Titel: | Ueber die Seidenraupenzucht und deren Erträgnisse. Von Hrn. Henri Bourdon. |
Fundstelle: | Band 61, Jahrgang 1836, Nr. X., S. 41 |
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X.
Ueber die Seidenraupenzucht und deren
Ertraͤgnisse. Von Hrn. Henri
Bourdon.Diese Abhandlung bildet einen trefflichen Anhang zu dem vorhergehenden und dem
bereits fruͤher mitgetheilten Aufsaze d'Arcet's. Wir empfehlen dieselbe um so mehr, als man bei uns noch zu
wenig durch numerische Daten nachgewiesen hat, welche financiellen Vortheile die
Seidenzucht gewaͤhrt; und als die gegenwaͤrtig gelieferten
Berechnungen aus Erfahrungen abgeleitet wurden, welche man in der Naͤhe
von Paris, also in einer Gegend, die in Hinsicht auf Klima nicht gar zu sehr von
unseren Ortsverhaͤltnissen abweicht, sammelte. Immer mehr ergibt sich
hieraus, wie wuͤnschenswerth es ist, daß die Seidenzucht kraͤftige
Wurzeln bei uns fasse, und daß die Bemuͤhungen einiger Vereine sowohl als
einzelner Privaten allgemeine Theilnahme, Unterstuͤzung und Dank finden
moͤchten. Es ist sogar nicht unwahrscheinlich, daß die Seidenzucht bei
uns schneller auf eine hohe Stufe von Vollkommenheit gelangen koͤnnte,
als in Frankreich; indem es bekanntlich leichter ist den Widerwillen gegen neue
Dinge zu besiegen, als das Festhaͤngen am alten Schlendrian auszumerzen.
Wenn man bei uns anfangen will, die Seidenzucht nach den d'Arcet'schen Grundsaͤzen zu betreiben, so wird man es gewiß
schneller weiter bringen, als im suͤdlichen Frankreich, wo die
Seidenzuͤchter von so zahlreichen schaͤdlichen Vorurtheilen
befangen sind. A. d. R.
Aus dem Bulletin de la Société
d'encouragement. Maͤrz 1836, S. 95.
Bourdon, uͤber die die Seidenraupenzucht und deren
Ertraͤgnisse.
Unter gegenwaͤrtigen Zeitverhaͤltnissen, wo man in Frankreich
einerseits der Zahlung eines jaͤhrlichen Tributes von 40 Mill. Fr. an das
Ausland muͤde, und andererseits durch den Kostenaufwand erschrekt ist, womit
England die Seidenfabrication in einigen seiner Colonien zu gruͤnden und zu
heben trachtet, glaube ich dem mir bezeugten Verlangen und auch meiner inneren
Ueberzeugung nachgeben zu muͤssen, um durch meine Beobachtungen, meine
Forschungen, meine mit Praktikern gepflogenen Besprechungen und durch positive
Berechnungen zu beweisen, daß mit dem Gelingen dieses Industriezweiges ein
wesentlicher Gewinn verbunden ist, und daß, wenn dieser Gewinn selbst in den
Haͤnden Unwissender schon bedeutend ist, die Seidenraupenzucht nothwendig
fuͤr das Land und die Menschen, die sich damit befassen, eine wahre Quelle
von Reichthuͤmern werden muß. Da jedoch die Daten, welche saͤmmtlich
in Erwaͤgung zu ziehen sind, aus verschiedenen Elementen von wandelbarer Art
bestehen, so glaube ich zuerst die hauptsaͤchlichsten jener Umstaͤnde,
welche bisher noch keine auf feste Basen begruͤndete und unwiderlegbare
Berechnungen zuließen, erlaͤutern zu muͤssen.
Die die Erzeugung des Rohstoffes oder der Rohseide umfassende Industrie kann in drei
sehr verschiedene Zweige abgetheilt werden; naͤmlich: 1) in die Kultur des
Maulbeerbaumes; 2) in die Seidenraupenzucht; und 3) in das Abhaspeln der gewonnenen
Cocons. Alle diese Zweige lassen sich entweder einzeln oder gemeinschaftlich
betreiben; wer sie
saͤmmtlich umfaßt, muß natuͤrlich am meisten gewinnen, doch kommt
jedem derselben sein eigener Gewinn zu, der berechnet werden muß.
1. Von der Kultur des
Maulbeerbaumes.
Der Maulbeerbaum kann in Heken oder Spalieren, in Wiesenform, hochstaͤmmig
oder zwergartig gezogen werden. Hienach ergeben sich wesentliche Verschiedenheiten,
die durch folgende Umstaͤnde bedingt sind: durch Eingriffe in die
uͤbrigen Kulturzweige; durch die Kosten der Zubereitung des Erdreiches und
des Ankaufes der Baͤume; durch das Warten bis zur ersten Ernte; durch den
Ertrag an Blaͤttern von jedem Baume, oder besser von einer bestimmten
Bodenstreke, indem die zwischen den Baͤumen gelassenen Raͤume je nach
der Kulturmethode verschieden sind; durch die noͤthige Qualitaͤt und
folglich durch den Preis des Bodens, durch die Wirkung der
Fruͤhlingsfroͤste, und endlich durch die Dauer der Baͤume. Dieß
genuͤgt um zu zeigen, daß die Pflanzer, abgesehen von den von ihnen und den
Localverhaͤltnissen abhaͤngigen Ursachen, zu sehr verschiedenen
Berechnungen gelangen koͤnnen, je nachdem sie diese oder jene Kulturmethode
einschlagen.
2. Von der
Seidenraupenzucht.
