Titel: | Ueber die Baumwollwaaren-Fabrication in Frankreich. |
Fundstelle: | Band 61, Jahrgang 1836, Nr. XLVI., S. 226 |
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XLVI.
Ueber die Baumwollwaaren-Fabrication in
Frankreich.
(Fortsezung von Bd. LXI. S. 152.)
Ueber die Baumwollwaaren-Fabrication in
Frankreich.
5. Auszuͤge aus den Aussagen
des Hrn. Abiet, Abgeordneten der Tullfabrikanten von Douai.
Douai besizt 22 Etablissements, worunter drei große mit Dampf betrieben, und 96
Tullstuͤhle, welche 800–900 Arbeiter beschaͤftigen. Die
Weber verdienen 2 Fr. des Tages; die Weiber und Kinder eines ins andere genommen
woͤchentlich 4 Fr. Das in dem Materiale stekende Capital mag gegen
800,000 Fr. betragen. Die Fabrik, welche ich repraͤsentire, zaͤhlt
25 Stuͤhle, hat ein liegendes Capital von 200,000 Fr., und arbeitet mit
einem Betriebscapitale von 52,000 Fr. Der Gewinn wurde bisher auf Ankauf und
Vervollkommnung der Maschinen verwendet. Anfangs mußten wir selbst Arbeiter aus
England kommen lassen; gegenwaͤrtig aber arbeiten unsere Leute so gut wie
die Englaͤnder. Wir wenden auch bereits die neuesten von den
Englaͤndern gemachten Erfindungen an. Aus den neuen und alten Maschinen
einen Durchschnitt genommen, zahlen wir 15 und die Englaͤnder 10 Cent.
Arbeitslohn; im Ganzen sind die Englaͤnder bei ihren Gestehungspreisen um
58 1/2 Proc. gegen uns im Vortheile.
Der Herabsezung des Einfuhrzolles der Gespinnste ungeachtet wird die
Tullfabrication, indem der Zoll immer noch zu hoch ist, groͤßten Theils
mit geschmuggeltem Gespinnste betrieben; und wenn auch kuͤrzlich eine
bedeutende Menge davon verzollt wurde, so geschah dieß lediglich wegen Mangel an
Vorrath, da die Schmuggelei in Erwartung der Aufhebung des Zolles unterblieben
war.
Die Fabrication ist gegenwaͤrtig bei uns im Stoken, denn viele
Stuͤhle stehen still. Die Ursache davon scheint eine in England
eingetretene Krise zu seyn, in deren Folge die Englaͤnder ihre Fabricate
nach Frankreich warfen, und sie unter dem Fabrikpreise verkaufen. Von unserem
Fabricate geht beinahe nichts ins Ausland; nur nach Spanien geht eine geringe
Menge, da wir den Tull unserer Graͤnzverhaͤltnisse wegen leichter
schmuggeln koͤnnen, als dieß den Englaͤndern uͤber
Gibraltar moͤglich ist. Dieß wird aber nunmehr ebenfalls
aufhoͤren, da den Englaͤndern der Transito durch Frankreich
gestattet ist.
Was das Verbot der fremden Tulle betrifft, so glaube ich, daß sich dasselbe durch
keinen Schuzzoll ersezen laͤßt, indem sich ein solcher nicht wohl bestimmen laͤßt,
und indem er immer leichter umgangen wird, als ein gaͤnzliches Verbot.
Sollte man ja auf Aufhebung des Verbotes bestehen, so duͤrfte dieß erst
nach einigen Jahren, waͤhrend welcher man den Fabrikanten Zeit
vergoͤnnt sich unter gaͤnzlicher Abschaffung des Zolles der
Gespinnste zu erholen, geschehen.
6. Auszuͤge aus den Aussagen
des Hrn. Leblond, Abgeordneten der Tullfabrikanten vom Calvados.
