Titel: | Ueber das von Hrn. Arnoux vorgeschlagene System, um mit den Locomotiven und Waggons auf Eisenbahnen Krümmungen von jedem Halbmesser ungestört befahren zu können; ein der französischen Akademie der Wissenschaften erstatteter Bericht. |
Fundstelle: | Band 78, Jahrgang 1840, Nr. XXXV., S. 174 |
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XXXV.
Ueber das von Hrn. Arnoux vorgeschlagene System, um mit den Locomotiven
und Waggons auf Eisenbahnen Kruͤmmungen von jedem Halbmesser ungestoͤrt
befahren zu koͤnnen; ein der franzoͤsischen Akademie der
Wissenschaften erstatteter Bericht.
Aus den Comptes rendus 1840, 2me Sem., No.
3.
Bericht uͤber Arnoux's System Kruͤmmungen von
Eisenbahnen zu befahren.
Hr. Arnoux hat der Akademie vor
zwei Jahren eine Abhandlung über sein System, alle Krümmungen von Eisenbahnen zu
befahren, eingesandt; derselben war auch ein vollständiges Modell beigegeben; die
Commissäre der AkademieDen Bericht, welchen Hr. Poncelet im Namen der Commission der Akademie damals
erstattete, findet man im polyt. Journal Bd. LXVIII. S. 409.A. d. R. sprachen damals den Wunsch aus, daß Versuche im Großen angestellt werden
möchten, um die Hoffnungen, wozu es nach der Theorie berechtigte, zu rechtfertigen
oder zu widerlegen. Hr. Arnoux
beeilte sich diese Versuche anzustellen, und zwar in einem wahrhaft ungewöhnlichen
Maaßstabe; sie kosteten nicht weniger als 150,000 Fr. Alle Hindernisse, welche bei
der Locomotion vorkommen können, wie Abhänge und Steigungen, Kreuzungen von Wegen,
gerade aber durch krumme verbundene Linien, krumme Linien in entgegengesezten
Richtungen, ohne Zwischenglied aufeinanderfolgend und Krümmungen von sehr kleinen
Halbmessern, waren auf einer Bahn bei Saint-Mandé vereinigt, welche
1142 Meter lang einen geschlossenen Cirkel bildet. Bei dieser Anordnung konnte man
auf die Abfahrtsstelle beliebig oft zurükkommen, ohne weder dort noch anderswo
anzuhalten. Wirklich durchfuhr man auch an einem einzigen Tage 60 KilometerHr. Prof. Dr. Hermann,
Mitglied der Akademie der Wissenschaften in München, welcher eine solche
Probefahrt mitmachte, berichtet über Arnoux's Erfindung in seiner Schrift
„die Industrieausstellung in Paris im Jahre 1839 (Nürnberg
1840, bei Schrag)“ Folgendes:„Mit einer Geschwindigkeit von 8 Lieues per Stunde fuhr der Dampfwagen mit zwei Personenwagen die
engen Krümmungen einige duzendmal ohne Unfall, doch gestehe ich, daß
wenn jedesmal der Wagen auf einer der Krümmungen dicht an einer Mauer
wendete, die gar zu einleuchtende Möglichkeit, an diese geschleudert zu
werden, gerade kein angenehmes Gefühl hervorbrachte. Das Wesentliche der
Erfindung besteht darin, daß der Dampfwagen, wie die Waggons, nicht, wie
gewöhnlich, durch Ketten, sondern durch Eisenstangen mit Scharnieren
verbunden sind. Die Räder sind an den Achsen beweglich, welche selbst
sich um Zapfen drehen, auf denen der Wagen mittelst Federn ruht. Mit den
Achsen sind Ringe von Holz verbunden, um welche an ihnen befestigte
Ketten laufen, die wie innere sich kreuzende Tangenten mittelst
Eisenstäben die Hinter- und Vorderachse desselben Wagens und so
fort die Vorderachse des nächsten Wagens mit der hinteren des
vorhergehenden verbinden, so daß, wenn die Vorderachse des ersten Wagens
gedreht wird, sämmtliche Achsen aller übrigen sich nach und nach in die
Richtung eines Radius derselben Curve stellen. In solcher Weise sind die
Achsen aller Wagen mit der Vorderachse des sechsräderigen Dampfwagens
verbunden. Um nun diese erste Achse selbst in dem Augenblik, wo ihre
Räder in eine Curve eintreten, senkrecht auf die Curve zu stellen und
darauf zu erhalten, sind an dieser Achse unten zwei Gabeln von Eisen, an
deren Enden eiserne, etwa 1 Fuß im Durchmesser haltende Rädchen oder
Rollen sich befinden, welche unmittelbar vor und hinter jedem der beiden
Räder dieser Achse unter den vorspringenden inneren Rand der beiden
Bahnschienen greifen und theils das Ausglitschen verhindern, theils
jedesmal einen solchen Druk von den gekrümmten Schienen erleiden, daß
die richtige senkrechte Stellung der ersten Achse auf die Schienen
erfolgt. Bis diese Wirkung vor sich gegangen, ist der Wagen schon ein
Stük in die Krümmung eingerükt und die Achsen der übrigen Wagen finden
sich bei ihrem Eintritt in die Krümmung jedesmal richtig gestellt. Bloß
die arbeitenden Räder des Dampfwagens, die, wie sich versteht, fest auf
ihrer Achse sizen, sind außer dieser Verbindung; sie sind ohne Rand,
beträchtlich breit, und ihre Achse steht schief auf den Curven, so wie
sie selbst in schiefer Richtung aus den Schienen sich umdrehen. Sie
suchen gewissermaßen den Wagen auf einer Curve aus der Bahn
hinauszutreiben, in der ihn die Rollen der Vorderachse und die
senkrechte Stellung aller übrigen Achsen auf der Curve erhalten, und
wirken in solcher Weise gegenüber von jenen Rollen der Vorderachse wie
der Wind im Verhältniß zum Steuerruder. Außer dem Nachtheil, daß immer
ein paar folgende Achsen, schon ehe sie in die Curve eintreten, eine ihr
entsprechende Stellung einnehmen, was nothwendig einige schädliche
Reibung veranlaßt, hat das System noch den Nachtheil, daß bei
geradliniger Bahn die senkrechte Stellung der beweglichen Achsen auch
nur mittelst unterbrochenen Untergreifens der Leitrollen unter den Rand
der Bahn erhalten werden kann, was außer der Reibung einige Schwankung