In dieser Hinsicht kommen die Anschaffungskosten der Gebaͤude und der
Geraͤthe, die Kosten der Beheizung, jene des Pfluͤkens der
Blaͤtter, das Gewicht der verfuͤtterten Blaͤtter, der
Arbeitslohn der im Inneren der Anstalt beschaͤftigten Individuen, das Gewicht
der per Unze Samen oder Eier erzielten Cocons, die
Qualitaͤt der Cocons, und die an ihnen befindliche Quantitaͤt Seide in
Anschlag. Beinahe alle diese Elemente variiren nach der Verschiedenheit der
Localitaͤten und gewisser von den einzelnen Seidenzuͤchtern
unabhaͤngiger Umstaͤnde; sie bieten aber uͤberdieß auch noch
Verschiedenheiten nach der in den Seidenzuͤchtereien verwendeten Sorgfalt,
nach der groͤßeren oder geringeren Leichtigkeit, womit die
Maulbeerblaͤtter gepfluͤkt werden koͤnnen; nach der
Quantitaͤt Nahrungsstoff und Seide, die sie liefern, je nachdem sie wild oder
veredelt sind; und nach der in den Anstalten unterhaltenen Temperatur, welche auf
die Dauer der Zucht so wie auf die Qualitaͤt und Feinheit der Cocons großen
Einfluß uͤbt.
3. Von dem Abhaspeln der
Cocons.
Was das Abhaspeln betrifft, so gibt es, abgesehen davon, daß die Kosten der
Anschaffung der Apparate, der Heizung und des Arbeitslohnes in verschiedenen
Gegenden verschieden sind, noch mancherlei Umstaͤnde, die eine strenge Abschaͤzung des
Ertrages von einem bestimmten Gewichte abgehaspelter Cocons verhindern. Denn es
kommt hier, die Geschiklichkeit und Sorgfalt der Spinnerin gar nicht zu
erwaͤhnen, die Natur der Cocons in Betracht, nach welcher sie mehr oder
weniger Seide geben, beim Abhaspeln mehr oder weniger heißes Wasser erfordern, mehr
oder weniger Brennmaterial verbrauchen, mehr oder weniger Abfaͤlle geben,
mehr oder minder schnell und regelmaͤßig gesponnen werden koͤnnen, und
nach welcher sie mit Einem Worte eine mehr oder minder gangbare Waare liefern.
Aus allem diesem scheint mir hervorzugehen, daß es hier unmoͤglich ist genaue
Gestehungsberechnungen, aus denen Jeder die von ihm erzielten Resultate entnehmen
kann, herzustellen; allein man kann dennoch die verschiedenen, von den
Seidenzuͤchtern gelieferten Documente einzeln studiren, hiebei auf die
obwaltenden Umstaͤnde so viel als moͤglich Ruͤksicht nehmen,
sich innerhalb der Graͤnzen des hoͤchsten Kostenaufwandes und des
niedrigsten Ertrages halten, die Wahrscheinlichkeit zufaͤlliger Verluste im
Auge behalten, und aus allen diesen Elementen ihrer verschiedenen Natur ungeachtet
ein homogenes, aus den mittleren Durchschnitten gezogenes Ganzes ziehen, um
Jedermann klar zu zeigen, wie groß der Ertrag der Seidenzucht selbst unter den
unguͤnstigsten Verhaͤltnissen ist, wenn sie mit Sachkenntniß betrieben
und den Localverhaͤltnissen angepaßt wird. Hierauf gestuͤzt gehe ich
nun zu folgenden Berechnungen uͤber.
1. Kultur des Maulbeerbaumes. Die Kosten der Anpflanzung
und Unterhaltung der Baͤume, die Menge, welche davon auf eine Hectare gehen,
die Zahl der Jahre, welche bis zur ersten Blaͤtterernte verfließen: alles
dieß ist je nach der eingeschlagenen Pflanzungsmethode sehr verschieden. Allein wenn
einerseits die Kosten sich hoͤher belaufen, so kommt man andererseits
schneller zu einem Ertrage; und wenn die Zahl der Baͤume bei der einen
Methode geringer ist, so liefert dafuͤr jeder der Baͤume nach Ablauf
einer bestimmten Zeit eine groͤßere Menge Blaͤtter, so daß hieraus
fuͤglich eine vollkommene oder theilweise Compensirung erfolgt. An diese
Ausgleichung oder Compensirung will ich mich hier auch halten, um nicht in
unendliche Distinctionen eingehen zu muͤssen, und um dennoch gehoͤrige
approximative mittlere Durchschnitte zu erhalten.
Nimmt man hienach ein mittelmaͤßig guͤnstiges Jahr, so berechnen sich
die Kosten und der Rohertrag einer HectareDie Hectare enthaͤlt 94,830 Quadratfuß, macht also ungefaͤhr
zwei Morgen aus. A. d. R. folgender Maßen.
Zins des Bodens
60 Fr.
Unterhaltungskosten (Umwenden des
Bodens, Beschneiden, Auspuzen, Duͤngen und Nachpflanzen der
Baͤume)
200 –
Interessen der Pflanzungs-,
Bodenzins- und Unterhaltungskosten, nach Abzug der
Rohproducte, welche durch fruͤhere Ernten erzielt worden
sind
100 –
Unvorhergesehene Ausgaben
40 –
––––––
Summa der jaͤhrlichen Kosten mit
Einschluß der Interessen
400 Fr.In den
Cevennen berechnen sich die jaͤhrlichen Kulturkosten, die
Interessen nicht mitgerechnet, auf 1 Fr., hoͤchstens 1 Fr. 30
Cent, fuͤr 50 Kilogr. Blaͤtter. A. d.
O.
Der Ertrag, den eine Hectare Landes an Blaͤttern abwirft, laͤßt sich
wenigstens auf 12,500 Kilogr. annehmen; und zieht man hievon 1/5 oder 2500 Kilogr.
fuͤr den Verlust durch Froͤste, fuͤr den Ausfall, der durch
erschoͤpfte Baͤume bedingt ist, etc. ab, so bleiben netto 10,000
Kilogr. Blaͤtter, welche nach obiger Berechnung auf 400 Fr. zu stehen kommen,
wonach fuͤr 2 Fr. 50 Kilogr. Blaͤtter erzeugt werden. Der
Maulbeerbaum-Besizer, der nicht zugleich Seidenzuͤchter ist, verkauft
seine Blaͤtter gewoͤhnlich zu 3 1/2 – 5 Fr. die 50 Kilogr.Nur ausnahmsweise, und wenn Noth herrscht, steigt der Preis der
Blaͤtter zuweilen auf 10 bis 15 Fr. A. d. O. Bringt man hienach den Nettoertrag an Blaͤttern, den eine Hectare
liefert, in Anschlag, so berechnet sich hieraus leicht der Gewinn bei der
Maulbeerbaumzucht.
