Titel: | Ueber einige Selbstentzündungen und über die Mittel denselben vorzubeugen. |
Fundstelle: | Band 51, Jahrgang 1834, Nr. XVI., S. 86 |
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XVI.
Ueber einige Selbstentzuͤndungen und
uͤber die Mittel denselben vorzubeugen.
Aus dem Journal des connaissances usuelles. November
1833, S. 260.
Ueber einige Selbstentzuͤndungen.
Man liest in den Zeitschriften beinahe taͤglich von
Ungluͤksfaͤllen, die durch die Selbstentzuͤndung dieser oder
jener Waaren entstehen; besonders haͤufig ereignen sich dieselben in
Haͤfen, auf Schiffen und Mauthniederlagen, wo sie oft unendlichen Schaden
anrichten. Wir glauben daher, daß es von hoͤchster Wichtigkeit waͤre
in die Erforschung der Ursachen aller dieser Selbstentzuͤndungen einzugehen,
um so mehr, da sich nur auf diesem Wege die Mittel, wodurch denselben vorgebaut
werden kann, ausfindig machen lassen. Folgende Daten duͤrften deßhalb nicht
ohne Interesse seyn.
Baumwolle, welche mit Oehl benezt worden, entzuͤndet sich schnell.Wir haben im Polyt. Journale Bd. L. S.
237 angefuͤhrt, daß der große Brand der Halle zu Dublin von
einigen Mitgliedern der Untersuchungscommission dem Einsikern von Oehl in
nahe gelegene Baumwoll- und Wollsaͤke zugeschrieben wurde. Wir
haben nachtraͤglich hierzu nur noch zu bemerken, daß auch Hr. Ainsworth dieser Ansicht war; daß hingegen der
Professor der Chemie an der Royal Society zu
Dublin, Hr. Davy, diese Ansicht fuͤr irrig
erklaͤrte. Lezterer behauptete naͤmlich, daß die fixen Oehle
keine Wirkung auf die Baumwolle und Wolle haben, in welchem
Verhaͤltnisse sie auch damit in Verbindung gebracht werden
moͤgen; daß alle Chemiker von irgend einigem Namen eben dieser
Meinung sind; daß alle Autoren, welche von der Selbstentzuͤndung der
beoͤhlten Baumwolle oder Wolle sprechen, dieselbe nur vom
Hoͤrensagen kennen, und keine Resultate eigener Versuche
anfuͤhren; und endlich, daß er als Chemiker die Ueberzeugung habe,
daß man, selbst wenn man Tausende von Versuchen anstellen wuͤrde, um
Baumwolle oder Wolle durch Oehl zur Selbstentzuͤndung zu bringen, man
doch nimmermehr diesen Zwek erreichen wuͤrde. Diese große
Meinungsverschiedenheit uͤber einen so hoͤchst wichtigen
Gegenstand zeigt, wie nothwendig es auch hier waͤre, das Wahre der
Sache durch directe Versuche zu ermitteln. Leider sind diese Versuche, da
sie im Großen gemacht werden muͤssen, bei der kaͤrglichen
Ausstattung gar mancher unserer Laboratorien, schwer anzustellen, selbst
wenn unsere Professoren der Chemie genug praktischen Sinn dazu
haͤtten. A. d. Ueb. Man weiß, wie schwer und beinahe unmoͤglich es ist, das Durchsikern
des Oehles durch die Oehlfaͤsser zu verhindern, und doch kann die geringste
Menge ausgeschwizten Oehles hinreichen, um eine Selbstentzuͤndung zu
bewirken. Folgende noch nicht sehr veraltete Thatsache ist hieruͤber in den
Philosophical Transactions aufgezeichnet.
