Titel: | Ansichten verschiedener französischer Fabrikanten über den gegenwärtigen Zustand ihres Industriezweiges in Frankreich, und über die Folgen der Aufhebung des Prohibitivsystemes für ihre Fabriken. |
Fundstelle: | Band 56, Jahrgang 1835, Nr. XIV., S. 47 |
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XIV.
Ansichten verschiedener franzoͤsischer
Fabrikanten uͤber den gegenwaͤrtigen Zustand ihres Industriezweiges in
Frankreich, und uͤber die Folgen der Aufhebung des Prohibitivsystemes fuͤr
ihre Fabriken.
Im Auszuge aus dem Temps und Moniteur
universel.
(Fortsezung von Bd. LV. Heft 6, S.
467.)
Gegenwaͤrtiger Zustand einiger Industriezweige in
Frankreich.
IV. Ueber die Tuch- und
Wollenwaaren-Fabrikation.
6) Aussagen des Hrn.
Jourdain-Ribouleau, Tuchfabrikanten und Abgeordneten der
Handelskammer in Louviers.
Fr. Wie groß ist das Capital, mit welchem man in
Louviers arbeitet; wie viel Tuch wird daselbst erzeugt, und aus welcher Wolle?
– A. Das in den Gebaͤuden und Geraͤthschaften stekende
Capital mag sich in den Fabriken in Louviers auf 25 bis 30 Mill. Fr. belaufen.
Ich arbeite mit einem Betriebscapitale von 1,800,000 bis zu 2 Mill. Fr., und
erzeuge jaͤhrlich 12 bis 1500 Stuͤke Tuch von 40 Ellen, und
sogenannte Cuirs de laine fuͤr Pantalons,
deren Quantitaͤt ich jedoch nicht angeben kann, da deren Verbrauch sehr
dem Wechsel unterliegt. Wir verarbeiten in Louviers hauptsaͤchlich feine,
franzoͤsische Wollen; aus dem Auslande beziehen wir nicht so viel Wolle,
als wir gern moͤchten, indem es Schwierigkeiten hat, uns in dem Maaße
damit zu versehen, als wir ihrer beduͤrfen. Louviers brauchte ganz
besonders feine fremde Wollen, indem Frankreich noch immer noch nicht genug
Wolle von dieser Guͤte erzeugt, waͤhrend doch Louviers
hauptsaͤchlich seinen feinen Tuͤchern seinen Ruf verdankt. Unsere
besten und schoͤnsten Wollen beziehen wir aus Sachsen, Schlesien und
selbst aus Odessa, wo man ungeheure Heerden zieht, die sehr schoͤne Wolle
liefern.
Fr. Welche Wirkung brachte Ihrer Ansicht nach der
Zoll von 30 Proc., womit man die fremden Wollen belegte, hervor? – A.
Dieser Zoll war unserer Industrie sehr nachtheilig; uͤbrigens weiß man
auch, auf welche Weise derselbe durchgesezt wurde. Ein großer
franzoͤsischer Heerdenbesizer, Hr. v. Polignac, hatte bei seiner Schafzucht ein falsches System befolgt, in
Folge dessen ihm seine Wolle sehr hoch zu stehen kam; er gab sich daher alle
Muͤhe den auf die fremden Wollen gelegten Einfuhrzoll in die Hoͤhe
zu treiben, und brachte ihn auch wirklich auf 30 Proc., ungeachtet der
Opposition des Hrn. Girodde l'Ain, der doch als
Besizer der schoͤnsten Schafheerden in Frankreich durch diese Maßregel
beguͤnstigt zu werden schien. Die Annahme dieses Zolles aͤußerte
einen sehr nachtheiligen Einfluß auf unsere Ausfuhr. Ich befand mich damals eben
in Verbindung mit Italien, wo ich mehrere Comptoirs errichtet hatte, und wohin
ich bedeutende Sendungen von feinen Tuͤchern machte. Der Erfolg der
Zollerhoͤhung zeigte sich unmittelbar; denn die Englaͤnder
erschienen auf ebendenselben Maͤrkten mit Tuͤchern von erster
Guͤte, welche durch ihre Schoͤnheit uͤberraschten. Als ich
nachforschte, woher denn diese ploͤzliche Verbesserung der englischen
Fabrikate kam, zeigte sich, daß dieselbe hauptsaͤchlich dem auf 30 Proc.
erhoͤhten Zolle zuzuschreiben sey, in Folge dessen sich die
saͤchsische Wolle aus Mangel an Absaz nach Frankreich in den Magazinen
anhaͤufte. Die Englaͤnder benuzten diese guͤnstige
Gelegenheit zum Ankaufe der besten Wollen, und mit diesen erzeugten sie nun
Fabrikate, die sie wohlfeiler zu liefern im Stande waren, als wir, und mit denen
sie uns von den italiaͤnischen Maͤrkten, die wir schon
laͤngere Zeit bezogen, verdraͤngten. Mußte nicht selbst das Haus
Ternaux, welches unseren Ruf im Auslande auf den
hoͤchsten Grad gebracht hatte, und welches mehr als irgend ein anderes in
einer Stellung schien, in der es mit dem Auslande Concurrenz halten konnte, der
Gewalt der Umstaͤnde weichen? Hatte das Haus Poupart-Neuflize nicht dasselbe Schiksal? Dieß sind Thatsachen,
an die ich mit Bedauern erinnern muß. Ich selbst mache zwar noch
Geschaͤfte nach Italien, allein sie stehen in keinem Vergleiche mit den
fruͤheren; denn wir haben unseren alten Ruf auf den dortigen
Maͤrkten eingebuͤßt, und schwer werden wir ihn je wieder erringen.
Eben so nachtheilig war die Zollerhoͤhung fuͤr unseren Verkehr mit
Spanien, wo man in Folge dieser Maßregel selbst Tuchfabriken errichtete, und
unsere Fabrikate mit einem hohen Zolle belegte, so daß wir nur wenig Tuch mehr
dahin ausfuͤhren. Die franzoͤsische Tuchfabrikation war auf dem
besten Wege eine groͤßere Ausdehnung zu erlangen, und wenn sie auf diesem
Wege nicht weiter fortgeschritten, so war lediglich die Zollerhoͤhung
Ursache, die unserer Ausfuhr schadete, wegen der der Verbrauch nicht mehr so
rasch zunahm, und wegen der das Volk die Tuͤcher theurer zahlen muß. In
der Landwirthschaft selbst scheint diese Maßregel uͤberdieß nicht einmal
einen Schritt vorwaͤrts bewirkt zu haben; denn wir erhalten seither weder
wohlfeilere, noch schoͤnere, noch mehr Wolle. Die Schafracen sind im
Gegentheil mehr ausgeartet, so daß ich mit Recht schließen zu koͤnnen
glaube, daß sich die Maßregel auch in dieser Hinsicht schaͤdlich
bewaͤhrte. Wenn auch in einigen in Elbeuf und Louviers erschienenen
Abhandlungen behauptet ward, daß der Zoll von 30 Proc. zum Sinken der
Wollenpreise beigetragen habe, so glaube ich im Gegentheile, daß ohne diesen
Zoll unsere Landwirthe schoͤnere Wollen erzeugt haben wuͤrden, als
sie gegenwaͤrtig erzeugen.
Fr. Wie hoch zahlen Sie die Wolle
gegenwaͤrtig, und welches war seit 10 Jahren der niedrigste Preis
derselben? – A. Die rohen Wollen zahlen wir zu 26 bis 30, und die
schoͤnen zu 35 bis 40 Sous; die Wolle der Heerden von Naz gilt noch weit
mehr. Es fanden jedoch Krisen Statt, waͤhrend welcher wir Wolle, die wir
gegenwaͤrtig zu 26 bis 27 Sous bezahlen, zu 18 bis 20 Sous ankaufen
konnten. Der Wechsel der Preise war sehr haͤufig und sehr bedeutend; wir
schrieben denselben dem Umstande zu, daß wir in Frankreich keinen Markt
fuͤr die Wollen aller Laͤnder haben. Es versteht sich von selbst,
daß wir bei diesen Schwankungen großen Schaden litten, indem die Wolle 2/3 des
Gestehungspreises des Tuches ausmacht.