Bemerkungen. Eine mit gepfropften
Zwergmaulbeerbaͤumen bepflanzte Hectare kann deren 1000 Stuͤk fassen.
Der Ankauf und die Pflanzungskosten kommen mit Einschluß des Rigolens in der
Naͤhe von Paris auf 8–900 Fr. Die wilden Maulbeerbaͤume
koͤnnen viel dichter gepflanzt werden, so daß ihrer gegen 6000 auf die
Hectare gehen. Hochstaͤmmige Baͤume hingegen gehen je nach der
Guͤte des Bodens 150 bis 200 auf die Hectare.
2. Seidenraupenzucht. Es laͤßt sich hier keine
Schaͤzung der Producte erlangen, wenn man absolut nach der Unze Samen, den
man ausfallen ließ, rechnet; denn die Ausgaben und die Einnahmen werden nothwendig
je nach der Sorgfalt, die man auf die Raupen verwendet, und je nach der
Quantitaͤt und Qualitaͤt der aus jeder Unze gewonnenen Cocons
verschieden seyn. In den meisten suͤdlichen Seidenzuͤchtereien gewinnt
man nur 25 bis 28 Kilogr. Cocons per Unze SamenDiese Seidenzuͤchtereien gelten fuͤr ziemlich gut gehalten;
denn es gibt welche, in denen man aus der Unze Samen nur 8, 10 und 15
Kilogr. Cocons erzieht. A. d. O.; in einigen bis an 50. In Piemont erzielt man in den sogenannten
Dandolieren gegen 55 Kilogr., waͤhrend Hr. Camille Beauvais bei seiner großen Achtsamkeit und mit Huͤlfe des d'Arcet'schen Ventilirapparates den Ertrag bis auf 68,50
Kilogr. Cocons per Unze Samens brachte. Ja es ist sogar
wahrscheinlich, daß man es noch bis auf 75 Kilogr. bringt. Es versteht sich
uͤbrigens von selbst, daß von diesen verschiedenen Resultaten vorausgesezt
ist, daß sie, wenn auch nicht einer und derselben Art von Samen, so doch Cocons
entsprechen, welche unter gleichen Spinnverhaͤltnissen beinahe eine gleiche
Rohseide geben.
Ich will jedoch, um mich innerhalb engerer Graͤnzen zu halten, annehmen, daß
eine Unze Samen bei einer mit 10 Unzen unternommenen Raupenzucht 50, und bei einer
mit 100 Unzen unternommenen Zucht nur 45 Kilogr. Cocons gebe.Ich mache hiebei eine Concession, welche mir einige erfahrene
Seidenzuͤchter wahrscheinlich zum Vorwurfe machen duͤrften. A.
d. O. Wenn sich bei dieser Annahme wirkliche Vortheile ergeben, und wenn diese
Vortheile selbst bedeutender sind, als sie sich da herauswerfen, wo man nur 25 bis
30 Kilogr. Cocons aus einer Unze Samen erzieht, so wird man dann leicht ermessen
koͤnnen, welche Vortheile aus der Vervollkommnung der Seidenraupenzucht
erwachsen muͤssen.
Dieß vorausgesezt, will ich nun mit Ruͤksicht auf die Gesammtzahl der
Flechtwerke, welche die Raupen allmaͤhlich einnehmen, und mit
Ruͤksicht auf das Blaͤtterquantum, welches sie zu verschiedenen Zeiten
ihres Alters verzehren, beilaͤufig zu bestimmen suchen: nicht wie viele
Individuen bei jedem Alter der Raupen zur Bedienung noͤthig sind, da deren
Anzahl mit jedem Tage wechselt, sondern die Gesammtzahl der Arbeitstage, welche in
jedem einzelnen Alter sowohl fuͤr den inneren Dienst der
Seidenzuͤchterei, als zum Pfluͤken und zum Transporte der
Blaͤtter noͤthig sind. Die erste Tabelle, die ich hieruͤber
anfuͤge, ist fuͤr eine Zucht von 10 Unzen Samen berechnet.
Textabbildung Bd. 61, S. 45
Arbeitstage von Maͤnnern;
Weibern; Kindern; 1stes Alter; 2tes Alter; 3tes Alter; 4tes Alter; 5tes Alter;
6tes Alter Einsammlung der Cocons; Summe der Arbeitstage; Kosten; Summe des
Arbeitslohnes
Die Tagloͤhne sind hiebei zu 2, zu 1 1/4 und zu 1 Fr. angesezt. Fuͤr
eine Seidenzucht mit 100 Unzen Samen berechnet sich diese Tabelle dagegen folgender
Maßen.
Textabbildung Bd. 61, S. 46
Arbeitstage von Maͤnnern;
Weibern; Kindern; 1stes Alter; 2tes Alter; 3tes Alter; 4tes Alter; 5tes Alter;
6tes Alter Einsammlung der Cocons; Summe der Arbeitstage; Kosten; Summe des
Arbeitslohnes
Es wurde bei der lezten Tabelle angenommen, daß man die 100 Unzen Samen auf ein Mal
ausfallen ließ, obwohl man nie auf diese Weise verfaͤhrt; uͤbrigens
hat dieß auch auf die Gesammtzahl der Arbeitstage keinen wesentlichen Einfluß.