Vor 18 Monaten hatten wir, wenn unser Zustand auch kein glaͤnzender war,
doch einigen Ertrag bei unserer Fabrication. Gegenwaͤrtig haben sich die
Fabriken vermehrt, die Maschinen wurden erweitert, und doch befinden wir uns in
einem weit traurigeren Zustande als je vorher. Unser Fortschreiten in den
Maschinerien ist kein Zeichen unserer Wohlfahrt; die Nothwendigkeit allein, und
der Drang uns neben unseren Rivalen, die in einer Krise begriffen uns mit den
wohlfeilsten Fabricaten uͤberschwemmen, aufrecht zu erhalten, zwang uns
hiezu. Fruͤher befanden wir uns besser, weil die Englaͤnder damals
so viele Absazwege hatten, daß sie sich um uns gar nicht kuͤmmerten;
gegenwaͤrtig ist dieß aber ganz anders, und die Englaͤnder schaden
nur um so mehr, als ihre Fabriken in groͤßerem Maaßstabe eingerichtet,
und ihre Methoden immer noch vollkommener sind, als sie einen weit wohlfeileren
Rohstoff verarbeiten, und als sie auch noch andere bekannte Vortheile vor uns,
voraus haben. Die gegenwaͤrtige englische Krise ist nur ein
voruͤbergehendes Uebel fuͤr uns; unser Schaden liegt tiefer und
wird so lange waͤhren, als wir mit einem Rohstoffe arbeiten
muͤssen, der uns um 40 Proc. hoͤher kommt, als den
Englaͤndern. Ich weiß wohl, daß man den Tullfabrikanten, welche freie
Einfuhr des Baumwollgespinnstes verlangen, vorwirft, daß sie nur ihr Interesse
allein beruͤksichtigen und dagegen jenes der Spinnereien zum Opfer
gebracht wissen wollen. Allein, wenn die Spinnereien unter der
20jaͤhrigen Gunst des Einfuhrverbotes nicht jene Fortschritte machen
konnten, deren sie faͤhig sind, so duͤrfte das Verbot nicht
laͤnger mehr als ein wirksames Mittel sie zu heben, sondern als ein den
Tullfabrikanten zur Last fallender Mißbrauch zu betrachten seyn.
Der Verbrauch an Tull hat sich in den lezten Jahren, wo ich ihn in einer von mir
herausgegebenen Schrift auf 24 Mill. Fr. anschlug, nicht vermindert; wohl aber
ist er von der reicheren auf die mittlere Classe uͤbergegangen. Von
diesem Verbrauche liefert die inlaͤndische Fabrication nur den dritten
Theil! Die Tullfabrication hat in Frankreich bestaͤndig Fortschritte
gemacht und ist den Englaͤndern auf dem Fuße gefolgt; die Spinnerei
hingegen blieb zuruͤk, weßhalb wir denn auch immer schlechten Tull
erzeugten, so lange wir franzoͤsisches Gespinnst verarbeiteten. Wir
ließen unsere Maschinenmodelle aus England kommen in der Hoffnung, daß uns
unsere Spinnereien eben so gute Gespinnste liefern wuͤrden, als die
englischen. Da diese Hoffnung jedoch getaͤuscht ward, so hindere man uns
nicht, das, was wir in Frankreich nicht haben koͤnnen, um denselben Preis
zu kaufen, um den es unsere Concurrenten bezahlen. Die Inferioritaͤt der
franzoͤsischen Spinnereien ruͤhrt nicht, wie einige glaubten, von
dem Zustande der Luft her, denn man koͤnnte auch in den unserigen
dieselbe Waͤrme und Feuchtigkeit unterhalten, die man in den englischen
findet; der Grund liegt vielmehr hauptsaͤchlich darin, daß die Franzosen
sich ihrer Bemuͤhungen und Agenten ungeachtet keine so gute Baumwolle
verschaffen koͤnnen, als die Englaͤnder.
