Titel: | Bemerkungen über die Explosionen der Dampfkessel. Von Hrn. J. Sims in Chacewater. |
Fundstelle: | Band 76, Jahrgang 1840, Nr. XIX., S. 83 |
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XIX.
Bemerkungen uͤber die Explosionen der
Dampfkessel. Von Hrn. J.
Sims in Chacewater.
Im Auszuge aus einem vor der Truro-Institution gehaltenen Vortrage aus dem
Mechanics'
Magazine, No. 854.
Sims, uͤber die Explosionen der Dampfkessel.
Ich erlaube mir, angeregt durch die leider auch in unserem Lande in lezter Zeit
häufiger vorgefallenen Dampfkesselexplosionen, einige Beobachtungen, die sich mir
ergaben, vorzutragen. Ich beschränke mich hiebei hauptsächlich auf die in Cornwallis
gebräuchlichen Maschinen, weil diese vorzugsweise mit sogenanntem hohem Druke, d.h.
mit einem Druke, der je nach der Belastung der Maschine und der Ansicht, welche der
Maschinist in Betreff der Ersparniß an Brennmaterial hegt, von 10 bis 15 Pfd. auf
den Quadratzoll beträgt, arbeiten. Ich habe in dieser Hinsicht nicht nur meine
eigene langjährige Erfahrung, sondern auch viele unserer ausgezeichnetsten
Ingenieurs zu Rathe gezogen; und bemerke vorläufig nur noch, daß der Eifer, mit dem
man dermalen auch außer Cornwallis das bisher daselbst gebräuchliche System
einzuführen und zu verbreiten bemüht ist, eine dringende Aufforderung für die mit
dem Baue der Dampfmaschinen und besonders der Kessel Beschäftigten ist, auf
Modificationen zu denken, wodurch die möglich größte Sicherheit und die größte
Ersparniß an Brennmaterial erzielt wird.
Die dermalen in Cornwallis gebräuchlichen Kessel haben eine cylindrische Form mit
cylinderförmiger Röhre; ihr Durchmesser beträgt gewöhnlich 6 Fuß 6 Zoll, jener der
Röhre dagegen 3 Fuß 9 Zoll bis 4 Fuß; ungefähr 6 Fuß der Länge dieser Röhre dienen
als Ofen oder Feuerstelle, so daß also das Feuer gänzlich von Wasser umgeben
ist.
Man hat über die Explosionen der Dampfkessel sehr verschiedene Ansichten aufgestellt,
und darunter auch die explodirbaren Gase eine bedeutende Rolle spielen lassen, was,
wie mir scheint, nichts weniger als hinreichend begründet ist. Allerdings mag sich
unter gewissen Umständen im Inneren der Kessel durch die Zersezung des Wassers,
welche die überhizten Eisenplatten bewirken, Wasserstoffgas erzeugen; allein die
Umstände, unter denen sich dieß ereignen kann, dürften meiner Ansicht nach sehr
selten vorkommen; und ebenso könnte, wie mir scheint, die Wirkung dieses Gases nur
eine sehr unbedeutende seyn. Wenn es auch möglich wäre, daß sich das Gas in irgend
bedeutender Menge erzeugen könnte, so müßte sich dieß durch seine unmittelbare und
sehr bedeutende Einwirkung auf den Gang der Maschine zu erkennen geben. Denn wie
kann das Gas einen größeren Druk erlangen als der Dampf, selbst wenn die Maschine
alsdann unthätig seyn sollte, wenn für das Entweichen desselben die gleiche Oeffnung
bleibt? Eine einzige Thatsache liefert meiner Ansicht nach den schlagenden Beweis,
daß das Bersten der Dampfkessel unmöglich den Gasexplosionen beigemessen werden
kann; und diese Thatsache ist: daß die Explosionen oder das Einsinken an den
zahlreichen Arten von Kesseln mit niederem Druke etwas Unerhörtes, an den Kesseln
mit hohem Druke leider aber etwas nur zu Häufiges sind, obwohl man nicht bestreiten
kann, daß sich in den ersteren eben so wohl Gase erzeugen können, als in den lezteren. Die Platten der
Feuerstellen und Feuerzüge der Kessel von niederem Druke erzeugen gewiß ebenso
leicht Gase als die Platten und Feuerzüge der Kessel von hohem Druke; denn die
Kessel von niederem Druke sind höchst wahrscheinlich ebenso dem unglüklichen
Rothglühendwerden ausgesezt, wozu noch kommt, daß diese Kessel eine größere Menge
Gas fassen; dessen ungeachtet kommen an ihnen keine Explosionen vor, die Leben und
Gut zerstören.
