Titel: | Ueber die Silberproben auf nassem Wege; von F. X. Haindl. Scheider bei dem k. Haupt-Münzamte in München. |
Autor: | F. X. Haindl |
Fundstelle: | Band 49, Jahrgang 1833, Nr. XXI., S. 108 |
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XXI.
Ueber die Silberproben auf nassem Wege; von
F. X. Haindl. Scheider
bei dem k. Haupt-Muͤnzamte in Muͤnchen.
Mit Abbildungen auf Tab.
II.
Haindl, uͤber die Silberproben auf nassem Wege.
Der Mangel an mathematischer Genauigkeit bei den Silberproben auf trokenem Wege durch
die Cupellation hat in juͤngster Zeit eine Neuerung in diesem Zweige der
Docimasie veranlaßt, die durch den großen Kreis ihres Einflusses nicht minder
wichtig ist, als auch der Beweis erfreulich, den sie von den Fortschritten der
Chemie und der durch sie bezwekten Genauigkeit bei analytischen Arbeiten
lieferte.
Es ist naͤmlich bekannt, daß der Gehalt von Silberlegirungen
gewoͤhnlich durch die Cupellation bestimmt wird, welche darin besteht, daß
ein gegebenes Gewicht einer Silberlegirung mit einer gewissen Menge Blei auf einer
Kapelle aus Thon und Asche, oder aus phosphorsaurem Kalk in Fluß gebracht wird,
wobei die oxydirbaren Metalle mit dem Bleioxyde von der Kapelle eingesogen werden,
und das Gewicht des in der Kapelle zuruͤkbleibenden Silbers (Korn genannt)
den Gehalt bestimmt. – Dieses Verfahren stammt aus sehr alter Zeit, ist
einfach und schnell; gibt jedoch keine mathematisch genauen Resultate. –
Man hat naͤmlich die Erfahrung gemacht, daß bei den Kapellenproben immer eine
kleine Quantitaͤt Silber mit in die Kapelle eindringt, weßwegen der Gehalt
niedriger erscheinen muß, als er wirklich ist. Der Beweis hievon war, daß chemisch
reines Silber, auf der Kapelle abgetrieben nie mehr den Gehalt von 16 Loth oder 1000
Milliemes auswies, und daß, wenn man die bei den Proben gebrauchten Kapellen
einschmolz, das dabei erhaltene Schmelzproduct stets Silber enthielt, obgleich ganz
silberfreies Blei bei den Proben angewendet worden war. –
Man war schon lange bedacht, diesem Mangel auf irgend eine Weise abzuhelfen; allein
eines Theiles war keine Veranlassung da, die eine Abaͤnderung noͤthig
gemacht haͤtte, und anderen Theiles kannte man auch keine Mittel dazu. Erst
die neueren Fortschritte in der Gold- und Silber-Scheidung in
Frankreich, welche erlaubten 1/1000 Gold aus dem Silber mit Gewinn zu scheiden,
bewirkten, daß man sich ernstlich mit Auffindung von Mitteln zu Beseitigung der
Maͤngel, welche der Cupellation anhaͤngen, beschaͤftigte. Die
Scheider beklagten sich naͤmlich immer haͤufiger uͤber den
Verlust, den sie erlitten, wenn sie ihr aus der Scheidung erhaltenes feines Silber
auf den Gehalt von 900 MillièmesIn Frankreich wird der Silbergehalt nach Millièmes oder Tausendtheilen
ausgedruͤkt. oder 14 Loth 7,2 Graͤn, den gesezmaͤßigen Silbergehalt in
Frankreich, legirten, weil die Kapellenproben statt des Gehaltes von 900, welchen
das Silber dem genau berechneten Kupferzusaze gemaͤß haben sollte und mußte,
nur einen Gehalt von 895 oder 896 Mill. (14 Loth 5,76 Graͤn oder 14 Loth 6,04
Graͤn) anzeigten, so daß sie stets 4 bis 5 Grammen per Kilogramm oder 1 bis 1 1/4 Graͤn per Mark, fein Silber einbuͤßten. –
Die Muͤnzcommission in Paris unterzog sich der Pruͤfung uͤber
den Grund dieser Klagen. Es wurden Legirungen verschiedenen Gehaltes aus reinem
Silber und Kupfer zusammengesezt, und auf der Kapelle probirt.