Die Tullfabrication hat in Frankreich große Opfer gebracht; sie hat ungeheure
Summen auf Anschaffung und Verbesserungen der Maschinen verwendet; der
groͤßte Theil ihres Capitales stekt noch in den Maschinen, und noch sind
ihre Vorausgaben nicht gedekt. Wir liefern gegenwaͤrtig fuͤr 15
Cent, was ehemals 3 Fr. kostete, und schon ist zu fuͤrchten, daß diese
außerordentliche Erniedrigung der Preise dem Verbrauche nachtheilig werde. Will
man den Zoll der Feingespinnste, der ohnedieß schon durch den Schmuggelhandel
großen Theils umgangen wird, beibehalten, so vernichtet man ein auf Maschinen
gelegtes Capital von 10–12 Mill. Fr., und ruinirt einen Industriezweig,
der jaͤhrlich fuͤr 8–10 Mill. gute Fabricate lieferte, und
es in Kuͤrze auf 24 Mill. bringen koͤnnte. Hat irgend ein anderer
Industriezweig innerhalb so weniger Jahre durch sich allein, ungeachtet ihm der
Rohstoff haͤufig weggenommen worden, und ungeachtet nicht selten seine
besten Fabricate fuͤr fremde Erzeugnisse gehalten und confiscirt wurden,
so große Fortschritte gemacht als der unserige?
Meine Ueberzeugung ist daher: daß die Tullfabrication in Frankreich nicht
bestehen kann, ausgenommen man laͤßt sie ihren Bedarf an Rohstoff frei
einfuͤhren, und gewaͤhrt ihr zugleich noch 5 Jahre lang den Schuz
des Verbotes fremder Waare. Nach dieser Zeit wird man das Verbot durch einen
Schuzzoll ersezen koͤnnen, der nicht zu gering, aber auch nicht so hoch
seyn duͤrste, daß er zur Schmuggelei anreizt. Mittlerweile verdopple man
die Aufsicht an der Graͤnze; denn die so haͤufig erfolgende
Wegnahme fremden Tulls in Paris beweist nur die schlechte Aufsicht an her
Graͤnze, in deren unmittelbarer Nachbarschaft man auch keine Tullfabriken
dulden soll, indem hiedurch die Schmuggelei beguͤnstigt wird.
7. Auszuͤge aus den Aussagen
des Hrn. Wickham, Tullfabrikanten von Douai.
Douai verarbeitet mit einem Aufwande von jaͤhrlich 750,000 Fr.
woͤchentlich 600 Pfd. gedrehtes Baumwollgarn. Die Fabrication steht noch
nicht auf derselben Stufe, wie die englische, welche um 12 Jahre aͤlter
ist, und der mithin auch geuͤbtere Arbeiter zu Gebot stehen. Ich bin
selbst Englaͤnder und seit 5 Jahren zu Douai etablirt. Innerhalb dieser
Zeit sind die Preise so gesunken, daß wir gegenwaͤrtig im Herbste 1834
fuͤr 9 Franken verkaufen, wofuͤr wir im Jahre 1829 noch 25 Fr.
erzielten. Wir arbeiten gegenwaͤrtig mit Verlust, und die Ursache hievon
ist das Sinken der Preise in England und die Schmuggelei. Die Englaͤnder
verkaufen gleichfalls mit Verlust, denn sie hatten zu viel erzeugt; sie erleiden
aber lieber ihren Verlust in Frankreich, als in England, indem, dann die Waare
auf dem inlaͤndischen Markte nicht so sehr an Werth verliert, und indem
der Credit der Fabrikanten weniger Schaden darunter leidet. Wir in Frankreich
arbeiten dermalen nur noch in der Hoffnung die feinen Wollengespinnste
freigegeben zu sehen; sollte diese Hoffnung getaͤuscht werden, so
muͤßten wir zu arbeiten aufhoͤren. Eine Herabsezung des Zolles um
die Haͤlfte nuͤzt uns nichts; denn die Englinder werden uns auch
bei, dieser noch so lange druͤken, bis unsere Fabriken unterliegen
muͤssen. Die gaͤnzliche Befreiung der Feingespinnste von allen Zoͤllen ist
das einzige Mittel unsere Fabrication zu erhalten, die Schmuggelei zu
verhuͤten, und uns in Stand zu sezen, in einigen Jahren bei einem
maͤßigen Schuzzoll mit England concurriren zu koͤnnen, obwohl wir
auch dann immer noch den in diesem Lande oͤfters eintretenden Krisen
ausgesezt seyn werden. Die Hauptursache fuͤr den englischen Fabrikanten
ist bei diesen Krisen sich schnell Geld zu verschaffen; und dieß kann er bei
Aufhebung des Einfuhrverbotes in wenigen Tagen ohne seinem Credit in der Heimath
dabei zu schaden.