verursachen muß. Sodann ist hier nicht bloß auf Curven, sondern auch auf
der geradesten Bahn die Fahrt von der Haltbarkeit der beiden Gabeln der
Vorderachse des Dampfwagens und gewissermaßen auch von all den Stangen
und Ketten abhängig, welche die Achsen verbinden, also von weit
schwächeren Theilen, bei deren Verfertigung weit größere Genauigkeit
nöthig ist, als bei den bisherigen einfachen Achsen mit fixen Rädern,
so daß zu bezweifeln steht, ob die Gefahr,
welche man hiebei läuft, der offenbare Kraftverlust bei der Fahrt
und der kostspieligere Bau der Wagen wirklich geringer anzuschlagen
sind, als die Baukosten einer größeren Bahnkrümmung und die
langsamere Fahrt auf derselben.“ A. d. R., und die Streke, welche die Waggons während der ganzen Dauer der Versuche zurüklegten,
beträgt 600 Kilometer. Um aber auch den Einfluß von solchen Krümmungen kennen zu
lernen, wie sie niemals beim Absteken von Eisenbahnen vorkommen können, war ein
kleiner vollkommen geschlossener Cirkel von 18 Meter Halbmesser mit der Hauptbahn
durch zwei Arme von 30 Meter Halbmesser verbunden, welchen Cirkel der Wagenzug, wenn
er sich einmal darin befand, unaufhörlich durchlaufen konnte. Der Zug bestand
gewöhnlich aus der Locomotive, dem Tender, zwei Personenwagen und einem
Transportwagen. Die Widerstände wurden durch dynamometrische Apparate genau
gemessen, und zwar von dem hierin so bewanderten Capitän Morin selbst.
Das Arnoux'sche System besteht im Wesentlichen darin, daß
die an einer und derselben Achse angebrachten Räder von einander vollkommen
unabhängig sind und sich um die Achsenträger, welche sie halten, bewegen; ferner in
der freien Aenderung der Richtung, welche die Achsen auf einer horizontalen Ebene um
die Reibnägel, auf welchen sie ruhen, haben; endlich in dem vollkommenen
Zusammenhange von Wagen zu Wagen durch gegliederte steife Deichseln, welche an jedem
Ende an den Reibnägeln befestigt sind und sich nach der Achse der Bahn selbst in
ihren Gelenken bewegen. Durch diese lezte Vorrichtung ist der ganze Zug wie eine
lange Kette nicht ausdehnbar, aber vollkommen biegsam in allen seinen Theilen.
Die beiden ersten Bedingungen sind unerläßlich, wenn ein Wagen auf gekrümmter Bahn
nicht einen weit größeren Widerstand finden soll als in gerader Linie. In der That
ist es nothwendig, wenn dem so seyn soll, daß die Achsen jeden Augenblik den zu
durchlaufenden Curven entsprechende Richtungen und zu gleicher Zeit die äußeren
Räder, indem sie über die sich am weitesten ausdehnende Krümmung rollen, die größte
Geschwindigkeit annehmen. Es genügt nicht, daß diese zu jeder Zeit stattfindenden
Bedingungen erfüllt werden können, sondern dieß muß
geschehen; es ist unumgänglich nothwendig, daß alle Achsen unausgesezt geleitet
werden. Die ersten Versuche von Holz- und Eisenbahnen in den Bergwerksstollen
boten auch wirklich mehrere Mittel dar, um beweglichen Achsen die gewünschte
Richtung zu geben. Es war z.B. eine eiserne Stange senkrecht an der ersten Achse
befestigt, welche zuweilen an ihrem unteren Ende mit einer horizontalen Rolle
versehen war und in einen zwischen den beiden leitenden Krümmungen der Bahn
ausgehöhlten Falz eingriff. Man hat auch seitdem solche horizontale Rollen gesehen,
welche aber zu einem ganz besonderen Zwek bestimmt waren, nämlich an einigen jener
kleinen Wägen, auf äußerst schmaler Bahn, wie sie zu den russischen Rutschbergen
gehören. Warum hat man denn in dem großen Problem der Locomotion auf Eisenbahnen die
alten Versuche so schnell aufgegeben? Warum hat man sich einem ganz anderen Systeme
hingegeben? Weil die ersten Mittel der Lenkung unzulässig wurden, sobald man die
Geschwindigkeit vermehren wollte; weil bei schlecht geführten oder freien Achsen die
Waggons jeden Augenblik aus der Schiene treten würben, troz des Hindernisses,
welches die perpendiculäre Seitenkante oder die verticalen Flächen der Schienen den
Räderrändern entgegensezen; weil auch wirklich die Reibung dieser Seitenkanten und
der Ränder die Achse und den ganzen Wagen, indem sie die Bewegung des Rades
erschwert, beinahe zum Stehenbleiben bringen würde. Auf den geraden Theilen einer Bahn
sollen die Achsen unwandelbar senkrecht auf die Achse der Waggons stehen. Vor Allem
suchte man also diese Perpendicularität auf eine bleibende Weise herzustellen. Nach
diesem ersten Schritt konnte es nur von Vortheil seyn, auch die anderen zu thun,
nämlich die Achsen in einem Stüke mit den Rädern zu machen, indem sie sich in den an
dem Kasten des Wagens befestigten Büchsen um sich selbst zu drehen haben. Hiedurch
werden die Räder vollkommen in verticaler Stellung erhalten, und die Last, indem sie
sich durch nahe bei ihrem Stüzpunkt gelegene Theile auf die Achsen wirft, strengt
sie nicht so an, als wenn sie direct auf dem Mittelpunkt ihrer Länge ruht. So ist
das gegenwärtige System. Für gerade Linien ist es vollkommen befriedigend; aber
diesen Linien wird alles Andere geopfert. Bei Curven ist das Parallelstehen der
Achsen wirklich ein Fehler; die Verbindung der Räder, welche sie zwingt, gleiche
Geschwindigkeit anzunehmen, ist ein zweiter Fehler. Die Notwendigkeit, keine
Uebertreibung in diesen Uebelständen eintreten zu lassen, wirkt sogar auf die
geraden Theile der Bahn zurük, indem sie verbietet, die Breite der Bahn zu
vergrößern, und hiedurch mehr und mehr die Dauerhaftigkeit der Wägen zu sichern.