Man fand hiebei nicht nur, daß ein Silberverlust Statt finde, sondern auch, daß
dieser Verlust nicht bei allen Gehalten gleich sey, indem er von dem Gehalte von
1000 Mill., oder 16 Loth, wo er 1,03 Mill. oder 1/4 Graͤn betraͤgt,
progressiv bis zu dem Gehalte von 687 Mill. oder 11 Loth, wo er 4,68 Mill. oder 1
1/4 Graͤn betraͤgt, zunimmt, und von da bis zu dem Gehalte von 62,5
Mill. oder 1 Loth, wo er nur 0,44 Mill. oder 0,12 Graͤn betraͤgt,
wieder eben so abnimmt. –
Um zu erfahren, wie sich dieser Verlust an anderen Orten verhalte, wurden bekannte
Legirungen an mehrere Muͤnzanstalten zur Untersuchung auf der Kapelle
gesendet. Dadurch kam man zu der Ueberzeugung, daß die Differenzen der
Kapellenproben nicht absolut seyen, sondern nach den Verhaͤltnissen, unter
welchen die Proben gemacht werden, verschieden seyn koͤnnen. So zeigte eine
und dieselbe Legirung in Paris eine Differenz von 4 Mill.,Ein Millième ist ungefaͤhr 1/4 Graͤn, wovon 18 auf ein
Koͤlner Loth gehen. in Wien von 1,6; in Hamburg von 2,43; in London von 3,75; in Madrid von 6,3
und in Neapel von 9 Mill., von dem wirklichen Gehalte. Die Ursache hievon ist, daß
bei der Cupellation zu viele Nebenumstaͤnde auf das Resultat der Probe
Einfluß haben, indem eine mehr oder weniger feste Kapellenmasse, die Temperatur des
Probirofens, die Menge des angewandten Bleies, und die Behandlung der Probe unter
der Muffel merkliche Verschiedenheiten erzeugen koͤnnen, wobei es auch nicht
immer in der Macht des Probirers steht, alle nachtheiligen Einfluͤsse zu
beseitigen. Jeder Probirer ist daher genoͤthiget, selbst den Silberverlust
ausfindig zu machen, den seine Proben bei den verschiedenen Gehalten auf der Kapelle
erleiden, um darnach eine Compensations-Tabelle zur Ausgleichung der
Differenzen anfertigen zu koͤnnen. –Ich habe fuͤr den Probirofen in unserer Muͤnze eine solche
Compensations-Tabelle verfertiget, und die Differenzen mit Ausnahme
der feinen Proben, bei welchen ich sie groͤßer fand, beinahe
vollkommen mit jenen, welche in Paris angegeben wurden,
uͤbereinstimmend gefunden.
Nicht zufrieden mit dieser, vermittelst einer solchen Compensations-Tabelle
erzwekten Genauigkeit, versuchte man den Silbergehalt auf nassem Wege zu bestimmen.
Da die Versuche zeigten, daß man auf diese Weise vollkommene Genauigkeit erlange, so
bemuͤhte man sich, die nasse Probirart, die zur Ausfuͤhrung anfangs
viele Schwierigkeiten darbot, zur praktischen Anwendung geeignet zu machen, um damit
die Kapellenproben theils zu controlliren, theils auch, um sie so viel als
moͤglich dadurch zu ersezen. Dieses gelang vorzuͤglich durch die
Bemuͤhungen Gay-Lussac's, welcher in seinem
neuesten Werke: „Instruction sur l'essai des
matières d'argent par la voie humide. Paris 1832,“
eine Beschreibung des Verfahrens bei den Proben auf nassem Wege nebst einer
Anweisung dazu lieferte, wodurch man nun in den Stand gesezt ist, viel sicherer und
beinahe eben so schnell auf nassem, als auf trokenem Wege zu probiren.Eine kurze Beschreibung von Gay-Lussac's
Probirverfahren wurde bereits im XL. Bd.