Fr. Mit was fuͤr Maschinen arbeiten Sie in
Ihren Fabriken? – A. Wir haben franzoͤsische, englische und
belgische Maschinen. Ich war in unserer Gegend der erste, der vor 17 Jahren eine
Dampfmaschine mit hohem Druk aus England einfuͤhrte; allein wir besizen
Wasserwerke, die vortheilhafter sind. Elbeuf ist in dieser Hinsicht nicht so gut
gelegen, als Louviers. Die hydraulische Kraft, uͤber die wir zu Louviers
verfuͤgen, laͤßt sich auf 6 bis 700 Pferdekraͤfte
anschlagen; diese Kraft waͤre noch groͤßer, wenn an unseren
Wasserraͤdern alle neueren Erfindungen und Verbesserungen angebracht
wuͤrden. Gegenwaͤrtig werden von dieser Kraft nur 2–400
Pferdekraͤfte verwendet. Ich meinerseits benuze nach dem besten hydraulischen Principe gegen
100 Pferdekraͤfte, und bin eben gegenwaͤrtig daran, aus England
verbesserte Wasserraͤder, wie man sie bei uns in Frankreich noch
nirgendwo hat, kommen zu lassen. Diese Maschinen und die Dampfmaschinen sind
beinahe die einzigen, deren Ausfuhr bei unseren Nachbarn uͤber dem Canale
erlaubt ist. Die in Frankreich gebauten Maschinen sind im Allgemeinen eben so
gut, als die englischen und belgischen; allein sie kommen etwas theurer, und in
einiger Hinsicht sind sie auch von geringerer Vollendung.
Fr. Hr. Lefort sagte uns,
daß er zwischen den Preisen der franzoͤsischen und englischen Maschinen
keinen großen Unterschied finde? – A. Ich kann fuͤr meine
Behauptung einen Beweis liefern; eine belgische Maschine kam mich, in meine
Fabrik gestellt, auf 1500 Fr. zu stehen, waͤhrend mich dieselbe Maschine
in Frankreich 2000 Fr. kostete.
Fr. Mit was fuͤr Brennmaterial arbeiten Sie,
und wie hoch kommt Ihnen dasselbe zu stehen? – A. Wir brennen sogenannte
Flennkohle von Mons, welche sich sehr gut fuͤr unsere Dampfmaschinen
eignet, und dergleichen sich in Frankreich leider keine findet. 100 Kilogr.
dieser Steinkohle von erster Guͤte zahlen wir zu 5 Fr., und meine
Dampfmaschine, die eine Kraft von 12 Pferden hat, verbraucht jaͤhrlich
fuͤr 12 bis 14,000 Fr. Steinkohle. In ganz Louviers befinden sich
zusammen 8 Dampfmaschinen von beilaͤufig 80 Pferdekraͤften, welche
jaͤhrlich fuͤr 100,000 Fr. Steinkohlen verzehren. An Ort und
Stelle zahlen wir 100 Kilogr. Steinkohlen nur zu 30 Sous; das Uebrige kommt auf
die Fracht.
Fr. Welches sind die Verhaͤltnisse Ihrer
Arbeiter? – A. Meine Fabrik beschaͤftigt 5 bis 600 Personen; die
Fabriken von ganz Louviers beschaͤftigen ihrer 7 bis 8000. Die Kinder
verdienen taͤglich 15, die Weiber 20 bis 25, und die Maͤnner 35
Sous bis 3 Fr. Unsere Arbeiter sind zwar schon sehr gewandt, allein immer noch
nicht in hinreichendem Grade; wir brauchen daher zu deren Beaufsichtigung eine
große Anzahl von Fabrikmeistern, die einen hohen Lohn beziehen. In England hat
man nicht so viele Fabrikmeister wie bei uns, indem die Arbeiter im Allgemeinen
geschikter sind, und weniger Beaufsichtigung erfordern. Der Arbeitslohn hat im
Laufe der Zeit beilaͤufig um ein Sechstel gewechselt, und diese
Schwankungen gingen mit den Handelskrisen gleichen Schritt; zur Zeit dieser
konnten jene Fabriken, welche bedeutende Capitalien besaßen, wohlfeiler
fabriciren. Unsere Arbeiter leben bei ihrem Lohne gluͤklich und ziemlich
gut; sie sind im Allgemeinen ordentlich und arbeitsam, so daß wir von der
Sparcasse, die wir kuͤrzlich errichteten, gute Folgen fuͤr sie
erwarten. Die Zahl der Arbeitsstunden betraͤgt bei uns 13.
Fr. Wohin sezen Sie Ihre Fabrikate ab? – A.
Der dritte Theil meiner Fabrikate geht in's Ausland, wo ich noch von alten
Zeiten her Verbindungen unterhalte. Wie groß die Ausfuhr der uͤbrigen
Fabrikanten in Louviers ist, weiß ich nicht, da dieselben nicht selbst
ausfuͤhren, sondern ihre Fabrikate gewoͤhnlich an
Tuchhaͤndler abgeben. Am meisten fuͤhre ich nach Italien aus; nach
den Vereinigten Staaten ist die Ausfuhr nur sehr gering, und nach
Suͤdamerika beinahe ganz nichtig, indem man daselbst unsere feinen
Tuͤcher nicht bezahlen kann.
Fr. Welches sind die gegenwaͤrtigen Preise
Ihrer Tuͤcher, und sind die Preise seit 15 Jahren gefallen? – A.
Ich fabricire Tuͤcher, deren niedrigster Preis 18, der
hoͤchste hingegen 65 Fr. betraͤgt; in groͤßter
Quantitaͤt erzeuge ich Tuͤcher, deren Preis zwischen 30 und 50 Fr.
steht. Ich spedire gewoͤhnlich auf 4 Monate Zeit; bei baarer Zahlung
werden 2 Proc. Scontro gegeben. Ein Tuch, welches vor 12 bis 15 Jahren noch 40
Fr. kostete, wuͤrde gegenwaͤrtig nur mehr 30 Fr. gelten, so daß
die Preise demnach um 25 Proc. gefallen sind. Unsere Fabrikation hat in Bezug
auf die Qualitaͤt Fortschritte gemacht; was aber ihre Masse betrifft, so
hat sie sich bedeutend vermindert.
Fr. Welche Gruͤnde mochten diese Abnahme
bewirkt haben? – A. Die Ausfuhr schoͤner feiner Tuͤcher hat
bedeutend abgenommen, und der Verbrauch im Inlande beschraͤnkte sich mehr
auf Tuͤcher von zweiter Qualitaͤt. Louviers, welches bei der
Fabrikation feiner Waare beharrte, befand sich also nothwendig schlimmer hiebei;
es mußte seinem Systeme entsagen, und erzeugt daher gegenwaͤrtig auch
Tuͤcher von allen Qualitaͤten.
Fr. In welchem Zustande befanden sich die Fabriken in
Louviers zur Zeit als Belgien mit Frankreich vereint wurde? – Unsere
Fabriken litten damals bedeutend durch die Concurrenz der belgischen
Tuͤcher, die man wegen der niedrigeren Preise den unserigen vorzog, so
daß der Absaz der Tuͤcher von Elbeuf und Louviers sowohl im In-
als Auslande bedeutend abnahm. Die Belgier besaßen damals schon sehr
vervollkommnete Maschinen, und in ihren Magazinen war die schoͤnste
saͤchsische Wolle in Menge aufgehaͤuft; uns dagegen fehlte es
sowohl an den einen, als an der anderen. Die belgischen Fabriken wurden
uͤberdieß in großem Maßstabe errichtet, und arbeiteten mit großen
Capitalien: Bedingungen, unter denen sie ihre Tuͤcher wohlfeiler geben
konnten, als wir die unserigen. Elbeuf und Louviers verdanken die Wohlfahrt,
deren sie sich seither erfreuten, nur der im J. 1814 erfolgten Trennung Belgiens
von Frankreich, und der allgemeinen Anwendung von besseren Maschinen und
schoͤneren Rohstoffen.