Allerdings hat man, wenigstens theilweise, den erwähnten Uebelständen durch
sinnreiche Vorrichtungen abgeholfen, wie durch Räder mit konischen Felgen, durch das
Rollen der äußeren Räder auf dem Umkreis ihrer Ränder, was bekanntlich das Verfahren
des Hrn. Laignel ausmacht;
allein diese Mittel können nur den von den Rädern abhängenden Fehlern abhelfen. Die
sich von dem Parallelismus der Achsen herschreibenden Mängel bestehen noch. Soll man
mit Absicht und im Voraus etwas Spielraum lassen, um einen gewissen Grad von
Convergenz möglich zu machen? In England hat man dieses gethan, aber, da die Mittel
fehlten um die Achsen zu leiten, mit nachtheiligem Erfolge, den man übrigens aus den
angegebenen Gründen im Voraus hätte bemessen können. Man ist daher, so bald man von
dem gewöhnlichen Systeme der Waggons abweichen will, unvermeidlich hingewiesen, die
Mittel aufzusuchen, um den Achsen die gewünschte Richtung zu geben. Schreiten wir
zur Untersuchung, wie Hr. Arnoux diese Aufgabe gelöst hat.
Sein System zerfällt in drei Haupttheile. Diese sind:
1) Das besondere und specielle Mittel, die erste Achse des ersten Wagens zu
lenken,
2) das gewöhnliche Mittel, die erste Achse jedes folgenden Wagens zu lenken,
3) das Mittel, um bei jedem Wagen der schon bestimmten Richtung der ersten Achse jene
der zweiten zu unterwerfen.
Jeder dieser Punkte erheischt einige Auseinandersezung.
Die erste Achse des Zuges führt am Ende zurükgebogener Gabeln vier in beinahe
horizontalen Flächen bewegliche, von Oben nach Unten und von Innen nach Außen leicht
geneigte, sich im Rollen gegen die Seitenkanten oder vielmehr gegen die
Verticalfläche der Schiene stüzende Rollen. Diese Rollen erfahren, wenn sie gut
angepaßt sind, gar keinen anderen Widerstand als den durch das Fortrollen
entstehenden, weil die sie tragende Achse sie verhindert, mit ihrer Fläche
horizontal aufzuliegen. Die Mittelpunkte derselben befinden sich an den vier Eken
eines rechtwinkeligen, zwischen den Schienen sich mit sehr wenig Spielraum
bewegenden Viereks. Die Abweichungen der Seiten dieses Viereks, folglich auch die
darunter mitbegriffenen Abweichungen der parallelen Achse auf die Querseiten
(Transversalseiten) können nur von der dem Verhältnisse zum gegebenen Spielraum und
der Breite des Viereks selbst entsprechenden Größe seyn. – Ein solches System
von Führern ist vortrefflich. Es hat mit jenen früher vorgeschlagenen verticalen
Rollrädchen nichts gemein. Es braucht wohl nicht bemerkt zu werden, daß Rollen nur
in Ansehung der Fläche, auf welcher sie fortrollen, als Führer dienen können, und
daß die verticalen Ränder der Schienen hier jene Flächen sind, in Bezug auf welche
die Bewegung geleitet werden muß. Die führenden Rollen des Hrn. Arnoux haben eher einige
Aehnlichkeit mit der einzigen Rolle an gewissen Karren in Bergwerken. Noch größer
möchte man die Aehnlichkeit finden, wenn man sie mit einigen jener für die
russischen Berge erfundenen Rollen vergleicht; doch fällt einem bei diesen sogleich
ein bedeutender Unterschied auf, der darin besteht, daß diese mehr dazu bestimmt
sind, ein Gleiten zu verhindern, als den Achsen eine gewisse Richtung zu sichern.
Wirklich war bei einer so schmalen Bahn die convergirende Richtung der Achsen von
gar keinem Belang; es genügte, wenn die Rollen von dem Kasten des Wagens getragen
wurden. Man sieht sie manchmal auch in Seitenfugen angebracht, um jedem möglichen
Fall des Austretens vorzubeugen. Etwas Aehnliches könnte im Großen nicht angewandt
werden.
Wir wollen nun einmal untersuchen, ob Hrn. Arnoux's Rollen nicht auch neben den ihnen eigenthümlichen
Vortheilen, welche sie vor allem bisher zu demselben Zweke Vorgeschlagenen
auszeichnen, irgend einen bedeutenden Mangel darbieten. Hierüber scheint die
Erfahrung entschieden zu haben. Niemals haben die Rollen aus der Schiene zu treten
gedroht; niemals gab es auf dem Wege einen Bruch; ihre Oberfläche war etwas schnell
abgenuzt, dann waren sie eben von weichem Gußeisen, während die Schienen ihre
Rauhigkeit noch
beibehalten hatten. Nachdem hierauf die Rollen noch mit einem stählernen Reis
umgeben worden waren, war auch diese Abnüzung ganz unerheblich. – Man wollte
sich ferner überzeugen, ob sie alle zur Führung des Zuges unentbehrlich seyen.
Allein mit nur einer Rolle war es unmöglich, weiter zu kommen; in den ersten
Augenbliken blieben die Waggons schon stehen. Aber einige Augenblike sind auch schon
hinreichend, um die fehlende Rolle zu ersezen.