Was die Dauer der Zucht betrifft, so will ich diese auf keine positive Weise
bestimmen, da sie von verschiedenen Umstaͤnden und namentlich von der
Temperatur abhaͤngt, welche man in der Anstalt unterhaͤlt. Ich bemerke
nur, daß die Dauer von 25 bis zu 45 Tagen wechselt, je nachdem die Temperatur von 30
bis zu 14° C. (24 bis 12° R.) variirt.Die Temperatur soll waͤhrend eines jeden Alters gleichbleiben; sie ist
aber von einem Alter zum anderen eine verschiedene, weßhalb denn auch jeder
Seidenzuͤchter fuͤr jedes Alter jene Temperatur annimmt, die
er fuͤr die geeignetste haͤlt. Gewoͤhnlich vollbringt
man die Zucht bei einer Temperatur von 17 bis 20° C. (13 bis
16° R.), wo sie dann beilaͤufig 35 Tage dauert. A. d. O. Die Dauer eines jeden einzelnen Alters wechselt selbst wieder auf
aͤhnliche Weise; doch laͤßt sich im Allgemeinen sagen, daß das zweite
um einen Tag kuͤrzer ist als das erste, welches selbst wieder um einen Tag
kuͤrzer ist als das dritte und vierte, die beide von gleicher Dauer sind; daß
das fuͤnfte um 4–5 Tage laͤnger dauert als die beiden ihm
zunaͤchst vorausgehenden, und daß das sechste Alter, die Zeit des
Aufkriechens, hoͤchstens 8 bis 10 Tage zu waͤhren hat.
Ich habe bei der Zusammensezung obiger Tabellen den Taglohn am hoͤchsten, so
wie er in der Gegend von Paris zur Zeit der Ernte steht, angenommen, und
uͤberdieß habe ich angenommen, daß das Pfluͤken der Blaͤtter
per Tag bezahlt wird, was in den suͤdlichen
Provinzen gewoͤhnlich nicht der Fall ist. Ich schaͤzte die Zahl der
zum Pfluͤken verwendeten Arbeitstage nach der Arbeit, welche jedes Individuum
zu leisten im Stande ist. Da uͤbrigens die Summe, welche man nach dem Gedinge
bezahlt, in jedem Lande mit dem uͤblichen Taglohne im Verhaͤltnisse
stehen muß, so wird, auf welche Weise das Pfluͤken auch geschieht, die oben
hiefuͤr angesezte Summe ziemlich genau jenem Lande entsprechen, in welchem
der Arbeitslohn am hoͤchsten steht: abgesehen jedoch von der Gewandtheit,
welche die Arbeiter in der fraglichen Arbeit besizen. Befinden sich die
Seidenzuͤchter unter guͤnstigeren Umstaͤnden, so ist es um so besser fuͤr
sie; ich fuͤr meinen Theil glaube uͤbrigens, daß wenn ein Ort in
manchen Beziehungen Vortheile gewaͤhrt, er in anderen wieder seine Nachtheile
mit sich bringt. Ob aber hiedurch eine wirkliche Ausgleichung zu Stande kommt,
daruͤber getraue ich mich gegenwaͤrtig noch nicht abzusprechen; auch
ist diese Betrachtung gegenwaͤrtig, wo Frankreich noch jaͤhrlich
fuͤr 40 Mill. Fr. Seide aus dem Auslande bezieht, und wo also um so weniger
eine Concurrenz zu fuͤrchten ist, als der Verbrauch fortwaͤhrend im
Zunehmen ist, noch von keiner Wichtigkeit.
Wenn nun gleich die in den beiden obigen Tabellen enthaltenen Daten auf keine
mathematische und strenge Genauigkeit Anspruch machen koͤnnen, so geben sie
doch eine der Wirklichkeit sehr nahe kommende Idee von den durch den Arbeitslohn
bedingten Kosten. Man wird sich hienach leicht uͤberzeugen, daß selbst wenn
man diese Zahlen verdoppeln wollte, der bei der Seidenzucht sich ergebende Gewinn
dadurch doch noch keinen großen Stoß erleiden wuͤrde; und daß demnach die
Einwendung, welche man gegen den Betrieb der Seidenzucht in der Gegend von Paris
macht, und die sich hauptsaͤchlich auf den hohen Stand des Arbeitslohnes
fußt, nichtig ist.
Was die Quantitaͤt der verfuͤtterten Blaͤtter betrifft, so finde
ich, daß man, wenn die Fuͤtterung oͤkonomisch und verstaͤndig
geschieht, zur Erziehung von 10 Unzen Samen durch alle 5 Alter hoͤchstens
7500 Kilogr. Blaͤtter braucht, welche, die 50 Kilogr. zu 2 Fr. angeschlagen,
dem Seidenzuͤchter, der zugleich Maulbeerbaum-Pflanzer ist, auf 300
Fr. zu stehen kommen; und daß zu einer Seidenzucht von 100 Unzen Samen
hoͤchstens 75,000 Kilogr., welche 3000 Fr. kosten, erforderlich sind. Stellt
man diese beiden Resultate mit den entsprechenden Kosten an Arbeitslohn zusammen,
und rechnet man dazu in ersterem Falle noch 250, in lezterem hingegen 3000 Fr.
fuͤr Interessen des aufgewendeten Capitals und fuͤr Heizungs-,
Beleuchtungs- und Unterhaltungskosten, so ergibt sich als Totalsumme der
Ausgaben: 1) fuͤr 500 Kilogr. Cocons ein Betrag von 815 Fr.; und 2)
fuͤr 4500 Kilogr. Cocons ein Betrag von 4500 Fr.
Das Kilogramm Cocons kommt demnach bei einer Seidenzucht von 10 Unzen auf 1 Fr. 63
Cent., und bei einer Seidenzucht von 100 Unzen auf 1 Fr. 66 Cent. zu stehen,
waͤhrend es gewoͤhnlich zu 3 Fr. bis zu 3 Fr. 50 Cent. bezahlt
wird.
Erinnert man sich ferner, welche Blaͤttermasse eine Hectare Maulbeerpflanzung
gibt, so wird man finden, daß zur Erziehung von 500 Kilogr. Cocons weniger als eine,
und zur Erziehung von 4500 Kilogr. weniger als 10 Hectaren Landes erforderlich
sind.