Fr. Koͤnnen Sie angeben, welcher Unterschied
zwischen den Preisen der franzoͤsischen und jenen der auswaͤrtigen
Tuͤcher besteht? – A. Nein; ich weiß bloß, daß die belgischen und
englischen Tuͤcher wohlfeiler sind, als die unserigen. Ich erinnere
hiebei nur an den oben erzaͤhlten Vorgang auf den italiaͤnischen
Maͤrkten. Die großen belgischen Haͤuser, welche große Opfer
bringen konnten, sezten ihre Preise so herab, daß die franzoͤsischen
Fabriken ihnen auf diesen Maͤrkten das Feld raͤumen mußten.
Uebrigens laͤßt sich selbst unter den gewoͤhnlichen
Umstaͤnden der Unterschied in den Fabrikationspreisen beinahe
unmoͤglich ermitteln.
Fr. Wie hoch glauben Sie denn, daß die Belgier ein
Tuch liefern koͤnnten, welches Sie gegenwaͤrtig zu 30 bis 40 Fr.
verkaufen? – A. Dieser Preis haͤngt von vielen Umstaͤnden
ab, die sich nicht gehoͤrig ermitteln und anschlagen lassen. Die
Rohstoffe, der Arbeitslohn und das Interesse stehen in Belgien viel niedriger.
Es bestehen daselbst bedeutende Anstalten, von denen die Eigenthuͤmer
nicht nur keinen Nuzen ziehen, sondern die ihnen sogar oft Verluste bringen;
indem sie in Erwartung guͤnstigerer Zeiten ihre Fabriken lieber geltend
machen, als daß sie sie still stehen lassen. Im Jahre 1812, wo Belgien zu
Frankreich gehoͤrte, wurde Tuch von Louviers zu 50 Fr. verkauft,
waͤhrend man in Belgien eben so schoͤnes Tuch zu 38 bis 40 Fr.
lieferte.
Fr. Glauben Sie, daß das Einfuhrverbot, welches
gegenwaͤrtig auf den fremden Tuͤchern lastet, durch irgend einen
Schuzzoll ersezt werden koͤnnte? – A. In der Stellung, in der
wir uns gegenwaͤrtig befinden, glaube ich, daß das Einfuhrverbot auf
keine Weise durch einen Zoll ersezt werden koͤnne; denn, wie groß auch
dieser Zoll seyn moͤchte, so wuͤrde die Einfuhr fremder
Tuͤcher eine solche Stoͤrung in unsere Industrie bringen, daß sich
die Folgen davon gar nicht absehen lassen. Laͤßt man hingegen unsere
Fabriken noch mehr Bestand gewinnen, sucht man dieselben in die
naͤmlichen Verhaͤltnisse zu versezen, unter denen sich jene des
Auslandes befinden, so werden wir von selbst zur Aufhebung des Einfuhrverbotes
gelangen. Ich wuͤnsche eine solche Maßregel gewiß eben so sehr, als
irgend jemand Anderer; allein ich kann sie nur dann verlangen, wenn ich Beweise
habe, daß dem allgemeinen Interesse meines Vaterlandes keine Nachtheile daraus
erwachsen.
Fr. Woraus schließen Sie, daß die Aufhebung des
Einfuhrverbotes so nachtheilige Folgen haben wuͤrde? Gesezt, es
bestuͤnde zwischen den Preisen der franzoͤsischen und jenen der
fremden Tuͤcher ein Unterschied von 20 bis 30 Proc., und dieser
Unterschied wuͤrde durch den Graͤnzzoll ausgeglichen, so
muͤßten die Fremden doch mit Nachtheil verkaufen? – A. Allerdings
wuͤrden sie mit Nachtheil verkaufen, und allerdings wuͤrden sie
einige Millionen opfern, um unsere Fabriken zu stuͤrzen: eine eintretende
Handelskrise wuͤrde ihnen die Mittel dazu liefern. Ich halte daher unter
den jezigen Umstaͤnden das Einfuhrverbot fuͤr nothwendig.
Fr. Halten Sie dasselbe denn auch fuͤr immer
noͤthig? – A. Durchaus nicht, wie ich schon oben bemerkte; ich
wuͤnsche vielmehr sehnlich zur Aufhebung dieser Maßregel zu gelangen; nur
muß man uns vorher unter dieselben Umstaͤnde versezen, unter denen sich
unsere Nebenbuhler befinden.
Fr. Welches sind denn diese Umstaͤnde und
Bedingungen? – A. Die auf der Industrie ruhenden Auflagen und
Zoͤlle muͤßten gehoben werden koͤnnen.
Fr. Glauben Sie, daß das Einfuhrverbot ohne Nachtheil
aufgehoben werden koͤnnte, wenn nur unbedeutende Zoͤlle
fuͤr die Rohstoffe zu bezahlen waͤren? – A. Ich glaube
nicht, daß dieß ohne Nachtheil moͤglich waͤre, und mit dem Tage,
wo dieß geschehen wuͤrde, wuͤrde, welches auch die Zoͤlle
seyn moͤchten, die franzoͤsische Industrie sehr leiden: besonders
fuͤhlbar wuͤrde dieß in den schlechter gelegenen Staͤdten
und Fabriken seyn.
Fr. Man kann doch nicht im Interesse derjenigen, die
ihre Fabriken schlecht anlegen, oder die Beweise davon geben, daß sie den
Fortschritten der Industrie nicht folgen, ein eigenes Mauthsystem befolgen! Die
Regierung kann diesen Leuten doch keinen definitiven Schuz gewaͤhren, der
fuͤr die Masse der Concurrenten zum Nachtheil ausschlagen muͤßte.
– A. Ich stimme hierin vollkommen der Regierung bei, nur bin ich der
Ansicht, daß unter den jezigen Verhaͤltnissen selbst die am besten
gelegenen Fabriken unterliegen muͤßten.
Fr. Sie koͤnnen fuͤr jezt also gar
keinen Betrag des Zolles festsezen? – A. Ich halte gegenwaͤrtig
jeden Zoll, wie groß er auch seyn mag, fuͤr hoͤchst
gefaͤhrlich, und wuͤrde in der Aufhebung des Einfuhrverbotes die
groͤßte Unklugheit erbliken.
Fr. Haben Sie noch irgend eine andere Bemerkung zu
machen? – A. Ich erlaube mir noch Folgendes beizufuͤgen. Was kann
und darf man von einem Industriezweige erwarten? Daß er sich auf eine hohe Stufe
der Vollkommenheit erhebe, daß er fortschreite, und daß er sein eigenes
Vaterland versorge.
Wenn er nun diese Bedingungen erreicht hat; wenn seine Producte in Hinsicht auf
Schoͤnheit jeden Vergleich aushalten, und wenn die einzige
Unvollkommenheit, die sie darbieten, nicht von ihm selbst herruͤhrt, thut
man da wohl Recht, wenn man die fremde Concurrenz herbeizieht? Ich glaube nicht.
Man muß vorher ermitteln, ob das Land nicht die Mittel zur Ueberwindung eines
Hindernisses bietet, welches der weiteren Entwikelung dieses Industriezweiges
eben so nachtheilig ist, wie dem allgemeinen Verbrauche. Die Tuchfabrikation hat
nun bei uns in Frankreich diesen Standpunkt erreicht; nirgendwo wird Besseres
erzeugt, wie die lezte Industrieausstellung zeigte; allein das Ausland fabricirt
hie und da wohlfeiler, und in dieser Hinsicht wird seine Concurrenz den
franzoͤsischen Fabriken nachtheilig werden. Die Fabrikanten folgen nur
dem von der Regierung allgemein proclamirten Systeme, wenn sie Fortschritte ohne
gewaltsame Erschuͤtterungen, Verbesserung ohne Umsturz verlangen.
7. Aussagen des Hrn. Paturle Lupin,
Merinos- und Bombasinenfabrikanten von
Chateau-Cambresis.
Fr. Glauben Sie, daß auf dem Standpunkte, den die
franzoͤsische Industrie erreichte, das Einfuhrverbot, womit die fremden
Wollenzeuge belegt sind, durch einen Einfuhrzoll ersezt werden koͤnnte?