Hr Golding, Commissaͤr der ostindischen Compagnie,
hatte auf einem Tische des Arsenales, neben dem sich eine Kiste mit grobem Baumwollzeuge befand,
eine Flasche mit Oehl stehen lassen. Diese Flasche wurde in der Nacht wahrscheinlich
von Ratten umgeworfen; sie zerbrach auf dem Dekel der Kiste, und das Oehl drang in
den Baumwollzeug ein. Als man nun den naͤchsten Morgen darauf die Kiste
oͤffnete, fand man den Baumwollzeug in Flammen und zum Theil verkohlt, und
selbst die Kiste war bereits auf dem Punkte in Flammen zu gerathen. Hr. Golding glaubte im ersten Schreken, man habe einen
Versuch machen wollen, das Arsenal in Brand zu steken; da man aber bei dem
genauesten Nachsuchen nirgendwo in der Naͤhe der Kiste eine Spur einer
entzuͤndbaren Substanz entdeken konnte, so theilte er diese Erscheinung, nach
deren Ursachen er vergebens forschte, Herrn Humphries,
einem bei der ostindischen Compagnie angestellten Manne, mit. Dieser hatte
verschiedene chemische Werke, und unter anderen auch jene des Hrn. Hopson gelesen, in denen von den
Selbstentzuͤndungen, die sich zu Petersburg ereigneten, und auch von den
Versuchen, die der Akademiker Georgi hieruͤber
anstellte, die Rede ist. Die Aehnlichkeit der Thatsachen uͤberraschte ihn
dergestalt, daß er sich entschloß, zu seiner und Hrn. Golding's Beruhigung einige Versuche hieruͤber anzustellen.
Sie nahmen zu diesem Behufe ein Stuͤk von demselben Baumwollzeuge,
befeuchteten es mit Leinoͤhl, und brachten es in eine mit einem
Schluͤssel verschlossene Buͤchse. Nach 3 Stunden fing die
Buͤchse zu rauchen an, und bei dem Oeffnen derselben fand man den
Baumwollzeug ganz in dem naͤmlichen Zustande, in welchem Hr. Golding den Inhalt seiner Kiste gefunden hatte.
Eine russische, im Hafen von Cronstadt eingelaufene Fregatte, auf welcher
zuverlaͤssig seit 5 Tagen kein Feuer mehr gebrannt worden, ging im Jahre 1781
ploͤzlich in Flammen auf, ohne daß man die Ursache davon ausfindig machen
konnte. Aus den Versuchen, die die Akademie zu Petersburg auf Befehl der Kaiserin
hieruͤber anstellen mußte, ging hervor, daß sich der von vegetabilischen
Substanzen erzeugte Ruß, d.h. der Kienruß, der sich aus dem Rauche des
Foͤhrenholzes und anderer harziger Baͤume absezt, von selbst
entzuͤndet, wenn er mit Hanfoͤhl benezt wird; nicht so verhaͤlt
sich hingegen der Ruß thierischer Substanzen. Der fuͤrchterliche Brand des
großen Taumagazines zu Petersburg, so wie der Brand des Magazines zu Rochefort im
Jahre 1756, wurden aͤhnlichen Ursachen zugeschrieben. Im Jahre 1757 brannte
das Segelmagazin zu Brest in Folge einer Selbstentzuͤndung ab, die dadurch
entstand, daß man Wachstuch, welches auf einer Seite bestrichen und an der Sonne
getroknet worden, von den Sonnenstrahlen erwaͤrmt, auf einander schichtete.
Authentische Versuche, die spaͤter hieruͤber angestellt wurden, haben
diese Ursache der Selbstentzuͤndung vollkommen erwiesen. Saladin
und Carette haben gezeigt, daß sich vegetabilische
Stoffe, die in Oehl oder Fett gekocht, und dann einige Zeit uͤber
aufgehaͤuft worden, beim Zutritte der freien Luft entzuͤnden. Sehr
merkwuͤrdig ist es, daß die vegetabilischen Substanzen, wenn sie vor der
Behandlung mit Oehl noch feucht waren, in Flammen aufgehen; daß sie hingegen ohne
Entwikelung von Feuer in Asche verwandelt werden, wenn sie vorher gut getroknet
worden.
Die Papierfabrikanten wissen sehr wohl, daß sich die Lumpen in den
Gaͤhrungsstuben, in welchen sie in Haufen aufgeschichtet liegen,
entzuͤnden, wann nicht bei Zeiten die gehoͤrigen Vorsichtsmaßregeln
gegen diese Erhizung ergriffen werden. Noch bekannter ist die Erhizung und
Selbstentzuͤndung von nassem oder feuchtem Heu. Blieb zufaͤllig ein
Stuͤk Eisen, wie z.B. der Zahn einer Heugabel in dem Heuschober, so ist die
Entzuͤndung beinahe unvermeidlich. Auch das Getreide entzuͤndet sich
zuweilen; doch geschieht dieß weit seltener, weil man es selten so naß aufschichtet,
und weil man uͤberhaupt mehr Sorgfalt auf dasselbe verwendet.