Besizt der Seidenzuͤchter nicht selbst Maulbeerbaum-Pflanzungen, und
muß er seinen Blaͤtterbedarf von dem Pflanzer erkaufen, der sie, wie oben
gesagt, zu 3 1/2 bis 5 Fr. die 50 Kilogr. verkauft, so wird ihm, wenn wir den
Mittelpreis zu 4 Fr. annehmen wollen, das Kilogr. Cocons bei einer Seidenzucht von
10 Unzen Samen auf 2 Fr. 22 Cent., und bei einer Seidenzucht von 100 Unzen Samen auf
2 Fr. 33 Cent, zu stehen kommen.
Wenn ich nun diese Resultate meiner Berechnungen mit dem vergleiche, was ich von
mehreren suͤdlichen Seidenzuͤchtern, und namentlich von einem in der
Naͤhe von Toulon etablirten erfuhr, so fuͤrchte ich den Gewinn viel zu
sehr erniedrigt zu haben. Lezterer Seidenzuͤchter, der zugleich auch Pflanzer
ist, versicherte mich naͤmlich, daß der Preis der Grundstuͤke und
jener des Arbeitslohnes in seiner Gegend beinahe eben so hoch stehe, wie in der
Umgegend von Paris; daß er im Durchschnitte nur 25 Kilogr. Cocons aus der Unze
Samens erzieht; daß er, indem er nicht selbst Spinner ist, das Kilogr. Cocons im
Durchschnitte zu 3 Fr. 25 Cent, verkaufe; und daß er jaͤhrlich durch seine
Seidenzucht einen reinen Ertrag von 600 Fr. einnehme. Dieser Mann will nun eine nach
dem d'Arcet'schen Plane gebaute Seidenzuͤchterei
errichten, und verspricht sich durch eine wohl verstandene Direction dieser Anstalt
seinen Gewinn in Kuͤrze verdoppelt zu sehen.
Bemerkungen. Die Dimensionen einer
Seidenzuͤchterei wechseln je nach den inneren Einrichtungen derselben; ich
stelle daher als Princip nur so viel auf, daß auf einem Flaͤchenraume von
beilaͤufig 220 Quadratfuß 50 Kilogr. Cocons erzogen werden muͤssen. Es
bleibt dabei jedem Seidenzuͤchter uͤberlassen, die ihm zu Gebot
stehende Localitaͤt auf die zur Erzeugung der bestimmten Quantitaͤt
Cocons geeignetste und moͤglich wohlfeilste Weise einzurichten. Um eine
Seidenzucht mit 100 Unzen Samen zu unternehmen, halte ich es fuͤr geeigneter,
drei getrennte Ateliers zu errichten. Der Oekonom, der sein Geld nur in dem Maaße
auslegen soll, in welchem es sich verzinsen kann, wird gut thun, wenn er seine
Anstalten nach und nach und in dem Maaße erweitert, als er durch die Zunahme des
Blaͤtterertrages seiner Maulbeerbaͤume hiezu veranlaßt wird. Es
versteht sich uͤbrigens von selbst, daß hiebei die Vorsorge getroffen werden
muß, daß jeder aͤltere Bau auch wieder zu einem neueren dienen kann.
3. Abhaspeln der Cocons. In dieser Hinsicht lassen sich
nur wenige Details geben. Die Quantitaͤt der von einem bestimmten Gewichte
Cocons gewonnenen Seide wechselt je nach der Beschaffenheit der Cocons so sehr, daß
man zur Gewinnung von einem Kilogr. Seide 8 bis 15 Kilogr. Cocons braucht. Hr. Camille Beauvais erhielt von beilaͤufig 11,20 Kilogr.
Cocons ein Kilogr. Seide; ich selbst brauchte hiezu nur 10,80 Kilogr. Cocons.
Rechnen wir demnach im Durchschnitte auf 12 Kilogr. Cocons ein Kilogr. SeideWir sezen bei Aufstellung dieses Verhaͤltnisses voraus, daß man
einerseits den durch die doppelten Cocons sich ergebenden Abfall, und
andererseits die Flok- und Floretseide, so wie die uͤbrigen
bei der Spinnerei bleibenden Ruͤckstaͤnde, welche eigens
verkauft werden, in Rechnung bringt. A. d. O., und zieht man von den 500 Kilogr. Cocons, welche eine mit 10 Unzen Samen
unternommene Seidenzucht liefert, 5 Kilogr. als zur Erzeugung von neuem Samen
noͤthig, ab, so geben die uͤbrig bleibenden 495 Kilogr. Cocons 41
Kilogr. 250 Gr. Seide. Rechnet man von den 4500 Kilogr. Cocons, die eine mit 100
Unzen Samen vollbrachte Zucht liefert, 50 Kilogr. fuͤr die Fortpflanzung ab,
so bleiben 4450 Kilogr. Cocons, die gesponnen 370 Kilogr. 833 Gr. Seide liefern.
Zaͤhlt man zu den oben angedeuteten Gestehungskosten der Cocons noch die
taͤglichen Kosten der Spinnerei, so wie die Interessen der
Anschaffungskosten, so kommen die 41 Kilogr. 250 Gr. Seide auf 1115, die 370 Kilogr.
833 Gr. Seide hingegen auf 10,000 Fr. zu stehen. Hienach berechnet sich also bei
einer Seidenzucht mit 10 Unzen Samen das Kilogr. Rohseide zu 27 Fr., waͤhrend
es sich bei einer mit 100 Unzen Samen betriebenen Zucht zu 26 Fr. 95 C.
herauswirft.
Den Verkaufspreis des Kilogr. Rohseide will ich hier nicht angeben, weil er
mannigfachen Handelsconjecturen unterworfen ist, und weil er uͤberdieß von
der Natur und Farbe der Seide und hauptsaͤchlich von der
Regelmaͤßigkeit des Abhaspelns abhaͤngt. Jedermann kann die
Preiscourante der verschiedenen Jahrgaͤnge einsehen und sie mit den
Gestehungspreisen vergleichen. Gegenwaͤrtig steht der mittlere Preis
gewoͤhnlicher gut gesponnener Seiden auf 70 bis 80 Fr. das Kilogr. mit einem
Scontro von 12 bis 13 Proc. Schoͤne weiße, sehr gut gesponnene Seide hingegen
wird viel theurer bezahlt.