Ich verfertige meine Stuͤhle selbst, da ich 10 Jahre in England war, und
ganz damit vertraut bin. Ein nach dem besten Systeme gebauter Tullstuhl kommt in
Frankreich auf 10,000 Fr.; freilich gibt es aber auch viel kleinere, welche nur
3–6000 Fr. kosten. Meine Stuͤhle werden mit Dampf getrieben; denn
ich baute mir in der Hoffnung die Gespinnste freigegeben zu sehen, ein
Gebaͤude fuͤr 35 Stuͤhle und eine Dampfmaschine, die sie in
Bewegung sezen sollte. Das Eisen betraͤgt ungefaͤhr den 20sten
Theil der Kosten eines Stuhles. Das Brennmaterial kommt mir drei Mal theurer als
in England.
Der rohe Tull laͤßt sich, wenn er aus franzoͤsischem Garn erzeugt
worden, von dem englischen Fabricate allerdings unterscheiden; nahm der
franzoͤsische Fabricant hingegen englisches Garn, so ist keine
Unterscheidung moͤglich. Ich wuͤrde daher zur Verhuͤtung
und Entdekung von Schmuggelei rathen, daß jeder franzoͤsische Fabrikant
gehalten werde, in ein Mauthregister die Nummern, Breite und Qualitaͤt
seiner Tullstuͤhle einschreiben zu lassen, indem man dann die Etiquette
eines jeden fuͤr geschmuggelt gehaltenen Stuͤkes mit diesem
Register vergleichen koͤnnte. Auch muß ich bemerken, daß die zur
Beurtheilung der von der Mauth ergriffenen Tuͤlle bestimmten Leute nicht
hinreichend mit den in Frankreich und England uͤblichen Details beim
Zusammenlegen, Appretiren, Ellen etc. bekannt sind, und daß hieraus mancher
Mißgriff erwaͤchst.
§. 3. Fabrication roher und
weißer Baumwollgewebe.
1. Auszuͤge aus den Aussagen
des Hrn. Roman von Wesserling.
Elsaß zaͤhlt nur wenige große Webereien, indem sich deren Anzahl mit
Einschluß der unserigen auf 5–6 beschraͤnkt; dagegen ist dieses
Gewerbe auf dem Lande sehr verbreitet, so daß der Landmann die Zeit,
waͤhrend welcher die Feldarbeiten seine Kraͤfte nicht in Anspruch
nehmen, groͤßten Theils am Webstuhle arbeitet. Der Erfahrung
gemaͤß liefert ein Handwebstuhl jaͤhrlich 25 Stuͤke, wozu
100 Kilogr. Baumwolle erforderlich. Im Durchschnitt arbeiten 58–60,000
Stuͤhle, worunter 4000 mechanische. Die Gesammtproduction laͤßt
sich auf 1,800,000 bis 2 Mill. Stuͤke feiner und gemeiner Calicos,
Musseline und mehrfarbiger Gewebe anschlagen, welche das Stuͤk zu 40 Fr.
gerechnet, einen Werth von beilaͤufig 80 Mill. Fr. repraͤsentiren.