Ich glaube nach Beseitigung der auf der Gaserzeugung fußenden Hypothese die Ursachen
der Dampfkesselexplosionen in folgende Classen bringen zu können: 1) beruhen sie auf
der ungeeigneten Form der Kessel: auf einer Form, die den Dampfdruk, welchen der
Maschinist anzuwenden für nöthig hält, nicht auszuhalten vermag. 2) auf einer
Nachlässigkeit des Maschinisten, in deren Folge das Wasser unter den Rüken der
Röhre, die den Rüken der Feuerstelle bildet, sinkt, so daß dieser Theil eine sehr
hohe Temperatur erlangt und mithin bei der durch diese bewirkten Schwächung den mit
dieser Temperatur im Verhältnisse stehenden Druk des Dampfes nicht auszuhalten im
Stande ist. 3) endlich darauf, daß man die durch die Abnüzung des Kessels
entstehende Schwächung nicht gehörig berüksichtigt, und nach ihr den Dampfdruk
ermäßigt.
Die meisten Explosionen dürften übrigens, wie ich besorge, dadurch veranlaßt worden
seyn, daß man mit Dampf von unnöthigem Druke arbeitete. Ich muß, um dieß so
augenscheinlich als möglich zu machen, bemerken, daß die Ingenieurs von Cornwallis
(und ich habe selbst die Ehre, zu diesen zu gehören), bei der praktischen Ausführung
des auf der expansionsweisen Benuzung des Dampfes beruhenden Principes –
eines Principes, dem es die Maschinen von Cornwallis zu verdanken haben, daß sie in
Hinsicht auf Ersparniß an Brennmaterial allen anderen voranstehen – einen
nöthigen Punkt des Expansionsprincipes aus dem Gesichte verloren haben. Sie vergaßen
nämlich den Oeffnungen, durch welche der Dampf aus den Kesseln in die Dampfcylinder
gelangt, eine gehörige Weite oder eine solche Weite zu geben, daß der Dampfzustuß im
Verhältnisse der Belastung der Maschine und des erforderlichen Dampfdrukes Statt
finden kann. Die Folge hievon ist, daß man es für nöthig findet, in dem Kessel Dampf
von weit höherem Druke zu haben, als erforderlich wäre, wenn die von dem Kessel an
den Dampfcylinder führende Oeffnung von gehöriger Größe wäre; d.h. wenn diese
Oeffnung mit der Belastung der Maschine und der Expansion in gehörigem Verhältnisse
stünde. Man hat diesen für die Dampfmaschine so wichtigen Punkt so weit
vernachlässigt, daß man, wie ich mich selbst überzeugte, den Dampf auf einen 70zölligen Kolben
durch eine Oeffnung von nicht mehr dann 7 Zoll eintreten ließ. Da der Flächenraum
des 70zölligen Kolbens beinahe 100 Mal so groß war als der Flächenraum der für den
Eintritt des Dampfes bestimmten Oeffnung, so konnte kaum der dritte Theil eines
Cylinders von dieser Größe innerhalb einer Secunde durch diese kleine Oeffnung
gespeist werden. Ich sage ein Drittheil, weil dieß im Durchschnitte die Distanz ist,
bis auf welche man die Kolben herabsteigen läßt, bevor man den Dampf absperrt, um
den übrigen Theil des Hubes durch die Ausdehnung des Dampfes, den man für das eine
Drittheil dieses Hubes in den Cylinder eintreten ließ, zu bewerkstelligen. Wären die
Dampfröhren und das Dampfventil von gehöriger Größe, so brauchte man in den Kesseln
bei Weitem keinen so hohen Druk. Da nun dieses Uebel in dem Maaße wächst, als die
Belastung der Maschine eine größere ist, so glaube ich, daß in dessen Folge schon
manche Explosionen der heftigsten Art erfolgt sind.