Wenn man von 5 Kilogr. Cocons ein halbes Kilogr. Seide gewinnen kann, so kostet die
Erzeugung von 1 Kilogr. Cocons bei einer Seidenzucht mit 10 Unzen Samen 22 Fr. 53
Cent., bei einer Seidenzucht mit 100 Unzen Samen hingegen 22 Fr. 47 Cent. Dabei darf
nicht vergessen werden, daß das cultivirte Grundstuͤk in ersterem Falle, wo
die erzeugte Seide = 41 Kilogr. 250 Gr. ist, unter einer Hectare betraͤgt;
waͤhrend es im zweiten Falle, wo die erzeugte Seide = 370 Kilogr. 833 Gr.
ist, unter 10 Hectaren betraͤgt.
Hr. Amans Carrier, Praͤfecturrath in Rodez, welcher
alle die drei hier erwaͤhnten Industriezweige zugleich betreibt, gibt in
einem Berichte, den er in den Annales de l'Agriculture
française uͤber die Seidenzucht, die er im Jahre 1833
betrieb, erstattete, an, daß er mit einem Grundstuͤke von hoͤchstens
einer halben Hectare 464 Kilogr. Cocons erzeugte, die ihm einen reinen Gewinn von
1548 Fr. 95 Cent. abwarfen.
Was denjenigen betrifft, der nur Spinner allein ist, und der nur 5000 Kilogr. Cocons
verspinnt, wozu er 50 bis 60 Tage lang 18 Haspel unterhalten muß, so kommt ihm, wenn
12 Kilogr. Cocons ein Kilogr. Seide geben, das Kilogr. Rohseide auf 46 Fr. 20 Cent,
zu stehen, waͤhrend es ihm, wenn 10 Kilogr. Cocons auf ein Kilogr. Seide
gehen, nur 38 Fr. 50 Cent. kostet. Dabei sind die Cocons zu 3 Fr. 25 Cent.
gerechnet; waͤhrend die Kosten der Spinnerei dieselben bleiben, so wie sie
fruͤher angedeutet wurden.
Ich habe die Resultate, wie ich sie von verschiedenen Seidenzuͤchtern erhob,
zusammengestellt, und glaube hiebei jedenfalls sicher zu seyn, daß man mich keiner
Uebertreibung beschuldigen wird. Ich befuͤrchte bloß, daß einige
Seidenzuͤchter, denen die Resultate meiner Berechnungen zu Gesicht kommen,
behaupten moͤchten, daß sie, ohne sich irgend eine Muͤhe zu geben,
einen eben so großen und vielleicht selbst groͤßeren Nettogewinn realisiren,
und daß daher kein Vortheil daraus erwaͤchst, wenn man aus einer Unze Samen
eine groͤßere Menge Cocons erzieht, indem mit dieser groͤßeren Menge
auch der Arbeitslohn, der Verbrauch an Blaͤttern etc. waͤchst. Wollen
sich diese Seidenzuͤchter jedoch wirklich belehren, so moͤgen sie die
Berechnungen, die zu diesen Resultaten fuͤhrten, pruͤfen; vielleicht
werden sie sich dann uͤberzeugen, daß der Blaͤtterertrag einer Hectare
Landes sehr niedrig angeschlagen wurde, waͤhrend der Blaͤtterbedarf
etwas zu hoch angesezt seyn duͤrfte; daß die Interessen saͤmmtlicher
Vorauslagen in Rechnung gebracht wurden; daß zwischen der Zunahme der Arbeit und des
Gewichtes der Blaͤtter und der Zunahme des Ertrages an Cocons kein
Verhaͤltniß besteht, indem sie eine große Menge von Seidenraupen verlieren,
nachdem sie bereits mehrere Centner Futter verzehrt haben. Ueberdieß werden sie dann
auch im Stande seyn, den Werth von 50 Kilogr. Cocons und den Preis der zu ihrer
Erzeugung aufgewendeten Blaͤtter abzuschaͤzen, gleichwie sie auch
darauf bedacht seyn werden, daß die die Sterblichkeit der Raupen in den
Seidenzuͤchtereien bedingenden Ursachen nothwendig auch auf die Gesundheit
der spinnenden Raupen einwirken muͤssen, so daß, je mehr Raupen man rettet,
d.h. je mehr Cocons man aus einer Unze Samen gewinnt, um so schoͤner auch die
Cocons seyn werden. Erwaͤgt man alles dieß, so wird man sich
uͤberzeugen, daß wenn in den hier vorgelegten Zahlen ja eine Inferioritaͤt
zu bemerken ist, dieß keineswegs einer schaͤdlichen Folge der vorgenommenen
Verbesserungen, sondern lediglich einer zu hohen Schaͤzung der Kosten zur
Last gelegt werden darf. Wer sich daher immer durch unsere Schlußfolgerungen und
Berechnungen zur Seidenzucht, als zu etwas seiner Beruͤksichtigung
Wuͤrdigem und Vortheilhaftem bringen laͤßt, wird seine Hoffnungen
gewiß auf eine sehr angenehme Weise uͤbertroffen finden.
Wenn man diese Berechnungen als in der Absicht angestellt betrachtet, um eine Idee
von dem ungeheuren jaͤhrlichen Verluste an Seide und von dem Vortheile zu
bekommen, der sich fuͤr die Fabrication ergeben muͤßte, wenn statt des
gewoͤhnlichen Durchschnittsertrages der von uns angenommene erzielt
wuͤrde, so ergibt sich Folgendes.
Jede Unze Samen enthaͤlt wenigstens 40,000 Raupen; man gewinnt hieraus in den
fuͤr ziemlich gut gehaltenen Seidenzuͤchtereien 25 Kilogr. Cocons.
