war sehr nebelig und die Luft
so feucht, daß keine hinlängliche Isolirung bewerkstelligt werden konnte, und wir
mußten daher diesen Versuch aufgeben.
7) Als man den großen Conductor mit seinem unteren Ende oder der Spize 2 Fuß hoch
über dem Ventil in die Dampfwolke hielt, bekam man zahlreiche und starke Funken;
wenn man aber zu gleicher Zeit die Spizen des kleinen Conductors von einer mit dem
Boden communicirenden Person 1 Fuß hoch über dem Ventil unter dem großen Conductor
in den Dampf halten ließ, war die von dem großen Conductor abgegebene Elektricität
bei weitem geringer.
8) Die ganze Maschine (der Wellington) wurde nun mittelst Winden von den Schienen
abgehoben und auf Blöke von ausgetroknetem Holze gestellt, um sie vollkommen zu
isoliren. Als man jezt den Dampf beim Ventil ausließ, wurde der Kessel und die
Maschine stark negativ elektrisch, indem auf irgend einen Theil der Maschine
gebrachte Spizen den der negativen Elektricität eigenthümlichen Stern gaben und an
der Maschine hängende Fäden durch (elektrisch) erregtes Siegellak zurükgestoßen
wurden. Der Dampf wurde zu gleicher Zeit stark positiv, und wenn eine mit dem
Conductor in Verbindung stehende, in den Dampf gehaltene Spize, einer an dem
isolirten Kessel befestigten Spize genähert wurde, so waren der auf dem ersten
erscheinende Büschel und der Stern auf dem lezten ganz über einstimmend mit dem
elektrischen Zustande eines jeden.
9) Ich wiederholte Volta's Versuch, indem ich eine
glühende Kohle auf den Dekel eines Goldblatt-Elektrometers legte und einige
Tropfen Wasser
darauf sprizte, wobei die Blättchen mit negativer Elektricität stark divergirten.
Ich bemerkte, daß wenn die Kohle sehr heiß und daher die Dampfentwikelung sehr
heftig war, auch jedesmal die freigewordene Elektricität sehr stark war.
10) Hierauf isolirte ich eine eiserne Pfanne von 12 Zoll Durchmesser und 2 Zoll
Tiefe, und befestigte an derselben einen Harzkügelchen-Elektrometer, dessen
Kügelchen 3/8 Zoll im Durchmesser hatten und dessen Fäden 5 Zoll lang waren; ferner
befestigte ich einen Metalldraht an der Pfanne, dessen zugespiztes Ende 1/20 Zoll
von der Spize eines anderen, mit dem Boden communicirenden Drahtes entfernt war. Die
eiserne Pfanne wurde dann mit sehr heißen, aus einem Windofen kommenden Kohlen
gefüllt, und als einige Unzen Wasser auf diese gegossen wurden, entwikelte sich ein
sehr starker Dampf; in demselben Augenblike divergirten die Harzkügelchen um 1 Zoll,
und es sprangen Funken zwischen den Metalldrähten über. Dieser Versuch wurde
einigemal wiederholt.
Diese Versuche sezen uns, wie ich glaube, in den Stand, die elektrischen
Erscheinungen des Dampfes vollkommen zu erklären. Es waltet kein Zweifel ob, daß der
von Dr.
Faraday in seiner Anmerkung zu Hrn. Armstrong's Abhandlung in Ihrem lezten Heft ausgesprochenen Vermuthung
gemäß „diese Elektricitäts-Entwikelung durch Verdampfung dieselbe
ist, welche den Naturforschern in einem geringeren Grade schon bekannt
ist.“ Die Elektricität scheint in dem Augenblik der Verdampfung
erzeugt zu werden, und der Dampf, welcher sich innerhalb des Kessels sammelt, wird
positiv elektrisch, während das Wasser und der metallene Kessel zu gleicher Zeit
negativ elektrisch werden. In diesem Zustand sind beide Elektricitäten latent, wie
die Elektricitäten der beiden Platten eines erregten Elektrophors; aber in dem
Augenblik, wo der Dampf entweichen kann, wird seine positive Elektricität, welche
mit ihm fortgeht und dem Einflusse der äquivalenten Menge negativer Elektricität im
Kessel entrükt wird, frei, und deßwegen ist der Dampf positiv elektrisch. Derselbe
Fall ist es mit dem Kessel, in welchem, sobald der Dampf entweicht, negative
Elektricität frei wird, was, wenn man den Kessel isolirt, augenscheinlich wird.
Wenn stark mit Wasser gemischter oder sogenannter nasser Dampf einem Kessel
entströmt, so kann dieser offenbar nicht stark elektrisch seyn, indem das negative
Wasser den positiven Dampf zu neutralisiren strebt, und dieß mag vielleicht zum
Theil der Grund seyn, warum die Wirkung verstärkt wurde, als man das Wasser im
Kessel der Locomotive „Blitz“ sinken machte, so wie auch der
Verstärkung der
Intensität bei jedem Dampfkessel, welche man beobachtet, so oft das Ventil gewaltsam
niedergehalten und plözlich wieder geöffnet wird; doch scheint dieß den Wechsel und
die Verschiedenheit der Intensität bei verschiedenen Kesseln und gleichem Druk noch
nicht hinreichend zu erklären. Es ist daher
wahrscheinlich, daß eine chemische Reaction zwischen dem Metall des Kessels und dem
Wasser bei der Erhöhung des elektrischen Zustandes des Dampfes in dem Augenblike
seiner Erzeugung thätig ist; doch bedarf dieser Theil des Gegenstandes sicherlich
noch einer weiteren Untersuchung. Bei weitem die stärksten Wirkungen wurden bisher
von Locomotivkesseln erhalten, worin das Wasser in Berührung mit messingenen Röhren
erhizt wird; inwiefern dieser Umstand auf die Erzeugung von Elektricität Einfluß
hat, müssen fernere Versuche entscheiden. Es ist gewiß etwas sonderbar, wenn man die
glänzenden Locomotivmaschinen, welche man täglich sieht, als außerordentlich große
Elektrisirmaschinen betrachten will; doch sind sie dieß unbestritten; der Dampf
entspricht der Glasscheibe einer gewöhnlichen Elektrisirmaschine, der Kessel dem
Reibzeuge, und ein dem entweichenden Dampf eigens ausgesezter Conductor gibt Ströme
von Elektricität von sich.
Bentham: Grove, Gateshead, 21. Nov. 1840.