In Gebaͤuden, Maschinen und Apparaten mag ein Capital von 45–50
Mill. Fr. steken, welches jedoch bereits bis auf 30 Mill. Fr. geloͤscht
seyn duͤrste. Wir selbst wendeten uͤber 6 Mill. Fr. auf unser
Etablissement, welches gegenwaͤrtig nur auf 1,600,000 Fr.
geschaͤzt wird. Direct beschaͤftigt die Weberei gegen 7000
Individuen jeden Geschlechtes und Alters; die Bleicherei 12–15,000. Bei
der Calicoweberei verdient ein Arbeiter taͤglich bei emsiger Arbeit 60 Cent. bis 1 Fr.
25 Cent.; bei feineren Stoffen 1 Fr. 25 Cent, bis 2 Fr. 50 Cent.; die Arbeiter
an den mechanischen Stuͤhlen verdienen in allen Qualitaͤten etwas
mehr. Kinder verdienen 25–50 Cent. des Tages. Ein Bleicher arbeitete sich
taͤglich auf 1 Fr. 40 Cent. bis 1 Fr. 60 Cent. Die Zahl der
Arbeitsstunden belaͤuft sich auf 13. Die Weber arbeiten nach dem Gedinge,
und da sie meistens ruhig und ordentlich sind, so machen sie des geringen Lohnes
ungeachtet kleine Ersparnisse, welche sie großen Theils in den Sparkassen
anlegen. In den meisten Fabriken laͤßt man die Kinder zur Schule gehen.
Die Stuͤhle auf dem Lande gehoͤren theils groͤßeren
Unternehmern, theils den Arbeitern selbst.
Was die Maschinen und die Verbesserungen an denselben betrifft, so folgen wir den
Englaͤndern hierin auf dem Fuße; allein wenn bei unseren zahlreichen
Verbindungen mit England beinahe jede neue Maschine auch schon im ersten Jahre
ihres Bekanntwerdens auch zu uns verpflanzt wird, so ist es doch immer
vortheilhafter der erste zu seyn. In England wird beinahe Alles mit Maschinen
gesponnen, und dahin muß es auch bei uns kommen; wir im Elsaß werden
gegenwaͤrtig nur dadurch zuruͤkgehalten, daß wir fuͤrchten,
zu viele Haͤnde unbeschaͤftigt zu lassen. Die wenigen mechanischen
Webereien, die wir besizen, und welche wie gesagt beilaͤufig mit 4000
Stuͤhlen arbeiten, sind in Hinsicht auf Qualitaͤt und Wohlfeilheit
der Waare im Vortheile, obschon die Arbeiter in ihnen mehr verdienen, als die
Handweber.
In Hinsicht auf die Aufhebung des Einfuhrverbotes muß ich beweisen, daß nur das
bisher befolgte System im allgemeinen Interesse der Industrie eingefuͤhrt
worden zu seyn scheint, und daß sich dasselbe durch die großen Fortschritte, die
es hervorrief, auch als vollkommen geeignet bewaͤhrte. Wir sind aber noch
nicht so weit gediehen, daß wir die fremde Concurrenz aushalten koͤnnten,
ausgenommen bei einem Schuzzolle, der einem gaͤnzlichen Verbote
gleichkommt. Ließe man die fremden Fabrikate auf unseren eigenen Maͤrkten
mit den unserigen concurriren, so kann man sicher voraussagen, daß sowohl in
Hinsicht auf Beschaͤftigung unserer Bevoͤlkerung, als in Hinsicht
auf unsere socialen Verhaͤltnisse eine hoͤchst nachtheilige
Stoͤrung eintreten wuͤrde. Muͤßten diese Vortheile durch zu
große Opfer von Seite der Consumenten erkauft werden, gewiß ich wuͤrde
nicht so sehr fuͤr das Einfuhrverbot seyn; die Preislisten beweisen aber,
daß wir die groͤßten Anstrengungen machten, um die Preise unserer
Fabricate immer niedriger stellen zu koͤnnen. Ein Industriezweig, der