S. 455 des polytechnischen Journals mitgetheilt.A. d. R.
Dieses neue Probirverfahren besteht darin, den Gehalt eines legirten Silbers durch
die Menge einer Kochsalzaufloͤsung von gewisser Staͤrke zu bestimmen,
welche noͤthig ist, um genau alles in dem gegebenen Gewichte einer Legirung
enthaltene Silber niederzuschlagen. –
Die Grundsaͤze, auf welchen dieses Verfahren beruht, sind folgende:
Das Silber wird aus seiner Aufloͤsung in Salpetersaͤure durch
Kochsalzaufloͤsung als Chlor- oder Horn-Silber
niedergeschlagen. Die Menge des niedergeschlagenen Chlorsilbers wird nicht durch ihr
Gewicht bestimmt, was wenig sicher waͤre, und zu viele Zeit erfordern
wuͤrde, sondern durch das Gewicht oder Volumen einer loͤthigen Kochsalzaufloͤsung,
welches verwendet wurde, um genau alles in der Salpetersaͤure
aufgeloͤste Silber niederzuschlagen.
Die Menge der Kochsalzaufloͤsung wird in Tausendtheile oder Mill. getheilt,
und der Gehalt wird nach der Anzahl von Mill. bestimmt, welche noͤthig sind,
um das in Einem Gramme einer Legirung enthaltene Silber niederzuschlagen. Den Punkt
der vollkommenen Praͤcipitation erkennt man sehr leicht an dem
Aufhoͤren aller Truͤbung, wenn man die Salzaufloͤsung nach und
nach zur Silberaufloͤsung gießt. Ein MilligrammEin Milligramm = 0,016 Gran Apotheker-Gewicht. Silber ist in einem Gewichte der Fluͤssigkeit von 100 Grammen noch
sehr empfindlich, und man kann sogar 1/2 und 1/4 MilligrammDas Chlor zeigt daher die Gegenwart von Silber bis zur 400,000fachen
Verduͤnnung an. sehr gut unterscheiden, wenn die Fluͤssigkeit ganz klar ist.
–
Die Kochfalzaufloͤsung wird von einer solchen Staͤrke bereitet, daß 100
Grammen davon, wenn man ihre Menge nach dem Gewichte bestimmt oder mißt, oder 100
Kubikcentimeter,Ein Kubikcentimeter ist der 100ste Theil eines Meters im Kubus, und die Menge
destillirten Wassers, die er enthaͤlt, repraͤsentirt die
Gewichtseinheit in Frankreich, den Grammen, daher 100 Kubikcentimeter = 100
Grammen. wenn man nach dem Volumen mißt, einen Gramm reines Silber vollkommen
niederschlagen. Lei der Messung nach dem Gewichte ist daher 1 Millième = 1/10
Gramm oder Decigramm, und bei der Messung nach dem Volumen 1/10 Kubikcentimeter.
–
Dieß ist in Kurzem die Theorie der neuen Probirart. Ihre Anwendung fordert eine
naͤhere und umstaͤndlichere Beschreibung.
Vor Allem muß man sich eine Kochsalzaufloͤsung bereiten, die ganz genau die
oben angegebene Staͤrke hat. Wir wollen sie Normalaufloͤsung nennen.
Zur Bereitung dieser Normalaufloͤsung loͤst man gereinigtes Kochsalz
im Verhaͤltnisse von 0,5427 : 99,4573 oder 1 : 183,263 in Wasser auf; oder,
was wegen der Unreinheit des Kochsalzes vorzuziehen ist, man macht eine concentrirte
Salzaufloͤsung, und sucht durch Abdampfen einer kleinen Quantitaͤt den
Salz-Procentgehalt derselben. Nach diesem berechnet man, wie viel Wasser man
hinzufuͤgen muͤsse, um obiges Verhaͤltniß des Salzes zum Wasser
zu erhalten. Z.B. die concentrirte Salzaufloͤsung hielte 25 Procent Salz oder
250 Grammen per Kilogramm, und man wollte 100 Kilogramm
Normalaufloͤsung bereiten, so waͤre die Berechnung: 0,250 K. : 1 K. =
0,5427 K. : x = 2,1708 K. concentrirte
Salzaufloͤsung. Zu diesen muͤßte man daher noch 100 – 2,1708 =
97,8292 Kilogramm destillirtes Wasser gießen.