Ein Zufall, der aber mit dem Systeme in keiner Gemeinschaft steht, hat zu einer
Beobachtung Gelegenheit gegeben, welche aufbewahrt zu werden verdient. Bei einem
Bahnwechsel war der bewegliche Theil der Schiene (aiguille) geschlossen geblieben. Die Locomotive und der Zug verließen also
die Schienen, was die Rollen zwang, in den Boden zu schneiden, wobei eine derselben
zerbrach. Aber die Spize der sie tragenden Gabel hörte nicht auf in die Erde zu
dringen, und trug hiedurch sehr glüklicher Weise schnell und sicher dazu bei, die
erlangte Geschwindigkeit aufzuheben.
Sieht man, wie die Rollen des ersten Wagens einerseits, indem sie sich in die
Schienen einrahmen, die Führung sichern, und andererseits, wie sie das Hingleiten
des Räderrandes an den Seitenkanten in eine Reibung des Rollens umwandeln, so frägt
man sich, ob es nicht gut wäre, ein ähnliches System für alle folgenden Achsen
anzuwenden. Diesen Gedanken hatte Hr. Arnoux gleich anfangs. Allein die Kosten der Anschaffung und des
Unterhalts, welche sie verursachen würden, wären schon ein genügender Grund, diese
Idee zu verwerfen, wenn nicht der noch triftigere vorhanden wäre, daß die beständige
Erhaltung aller dieser Rollen in genau abgemessener gehöriger Höhe äußerst schwierig
ist.
Auch nimmt Hr. Arnoux, indem er
die Anwendung der Rollen auf die erste Achse des Zuges einschränkt, und sie
vielleicht, was die Commission gut zu heißen geneigt ist, nur noch auf die lezte
Achse erstrekt, ein ganz anderes System zur Leitung der zwischen diesen befindlichen
Achsen an. Dieses System umfaßt zwei Haupttheile.
Der erste derselben ist die Verbindung der zweiten Achse jedes Wagens mit der ersten;
sie entspricht in ihren Wirkungen der Einrichtung der Wägen des Admirals Sidney Smith, des Hrn. Dietz, und selbst einigen älteren, wenn gleich
etwas mangelhafteren Versuchen, unterscheidet sich aber durch eine neue Lösung der
Aufgabe. – In jedem Wagen trägt jede Achse in ihrer halben Länge einen Kranz
(couronne), durch welchen ein Reibnagel geht; zwei
Ketten mit flachen Ringen ziehen sich um die Kränze, und sind, indem sie sich in dem
zwischen ihnen liegenden Raum kreuzen, an ihrem Umkreise befestigt. Die zweiten
Achsen werden auf diese Weise gelenkt, denn wenn die erste Achse bei einem gegebenen Wagen sich nach
einer Richtung dreht, so dreht sich die zweite eben so viel in der entgegengesezten
Richtung. Die derart unter sich verbundenen Achsen eines und desselben Wagens
bleiben, wenigstens was eine unmittelbare Einwirkung betrifft, vollkommen unabhängig
von den Achsen des vorausgehenden und des nachfolgenden Wagens. Es bleibt demnach
noch, und dieser Theil des Arnoux'schen Systems ist ganz
neu, bei jedem Wagen die Richtung der ersten Achse zu bestimmen. Hr. Arnoux läßt dieß einzig von dem
Winkel, welchen die steife Deichsel dieses Wagens mit dem Baume des anderen Wagens
macht, abhängen. Am Ende dieses Baumes ist zur Herstellung der gewünschten
Verbindung ein kleiner, mit dem Kranze der zweiten Achse concentrischer Kranz
befestigt, von welchem lezteren er aber unabhängig ist. Dieser kleine Kranz führt
mittelst gekreuzter Ketten den ersten Achsenkranz des folgenden Wagens. Was die
Zugkraft (effort de traction) betrifft, so sezt sich
diese vollkommen durch die Deichseln fort; die Ketten bezweken nur die Drehung der
Kränze um ihre Achse.
Damit die beiden Achsen des vorausgehenden und die erste Achse des folgenden Wagens
gegen das Centrum des Kreises convergiren, welcher durch ihre drei Reibnägel geht,
muß der Halbmesser des kleinen, am Baume befestigten Kranzes zu den Halbmessern der
Achsenkränze in einem Verhältnisse stehen wie die Länge der Deichsel zu der Summe
der Längen dieser Deichsel und des sie leitenden Baumes. Die Lösung ist nur dann
streng, wenn die Deichsel und der Baum von gleicher Länge sind; ist aber in einem
anderen Verhältniß als dem der Gleichheit so nahe, sobald der Halbmesser der Curve
mehr als zehnmal so lang als der Wagen ist, daß die Differenz praktisch
vernachlässigt werden kann. Noch mehr: die approximative Lösung könnte sogar einigen
Vortheil gewähren, indem sie gestattet, die Länge der Deichseln etwas zu vermindern,
wodurch eben sie bei dem Uebergange von einer Curve zur anderen, von einer geraden
Streke auf eine gebogene, und umgekehrt, weniger ungenau wird. Uebrigens besteht das
Verdienst der Lösung nicht in einer geometrischen Strenge, welche die Anwendung nie
in Ausführung bringt. Sie besteht darin, zu verhindern, daß bei falschen Richtungen
die sehr engen Gränzen überschritten werden, in einer der Art fortgesezten Führung
ohne Schnellung (sans
à-coups), so daß die Abweichungen, so zu sagen auf der Länge
des ganzen Zuges, sich einander ausgleichen und aufheben. Wollte man ein Beispiel
des Vorzugs gewisser approximativer Lösungen vor den genauen, so würde es genügen,
Watt's, dem Getriebe der Dampfmaschinen
substituirtes, Parallelogramm anzuführen.