– A. Ich glaube, daß das Einfuhrverbot zum Schuze unserer Merinosfabriken
nicht mehr noͤthig ist, indem wir eine bedeutende Quantitaͤt
dieser Zeuge ausfuͤhren; nur gegen die saͤchsischen Wollenzeuge
beduͤrfen wir eines Schuzzolles.
Fr. Wie groß ist die Ausfuhr Ihrer Fabrikate, und
wohin findet sie Statt? – A. Beinahe 2/3 unserer Fabrikate gehen in das
Ausland, und zwar nach Nord- und Suͤdamerika, England, Holland,
Italien, Belgien, und etwas nach Rußland. Wir fuͤrchten auf den
amerikanischen Maͤrkten nur die saͤchsische Concurrenz, und selbst
diese nur in den ordinaͤren Sorten. In den feineren Artikeln haben wir
nichts zu fuͤrchten, und in beiden befindet sich unsere Fabrikation
bedeutend im Vortheile.
Fr. Wie hoch schaͤzen Sie die
Gesammtproduction der Fabrikation, mit der Sie sich beschaͤftigen?
– A. Beilaͤufig auf 20 Millionen an rohen Zeugen.
Fr. Welches war der Gang der Fabrikation? – A.
Sie hat sich bedeutend vermehrt, und ich glaube sogar, daß sie nunmehr ihren
hoͤchsten Standpunkt erreicht habe. Die Preise sind seit 10 Jahren
außerordentlich gefallen, so zwar, daß man gegenwaͤrtig die Elle Merinos,
welche anfangs 36 bis 40 Fr. kostete, fuͤr 9 Fr. haben kann.
Fr. Was fuͤr Wolle verarbeiten Sie? –
A. Ich kaufe viele Wolle in Deutschland; in einigen Jahren jedoch mehr, in
anderen weniger. Ich kaufe im Ganzen jaͤhrlich fuͤr 4 Mill. Fr.
Wolle, die ich jedoch nicht alle verbrauche, sondern von der ich, nach
getroffener Auswahl, einen Theil an die Tuchfabrikanten abgebe. Ich zahle das
Pfund am Ruͤken gewaschener Wolle von 2 Fr. 50 Cent. bis zu 4 Fr. 25
Cent.
Fr. Ihre Fabriken mußten demnach durch den auf die
fremden Wollen gelegten Einfuhrzoll wesentlichen Schaden leiden? – A.
Allerdings; und doch verlange ich mehr im Interesse der inlaͤndischen
Consumenten, als in meinem Privatinteresse eine Herabsezung dieses Zolles; denn
da mir der Zoll bei der Ausfuhr ruͤkverguͤtet wird, so ist die
Sache fuͤr mich beinahe gleich. Ich halte daher die Verminderung des
Zolles um 10 Proc. fuͤr eine zwekmaͤßige Verfuͤgung, obschon keine
groͤßere Veraͤnderung in den Preisen, welche durch den Verbrauch
bedingt sind, daraus erfolgte. Die Heerdenbesizer schlugen einen großen
Laͤrm, als es sich um diese Verminderung des Zolles handelte; sie
erklaͤrten sich fuͤr ruinirt, und doch verkaufen sie
gegenwaͤrtig ihre Wollen nicht wohlfeiler, als fruͤher!
Fr. Halten Sie die fuͤr Ihre Fabrikate
ausgesezte Praͤmie fuͤr genuͤgend? – A. Ja;
uͤbrigens wuͤnsche ich, daß der auf die fremden Wollen gelegte
Zoll sobald als moͤglich aufgehoben werden moͤchte, weil er sowohl
bei der Einfuhr der Wolle, als bei der Ausfuhr der Zeuge zu Mißbraͤuchen
und Betruͤgereien Anlaß gibt, und weil er uͤberdieß den
Fabrikanten genirt.
Fr. Glauben Sie demnach, daß das auf den
Merinoszeugen lastende Einfuhrverbot durch einen Zoll ersezt werden
koͤnnte, und auf welche Weise sollte dieser Zoll festgesezt werden?
– A. Ich halte einen Schuzzoll von 10 Proc. fuͤr unsere Fabriken
fuͤr genuͤgend, und glaube, daß man die Ausfuhrpraͤmie bei
dessen Bestimmung als Basis zum Grunde legen koͤnnte. Man
verguͤtet mir z.B. fuͤr den metrischen Centner feiner
Wollenwaaren, die ich ausfuͤhre, 360 Fr.; wuͤrde man hiezu noch 10
Proc. schlagen, so wuͤrde ich 396 Fr. Ruͤkzoll erhalten. Man
brauchte vielleicht nicht ein Mal volle 10 Proc., indem wir allenfalls auch mit
etwas weniger die fremde Concurrenz auszuhalten im Stande seyn
duͤrften.
Fr. Auf welchen Unterschied in den Preisen treffen
Sie auf den fremden Maͤrkten? – A. Auf einen Unterschied von
beilaͤufig 10 Proc.; was wir zu 9 Fr. verkaufen, wird daselbst zu 8 Fr.
25 Cent. verkauft.
Fr. Koͤnnen Sie uns auch uͤber andere
Wollenwaaren Aufschluͤsse geben? – A. Keine genauen.
Fr. Ließe sich auf die Tuͤcher nicht auch
dasselbe System anwenden, wie auf die Merinoszeuge? – A. Ich kann zwar
hieruͤber kein positives Urtheil abgeben; allein ich glaube, daß das
Einfuhrverbot auch hier durch einen vernuͤnftigen Schuzzoll ersezt werden
koͤnnte.
Fr. Wie viele Arbeiter beschaͤftigt die
Merinosfabrikation, und wie hoch ist das Capital, welches in ihr stekt,
anzuschlagen? – A. Die Zahl saͤmmtlicher von der
Merinosfabrikation lebenden Personen laͤßt sich auf 16 bis 18,000
anschlagen; ich beschaͤftige ihrer 6 bis 7000. Das in derselben stekende
Capital laͤßt sich nicht wohl ermitteln; doch glaube ich, daß es nicht
uͤber 25 Mill. Fr. betragen duͤrfte.
Fr. Mit was fuͤr Brennmaterial arbeiten Sie?
– A. Wir arbeiten mit Steinkohlen von Mons, die uns besser taugen, als
die uͤbrigen Sorten. Wir sind zwar nahe an der Graͤnze; allein
dessen ungeachtet kommen uns die Steinkohlen noch so theuer, daß eine
Erniedrigung des Einfuhrzolles, den sie zahlen, zu wuͤnschen
waͤre.
Fr. Ist auch fuͤr die Bombasinen, die Sie
gleichfalls fabriciren, ein Schuzzoll von 10 Proc. noͤthig, und in
welchem Verhaͤltnisse steht in diesen Zeugen die Seide zur Wolle?
– A. Die Kette besteht an diesen Zeugen aus Seide, und der Eintrag aus
Wolle; in einem Stuͤke von 56 Ellen wiegt die Kette beilaͤufig 2,
der Eintrag hingegen 15 bis 16 Pfd. Uebrigens beduͤrfen wir auch hier
eines Schuzzolles von 10 Proc.
Fr. Finden bei dem Flanelle dieselben
Verhaͤltnisse Statt, wie bei den Merinos? – A. Nein; denn die
Flanelle werden aus kardaͤtschter, die Merinos hingegen aus
gekaͤmmter Wolle fabricirt.
8. Aussagen des Hrn. Eugène
Griolet, Wollengespinnstfabrikanten und Abgeordneten der Handelskammer von
Paris.
Fr. Welche Ausdehnung hat Ihre Fabrik? – A.
Ich spinne beinahe taͤglich 400 Pfd. Kammwolle, und arbeite mit einem
Capitale von einer Million Franken.
Fr. Woher beziehen Sie Ihre Wollen? – A.
Ueberall her; aus Frankreich sowohl, als aus dem Auslande, je nachdem die Preise
stehen, und je nachdem ich meinen Vortheil dabei habe.