fuͤr 600 Mill. Fr. im Werthe producirt, darf und kann unmoͤglich
beeintraͤchtigt werden, ohne daß auch alle uͤbrigen Gewerbe
darunter leiden. Man sagt England habe die Einfuhr gegen einen Zoll freigegeben;
aber wann that es dieß? Nachdem es unter dem Prohibitivsysteme und lediglich
durch dieses im eigenen Hause unangreifbar wurde, und nachdem es also ohne alle
eigene Gefahr andere Nationen durch Aufgebung seines Systemes verblenden und zu
gleichen Maßregeln verleiten zu muͤssen glaubte. Da die Englaͤnder
in weit groͤßeren Massen fabriciren, als wir, so ist es uns auch schon
deßhalb unmoͤglich mit ihnen zu concurriren. Ich kenne eine Fabrik in
England, welche allein die Haͤlfte so viel in Baumwolle fabricirt, wie
ganz Elsaß; unsere groͤßte Fabrik erzeugt gegenwaͤrtig nur 60,000
Stuͤke; in England gibt es welche, die bis zu einer Million erzeugen, und
die es bei ihrer Zunahme selbst auf 1 1/2 Mill. bringen duͤrften. Wie leicht
muͤßte es unter eintretenden Finanzkrisen diesen großen Fabriken werden,
uns zu uͤberschwemmen und zu erbruͤten, besonders unsere
zahlreichen kleinen Fabriken, die wohl im Auslande eine leichte Concurrenz
aushalten koͤnnen, nicht aber auf dem eigenen Markte. Die Gefahr solcher
Krisen wird um so groͤßer, da bei der Baumwollwaarenfabrication die
Ankaͤufe und Verproviantirungen fuͤr jede Saison
gewoͤhnlich ein halbes Jahr voraus Statt finden. Gesezt aber, man wollte
statt des Verbotes einen Schuzzoll einfuͤhren, so wuͤrde auch hier
ein zu hoher Zoll umgangen werden, waͤhrend ein zu niedriger nicht genug
schuͤzend waͤre. Die englischen Calicos kommen in der Schweiz auf
75 Cent. die Elle; gleiche Waare gilt in Frankreich 85–95 Cent.; die Elle
kommt also bei uns um 3–8 Sous theurer, und dieß macht fuͤr ein
Frauenzimmerkleid einen Unterschied von 75 Cent. bis zu 2 Fr., was wohl kaum ein
solches Wagniß werth seyn duͤrfte.
Der Zoll, wenn man je einen solchen einfuͤhren wollte, koͤnnte nach
dreierlei Grundlagen bestimmt werden, naͤmlich nach dem Gewichte, nach
der Deklaration des Versenders mit dem Verkaufsrechte, und nach Kategorien. Das
Gewicht kann bei der großen Verschiedenheit der Qualitaͤt nicht als
Maaßstab gelten; und da die Declarationen zu wenig Garantien darbieten, selbst
wenn der Mauth das Verkaufsrecht zusteht, so blieben nichts als Kategorien
uͤber, und als Schuz fuͤr die wohlfeileren Fabricate die
Festsezung eines Minimums.
Schließlich bemerke ich noch, daß sich das System der unbeschraͤnkten
Handelsfreiheit sehr wohl bei einem commerciellen Congresse saͤmmtlicher
Nationen geltend machen ließe, keineswegs aber einzeln auf Frankreich angewendet
und ohne allgemeine Ausgleichung. Wir wuͤrden sonst das Beispiel von
England befolgen, ohne uns in derselben Lage wie dieses Land zu befinden, und
ohne von den uͤbrigen Staaten, namentlich von den dem deutschen
Handelsvereine angehoͤrigen eine guͤnstigere Behandlung erwarten
zu duͤrfen.
2. Auszuͤge aus den Aussagen
des Hrn. Nicol. Koͤchlin von Muͤlhausen.