Uebrigens hat die Erfahrung gezeigt, daß die fortgesezte Verbindung des Systems sein
erster Vorzug sey. Man konnte den Versuchen in Saint Mandé zufolge, welche
die Benuzung vollkommen fertiger Theile betrafen, dieselben Kränze auf Bäume und
Deichseln von sehr ungleicher Länge anwenden, ohne daß ein bedeutender Mißstand
dadurch entstanden wäre. Doch mußten nothwendig die Widerstände hiedurch etwas
vergrößert werden. Es ist demnach gleichwohl nothwendig, die vortheilhaftesten
Verhältnisse anzunehmen.
Eine ähnliche Bemerkung muß hinsichtlich des Anlegens der Curven auf dem Boden
gemacht werden. In St. Mandé kömmt man von einer Curve von 100 Meter
Halbmesser beinahe unmittelbar auf eine andere von 30 Meter oder auf eine gerade
Linie; nicht aber, ohne daß man auf den Uebergangspunkten eine etwas unangenehme
Erschütterung erleidet. Offenbar kann man in der Praxis, ohne von den Vortheilen des
Systems etwas aufzugeben, die Verbindung sanfter machen, indem man nach und nach von
einer Curve zur anderen übergeht. Es liegt wenig daran, ob man in einer völlig
regelmäßigen Kreislinie oder in einer Reihe von Kreislinien fahre, wenn nur irgend
einer dieser Bögen, der um die Länge eines Baumes oder einer Deichsel verlängert
wurde, nicht von dem ihm vorangehenden oder folgenden perpendiculär gegen seine
Krümmung in einem größeren Abstand als dem nothwendigen Spielraum zwischen den
Wagenrändern und den Seitenkanten der Schienen abweicht. Es gibt Fälle, wo die eben
besprochene sanfte Vereinigung von weniger Belang ist, wo man, wie in St.
Mandé, Krümmungen von sehr verschiedenem Halbmesser beinahe ohne Uebergang
mit einander verbinden kann. So z.B. bei einer Ausweichbiegung, welche man mit der
Hauptbahn verbinden will. Die Schnelligkeit beim Eintritt und folglich die
Centrifugalkraft werden nie so groß seyn, daß eine etwas rasche Veränderung der
Richtung eine sehr schädliche Wirkung haben könnte. Der kleine Kreis von 18 Metern
Halbmesser in St. Mandé bietet ein solches Beispiel einer in einen engen Raum
eingeschlossenen Ausweichung, und hat die Eigenthümlichkeit, daß ein Zug, komme er
von welcher Seite er wolle, dieselbe betreten und wieder verlassen kann, sowohl um
dahin, woher er kam, zurükzukehren, als um seinen Weg fortzusezen.
Hiedurch fällt, wenigstens größtentheils, einer der diesem neuen Systeme gemachten
Haupteinwürfe hinweg, nämlich jener, welcher die Schwierigkeit oder die
Unmöglichkeit betrifft, den Zug in gewissen Fällen rükwärts gehen zu lassen. In
gerader Linie ist die rükgängige Bewegung jedenfalls möglich; in St. Mandé
ist man um mehr als 50 Meter zurükgefahren. Aber auf einer Krümmung, wenn ihr Halbmesser klein ist,
kann nicht rükwärts gefahren werden. Es ist nicht der Kraftbedarf in schräger
Richtung, welchem man diese Unmöglichkeit direct zuschreiben darf, sondern daran
liegt es, daß sich die Lenkung nach dieser Richtung nicht den Achsen mittheilt, und
durch nichts wird deutlicher dargelegt, daß diese Fortpflanzung der Lenkung
unentbehrlich ist. – Uebrigens muß man, wenn es sich von rükgängiger Bewegung
handelt, die Ideen, auf welche das alte System nochwendig führen mußte, nicht auf
das neue übertragen. Beim gewöhnlichen Systeme würde das Rükwärtsfahren eines
einzigen Wagens die Anwendung einer Drehscheibe nothwendig machen, wenn der Wagen
hinten nicht völlig so wie vorne beschaffen ist und hiedurch eben so gut in einer
wie in der anderen Richtung sich bewegen kann. Bei dem vorgeschlagenen Systeme ist
die Anwendung der Drehscheiben niemals unentbehrlich, weil mittelst eines kleinen
Kreises von sehr kleinem Halbmesser ein ganzer Zug sich selbst wieder begegnen und
auf den von ihm hinterlassenen Weg wieder zurükkehren kann. Es bleibt also für die
Notwendigkeit eines unmittelbaren Rükwärtsfahrens der einzige Fall eines auf der
Bahn zugestoßenen Ereignisses übrig. Aber man muß dann einigen Augenbliken Verlust
keine große Wichtigkeit geben. Um den Zug umzugestalten und ihn zur rükgängigen
Bewegung zu eignen, genügt es z.B., wenn jeder Baum vorne einen kleinen Kranz wie
jenen am Hinteren Ende trägt, an welchen man mittelst einiger Schrauben die zur
Richtung der Achsen notwendigen Ketten anpaßt.
Ein weiterer Einwurf knüpft sich an das eben Besprochene. Sind diese unentbehrlichen
Ketten stark dem Zerbrechen unterworfen? Vorerst ist leicht einzusehen, daß sie nur
eine sehr geringe Anstrengung zu ertragen haben, die darin besteht, die Kränze
umzudrehen; die den Zug fortreißende Kraft pflanzt sich ausschließlich auf die
Deichseln und Bäume fort. Sezen wir jedoch den Fall, daß eine Kette breche oder sich
losmache. Dieser ist auch bei den Versuchen in St. Mandé bei einer die beiden
Kränze eines und desselben Wagens verbindenden Kette eingetreten. Die losgerissene
Kette hing hinab, ohne daß man es gewahr wurde. Eine ganze Streke wurde zurükgelegt,
ehe die Führer des Zuges, von Außen her, aufmerksam gemacht wurden, um den Zug
anzuhalten. Dieß beweist, daß wenn auch die Gesammtheit der Richtungsmittel
nothwendig ist, diese Mittel doch auch ohne üble Folgen auf einem zwischen den Enden
liegenden Punkt weggelassen werden können. Das gemeinschaftliche Zusammenwirken
aller Theile des Systems erhält schon auf der Bahn diese einzige, der besonderen
Leitung entblößte Achse. Uebrigens ist bei einem solchen Fall in ein paar
Augenbliken abgeholfen.