Fr. Welchen Einfluß hatte Ihrer Ansicht nach der Zoll
von 30 Proc., den man auf die fremden Wollen legte? – A. Dieser Zoll
wuͤrde fuͤr meine Art von Spinnerei sehr nachtheilig gewesen seyn,
wenn wir bei uns in Frankreich nicht besser fabriciren wuͤrden, als im
Auslande, und besonders als in England. Die Superioritaͤt, welche die
franzoͤsischen Spinner in der Spinnerei feiner Kammwolle besizen,
bewirkte, daß sie selbst bei dem großen Nachtheile, der aus dem Zolle von 30
Proc. fuͤr sie erwuchs, dennoch gedeihen konnten. Dieser Zoll wird
naͤmlich bei der Ausfuhr des Wollengespinnstes nichts weniger als
verguͤtet; ja die Praͤmie entschaͤdigt nicht ein Mal
fuͤr die Haͤlfte dieses Zolles. Um den Vorstaͤnden des
Mauthamtes in Paris, von denen einer behauptet, daß meine Klagen uͤber
die niedrige, den Wollengespinnsten zugestandene Ausfuhrpraͤmie nicht
gegruͤndet seyen, das Fehlerhafte des fraglichen Mauthgesezes recht
anschaulich zu machen, kaufte ich vergangenes Jahr in Deutschland drei Ballen
Kammwolle, welche ich, wie ich den Mauthinspector davon in Kenntniß sezte, zu
dem moͤglich niedrigsten Preise declarirte. Ich zahlte gegen 5 Fr. Zoll
per Kil.; und doch erhalte ich bei der Ausfuhr
des Gespinnstes, welches diese Quantitaͤt Wolle gibt, nur 2 Fr.
Praͤmie per Kil.; ich habe demnach, abgesehen
von dem Abfalle, der sich bei der Spinnerei ergibt, noch 3 Fr. Nachtheil. Diese
Differenz im Ruͤkzolle ist wirklich außerordentlich; und bestuͤnde
sie nicht, so wuͤrden wir hoͤchst wahrscheinlich eine weit
groͤßere Menge Wollengespinnst nach Sachsen, Preußen, Oesterreich und
Rußland ausfuͤhren, als gegenwaͤrtig der Fall ist. Diese schlechte
Classification ist mit ein Hauptgrund, warum in Sachsen, Preußen und Oesterreich
beinahe taͤglich neue Spinnereien von feiner Kammwolle erstehen, die mit
franzoͤsischen Maschinen arbeiten, und zu deren Betrieb man
haͤufig franzoͤsische Werkfuͤhrer und selbst
franzoͤsische Arbeiter kommen laͤßt. Es ist Zeit, daß man den
Fehler, den man durch das fragliche Gesez beging, ein Mal einsehe; und das Beste
waͤre es, sowohl die Zoͤlle bei der Einfuhr, als die
Praͤmien bei der Ausfuhr aufzuheben. Dazu kommt noch, daß fuͤr die
mit Seide vermengten Wollengespinnste, die sogenannten Thibets, bei der Ausfuhr
gar keine Praͤmie bezahlt wird, obwohl die Seide oder die
Seidenabfaͤlle nur den fuͤnften oder hoͤchstens den dritten
Theil derselben ausmachen, waͤhrend sie wenigstens zu 2/3 aus Wolle
bestehen.
Fr. Was benuzen Sie fuͤr Brennmaterial?
– A. Steinkohlen, welche man mir fuͤr Kohlen von Mons verkauft,
und von denen ich die Fuhre fuͤr 44 bis 48 Fr. zahle, so daß mich der
Hectoliter auf 3 Fr. zu stehen kommt. Ich verbrauche taͤglich 3/4 Fuhren
oder 10 bis 11 Hectoliter.
Fr. Welche Details koͤnnen Sie uns
uͤber die Maschinen geben, mit denen Sie arbeiten? – A.
Saͤmmtliche Maschinen, deren ich mich gegenwaͤrtig bediene, sind
in Frankreich gebaut, und haben gar keine Aehnlichkeit mit jenen, deren sich die
englischen Wollenspinner bedienen. Das englische System ist fuͤr die
Wollen jenes Landes, welche im Allgemeinen von ordinaͤrer Sorte und lang
sind, sehr geeignet; auf die feinen und kurzen Wollen laͤßt sich dasselbe
aber nur sehr schwer anwenden. Hieraus erhellt der Vortheil, den wir in der
Fabrikation von Merinoszeugen und leichten Wollenzeugen mit Kette aus Seide
voraus haben. Ich fand jedoch in England mehrere neue Maschinen, welche ich nach
Frankreich zu verpflanzen im Sinne habe, und welche ich in meiner
Wollenspinnerei einzufuͤhren gedenke; denn wer in der Industrie nicht
fortschreitet, der geht zuruͤk. – Sie wissen, daß in England die
Ausfuhr aller Maschinen, welche zur Bearbeitung der Wolle, Baumwolle, Seide und
des Flachses bestimmt sind, verboten ist. Es ist demnach sehr schwierig sie,
ohne eine große Praͤmie zu zahlen, zu bekommen, und selbst dann muß man
oft noch sehr lange darauf warten. Um diese Strenge der Englaͤnder noch
zu steigern, belegt aber die franzoͤsische Regierung die zur Einfuhr
kommenden Maschinen auch noch mit einem Zolle von 15 Proc., waͤhrend sie
im Gegentheile Einfuhrpraͤmien dafuͤr ertheilen sollte, um die
Vervollkommnung der franzoͤsischen Maschinen dadurch zu
beguͤnstigen. Dieser Einfuhrzoll von 15 Proc. ist ein Unsinn, dem man
endlich entsagen sollte. Es ist zwar wahr, daß die Regierung freie Einfuhr
gestattet, wenn die Maschinen von neuer Erfindung sind; allein auf welche Weise
erhaͤlt man diese Erlaubniß? Durch Mittheilung der Zeichnung dieser
Maschinen, welche auf dem Conservatorium der Kuͤnste und Gewerbe
niedergelegt, und dann in den technischen Journalen bekannt gemacht wird. Der
Fabrikant, der gar keinen Kostenaufwand macht, genießt daher auf diese Weise
dieselben Vortheile, wie jener, der keine Muͤhe und Anstrengung scheut.
Dieß ist doch wahrlich nicht gemacht, um zu ermuthigen.
Fr. Man versichert uns, daß unsere Baumwollspinner
die englischen Maschinen entbehren koͤnnen; wie kommt es also, daß dieß
nicht auch bei Ihnen der Fall ist? – A. Die Baumwollspinnerei ist in
Frankreich noch nicht so weit fortgeschritten, als in England. Ein Theil der
Maschinen, die ich gerade jezt einfuͤhre, sind eigentlich fuͤr die
Baumwollspinnerei bestimmt, und eigneten sich mehr fuͤr unsere
Baumwollspinner, als fuͤr mich, der sie erst veraͤndern muß, um
sie zum Spinnen der Kammwolle geeignet zu machen. Wenn ich die Maschinen, die
ich in England kaufte, in Frankreich gefunden haͤtte, so wuͤrde
ich sie nicht mit mehr Muͤhe und groͤßeren Kosten in jenem Lande
gesucht haben. Die Verbindungen der Spinner zwangen mich zum Ankaufe dieser
Maschinen, und meine Werkstaͤtten ruhen aus ebendiesen Gruͤnden
nun seit 5 Monaten. Ich haͤtte zwar bei meiner Ruͤkkehr die
Arbeiter, die mich verlassen hatten, wieder aufnehmen koͤnnen; allein
nachdem ich die Maschinen, die mir dieselben ersezen sollten, ein Mal angekauft
hatte, so wollte ich diese Leute nicht neuerdings aufnehmen, um sie nach kurzer
Zeit abermals zu entlassen. Obschon mich diese Unterbrechung meiner
Geschaͤfte theuer zu stehen kam, so unterzog ich mich doch lieber diesem
Opfer, als daß ich mich in die ungerechten Anspruͤche der Arbeiter
gefuͤgt haͤtte.