Diese Cocons entsprechen aber, wenn man annimmt, daß 280 Cocons im Durchschnitte 500
Gramme wiegen, nur 14,000 Raupen, so daß also wenigstens 26,000 Raupen zu Grunde
gegangen seyn mußten. Es ist demnach die Bestimmung dieser kostbaren Insecten, daß
abgesehen von jenen durch Unvorsichtigkeit erzeugten Katastrophen, bei denen oft
ganze Zuchten unterliegen, wenigstens zwei Drittheile derselben jaͤhrlich zu
Grunde gehen, bevor sie noch im Stande waren, ihre Arbeit zu vollbringen! Zur
Erzeugung dieser 14,000 Cocons werden ferner 500 Kilogr. Blaͤtter verwendet,
waͤhrend bei einem Ertrage von 50 Kilogr. Cocons per Unze Samen mit 750 Kilogr. Blaͤttern eine doppelt so große
Anzahl oder 28,000 Cocons erzielt werden koͤnnen; so daß also einerseits die
Zahl der erzeugten Cocons verdoppelt wird, waͤhrend das Gewicht der
Blaͤtter nur um den dritten Theil steigt. Dabei darf uͤberdieß auch
nicht vergessen werden, daß die Qualitaͤt der Cocons in einer Anstalt, in
welcher eine groͤßere Sterblichkeit herrschte, nothwendig auf niedrigerer
Stufe stehen muß.
Alle unsere Berechnungen wuͤrden jedoch ungeachtet all der Vortheile, die sie
versprechen, nur sehr geringen Werth haben, wenn sie sich bloß auf die Theorie fußen
wuͤrden, und wenn wir zu deren Unterstuͤzung nicht die lange
fortgesezte Erfahrung aufgeklaͤrter Seidenzuͤchter anfuͤhren
koͤnnten. Wir haben nichts behauptet, was sich nicht bewaͤhren
laͤßt, wenn man aus dem vorigen Jahrhunderte die einfachen und vortrefflichen
Schriften der Abbés Boissier de Sauvages und Rozier, und aus unserem gegenwaͤrtigen
Jahrhunderte die Werke Dandolo's und Bonafon's, die der Seidenzucht einen regelmaͤßigen
und systematischen Gang gaben, ohne den sie gewiß keine Fortschritte gemacht haben
wuͤrde, lesen will. Erstaunt uͤber die geringe Menge der erzielten
Cocons im Vergleiche zu der großen Menge Eier, welche man ausfallen ließ; erstaunt
uͤber die Krankheiten, welche jaͤhrlich ganze Zuchten austilgten,
suchten diese Maͤnner die Grundursachen hievon zu erforschen. Sie kamen
hiebei durch ihre eigene Erfahrung zu dem Schlusse, daß alles dieß nur den
fehlerhaften Methoden, welche die meisten Seidenzuͤchter in
saͤmmtlichen Phasen der Existenz der Seidenraupe befolgen, zuzuschreiben ist;
sie erkannten die Gefahren des Ausbruͤtens durch Maceration, so wie auch die
durch Unachtsamkeit beim Eierlegen der Schmetterlinge und beim Ueberwintern der Eier
erwachsenden Gefahren; sie uͤberzeugten sich von der Unzulaͤnglichkeit
und selbst von den nachtheiligen Einfluͤssen der verschiedenen Mittel, welche
man in Anwendung brachte, um die Seidenzuͤchtereien gesuͤnder zu
machen: wie z.B. des Aufsprizens von Wasser, Wein, Chlorkalk etc., wodurch die
Seidenraupen, wie man sagte, aufgewekt werden sollten; des Verbrennens aromatischer
Kraͤuter, wodurch die aus dem Raupenkothe sich entwikelnden
schaͤdlichen Geruͤche nicht zerstoͤrt, sondern im Gegentheile
die Luft nur noch mehr verdorben wurde, indem ihr zur Verbrennung ein Theil ihres
Sauerstoffes entzogen wurde. Sie fuͤhlten saͤmmtlich, wie nothwendig
es ist, eine Menge der durch die Unwissenheit ausgesonnenen Gebraͤuche aus
den Seidenzuͤchtereien zu verbannen, und dafuͤr die Insecten in diesen
Anstalten ihrem natuͤrlichen Zustande so nahe als moͤglich zu bringen,
ihnen so zu sagen ein kuͤnstliches Klima zu schaffen. Sie studirten, um zu
diesem Zweke zu gelangen, die zur Gesundheit der Raupen noͤthigen
Bedingungen, und versicherten sich hiebei gar bald, daß, um mit dem moͤglich
geringsten Aufwande an Blaͤttern die groͤßte Menge schoͤner
Cocons zu erzielen, in den Anstalten eine fortwaͤhrende, gelinde Circulation
der Luft, eine gleichmaͤßige Temperatur und ein gleicher Grad von
Feuchtigkeit unterhalten werden muͤsse. Von diesen Principien ausgegangen
entstanden die sogenannten Dandolieren, in denen sorgfaͤltige und
verstaͤndige Seidenzuͤchter ihre Seidenernten auf das Doppelte steigen
sahen. Dessen ungeachtet war aber auch noch das System Dandolo's mangelhaft; indem sich die Feuerheerde in den
Seidenzuͤchtereien selbst befanden; indem die unmittelbare Einwirkung der aus
dem Feuer entwikelten Hize und die durch die Verbrennung entstehenden Daͤmpfe
den Raupen nachtheilig waren; und indem man bei schwerer Gewitterluft, wo die Luft
schwer circulirt, mit diesen Mitteln nicht ausreichte. Erst als sich Hr. d'Arcet der fraglichen Aufgabe bemaͤchtigte,
verschwanden die schaͤdlichen aͤußeren Einfluͤsse
gaͤnzlich; denn ihm gelang; es mittelst eines einfachen und wohlfeilen
Apparates so viel als
moͤglich die oben erwaͤhnten zum Gelingen der Seidenzucht
noͤthigen Bedingungen herzustellen.