Ein ansehnlicher Vorzug dieses Leitungsmittels ist, daß durch dasselbe so wenig
verdorben wird. Hieran ist die Sanftheit der Bewegung Schuld, welche ohne große
Geschwindigkeit geschieht, folglich ohne Stoß. Die rasche Bewegung lenkender Rollen
an jeder Achse würde zu viel schnellerem Verderbniß Anlaß geben. Hr. Arnoux wendet sie auch wirklich
deßhalb nur da an, wo sie unentbehrlich sind.
Nachdem wir nun auf besondere Fälle sich Beziehendes untersucht haben, werden wir,
wenn wir die gewöhnliche Locomotion betrachten, sogleich anerkennen müssen, daß beim
Abgang eines Zuges die Schwierigkeit, ihn bei dem neuen Systeme von der Stelle zu
bringen, größer seyn wird, als bei den gewöhnlichen Zügen, wo jeder Wagen sich für
sich zu bewegen anfängt, ehe er durch die Strekung der Ketten den folgenden nach
sich zieht. Doch glauben wir nicht, daß hieraus jemals ein bedeutender Uebelstand
erwachsen könne. Uebrigens wurde dieser Punkt schon in Hrn. Poncelet's Bericht besprochen. Man darf einen
Umstand nicht vergessen, welcher bei der Abfahrt den articulirten und
unausstrekbaren Trains des Hrn. Arnoux zum Vorzug gereicht, daß es nämlich keine Stöße gibt, welche
man bei den gewöhnlichen Trains in dem Augenblik empfindet, in welchem sich die
Ketten spannen.
Was den wesentlichsten Punkt, den zu besiegenden Widerstand, betrifft, fragen wir,
ob, wenn bei dem vorgelegten Systeme der Zug einmal im Gang ist, während der ganzen
Dauer der Bewegung Ursachen vorhanden sind, die den mittleren Werth dieser Bewegung
mit Bestimmtheit vergrößern könnten. Wenn man diesen Widerstand in den Krümmungen
vermindert hat, wurde er deßwegen in den geraden Linien, welche doch immer den
größten Theil ausmachen, vermehrt? – Ehe wir die hierüber gemachten Versuche
anführen, prüfen wir das in der Frage Gegebene. – Es kann hierüber
hinsichtlich der Reibung der Achsen ein Zweifel eintreten. In dem neuen Systeme
beweglicher Achsen ruht die Last auf der Mitte ihrer Länge. Dieses Verhalten,
verbunden mit der Erweiterung der Bahn, nach welcher man trachten soll, scheint eine
Vergrößerung in dem Durchmesser der Achsenträger, folglich auch eine Vermehrung des
Widerstandes, nach sich zu ziehen. Unter übrigens gleichen Umständen ist es sehr
wahr, daß es bei den gegenwärtigen Waggons von Vortheil ist, die Last in der Nähe
des Endes der Achsen ruhen zu lassen. Man pflegt den Büchsen, innerhalb welcher sich
diese Achsen bewegen, 0,055 Meter Durchmesser zu geben. Bei den großen Diligencen
auf gewöhnlichen Straßen, wo die Last auf dem Mittelpunkte der Achsen ruht, wie bei
Hrn. Arnoux's Waggons, haben
die Achsenträger einen Centimeter mehr an Breite (0,065 Meter). Hr.
Arnoux hatte bei den zuerst zu seinen Versuchen
gebrauchten Waggons dieses Maaß angenommen, und offenbar muß durch die Reibung der
Achsenträger eine etwas zu große Reibung entstehen. Aber in Betracht, daß die
Diligencen auf den gewöhnlichen Straßen oft sehr heftige. Stöße erfahren, welche bei
Eisenbahnen nicht vorkommen, zweifelte Hr. Arnoux nicht, daß die Achsen seiner Wägen nicht
auch auf denselben Durchmesser reducirt werden könnten, wie jene der Waggons mit
parallelen Achsen, und hat diese Reduction an einem Waggon lezter Classe des Zuges
bei seinem Versuche ausgeführt. Man wird sagen können, daß dann eine noch größere
Reduction bei den Waggons mit parallelen Achsen wird stattfinden können, und daß in
dieser Beziehung ihnen am Ende immer der Vorzug gehöre. In diesem Betreff wird die
Frage wohl nicht mit Gewißheit entschieden werden können und immer schwebend
bleiben, besonders wenn man betrachtet, wie lang man nach dem Arnoux'schen Systeme die Büchsen der von einander unabhängigen Räder
machen kann. Diese Länge ist eine Gewähr gegen die Abweichungen von der Fläche, auf
welcher die Räder rollen. Es scheint nicht, daß diese Fläche bei dem Systeme freier
Räder minder gut eingehalten werde als bei dem Systeme zusammenhängender Räder,
wenigstens was die Dauer betrifft, die diese Räder haben
können. Diese Dauer ist bei dem gegenwärtigen Systeme nicht sehr groß. Man
weiß, mit welcher Genauigkeit gußeiserne, mittelst der Achsen zusammenhängende Räder
sich drehen sollen. Man weiß auch, wie schnell die Verticalränder dieser Räder sich
durch die Reibung an den Seitenkanten der Schienen in den Krümmungen abnüzen. Hrn.