Tabakfaͤsser erhizen sich gleichfalls zuweilen.
Graf Marozzo erzaͤhlte eine
Selbstentzuͤndung, die von einer Explosion begleitet war, und welche sich in
einem Mehlmagazine zu Turin ereignete. Man schrieb diese Erscheinung den
Mehltheilchen zu, die in Folge des Herabfallens eines Haufens Mehl in dem ganzen
Magazine in der Luft schwebten, und die sich an der Flamme einer Lampe
entzuͤndet haben sollen, gleich wie sich der Berlappsamen, dessen man sich in
den Schauspielhaͤusern bedient, an der Flamme eines Kerzenlichtes
entzuͤndet. Dock wurde die Ursache dieser Entzuͤndung nie
gehoͤrig erklaͤrt.
Auch von der Selbstentzuͤndung der Wolle gibt es bereits mehrere Beispiele.
Man sah schon oͤfter Stuͤke Tuch, welche nicht entfettet worden waren,
in den Magazinen Feuer fangen, und eben so wurden Wollenzeuge brennend,
waͤhrend man sie auf die Walkmuͤhle fuͤhrte.
Diese Selbstentzuͤndungen ereignen sich aber immer nur dann, wenn die auf
einander geschichteten Substanzen einen gewissen Grad von Feuchtigkeit besaßen; die
Zersezung des Wassers durch die hoͤhere Temperatur, welche in Folge der
Gaͤhrung entsteht, reicht hier zur Unterhaltung der Verbrennung hin. Hieraus
mag man abnehmen, wie vorsichtig man bei dem Aufhaͤufen der Wolleballen, die
oft naß ankommen, seyn muß, und wie sorgfaͤltig man darauf zu sehen hat, daß
sie gehoͤrig getroknet sind, und daß nicht zu viel auf einander geschichtet
wird. Baumwolle und Oehl sollen immer gehoͤrig von einander getrennt
aufbewahrt werden; auch soll man erstere nicht in Kellern verwahren, denn hier wird
sie feucht, so daß sich in jedem Augenblike wieder die Gefahr erneuert, die man eben vermeiden
wollte. Ein Magazin von Wolleabfaͤllen in der von Hrn. de Bolleyme errichteten Armenbeschaͤftigungsanstalt
fing Feuer, weil die Wolle fett war. Die Wolle brennt gleich der Baumwolle ohne
Flamme, so lange der Zutritt der Luft abgehalten ist; so wie dieser Statt findet,
bleibt auch die Flamme aus.
Wir wollen uns uͤber die vielen anderen Faͤlle, in denen eine
Selbstentzuͤndung eintritt, nicht weiter verbreiten. Die Ursachen derselben
sind sehr verschieden, und beweisen nur zu sehr, daß man vorzuͤglich in jenen
Magazinen, in welchen Tauwerk, Hanf, Kienruß, Pech, Theer, Wachsleinwand u. dergl.
aufbewahrt wird, nicht vorsichtig genug seyn kann. Nie sollen diese Substanzen in
groͤßerer Menge aufgehaͤuft werden, besonders wenn sie feucht oder naß
sind. Man soll dieselben oft untersuchen, und wenn sich auch nur die geringste
Erhizung zeigt, sogleich Maßregeln dagegen treffen; denn die geringste
Verspaͤtung kann zu einem heftigen Brande fuͤhren. Wenn die
Untersuchung des Nachts vorgenommen wird, so soll durchaus kein offenes Licht dabei
verwendet werden, weil sich die Gase, die sich aus diesen Substanzen entwikeln, oft
bei der Beruͤhrung, in die sie mit der Flamme treten, entzuͤnden.
Es waͤre sehr nothwendig, daß die Verwaltungsbehoͤrden, denen die
Polizei der groͤßeren Staͤdte anvertraut ist, genau mit den Ursachen
und Erscheinungen dieser Ereignisse bekannt waͤren; denn die Unkenntniß
derselben und die Unvertrautheit mit den zu treffenden Vorsichtsmaßregeln sind nur
zu oft die einzige Ursache mancher Feuersbruͤnste, welche nicht nur einer
ganzen Stadt großen Schaden bringen koͤnnen, sondern die auch nicht selten
auf Unschuldige geschoben werden, die auf diese Weise als Dekmantel fuͤr die
Unwissenheit gelten muͤssen.