Diese nach stoͤchiometrischen Verhaͤltnissen bereitete Mischung muß
jedoch erst gepruͤft werden, ob sie vollkommen genau sey, und im
entgegengesezten Falle berichtiget werden. Zu diesem Zweke loͤst man 1 Gramme
chemisch reines SilberGanz reines Silber erhaͤlt man am sichersten, wenn man Chlorsilber mit
Kalk und Kohle, und zwar im Verhaͤltnisse von 66,66 Kalk, 3,33 Kohle
auf 100 Theile Chlorsilber, reducirt. in 7 bis 8 Grammen reiner Salpetersaͤure von 32 Baumé in einer
Glasflasche Fig.
1 auf, fuͤllt dann die Glasroͤhre, Fig. 2, auf welcher 100
Grade-Abtheilungen angebracht sind, wovon jede 1 Gramm Fluͤssigkeit anzeigt, mit der
Normalfluͤssigkeit bis zu 0 an, und wiegt sie. Hierauf gießt man, anfangs in
groͤßerer Menge, am Ende aber nur tropfenweise unter bestaͤndigem
Schuͤtteln so lange davon zur Silberaufloͤsung, bis sich keine
Truͤbung mehr zeigt. Man wiegt nun die Roͤhre wieder, und wenn die
Gewichtsdifferenz genau 100 Grammen betraͤgt, so daß also 100 Grammen
Salzaufloͤsung verbraucht wurden, so ist die Normalaufloͤsung richtig
und wird dann in wohlgeschlossenen Gefaͤßen aufbewahrt, damit keine
Verdunstung von Wasser Statt finden kann, wodurch sie staͤrker werden
wuͤrde; betraͤgt aber die Differenz mehr oder weniger als 100, so ist
die Salzaufloͤsung im ersten Falle zu schwach, im zweiten zu stark, es muß
daher entweder Salz oder Wasser zugesezt werden. Z.B. die Differenz waͤre
101,2, so wuͤrde dadurch angezeigt, daß 101,2 Grammen der
Salzaufloͤsung um 1,2 Gramme zu viel Wasser enthalten, und es muͤßte
daher berechnet werden, wie viel Salz diese 1,2 Gramme Wasser nach dem angegebenen
Verhaͤltnisse fordern, nach folgendem Ansaze: 183,263 : 1 = 1,2 : x = 0,0065 Grammen. Man muͤßte daher so oftmal
0,0065 Grammen Salz zusezen, als die ganze Menge der bereiteten
Salzaufloͤsung 101,2 Gram wen wiegt, mithin zu 100 Kilogrammen
Salzaufloͤsung, 6,482 Grammen Salz. Diese Versuche muͤssen so lange
wiederholt werden, bis man den genauen Saͤttigungspunkt erreicht hat.
–
Die Bestimmung des Gehaltes von legirtem Silber geschieht auf folgende sehr bequeme
Weise:
Man loͤst einen Gramm der Legirung in Salpetersaͤure auf, und
schlaͤgt mit der Normalaufloͤsung nieder; die Gewichtsdifferenz der
gradirten Roͤhre nach der Faͤllung zeigt den Gehalt, wenn man den
Decimalstrich um eine Stelle weiter rechts ruͤkt, z.B. die Roͤhre wog
mit Normalaufloͤsung gefuͤllt, 199,52 Grammen, nach der
Faͤllung wog sie 109,31 Gr., so waͤre die Differenz 90,21, und der
Gehalt 902,1, nach unfern Bestimmungen 14 Loth 7,64 Graͤn. Der Grund hievon
ist leicht einzusehen, wenn man sich erinnert, daß ein Mill., der 100 Grammen
Normalaufloͤsung = 1/10 Gramm oder Decigramm ist; so viele Decigrammen also
verbraucht wurden, so viele Mill. betraͤgt der Gehalt. Im gegebenen Falle
wurden 90,21 Grammen oder 902,1 Decigrammen verbraucht, mithin ist der Gehalt 902,1.