Fr. Wie viele Arbeiter beschaͤftigen Sie, und
wie zahlen Sie dieselben? – A. Ich beschaͤftige in Paris 150 und
auf dem Lande 800 bis 1000 Personen. In Paris zahle ich den Weibern und
Stuͤklern 30 bis 40 Sous; die Spinner verdienen taͤglich von 3 bis
zu 10 und 12 Fr., und gerade jene, die taͤglich 10 bis 12 Fr. Lohn
hatten, verließen mich auf gemeinschaftliches Anstiften. Sie haͤtten sich
selbst noch mehr verdienen koͤnnen, und bekennen jezt ihr Unrecht; allein
sie wollten sich eine Herabsezung ihres Lohnes um einen Franken, den ich ihnen
ankuͤndigte, um sie zu zwingen zur Erreichung ihres vollen Lohnes auch an
dem sonst alle 14 Tage freien Dienstage zu arbeiten, nicht gefallen lassen. Jene
Arbeiter, die nur 3 bis 5 Fr. verdienten, sind geblieben. Die Spinner zahlten
alle 14 Tage 10 bis 20 Sous in eine Casse, die zur Unterstuͤzung
ungluͤklicher Arbeiter dienen sollte, die aber zur Entschaͤdigung
jener Arbeiter verwendet wurde, welche wegen Verminderung des Lohnes die
Fabriken verließen, wie ungerecht dieß auch oft seyn mochte.
Fr. Geht von Ihren Gespinnsten welches in das
Ausland? – A. Ja, nach Deutschland; die Ausfuhr ist jedoch nur gering,
indem die Ausfuhrpraͤmie, wie ich oben bemerkte, keine hinreichende
Entschaͤdigung fuͤr den Einfuhrzoll gewaͤhrt.
Fr. Es scheint, daß Sie die englische Concurrenz
nicht scheuen? – A. In den Gespinnsten aus feiner Kammwolle haben wir
einen großen Vorsprung vor den Englaͤndern voraus. Wir haben im Auslande
nur die saͤchsischen Spinner zu scheuen, obschon wir auch feiner und
besser als diese spinnen, indem sie mit einer Wolle, mit der wir bis auf Nr. 80
spinnen, nur Nr. 45 bis 50 erreichen. In den feinen Nummern sind unsere Preise
wohlfeiler, als die englischen; in den groben hingegen sind die englischen
Gespinnste billiger.
Fr. Welche Nummern spinnen Sie? – A. Von Nr.
30 bis zu den hoͤchsten Nummern. Ich spinne gegenwaͤrtig
Kammwollen aus heiß gewaschenen Wollen, von denen das Kilogr. 8 bis 12 Fr. gilt;
ich spinne selbst Wolle, wovon das Kilogr. 15 Fr. gilt, und das
Kammwollgespinnst, welches ich daraus erzeuge, hat einen Werth von 20 bis zu 45
Fr. das Kilogr.
Fr. Wie hoch schaͤzen Sie den Vortheil, den
die Englaͤnder an den ordinaͤren Gespinnsten vor uns voraus haben?
– A. Ich kann hieruͤber nicht genau Aufschluß geben, indem ich
diese Qualitaͤt nicht spinne; was jedoch die feinen Nummern betrifft, so
weiß ich, daß in England nur wenig davon gesponnen wird, und daß die
Englaͤnder ihre Gespinnste theurer verkaufen, als wir die unserigen.
Fr. Glauben Sie, daß das Einfuhrverbot ohne Nachtheil
fuͤr unsere Industrie durch einen Schuzzoll ersezt werden koͤnnte?
– A. Allerdings; denn unsere feinen Kammwollgespinnste scheuen die
Concurrenz keines Landes; und was den Zoll fuͤr die ordinaͤren
Sorten betrifft, so muͤßte derselbe so eingerichtet seyn, daß er nicht
nur den Einfuhrzoll der Wolle ausgliche, sondern uͤberdieß auch noch
unseren neu errichteten Fabriken einen gewissen Schuz gewaͤhrte.
Fuͤr Gespinnste von 20 Fr. Werth per Kilogr.
und daruͤber, wie ich sie jezt fabricire, brauchen wir keinen Schuzzoll,
wohl aber fuͤr groͤbere Sorten. Uebrigens bin ich nicht im Stande
den Betrag des Schuzzolles fuͤr diese anzugeben.
Fr. Sie fabriciren auch Wollenzeuge? – A. Ja,
Merinos.
Fr. Hr. Paturle hat uns so
eben gesagt, daß die Einfuhr der fremden Wollenzeuge gegen einen Einfuhrzoll
fuͤglich erlaubt werden koͤnne? – A. Ich bin, was die aus
feiner Wolle verfertigten Zeuge betrifft, derselben Ansicht; in Hinsicht auf die
Fabrikate aus ordinaͤrer Wolle, welche die Englaͤnder in großer
Menge erzeugen, beduͤrfen wir aber eines hoͤheren Schuzzolles. Bei
dem gegenwaͤrtigen Systeme erhaͤlt jedoch, ich wiederhole es, die feine Waare
nicht die Praͤmie, auf die sie Anspruch zu machen haͤtte, und
welche hergestellt werden muß, wenn unsere Verbindungen mit dem Auslande keine
Unterbrechung erleiden sollen. Bei einem Einfuhrzolle von 30 Proc. sollten
unsere superfeinen Merinos, welche aus heiß gewaschener Wolle verfertigt werden,
die 12 bis 15 Fr. per Kilogr. gilt, und welche 4 bis
5 Fr. Einfuhrzoll zahlt, beinahe 500 Fr. Praͤmie bekommen,
waͤhrend man ihnen nur 360 Fr. bewilligt.
Fr. Wie viele Ellen Merinos gibt ein Kilogr. Wolle?
– A. Ein Kilogr. Gespinnst gibt 4 Ellen Zeug; und zur Fabrikation eines
Merinos, der roh 9 Fr. per Elle gilt, braucht man
eine Wolle, welche heiß gewaschen 12 Fr. kostet, und welche bei dem neuen Zolle
von 20 Proc. 2 Fr. 84 Cent. Einfuhrzoll zahlt. Dazu muß aber noch der Abfall
beim Kaͤmmen, Spinnen und Weben geschlagen werden; kurz man fuͤhrt
nach dem Faͤrben und Appretiren einen Werth von 36 bis 40 Fr. aus,
wofuͤr mit Beruͤksichtigung des Abfalles, der bei den
verschiedenen Operationen Statt fand, 2 Fr. 84 Cent. bezahlt werden.
Fr. Ihre Bemerkungen sollen bei der Revision des
Tarifes beruͤksichtigt werden. Koͤnnen Sie auch noch uͤber
einige andere franzoͤsische Wollenzeuge, welche nach England gehen,
Auskunft geben? – A. Unsere Chalys, Bombasinen, feinen Alepinen und
sonstigen Zeuge, deren Kette aus Seide, der Eintrag hingegen aus feiner Wolle
besteht, finden in England sehr guten Absaz; eben so die aus Thibetgespinnst
verfertigten Merinos, Wollenmousseline u. dgl. Alle diese Fabrikate sind in
England mit einem Zoll von 20 bis 25 Proc. belegt, und dessen ungeachtet kauft
der Englaͤnder gern franzoͤsische Merinos und franzoͤsische
Chalys zum Beweise, daß wir in allen leichten Stoffen aus feiner Wolle den
Vorrang behaupten.
Fr. Hatten Sie nicht auch Gelegenheit zu erforschen,
welcher Unterschied zwischen unseren und den englischen Tuͤchern besteht?
– A. Nein; ich besuchte aber mehrere franzoͤsische Fabriken, in
denen ich dieselben Spinnmethoden bemerkte, die man vor 20 Jahren hatte,
waͤhrend ich in Leeds weit vollkommenere Spinnereien sah, als die
unserigen sind. Man arbeitet daselbst mit einfacheren Vorrichtungen und braucht
dennoch weniger Menschenhaͤnde. Doch muß ich gestehen, daß man im
Auslande in Hinsicht auf die Faͤrberei die franzoͤsischen
Tuͤcher fuͤr vorzuͤglicher haͤlt. Was den Preis
betrifft, so darf man uͤbrigens ja nicht glauben, daß in England Alles
wohlfeil ist, wie man zu meinen scheint; dieses Vorurtheil verschwindet bald,
wenn man sich an Ort und Stelle befindet, und sieht, daß, wenn auch einzelne
Artikel sehr billig sind, im Allgemeinen doch Alles gut verkauft wird.
