Titel: | Ueber einige Instrumente, welche die Schneideisen und Schraubenbohrer ersezen sollen. Auszug aus einem Berichte, den Hrn. Amédée Durand über den von der Société d'encouragement hierüber ausgeschriebenen Concurs erstattete. |
Fundstelle: | Band 63, Jahrgang 1837, Nr. LXXV., S. 374 |
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LXXV.
Ueber einige Instrumente, welche die Schneideisen
und Schraubenbohrer ersezen sollen. Auszug aus einem Berichte, den Hrn. Amédée Durand uͤber
den von der Société d'encouragement hieruͤber ausgeschriebenen
Concurs erstattete.
Aus dem Bulletin de la Société d'encouragement.
December 1836, S. 446.
Durand, uͤber Schneideisen und Schraubenbohrer.
Die Preisaufgabe, welche die Gesellschaft uͤber den in der Ueberschrift
angedeuteten Gegenstand ausgeschrieben hatte, brachte im vergangenen Jahre 6
Concurrenten in Thaͤtigkeit. Der erste und der dritte konnten keine
Beruͤksichtigung finden, weil sie bloß Zeichnungen vorlegten, waͤhrend
das Programm die Vorlage eines Instrumentes, womit gearbeitet werden kann, forderte.
Der fuͤnfte sandte ein einfaches Schneideisen ein, an welchem er eine bereits
bekannte Vorrichtung angebracht hatte, die wenn sie gleich in manchen Faͤllen
vortreffliche Dienste leistet, doch nicht auf alle im Programm angegebenen
Faͤlle anwendbar ist. Es bleiben daher nur noch die Leistungen dreier
Concurrenten etwas ausfuͤhrlicher zu erwaͤhnen.
Der vierte Concurrent hatte zwei Schneideisen vorgelegt, aͤhnlich denen, die
man in den Stahlwaaren-Handlungen findet: mit dem Unterschiede jedoch, daß er
das eine mit einem und das andere mit zwei Grabsticheln, von denen der eine vor und
der andere hinter dem Instrumente angebracht war, ausgestattet hatte. Diese
Einrichtung, auf die wir spaͤter noch ein Mal zuruͤkkommen werden, hat
ihre Nachtheile, die sich hier in ihrer groͤßten Ausdehnung zeigen. Die
Wangen der gewoͤhnlichen Schneideisen werden naͤmlich, wenn sie auf
diese Weise von einem schneidenden Instrumente begleitet sind, nur mehr das
Geschaͤft von Fuͤhrern vollbringen, welche das wirklich schneidende
Werkzeug nachziehen oder vor sich her treiben. Sie werden also auf der zur Schraube
zu schneidenden Spindel nur eine leichte Furche erzeugen; wenn sie dem schneidenden
Werkzeuge voraus gehen, so werden sie noch uͤber das Schraubengewinde hinaus
eine Spur zuruͤklassen, die viele Stuͤke entstellen und in gewissen
Faͤllen, wo Genauigkeit erforderlich ist, selbst unbrauchbar machen kann, und
folgen sie hinter dem schneidenden Werkzeuge drein, so muß vorher entweder mit einem
gewoͤhnlichen, oder mit einem nach der ersten Art eingerichteten Schneideisen
ein Einschnitt gemacht werden, wo dann durch das den Wangen folgende Schneidwerkzeug
ein Anfang (entrée) geschnitten werden wird, der eine
groͤßere Anzahl von Schraubengewinden enthaͤlt, als die Wangen selbst.
Ist die Schraube auf diese Weise vorgezeichnet, so muß man das Schneideisen
zuruͤkfuͤhren, dessen Wangen anziehen, um sie mit den erhaltenen
Schraubengaͤngen in Beruͤhrung zu bringen, und ferner auch das
Schneidwerkzeug fester anziehen, damit dasselbe genau in die bereits vorgezeichneten
Schraubengaͤnge einpasse. Dieses Verfahren hat den Nachtheil, daß es, indem
es einen eigenen Handgriff noͤthig macht, im Vergleiche mit der
gewoͤhnlich gebraͤuchlichen Methode die Arbeit verzoͤgert. Auch
wiegt das neue Instrument schwerer, als die gewoͤhnlichen Schneideisen von
gleichem Caliber, indem das Gewicht des alten Schneideisens durch die zwei
hinzugefuͤgten Schneidwerkzeuge mit den dazu gehoͤrigen Fassungen
vermehrt wurde.