Ich habe allen Grund anzunehmen, daß die dermalen in Cornwallis gebräuchlichen
cylinderförmigen Kessel bei einem Druke von 30 Pfd. auf den Zoll ebenso sicher sind,
als es die alten Kessel von niederem Druke bei jenem Dampfe waren, dessen man sich
in ihnen bediente. Ich habe es mir zum Geseze gemacht, an den unter meiner Leitung
stehenden Kesseln keinen Dampf von hohem Druke anzuwenden, und habe seitdem auch
weder eine Explosion, noch irgend einen ernstlichen Unfall erlitten. Dabei leisten
die Maschinen dennoch im Durchschnitte mehr als sie früher leisteten, abgesehen
davon, daß die Kessel eine bedeutend längere Zeit dauern dürften.
Die Explosion, welche sich unglüklicher Weise vor kurzer Zeit an den Consolidatet
Mines ereignete, ward angeblich dadurch veranlaßt, daß der Maschinist das Wasser zu
tief unter den Rüken der Röhre sinken ließ. Der Grund, den man hiefür angab, war,
daß jener Kessel, den man für den stärksten hielt, durch die Erhizung in solchem
Maaße geschwächt wurde, daß er zum Bersten kam, während die beiden anderen Kessel,
welche man für minder stark hielt, unbeschädigt blieben. Die Kraft, womit
cylinderförmige Kesselröhren einem von Außen auf sie wirkenden Druke widerstehen,
ist ganz verschieden von jener, die sie einem von Innen wirkenden Druke
entgegensezen. In lezterem Falle, wo die von Innen auf die Röhre wirkende Gewalt
dieselbe zu zersprengen strebt, läßt sich die Stärke oder Kraft der Röhre sehr
leicht bemessen; da wo die Gewalt von Außen wirkt, hängt hingegen die Kraft von ganz
anderen Principien ab. Sie ist hier nämlich bedingt durch die Vollkommenheit des
Kreises, den die Röhre auf ihrem Durchschnitte bildet, und durch die Dike der
Platten. Es ist klar,
daß, wenn Dampf, dessen Druk 40 bis 50 Pfd. auf den Quadratzoll beträgt, auf eine
aus halbzölligen Platten bestehende Wölbung von ungefähr 4 Fuß Spannung wirkt, jene
Wölbung, die nicht ganz vollkommen centrirt ist, am ersten einsinken muß; und daß,
wenn eine Röhre irgend eine solche Formveränderung erlitt, daß sie einen
unvollkommneren Bogen bildet, als der nächste längs ihr gelegene Kessel, diese
früher nachgeben muß als die übrigen, selbst wenn man sie dem Aussehen nach für die
stärkste hätte halten müssen. Die unvollkommen cylindrische Röhre ist in dem Maaße
ihrer Unvollkommenheit schwächer, und ihre Neigung zur Explosion wächst in dem
Maaße, als die Temperatur steigt und der Dampfdruk zunimmt, indem die Platten durch
die Hize schwächer und mithin minder geeignet werden, einem gesteigerten Druke zu
widerstehen. Betrachtet man einen aus halbzölligen Platten gebauten Bogen von 4 Fuß
Spannung; denkt man sich ihn mit seinen ganz unvermeidlichen Unvollkommenheiten in
der Form und durch die Hize bedeutend geschwächt einem Druke von 50 Pfd. auf den
Quadratzoll ausgesezt, so wird man sich nicht mehr wundern, wenn er unter diesen
Umständen nachgibt und einsinkt. Auch ist es ganz unmöglich zu sagen, welcher von
den dem äußeren Aussehen nach ganz gleichen Kesseln der stärkste ist. Wenn es auch
möglich wäre, vollkommen cylindrische Röhren, die allerdings die größte Stärke
besizen würden, herzustellen, so würden sie doch kaum diese Form behalten; denn
theils die Ausdehnung und Zusammenziehung, theils der wegen des im Kessel
befindlichen Wassers stärkere Druk auf den Kesselboden, welches Mehr im Vergleiche
mit dem auf den Scheitel wirkenden Druke 3 Pfd. auf den Zoll beträgt, werden früher
oder später die Genauigkeit der Form beeinträchtigen.