Fr. Glauben Sie, daß zwischen den englischen und
franzoͤsischen Preisen ein so großer Unterschied bestehe, als man
behauptet? – A. Es geschieht nicht selten, daß man in England etwas sehr
billig gekauft zu haben glaubt, was aber, wie sich zeigt, auf Kosten der
Qualitaͤt geht.
9) Aussagen des Hrn. Legros,
Kaufmann in Paris.
Fr. Wie verhalten sich bei dem Tuchhandel, den Sie
treiben, Ihre Geschaͤfte im Inneren zu jenen im Auslande? – A. Ich
mache im Inlande weit mehr Geschaͤfte als im Auslande, denn meine Ausfuhr
betraͤgt nur den 6ten Theil meines ganzen Verkehrs. Im Jahre 1833
fuͤhrte ich fuͤr 200,000 Fr. Tuͤcher aus; dieses Jahr
hingegen werde ich kaum diese Summe erreichen. Ich mache Sendungen nach
Fernambucco, Bahia, Mexico, Martinique, Guadeloupe, St. Domingo, nach den
Vereinigten Staaten und in die Suͤdsee. Mein Geschaͤft weicht
uͤbrigens von jenem Anderer ab; denn es ist auf den Verbrauch der
Laͤnder, nach denen ich ausfuͤhre, basirt. Ich habe in diesen
Laͤndern Correspondenten, deren Auftraͤge sich jaͤhrlich
erneuern; ich mache keine Sendung auf gut Gluͤk, sondern nur auf
Bestellung; ja mehrere meiner Correspondenten senden mir sogar die Zahlung oder
die Fonds im Voraus.
Fr. Von welchen Fabriken sind die Tuͤcher, die
Sie versenden, und welche Tuͤcher treten auf den fremden Maͤrkten
mit den Ihrigen in Concurrenz? – A. Ich handle mit Tuͤchern von
allen Fabriken Frankreichs. Auf den fremden Maͤrkten treffe ich
hauptsaͤchlich auf englische Tuͤcher; in Haiti und Mexico zuweilen
auch auf belgische; in Brasilien hoͤrte ich nie von belgischen
Tuͤchern und in den Vereinigten Staaten nur sehr wenig.
Fr. Zahlen Sie auf den fremden Maͤrkten mit
den Englaͤndern gleiche Zoͤlle? – A. Ja; allein diese
Zoͤlle sind unserer Ausfuhr sehr laͤstig und nachtheilig. In den
Vereinigten Staaten sind sie außerordentlich hoch, und waͤre dieß nicht
der Fall, so wuͤrden wir weit mehr Absaz daselbst haben, indem man unsere
Tuͤcher in jenen Laͤndern hoͤher schaͤzt, als die
englischen. In Spanien kommen die Zoͤlle beinahe einem Einfuhrverbote
gleich. Wenn es der Regierung gelingen wuͤrde in Spanien eine
Verminderung der auf unsere Tuͤcher gelegten Zoͤlle zu bewirken,
so wuͤrde dieß unseren Absaz bedeutend vermehren, denn Spanien hat keine
Industrie, und obschon man Versuche machte Fabriken daselbst zu errichten, so
mußten diese doch aufgegeben werden, so daß die Spanier gezwungen sind zum
Auslande ihre Zuflucht zu nehmen.
Fr. Sie fuͤrchten also die englische
Concurrenz auf den Maͤrkten der Vereinigten Staaten nicht sehr? –
A. Wir haben wenig von ihr zu fuͤrchten. Ich war der erste, der den
englischen Handel in Bahia und Fernambuceo in Unruhe versezte, und ungeachtet
des fortwaͤhrenden Steigens der Preise, welches in Folge des auf die
Wolle gelegten Zolles eintrat, kann ich noch immer mit den Englaͤndern
kaͤmpfen. Vor 18 Monaten hatten wir noch einen merklichen Vorsprung vor
England voraus, seither haben aber unsere auswaͤrtigen Geschaͤfte
abgenommen.
Fr. Von welchem Preise sind die Tuͤcher, die
Sie ausfuͤhren? – A. Durchaus von geringem Preise; feine
Tuͤcher gehen beinahe gar keine in jene Laͤnder. Vor 18 Monaten
versendete ich Tuͤcher, wovon die Elle 13 bis 14 Fr. galt. Ein einziges
Mal gab mir mein Correspondent einen Auftrag auf feine Tuͤcher;
spaͤter versicherte er mich jedoch, daß er sich in seiner Speculation
getaͤuscht habe.
Fr. Was koͤnnen Sie uͤber den Preis der
belgischen und englischen Tuͤcher im Vergleiche mit den
franzoͤsischen Preisen angeben? – A. Ich reiste zur Zeit als
Belgien mit Frankreich vereinigt war, fuͤr ein Handelshaus, und hatte
Muster von franzoͤsischen und belgischen Tuͤchern. Damals war der
Unterschied zwischen beiden Fabrikaten sehr bedeutend; wer Tuch von
glaͤnzendem Aeußeren wollte, verlangte belgisches Tuch; wer etwas Gutes
wollte, gab Auftraͤge auf Tuch von Elbeuf. Seither hat die
Tuchfabrikation an lezterem Orte aber solche Fortschritte gemacht, daß die von
dort kommenden Tuͤcher auch an Schoͤnheit und Glanz den belgischen
nicht nachstehen. Was uͤbrigens die Bestimmung der Preise
aͤhnlicher oder analoger Tuͤcher in Frankreich, Belgien und
England betrifft, so halte ich eine solche ohne Anstellung einer
foͤrmlichen Untersuchung nicht fuͤr moͤglich. Ich kenne
viele belgische Fabrikanten, allein ich glaube nicht, daß man sich bloß aus
ihren Musterkarten eine vollkommene Idee von ihren Fabrikaten machen
koͤnne. Man muͤßte sich um das Verhaͤltniß kennen zu
lernen, welches Sie zu wissen wuͤnschen, an Ort und Stelle begeben, und
daselbst nicht bloß die Producte untersuchen, sondern auch in alle Details der
Fabrikation eingehen. Aus einer Thatsache, naͤmlich daraus, daß
gegenwaͤrtig bei uns keine belgischen Tuͤcher eingeschmuggelt
werden, laͤßt sich jedoch annaͤherungsweise ein Schluß ziehen. Im
Jahre 1815 schmuggelte man belgische Tuͤcher gegen eine
Assecuranzpraͤmie von 15 Proc., im Jahre 1816 stieg diese Praͤmie
bis auf 20 Proc., zum Beweise, daß selbst bei dieser Praͤmie noch der
Vortheil auf Seite der belgischen Fabriken war. Seither haben sich unsere
Fabriken vervollkommnet, und daher wird seit dem Jahre 1818 auch kein belgisches
Tuch mehr nach Frankreich geschmuggelt; nur vor 2 Jahren erschien eine Partie
belgischer Tuͤcher in Frankreich, die jedoch keine Kaͤufer fanden
und von Hand zu Hand gingen, so daß sich der Unternehmer dieser Speculation sehr
betrogen fand.
Fr. Was halten Sie von dem Einfuhrverbote, und
glauben Sie, daß man einen Schuzzoll statt desselben einfuͤhren
koͤnne? – A. Der Handel verwirft das Prohibitivsystem. Ich glaube,
daß man eines Zolles beduͤrfe, der unseren Fabriken Schuz gewahrt, der
ihnen aber zugleich auch den Antrieb gibt, der ihnen fehlt. Ich kann
uͤbrigens den Betrag dieses Schuzzolles nicht bestimmen; nur glaube ich,
daß sich derselbe auf keine andere Weise, als dadurch ermitteln laͤßt,
daß man in jenen Laͤndern, welche einen Handelsvertrag mit uns einzugehen
wuͤnschen, eine Untersuchung hieruͤber anstellt. Bis diese
Documente gesammelt waͤren, koͤnnte man einen Zoll von 25 Proc.
einfuͤhren, der zum Schuze unserer Fabriken hinreichen wuͤrde,
indem man gegenwaͤrtig bekanntlich keinen Vortheil mehr dabei findet,
fremde Tuͤcher gegen eine Praͤmie von 20 Proc. einzuschmuggeln.