Die Baumwollweberei, obschon an und fuͤr sich nicht sehr
eintraͤglich und lange Zeit nur von einzeln zerstreuten Webern betrieben,
verbreitete sich bei der Leichtigkeit des Absazes der Fabricate dennoch sehr
rasch. Diese Leichtigkeit war aber auch Ursache, warum dieser Industriezweig
waͤhrend der ersten 40 Jahre seines Bestehens in Frankreich nicht sehr
vervollkommnet wurde, bis endlich die Einfuͤhrung der Maschinenspinnerei
den gluͤklichsten Einfluß auf ihn uͤbte. Eine neue Epoche
fuͤr die Weberei begann jedoch erst mit der Einfuͤhrung des
mechanischen Schlichtens und Webens, wodurch in England bereits eine vollkommene
Umwandlung der Fabrication bewirkt wurde. In Frankreich findet die allgemeine
Einfuͤhrung der mechanischen Webstuͤhle, die sich
hauptsaͤchlich zur Erzeugung der Calicos eignen, waͤhrend feine
und Modewaaren besser mit der Hand gewebt werden, uͤbrigens noch immer
Hindernisse, welche hauptsaͤchlich im Mangel an großen Capitalien und in
dem niedrigen Arbeitslohn gelegen sind.
Von der Fabrication im Elsaß als Basis ausgegangen ergibt sich, daß zum Verweben
der 34 Mill. Kilogr. Baumwollgespinnst, welche jaͤhrlich in Frankreich
erzeugt werden, 270,000 Webestuͤhle erforderlich sind, die zusammen 325,000
Arbeiter beschaͤftigen, deren Taglohn im Durchschnitte zu 75 Cent.
angeschlagen werden kann.
Die Weber sind im Allgemeinen schlecht bezahlt, was hauptsaͤchlich davon
herruͤhrt, daß ihre Stuͤhle bis in die Strohhuͤtten auf dem
Lande verbreitet, oder in Doͤrfern, wo der Arbeiter bald auf dem Felde,
bald am Stuhle arbeitet, in kleine Webereien uͤbergegangen.
Der Unterschied zwischen dem Preise der Façon des Webens und dem
Verkaufspreise ist im Vergleiche mit dem Werthe des Baumwollgespinnstes, der
wenigstens 2/3 des lezteren ausmacht, sehr unbedeutend. Ich erhielt z.B. dieser
Tage aus der Schweiz, die immer mit England mit Vortheil concurrirte, folgende
Berechnung der Kosten eines Stuͤkes von 50 Ellen (welches spaͤter
in zwei Theile getheilt wird), von 3/4 Breite und 75 Tragen oder 750
Kettenfaden.
Baumwollgespinnst nach dem laufenden
Preise
29 Fr.
55 Cent.
Preis der Façon an den
Weber
7 –
20 –
Façon der Kette und Sieden des
zur Kette bestimmten Garns
1 –
08 –
Holz, Schlichte und verschiedene
Kosten
0 –
60 –
Reparaturen und Interessen
0 –
75 –
––––––––––––
39 Fr.
18 Cent.
Die Elle kam daher in der Schweiz auf 78 Cent., und zwar bei derselben
Qualitaͤt, die man gegenwaͤrtig zu 80 Cent. im Elsaß verkauft, mit
Einschluß des Gewinnes bei dem Gespinnste. Zwischen dem Gestehungspreise in der
Schweiz und dem Verkaufspreise im Elsaß findet also gegenwaͤrtig (1834),
wo die Geschaͤfte sehr gut gehen, nur ein Unterschied von 15 Proc. Statt.
Mit dem Gespinnste, welches unser Haus zu Loͤrrach dermalen aus der
Schweiz und aus England bezieht, kommen ihm seine weißen Calicos von erster
Elsaßer Qualitaͤt auf 87 1/2 Cent. die Elle zu stehen; dieselbe
Qualitaͤt wird zu Muͤlhausen zu 1 Fr. verkauft. Dasselbe Haus
kaufte vor wenigen Wochen zu Muͤlhausen Musseline zum Druke zu 1 Fr. 41
Cent. die Elle, welche ihm zu St. Gallen nur von etwas niedrigerer
Qualitaͤt zu 1 Fr. 30 Cent. geboten worden.