Die Unvollkommenheit der Form der Röhren ist in Bezug auf die Fähigkeit, einen von
Innen wirkenden Druk auszuhallen, nicht von so großen Folgen, indem dieser Druk
selbst die Form zu verbessern strebt, während bei dem von Außen wirkenden Druke
gerade das Gegentheil Statt findet.
Die außerordentlichen Erscheinungen und Wirkungen, welche öfter bei den
Kesselexplosionen vorkommen, scheinen mir mit der in dem Ofen oder in der Röhre
enthaltenen Feuermenge und mit der in dem Kessel enthaltenen Wassermenge im
Verhältnisse zu stehen, und auch davon abzuhängen, ob die Röhre einsinkt und das
Wasser unmittelbar in das Feuer einbricht, wodurch Dampf von unberechenbarem Druke
erzeugt wird.
Man hat verschiedene Mittel zur Verhütung der Explosionen angegeben, und darunter
besonderen Werth darauf gelegt, daß dem Maschinisten ein Signal gegeben werden soll, wenn das
Wasser im Kessel zu tief sinkt. Dabei frägt sich aber, ob die an diesen
Vorrichtungen vorkommenden Mängel, und das Vertrauen, welches der Maschinist in sie
sezt, im Laufe einer gewissen Zeit nicht eine größere Zahl von Unglüksfällen
veranlassen, als vielleicht ohne sie vorkommen würden. Die gewöhnlichen Eichhähne
zeigen den Wasserstand im Kessel mit Sicherheit an; vernachlässigt der Maschinist
diese, so möchte ich allen anderen Mitteln keinen besonderen Glauben schenken. Man
hat unmittelbar über dem Feuer bleierne Pfröpfe angebracht, und zwar in der Absicht
damit, wenn der Maschinist das Wasser im Kessel unter den Rüken der Feuerstelle
herabsinken lassen sollte, das Blei in Fluß geräthe und hiedurch den Maschinisten
von der drohenden Gefahr in Kenntniß seze. Diese Maßregel hat jedoch wenig oder gar
keinen Nuzen; denn das Blei erfordert zum Schmelzen eine Temperatur von 610°
F., und schon diese Temperatur schwächt das Eisen in solchem Grade, daß selbst Dampf
von gewöhnlichem Druke die Kessel beschädigen kann, bevor sie noch diese Hize
erlangt haben.
Die dermalen in Cornwallis und einigen anderen Gegenden gebräuchlichen
cylinderförmigen Kessel sind meiner Ansicht nach die wohlfeilsten und zugleich auch
sichersten Dampferzeugungsapparate. Doch darf man nie vergessen, daß kein Kessel,
wie er auch immer gebaut seyn mag, sicher ist und sicher seyn kann, wenn der
Maschinist nicht die gehörige Sorgfalt auf das Wassermaaß verwendet, und wenn die
Ingenieurs nicht den im Verhältnisse zur Stärke der Kessel gebräuchlichen Dampfdruk
reiflich erwägen. Ich kann nicht genug anrathen, bei der Stärke, welche man unseren
Kesseln dermalen zu geben Pflegt, keinen Dampf anzuwenden, dessen Druk über 35 Pfd.
auf den Quadratzoll beträgt, und darauf zu sehen, daß die Oeffnungen, durch welche
der Dampf an den Kolben gelangt, in allen Fällen diesem Druke entsprechen. Ich bin
vollkommen überzeugt, daß bei gehöriger Beachtung dieser Umstände keine so heftigen
Explosionen, wie bisher, mehr vorkommen dürften.