Ich glaube, daß der Zoll nicht zu hoch seyn sollte, weil ein solcher
zuverlaͤssig zur Schnuggelei fuͤhren wuͤrde; wegen eines
Gewinnes von 5 Proc. wird sich aber nicht leicht Jemand den hoͤchst
schwankenden Garantien der Schmuggler hingeben.
Fr. Auf welche Weise glauben Sie, daß der Zoll
erhoben werden koͤnnte? – A. Ich bin seit 10 Jahren bei der der
Mauth zugegebenen Commission von Sachverstaͤndigen, und glaube hienach,
daß die Bestimmung des Zolles nach dem Werthe, der Bestimmung desselben nach dem
Gewichte vorzuziehen ist.
Fr. Allein der Werth der Tuͤcher laͤßt
sich nur sehr schwer schaͤzen? – A. Da die Regierung das Recht des
Verkaufes hat, so darf sie keine falschen Declarationen befuͤrchten; oder
der Betrug wird wenigstens sehr gering seyn, wenn sie sich mit 5 Proc., anstatt
wie bisher mit 10 Proc. uͤber dem declarirten Werthe den Verkauf
vorbehaͤlt.
Fr. Glauben Sie nicht, daß es gut waͤre, ein
Minimum des Preises anzunehmen, unter welchem keine Declarationen Statt finden
duͤrften; es waͤre dieß eine Garantie mehr fuͤr die
wohlfeilsten Tuchsorten, die des Schuzes am meisten beduͤrfen? –
A. Allerdings; allein um dieses Minimum bestimmen zu koͤnnen,
muͤßte man mit der Fabrikation des Auslandes ganz vertraut seyn, und ganz
genau den niedrigsten Gestehungspreis wissen.
Fr. Die Wegnahme unverzollten Tuches im Inneren wurde
immer als eine der
besten Garantien gegen die Schmuggelei betrachtet; glauben Sie, daß diese
Maßregel beibehalten werden koͤnnte, wenn man die Tuͤcher bei der
Einfuhr mit einer Marke versaͤhe? – A. Da die Wegnahme
unverzollter Waare, wo man dieselbe immer finden mag, eines der besten Mittel
gegen die Schmuggelei ist, so bin ich allerdings fuͤr diese Maßregel,
kein achtungswerthes Haus wird sich der Gefahr der Wegnahme aussezen.
Fr. Steht nicht zu befuͤrchten, daß die
fremden Spediteure falsche Marken beisezen? – A. Diese Besorgniß darf
nicht vor einer guten und heilsamen Maßregel zuruͤkschreken. Im Jahre
1816 fabricirte man im Auslande Tuͤcher mit dem Namen unserer Fabriken,
und diese Tuͤcher gingen wirklich fuͤr inlaͤndische. Einige
franzoͤsische Fabrikanten boten selbst die Hand zu diesem Betruge, der
noch groͤßer ist, als die Beisezung einer fremden Marke.
Fr. Es braͤchte also Ihrer Ansicht nach der
franzoͤsischen Industrie keinen Nachtheil, wenn man statt des
Einfuhrverbotes einen Schuzzoll einfuͤhren wuͤrde? – A. Ich
glaube vielmehr, daß ein Vortheil fuͤr dieselbe daraus erwachsen
muͤßte, und daß unsere Fabriken nur dabei gewinnen wuͤrden.
Erlauben Sie mir bei Gelegenheit der Tuͤcher Ihre Aufmerksamkeit auf
einen. Artikel zu lenken, der fuͤr uns von großer Wichtigkeit ist:
naͤmlich auf die Casimire. Ich weiß nicht, ob England viel von diesem
Fabrikate erzeugt; allein Belgien fabricirte davon ehemals große Massen. Seit
dem Jahre 1814 sind jedoch alle Fabriken, die sich damit beschaͤftigten,
und die sich in Aachen befanden, preußisch geworden; sollte es sich daher um
einen Handelsvertrag mit Preußen handeln, so waͤre die Concurrenz dieser
Fabriken sehr zu beruͤksichtigen. Ich habe zwar schon lange keine
Aachener Casimire mehr gesehen; als jedoch Aachen noch franzoͤsisch war,
bestand zwischen seinen Casimiren und den franzoͤsischen ein
groͤßerer Unterschied, als zwischen den Tuͤchern von Verviers und
jenen Frankreichs. Ich sah im Jahre 1816 Aachener Casimire, die mit einer
Praͤmie von 20 Proc. eingeschmuggelt wurden, und an denen die Fabriken
doch noch 20 Proc. gewannen. Die Casimirefabrikation hat zwar seither bei uns
Fortschritte gemacht; allein ich glaube doch nicht, daß sie den Leistungen
Aachens gleichzustellen ist. Gegenwaͤrtig, wo der Absaz an Casimiren sehr
abgenommen hat, wird nichts mehr davon eingeschmuggelt.
Fr. Ist das Erloͤschen der Schmuggelei nicht
ein Beweis, daß kein Vortheil mehr bei ihr ist? – A. Die Ursache davon
duͤrfte wohl in dem verminderten Verbrauche zu suchen seyn; allein die
Mode wechselt, und wenn Casimirpantalons Mode wuͤrden, so koͤnnte
die Einfuhr von fremden Casimiren unseren Fabriken großen Schaden
zufuͤgen. Wir fuͤhren zwar selbst Rheimser Casimire aus; diese
sind jedoch nur zu Gilets bestimmt; Casimir zu Pantalon wird aus Frankreich nur
sehr wenig ausgefuͤhrt.
Fr. Unsere Casimire, so wie alle unsere croisirten
Wollenzeuge sind in Belgien verboten; glauben Sie, daß eine merkliche
Quantitaͤt Casimir aus Frankreich nach Belgien gehen wuͤrde, wenn
dieses Verbot aufgehoben werden wuͤrde? – A. Ich zweifle sehr;
denn ich glaube, daß die Aachener uns noch immer voraus sind, und daß sie daher
auf den belgischen Maͤrkten den Vorrang behaupten koͤnnten.
Fr. Halten Sie einen Zoll von 25 Proc., der nach
Ihrer Ansicht auf die fremden Tuͤcher gelegt werden soll, bei den
unguͤnstigen Verhaͤltnissen, unter denen sich unsere Fabriken befinden, auch
fuͤr genuͤgend? – A. Ja; ich nehme dabei unsere Fabriken so
wie sie sind.
Fr. Wie fanden Sie im Allgemeinen die Declarationen,
die Ihnen als der Mauth beigegebener Sachverstaͤndiger vorkamen? –
A. Ich habe dieses Amt seit einem Jahre aufgegeben; doch muß ich gestehen, daß
die Declarationen im Allgemeinen ziemlich genau gemacht wurden. Der
geuͤbteste Kenner kann den Werth der Tuͤcher nach einem Muster
nicht genau bestimmen, und wir gestanden daher in zweifelhaften Faͤllen
bei der Bestimmung der Praͤmie dem Ausfuͤhrenden immer 10 Proc.
mehr zu. Anfangs beklagten sich einige Fabrikanten; ich schlug ihnen vor, ihnen
Ersaz und Entschaͤdigung zu leisten, wenn sie mich von ihren
Buͤchern Ein sicht nehmen ließen, und dieß brachte sie zum Schweigen.
Fr. Haben Sie bei den Versendungen, welche die
suͤdlichen Fabriken machten, keine uͤbertriebenen
Preisdeclarationen bemerkt? – A. Ja, in der ersten Zeit; da wir aber
keinen Anstand nahmen, diese Declarationen herabzusezen, so gaben sie dieß
auf.
(Fortsezung folgt.)