Arnoux's System macht
diese Widerstände verschwinden. Es wird also den Rädern eine größere Dauerhaftigkeit
verschaffen oder sie in minderer Vollkommenheit und Festigkeit anzuschaffen
gestatten. So waren bei den Versuchen in St. Mandé einfache hölzerne,
eisenbereifte und, anfangs wenigstens, nicht gedrehte Räder. Die Ränder waren, statt
aus einem Stüke mit den Felgen zu seyn, eiserne, flach aufgesezte und an dem Körper
des Rades durch Holzschrauben befestigte Reife; und doch wurde alle die
verschiedenen Krümmungen von so kleinem Halbmesser hindurch, beim Durchfahren einer
so großen Streke, keiner dieser so leicht gearbeiteten Reife weder hinweggerissen
noch sonst merklich verdorben. Ist dieß, wenn das Verderben der Reise einigermaßen
zum Maaßstabe dienen kann, nicht ein Beweis, daß eine außerordentlich häufige
Ursache einer, auf directem Wege schwer abzuschäzenden, Zerstörung beinahe
vollkommen aufgehoben wurde? Ist man nicht auch zu der Hoffnung berechtigt, daß
diese Verringerung der Kosten die Vermehrung der Reibung der Achsen, wenn ja eine
solche stattfindet,
mehr als aufwiegt? Ein Beweis derselben Art, wie der eben erwähnte, ein materieller
Beweis wird ferner darthun, daß die Räder vollkommen gut erhalten und die Achsen dem
Zwek entsprechend geleitet wurden. Während dieser langen Versuche hat man die so
gewöhnlichen schädlichen und unangenehmen Bewegungen niemals merklich verspürt,
welche bei den gegenwärtigen Eisenbahnen mit dem Namen Zikzak (lacet) Bewegungen bezeichnet werden. Die einzige
Bemerkung, welche bei sehr großer Geschwindigkeit gemacht werden konnte, betraf die,
übrigens sehr unbedeutende, Neigung der Wagenkästen, die von der Centrifugalkraft
herrührte. Auch dieser Umstand hätte durch eine kleine Erhöhung der äußeren Schiene
gemildert werden können.
Wir kommen jezt zur Bemessung des Total-Widerstandes mittelst des Dynamometers. – Dieser ist Folge
der eigenthümlichen Bewegung der Luft, des von den Waggons auf die unbewegte Luft
ausgeübten Stoßes, der Reibung der Achsen mit ihrer Umgebung, des Rollens der Räder
auf den Schienen, des Gleitens ihrer Ränder über ihre Seitenfanten, der
Schnellungen, der Beschleunigungen und des Zurükbleibens im Gang der Trains, welche
der beste Conducteur nicht verhindern kann und deren Einfluß durch die Größe der
bewegten Masse beträchtlich wird. Alles dieses ist nun einer Aenderung fähig durch
das Anziehen der Schrauben (serrage des écrous),
durch das Schmieren der Büchsen, den hygrometrischen Zustand der Luft, die mehr oder
weniger feste Beschaffenheit der Schienen. Was den Einfluß dieser lezteren betrifft,
genügt es, an die schönen akustischen Figuren zu erinnern, welche das Vorüberfahren
der Waggons oft in dem die Schienen umgebenden Sand erzeugt. – Die zuerst zu
lösende Frage mußte natürlich die seyn, ob bei dem Arnoux'schen Systeme der Widerstand auf den gerade laufenden Stellen fühlbar
eben so stark sey, wie auf den Krümmungen der Bahn. Im ersten Versuche, der mit
nicht gedrehten Rädern und mit einer Geschwindigkeit von ungefähr 4 Metern auf die
Secunde angestellt wurde, fand man für die gesammte
Hauptbahn, die aus geraden Linien und Krümmungen von 50 und 150 Metern Halbmesser
besteht, das Verhältniß des Widerstandes zur Last = 1/175. – Bei einem
anderen Versuche mit denselben Rädern verschiedener Belastung und einer für die
Secunde ungefähr 3,8 Meter betragenden Geschwindigkeit fand man in dem kleinen
Kreise von 18 Metern Halbmesser den Widerstand im Mittel mehrerer Fahrten 1/175
– 1/177' welche Zahl mit der obigen von der Gesammtbahn angegebenen übereinstimmt. Nachdem die Räder gedreht worden
waren, fiel der mittlere Widerstand auf der Gesammtbahn
auf 1/204 herab, wobei die Geschwindigkeit immer ungefähr 16 Kilometer auf die Stunde blieb. Die Reibung
auf den geradlinigen Stellen zeigte sich bei diesen Versuchen jener auf den
kreisförmigen von 50 Metern Halbmesser gleich, nämlich = 1/215. – Mit
denselben gedrehten Rädern, aber unter leichter Berührung der Chairs von einer Rolle
stieg der Widerstand auf 1/193. Die geradlaufenden Stellen, mit den Curven von 50
Metern Halbmesser verglichen, gaben Brüche = 1/200 und 1/202.
Die erste Frage schiene denn hiemit gelöst: die Krümmung der Bahn vermehrt den
Widerstand nicht.
Auch stellen die Versuche klar die Notwendigkeit dar, daß die Räder abgedreht und die
Rollen genau angepaßt werden. – Daß die angeführten Zahlen die auf die
Horizontalebene reducirten Widerstände ausdrüken, braucht wohl nicht erwähnt zu
werden. Obwohl diese Zahlen von den gewöhnlich angenommenen wenig differiren, fand
es die Commission doch angemessen, auf die gewöhnlichen Eisenbahnen dynamometrische
Instrumente anzuwenden, wozu die Ingenieure von Saint-Germain und Versailles
mit vieler Zuvorkommenheit die Mittel schafften.
Das mittlere Resultat zweier Reihen am 3. März d. J. auf der Bahn von St. Germain
erhaltener Werthe, bei von jener bei St. Mandé wenig abweichenden
Geschwindigkeiten und in der Richtung der Fahrt gehendem Winde, der ungefähr die
Geschwindigkeit des Zuges hatte, war 1/200 horizontalen Widerstandes, wie bei den
Versuchen in St. Mandé. Bei etwas conträrem Winde beträgt der Widerstand
1/170. Bei günstigem Winde und frisch geschmierten Büchsen vermindert sich die
Bruchzahl bis auf 1/252. Die Mittelzahl ist demnach eher über als unter 1/215.