Der sechste Concurrent hat Schraubenbohrer und Schneideisen vorgelegt. Sein
Schraubenbohrer erfuͤllt in so fern nicht die Bedingungen, welche das
Programm forderte, als er sich nicht auf Loͤcher anwenden laͤßt, die
unter einem Centimeter im Durchmesser haben. Uebrigens liefert er aber, obschon er
im Principe nichts durchaus Neues darbietet, doch einen schoͤnen Beweis,
welche Huͤlfsquellen die Mechanik darbietet, wenn sie auf die Werkzeuge
angewendet wird. Man kann naͤmlich mit diesem Instrumente auf einfache Weise
jede beliebige Quantitaͤt der Substanz wegschneiden und zwar mit
Huͤlfe einer leicht zu schaͤrfenden Schneide.
Was sein Schneideisen betrifft, so kommt dieses, wenn es den gestellten Bedingungen
nicht vollkommen entspricht, ihnen doch wenigstens sehr nahe; ungluͤklicher
Weise fehlt ihm jedoch jene Genauigkeit, ohne die die damit erzielten Fabricate
jenen der aͤlteren Schneideisen nur zu leicht aͤhnlich werden. Das
Instrument beruht auf demselben Principe, wie jenes des vierten Concurrenten und ist
daher auch eines Theiles seiner Maͤngel theilhaftig. Es besteht aus einem mit
schneidenden Grabsticheln verbundenen Schneideisen mit Wangen; allein die Dike
dieser lezteren ist wegen der ihnen oben gemachten Vorwuͤrfe, bis auf zwei
Schraubengaͤnge vermindert; und die Grabstichel vollbringen ihr
Schneidgeschaͤft so leicht, daß deren Gehaͤuse, obschon es aus
Gußeisen besteht, und ungeachtet einer solchen Leichtigkeit, daß das Werkzeug
dadurch nicht schwerer wird als die gewoͤhnlichen Schneideisen von gleichem
Caliber, dennoch hinreichenden Widerstand leistet. Das neue Instrument ist etwas
complicirt, und da es deßhalb einige Gewandtheit erfordert, um dessen Theile in ein
solches Verhaͤltniß zu einander zu bringen, daß die Schraubengaͤnge
gleichfoͤrmig ausfallen, so hat auch dieser Concurrent, als welcher Hr.
Mechaniker Waldeck in Paris auftrat, noch nicht allen
Bedingungen Genuͤge geleistet. In Anerkennung seiner Leistungen ertheilt ihm
die Gesellschaft jedoch eine Medaille im Werthe von 300 Franken.
Der zweite Concurrent hat ein Instrument, welches die Schraubenbohrer ersezen soll,
und Fabricate, die er damit erzeugte, vorgelegt. Dieser Apparat leistet
Folgendes:
1) er schneidet das Material mehr, als daß er es aufstaucht;
2) man kann mit ihm auf ein Mal eben so gut Schraubengaͤnge von dreiekigem als
von vierekigem Durchschnitte schneiden;
3) er arbeitet in Loͤchern, die nicht uͤber einen Centimeter im
Durchmesser haben, und kann selbst Loͤcher vom kleinsten Durchmesser
ausschrauben;
4) er arbeitet in Loͤchern, welche nicht ganz durch die Stuͤke, in
denen sie angebracht sind, gehen;
5) er schneidet in dieser Art von Loͤchern in jeder Tiefe die
gewuͤnschten Schraubengaͤnge, wobei das Schraubengewinde
uͤberall einen und denselben Durchmesser beibehaͤlt;
6) er laͤßt sich bequem und wenigstens mit derselben Geschwindigkeit, wie die
gewoͤhnlichen Schraubenbohrer handhaben; er erfordert von Seite des Arbeiters
einen geringeren Grad von Geschiklichkeit, laͤßt sich jedoch nicht mit
gleicher Leichtigkeit an allen Stuͤken anwenden;
7) er ist einfach und leicht und wohlfeiler zu unterhalten, als die ganze Reihe von
Schraubenbohrern, deren man gegenwaͤrtig bedarf; er erzeugt ganz allein das
verlangte Schraubengewinde, so daß es demnach nicht noͤthig ist, die
verschiedenen zu einer Reihe gehoͤrigen Schraubenbohrer mit einander in
Einklang zu bringen;
8) er kommt nicht theuerer, als eine Reihe von Schraubenbohrern, die in einem Loche
von aͤhnlichem Durchmesser arbeiten.