–
Zur Erzielung einer noch groͤßeren Genauigkeit und zur Sicherheit des
Probirers bedient man sich am Ende der Operation, wenn man anfaͤngt, die
Normalaufloͤsung nur tropfenweise anzuwenden, einer decimirten Salz-
oder Silber-Aufloͤsung, d.i. einer Salzaufloͤsung, welche in
einem zehnfach groͤßeren Gewichte oder Volumen dieselbe Menge Salz
enthaͤlt, als die Normalaufloͤsung, oder einer
Silberaufloͤsung, welche der erstern so entspricht, daß sie sich beide gegenseitig vollkommen
zersezen. Die decimirte Salzaufloͤsung wird bereitet, indem man 100 Grammen
Normalaufloͤsung mit 900 Grammen destillirtem Wasser verduͤnnt; die
decimirte Silberaufloͤsung erhaͤlt man, wenn man Einen Gramm Silber in
einem Glaskolben Fig. 3, der bis ab angefuͤllt 1
Liter oder 1000 Grammen Fluͤssigkeit faßt, aufloͤst, und bis ab mit Wasser verduͤnnt. Diese decimirten
Aufloͤsungen werden, wie schon gesagt, am Ende der Operation gebraucht, und
zwar aus folgendem Grunde:
Von der Normalfluͤssigkeit laͤßt sich nicht weniger als ein Tropfen
ausgießen, ein Tropfen aber wiegt schon einen Decigramm und bringt daher eine
Differenz von einem Millième in der Gehaltsangabe hervor; weßwegen das
geringste Versehen leicht zu Unrichtigkeiten und Wiederholung der Probe
fuͤhren kann; hat man aber eine Salzaufloͤsung, wovon erst 10 Tropfen
gleich sind Einem Tropfen der Normalaufloͤsung, so kann man den Gehalt sehr
leicht bis zu 1/2 und 1/4 Mill. bestimmen, und ein Tropfen mehr oder weniger
ausgegossen bringt kei Differenz hervor, die zu beruͤksichtigen ist.
–
Die decimirte Silberaufloͤsung dient dazu, wenn man zu viel
Salzaufloͤsung verwendet haͤtte, den Ueberschuß derselben zu
zerstoͤren. Zur Anwendung dieser decimirten Aufloͤsungen bedient man
sich einer Roͤhre Fig. 4, welche von der Art
gemacht ist, daß sie bis ab angefuͤllt, 1
Gramm Fluͤssigkeit in 20 Tropfen frei abfließen laͤßt; wornach der
ganze Gramm 1 Millième, 10 Tropfen 1/2, und 5 Tropfen 1/4 Mill. darstellen.
Anstatt nun bei einer Probe gaͤnzlich mit der Normalaufloͤsung
niederzuschlagen, hoͤrt man gegen das Ende auf, bestimmt die
Gewichtsdifferenz, und gießt dann mittelst der Roͤhre Fig. 4 1 Mill. decimirter
Salzaufloͤsung hinzu, zeigt dieses eine Truͤbung, ein zweites, und
uͤberhaupt so viele, bis man durchaus keine Truͤbung mehr wahrnimmt;
dann addirt man die angewendeten Mill., wobei aber das lezte, welches keine
Truͤbung mehr erzeugte, gar nicht, und das vorlezte nur halb gerechnet wird,
weil man annimmt, daß es zur voͤlligen Praͤcipitation nicht mehr ganz
noͤthig war, – zu dem durch die Gewichtsdifferenz schon angezeigten
Gehalte, und erhaͤlt dadurch den genauen Gehalt. Z.B. die Differenz war vor
der gaͤnzlichen Faͤllung 89,76, der Gehalt also 897,6; die Anzahl der
beigefuͤgten Mill. 4, resp. 2 1/2, so waͤre der Gehalt 897,6 + 2,5 =
900,1.