– Diese Versuche sind jedoch troz ihrer übereinstimmenden Resultate weit
entfernt, die so zusammengesezte Frage über den Widerstand auf den Eisenbahnen in
allen ihren Theilen zu beantworten. Wir müssen aber bemerken, daß wir nur die unter
den möglichst gleichen Umständen und mit denselben Apparaten anzustellende
Vergleichung zweier Systeme zur Aufgabe hatten.
Wir müssen noch zum Vortheil des Arnoux'schen Systems
hinzufügen, daß die starken Träger der Achsen aller dieser Wägen ohne Anstand hätten
auf Durchmesser von 55 Millimetern zurükgeführt werden können, und daß dann bei
einem eher zu schwachen als zu starken Reibungscoefficienten der mittlere Widerstand
auf der St. Mandé-Bahn sich auf 1/230 reducirt hätte.
Fassen wir den Inhalt des Gesagten zusammen, so ist durch die Versuche in St.
Mandé die Gleichmäßigkeit der Reibung und des Widerstandes auf den Krümmungen
sowohl als den geraden Theilen der Eisenbahnen, wenn die Wägen nach dem Systeme des Hrn. Arnoux gebaut sind und die
Geschwindigkeiten nicht gewisse Gränzen übersteigen, vollkommen dargelegt. Diese
Versuche würden demnach, wenn es nöthig wäre, die in dem ersten Berichte entwikelten
theoretischen Betrachtungen noch unterstüzen; sie würden praktisch beweisen, daß die Convergenz der Achsen die unerläßliche
Bedingung guter Locomotion auf gekrümmten Schienen ist, und daß das vom Erfinder
angewandte Verfahren, um diese Convergenz zu bewerkstelligen, die wünschenswertheste
Genauigkeit besize. Wenn wir unsere Behauptungen, welche die mit jenen des alten
Systems verglichenen Reibungen des neuen Systems betreffen, weniger entschieden
hinstellen, so geschieht dieß, weil wir nicht in den Stand gesezt waren, die
Versuche auf den gewöhnlichen Bahnen hinlänglich zu vervielfältigen, und weil es
sehr schwer ist, sie unter völlig gleichen Umständen
auszuführen. Die vollkommene Identität der Umstände wird gewiß Niemanden als eine zu
weit getriebene Genauigkeit (un raffinement
d'exactitude) erscheinen, wenn wir erwähnen, daß einmal ein sich, d.h. seiner
Schwerkraft überlassener Zug mit der mittleren Geschwindigkeit von 4 Meilen auf die
Stunde von Versailles nach Asnières hinabfuhr, während wenige Tage zuvor,
vielleicht durch die bloße Wirkung einer anderen Schmiere, oder durch den
(momentanen) Zustand der Schienen, derselbe Zug auf dem Wege stehen geblieben war.
Indessen müssen wir erinnern, daß – wenn man auch der Schwäche der bei
Erbauung der Arnoux'schen Bahn angewandten Schienen, so
wie der Schwäche der Chairs und dem so kleinen Muster von Querschwellen gar keine
ungünstige Einwirkung zuschreiben will – durch die einzige begründete
Reduction des Durchmessers der Achsen auf 55 Millimeter, die aus der Gesammtheit der
Versuche in St. Mandé berechnete Reibung weniger als 1/230 betrug, ein
Resultat, welches im gewöhnlichen Dienst irgend einer Eisenbahn wahrscheinlich noch
niemals übertroffen wurde.
Die Möglichkeit, daß die zur Lenkung der Locomotive bestimmten Rollen und die die
Convergenz der Achsen bezwekenden Ketten brechen, und die Zufälle, welche daraus
hervorgehen könnten, wurden im Vorausgehenden sowohl a
priori als auch nach den Resultaten der Versuche gewürdigt. Man darf sich,
wie uns scheint, von ihr nicht gegen die Sache ernsthaft einnehmen lassen.
Das Arnoux'sche System vermehrt demnach, so weit es
beurtheilt werden kann, die Zugkosten auf keine merkliche Weise. Was die Sicherheit
betrifft, scheint dieses System die furchtsamsten Gemüther zu beruhigen. Hr.
Arnoux hat also das
schwierige Problem, das er sich zum Gegenstand gemacht hatte, wie es scheint,
vollkommen gelöst. In
Zukunft werden die Ingenieurs weniger sorgfältig zu vermeiden haben, bei ihren
Eisenbahnanlagen um ein Beträchtliches von der geraden Linie abzuweichen, und die
Hindernisse jeder Art zu umgehen, deren Wegschaffung zu verlangen sie sich bis heute
gezwungen sahen. Die kostspieligen, durch Berge gebahnten Straßen werden nicht mehr
so oft nöthig seyn; endlich werden die Ausweichungen vermehrt werden und hiedurch
vielleicht die einfachen Bahnen an vielen Orten ausreichen, wo nach den
gegenwärtigen Methoden zwei Bahnen unerläßlich waren.
Wenn längere Erfahrungen mit den neuen Wägen nicht unvorhergesehene Schwierigkeiten
an ihnen entdeken lassen, so wird sich der Name des Hrn. Arnoux sehr ehrenvoll jenen unserer Landsleute
anreihen, welche durch die Erfindung der Cylinderkessel und des mittelst verlorenen
Dampfes hervorgebrachten Schornsteinzuges auf den Eisenbahnen Geschwindigkeiten
gebräuchlich gemacht haben, die ursprünglich sogar in einigen Versuchen Niemand zu
erreichen gehofft hätte. Die Commission glaubt, nach langer und gewissenhafter
Untersuchung, der Akademie den Antrag stellen zu müssen, dem sinnreichen Systeme von
Locomotiven und gegliederten Wägen, welches Hr. Arnoux derselben vorgelegt hat, ihre Gutheißung
zu gewähren.Die Akademie der Wissenschaften in Paris beschloß in Folge dieses Berichts,
Hrn. Arnoux für sein
System von Waggons den Montyon'schen Preis für
Mechanik, bestehend in 1000 Fr., zuzuerkennen, und denselben noch um 2000
Fr. zu erhöhen. A. d. R.
Arago, Berichterstatter.