Die Arbeiten der oben erwaͤhnten ausgezeichneten Maͤnner und der
geringen Anzahl derjenigen, die sie nachahmten, blieben jedoch leider von geringem
Erfolg; denn man dachte zu wenig an Belebung des Eifers dieser Nachahmer, und man
that zu wenig fuͤr die Verbreitung einer gehoͤrigen Belehrung unter
der ganzen Masse, so daß die Aufklaͤrung immer nur auf einen kleinen Kreis
beschraͤnkt bleiben mußte. Daher ist der Schlendrian noch immer Herr und
Meister der Seidenzuͤchterei; und daher ist zu fuͤrchten, daß er auch
noch uͤber die Leistungen d'Arcet's und einiger
großmuͤthiger Seidenzuͤchter lange Zeit seine Herrschaft
ausuͤben duͤrfte, wenn sich nicht starke und kraͤftige
Haͤnde um diesen Industriezweig annehmen; denn die Seidenzucht kann ihrer
eigenthuͤmlichen Natur nach nur dann ihre ganze Entwikelung und
Vervollkommnung erlangen, wenn sie in einer großen Gesellschaft, in deren
Mittelpunkt sich die Arbeiten aufgeklaͤrter und eifriger Maͤnner
vereinigen, einen gehoͤrigen Stuͤzpunkt findet.
Wenn man die Schriftsteller, welche uͤber die Seidenzucht geschrieben haben,
nachliest, so wird man sich uͤberzeugen, welche große Fortschritte dieser
Industriezweig erst noch zu machen hat, in welchem Grade er einer Aufmunterung und
Unterstuͤzung bedarf, und wie unwirksam selbst diese Aufmunterungen sind, so
lange sie partiell und nur die Resultate einzelner bleiben. Man wird finden, von
welchem Nuzen es seyn muͤßte, wenn man fuͤr eine Art von Statistik
sorgte, worin die jaͤhrlich in verschiedenen Gegenden angestellten Versuche
und erzielten Resultate zusammengestellt wuͤrden; man wird einsehen, welche
interessante Versuche noch uͤber den im Inneren der Anstalten zu
unterhaltenden Temperaturgrad, uͤber die zur Fuͤtterung der Raupen und
zur Erzeugung des Seidenstoffes guͤnstigste Art von Maulbeerbaum,
uͤber die Auswahl der zur Fortpflanzung bestimmten Cocons und uͤber
die hiedurch bedingte Veredlung der Racen, uͤber die Vortheile, die
fuͤr die Schoͤnheit der Producte daraus erwachsen duͤrften,
wenn man bloß die zuerst gelegten Eier zur Nachzucht verwendete, uͤber die
besten Seidenraupenracen, uͤber die Mittel, um beim Spinnen aus einer
bestimmten Quantitaͤt Cocons den groͤßten Ertrag an Seide zu erhalten,
und uͤber dergleichen mehr anzustellen waͤren. Alle diese Erfahrungen
muͤßten uͤbrigens, wenn sie ja einen Werth haben sollten, oft und von
mehreren Seidenzuͤchtern zugleich wiederholt werden, weil es eine Menge von
Umstaͤnden gibt, deren Einfluß man noch nicht gehoͤrig zu
schaͤzen vermag; und weil gerade hier ein Vereinigungspunkt fuͤr
saͤmmtliche Arbeiten aufgeklaͤrter und eifriger Maͤnner
dringend nothwendig ist.
Wenn nun aus Allem hervorgeht, wie vortheilhaft es waͤre, wenn der mittlere
und noͤrdliche Theil Frankreichs eben so gut wie der suͤdliche zur
Erweiterung und Vervollkommnung der fuͤr uns so wichtigen Seidenfabrication
beitragen koͤnnten, so bleiben nur noch die Glaͤnzen zu bestimmen,
innerhalb welcher die Seidenzucht mit Wahrscheinlichkeit des Gelingens und des
Gewinnes moͤglich ist. In dieser Hinsicht mag es genuͤgen, die
Erfahrungen jener ehrenwerthen OekonomenWir erwaͤhnen hier unter anderen nur der HH. Beauvais, welche auf den koͤnigl. Schaͤfereien seit
8 Jahren die Maulbeerbaumzucht versuchten, und die, durch ihre
guͤnstigen Resultate ermuntert, nunmehr schon 10 Hectaren mit
Maulbeerbaͤumen bepflanzt haben. Sie haben durch ihre Sorgfalt und
durch fortwaͤhrende Verbesserungen den Ertrag aus einer Unze Samen
bereits von 34 bis auf 68 Kilogr. Cocons gesteigert. Im Jahre 1835, wo sie
sich des d'Arcet'schen Ventilirapparates
bedienten, erzeugten sie aus 8 Unzen Samen mit 4800 Kilogr. Blaͤtter,
welche sie auf einer 7 bis 8jaͤhrigen, unter einer Hectare fassenden
Maulbeerbaum-Pflanzung sammelten, 550 Kilogr. Cocons, die ihnen mit
Einschluß der Zwillinge 47,50 Kilogr. Rohseide lieferten. Im
suͤdlichen Frankreich rechnen die Spinner bekanntlich 5,50 bis 7,50
Kilogr. Cocons auf 0,50 Kilogr. Seide. A. d. O. zu Rathe zu ziehen, welche ihre methodischen und wohluͤberdachten
Anstrengungen den schlecht geleiteten Bemuͤhungen derjenigen entgegensezen,
deren unfruchtbare Versuche leider haͤufig als Beweise angerufen werden.
Durchgeht man uͤberdieß noch saͤmmtliche numerische Daten,
saͤmmtliche fuͤr das Gedeihen der drei Zweige dieser Industrie
noͤthige Bedingungen, vergleicht man die Beduͤrfnisse des Pflanzers,
des Seidenzuͤchters und des Spinners mit den jeweiligen
Localbeduͤrfnissen, so wird man sich uͤberzeugen, daß alle die
Demarkationslinien, in welche man die Seidenzucht bisher einschraͤnken zu
muͤssen glaubte, verschwinden; und daß die einzige agricole Schranke gegen
dieselbe nur mehr darin bestehen koͤnnte, wenn die der Landwirthschaft
ergebene Bevoͤlkerung waͤhrend der kurzen, zur Seidenzucht
erforderlichen Zeit nicht disponibel waͤre. Die Natur dieser Art von
Graͤnze wird jeden mit der Sache Vertrauten uͤber die Gefahren
beruhigen, die einige aus der groͤßeren Entwikelung der Seidenzucht
fuͤr die uͤbrigen Kulturzweige erwachsen zu sehen
befuͤrchteten.