Dieses Instrument, welches den ihm eigenen und hoͤchst schaͤzbaren
Vortheil gewaͤhrt, daß es die Schraubenbohrung in einer mit dem Loche streng
concentrischen Richtung beginnt, und sie immer senkrecht gegen die
Oberflaͤche, in der dieß Loch angebracht ist, erhaͤlt, besteht aus
einem gewoͤhnlichen Schraubenbohrer, der durch 5 bis 6 Schraubengaͤnge
hindurch der Laͤnge nach zur Haͤlfte weggeschnitten, an dem oberen
Theile aber ganz gelassen ist. Eine Dille, die mit einem dikeren Absaze, auf welchem
sie genau senkrecht steht, versehen und innen ausgeschraubt ist, dient als
Fuͤhrer fuͤr den Schraubenbohrer. Wird diese Dille auf irgend eine
Weise und unwandelbar so befestigt, daß deren Achse eine Verlaͤngerung der
Achse des Loches
bildet, so braucht man den Schraubenbohrer nur mehr mit Huͤlfe der
gewoͤhnlichen Mittel und unter Befolgung der gewoͤhnlichen
Vorsichtsmaßregeln zu drehen, um ihn mit Gewalt einzutreiben und um auf einen Gang
die gewuͤnschten Schraubenwindungen zu erzeugen. Der Concurrent hat diese
Methode den Schraubenbohrer zu dirigiren schon fruͤher der Gesellschaft
vorgelegt, und es ward befunden worden, daß man nach ihr mit Genauigkeit und ohne
alles Herumtappen jenen Punkt des Umfanges der Muͤndung des Loches bestimmen
kann, an welchem die Schnekenwindung der Schraube auszulaufen hat. Diese Eigenschaft
duͤrfte nicht nur bei mathematisch genauen, sondern auch bei vielen
gewoͤhnlichen Arbeiten sehr wichtige Anwendung finden.
Das Instrument entspricht demnach beinahe allen im Programm geforderten Bedingungen;
allein es schneidet nicht ganz mit der verlangten Leichtigkeit und Freiheit. Es kann
allerdings in sehr vielen Faͤllen mit ausgesprochenem Vortheile die
Schraubenbohrer ersezen; allein es gibt auch mehrere Faͤlle, in denen es
nicht so leicht angewendet werden kann. Als Beispiel hiefuͤr moͤgen
jene Loͤcher dienen, die von einer zu kleinen Oberflaͤche umgeben
sind, als daß der Fuͤhrer des Schraubenbohrers mit gehoͤriger
Festigkeit darauf angebracht werden koͤnnte. Sehr schwierig wird dessen
Anwendung ferner auch an Stuͤken, die zu groß sind, als daß sich der
Fuͤhrer mit Huͤlfe eines Schraubstokes, einer Presse, oder irgend
einer anderen Vorrichtung schnell daran befestigen ließe. Ebendieß gilt von jenen
Loͤchern, die nicht senkrecht auf der Oberflaͤche stehen, in die sie
eindringen. Man kann daher sagen, daß, obwohl dieß Instrument in Hinsicht auf
Genauigkeit und in einer großen Anzahl von Faͤllen mehr leistet, als die
Preisaufgabe forderte, noch immer kein Instrument ausgemittelt ist, welches die
gegenwaͤrtig gebraͤuchlichen Reihen von Schraubenbohrern entbehrlich
macht. Da es jedoch keinem Zweifel unterliegt, daß der Concurrent sich ein Recht auf
den Dank der Gesellschaft erworben hat, so ertheilt diese ihm in der Person des Hrn.
Lenseigne, Ingenieurs und Mechanikers in Paris eine
Medaille im Werthe von 500 Fr.