Die Façon wird gewoͤhnlich per Stuͤk berechnet; da jedoch
das Stuͤk in der Schweiz 58, in Frankreich 34 und in England 24 Ellen
hat, so muß die Façon bei gleicher Qualitaͤt per Elle verglichen
werden. Nach meinen Berechnungen betraͤgt sie bei Calico von der oben
angegebenen Qualitaͤt in Elsaß 22, in Manchester 22Es scheint sich hier ein Drukfehler in diese Angabe eingeschlichen zu
haben, den wir jedoch in keinem der Journale, in welche Hrn. Koͤchlins Aussagen uͤbergingen,
verbessert fanden. A. d. R. und in der Schweiz 19 Cent. per Elle. Der geringe Unterschied des
englischen Preises ruͤhrt davon her, daß in England mit Maschinen gewebt
wird, und daß der Arbeiter daselbst drei Mal mehr verdient als in Elsaß.
Das Elsaßer Fabrikat besteht groͤßten Theils aus einem zum Druke
bestimmten Calico, von dem nur in hoͤchst seltenen Faͤllen nach
der Schweiz ausgefuͤhrt wird. Die fuͤr den Bedarf Frankreichs
bestimmten Qualitaͤten eignen sich weder fuͤr England, noch
uͤberhaupt zur Ausfuhr; was fuͤr die Ausfuhr bestimmt
waͤre, muͤßte eigens erzeugt werden, und erforderte in den
Werkzeugen und selbst in den Webestuͤhlen Modificationen.
Diese Unannehmlichkeit verhindert andererseits, daß der Ueberschuß des
englischen, nicht fuͤr Frankreich bestimmten Fabrikates nicht zu unserem
Nachtheile zu uns gebracht werden kann, weil es unseren Consumenten nicht
zusagen wuͤrde.
Die farbigen Stoffe, welche zu St. Marie gewebt werden, sind dagegen Beinahe ganz
zur Ausfuhr, und zwar nach den Colonien bestimmt. Diese Fabrication leidet
jedoch gegenwaͤrtig wegen der hohen Preise der Gespinnste bedeutend,
woher es denn auch kommt, daß von 18 Fabrikanten dieses Ortes sich 16
fuͤr Aufhebung des Einfuhrverbotes der Gewebe erklaͤrten, wenn man
vorher das Verbot der fremden Gespinnste aufheben wollte.
Ich wuͤrde fuͤr die Zukunft folgende Maßregeln vorschlagen: 1) die
Baumwollgespinnste sollen gegen einen Zoll von hoͤchstens 25 Proc.
zugelassen werden; 2) die Zulassung der Gewebe soll ein Jahr nach jener der
Gespinnste eintreten; 3) der auf die fremden Gewebe gelegte Zoll soll 25 Proc.
betragen, und dann von Jahr zu Jahr um ein Proc. herabsinken, bis er nach 10
Jahren nur mehr 15 Proc. betraͤgt; 4) der Zoll soll nach dem Gewichte und
zugleich nach dem mittleren Preise der Artikel in Frankreich, also nach
Kategorien erhoben werden, und zwar von dem Ausschusse eben so hoch, wie von den
couranten Artikeln; die Handelskammern haͤtten die verschiedenen
Kategorien festzusezen; 5) bei der Verzollung der Waaren sollen Marken, eine
Ordnungsnummer und der Name des Mauthbureau's beigesezt werden; zugleich sollen
aber die Kaufleute gehalten seyn die Zeuge immer nur an dem einen Ende
abzuschneiden, damit das andere Ende stets mit der Marke versehen bleibt; 6)
endlich soll der Mauth die Visitation und die Wegnahme im Innern vorbehalten
bleiben.
(Fortsezung folgt.)