Das bisher Gesagte gilt von der Messung der Normalaufloͤsung nach dem
Gewichte; die Messung nach dem Volumen unterscheidet sich davon auf mehrfache Weise:
Bei ersterer bleibt das Gewicht einer Legirung, das dem Versuche unterworfen wird,
immer gleich; es wird naͤmlich stets 1 Gramm eingewogen, weil sich der
Verbrauch der
Salzaufloͤsung nach dem Silbergehalte der Probe richtet, und durch die Wage
nach den kleinsten Theilen bestimmt werden kann; das Volumen hingegen laͤßt
sich nicht nach so kleinen Theilen messen, daher dieses constant bleiben, wohl aber
das Gewicht der einzuwiegenden Probe nach Verhaͤltniß des Gehaltes sich
aͤndern muß; – denn da 100 Kubikcentimeter der Normalaufloͤsung
immer Einen Gramm Silber erfordern, so muß immer so viel von einer Legirung zum
Versuche eingewogen werden, daß darin 1 Gramm Silber enthalten ist, was sich sehr
leicht berechnen laͤßt. Bei einem Gehalte von 800 muͤßte z.B. 1,25
Grammen eingewogen werden, weil 800 : 1000 = 1000 : x =
1250 Mill. = 1,25 Grammen. Je niedriger daher der Gehalt einer Legirung ist, desto
mehr muß davon eingewogen werden. Ferner ist bei der Messung nach dem Volumen die
Temperatur zu beruͤksichtigen, weil diese das Volumen vermehren und
vermindern kann. Es wurde deßhalb durch Versuche ausgemittelt, welche Differenzen
der Temperaturwechsel bei den verschiedenen Graden in der Gehaltsbestimmung
hervorbringe, und daruͤber eine Tabelle verfertiget, welche die bei
jedesmaliger Temperaturaͤnderung noͤthige Berichtigung in der
Gehaltsbestimmung anzeigt. –Diese Tabelle findet sich in dem schon erwaͤhnten Werke von Gay-Lussac
„Instruction sur l'essai
etc.“
Auch das Verfahren bei dieser Messungsart ist verschieden; – um immer das
gleiche Volumen von 100 Kubikcentimeter zu erhalten, bedient man sich einer
Tropfroͤhre Fig. 5, die bis cd angefuͤllt
genau 100 Grammen Normalaufloͤsung in Einem Strome ausfließen laͤßt.
So eine Tropfroͤhre voll wird immer zur Aufloͤsung der Legirung
gegossen, und dann mit den decimirten Aufloͤsungen der Versuch vollendet;
denn da man nach dem aͤußeren Ansehen und dem Striche auf dem Probirstein den
Gehalt einer Legirung nur approximativ bestimmen kann, so werden die 100 Grammen
Normalaufloͤsung entweder zu viel oder zu wenig seyn, und man muß entweder
mit der decimirten Salzaufloͤsung gaͤnzlich niederschlagen, oder mit
der decimirten Silberaufloͤsung den Ueberschuß der Salzaufloͤsung
zerstoͤren. Durch die Anzahl von Mill., die von einer dieser beiden
decimirten Aufloͤsungen verbraucht wurde, bestimmt sich dann der Gehalt. Ein
Beispiel wird die Sache naͤher erklaͤren.
Man haͤtte eine Legirung von dem Gehalte von ungefaͤhr 795 zu
untersuchen, so berechnet man, wie viel davon zur Probe genommen werden muß; die
Berechnung zeigt 1,258 Grammen; diese loͤst man auf, gießt eine
Tropfroͤhre voll hinzu, schuͤttelt und laͤßt die
Fluͤssigkeit klar werden; dann untersucht man mit den decimirten Aufloͤsungen, ob mit Salz
oder Silber eine Truͤbung entsteht, und schlaͤgt vollends nieder.
Haͤtte man nun 6 Millièmes Salzaufloͤsung verbraucht, so addirt
man 4 1/2 (weil die lezten 1 1/2 nicht gerechnet werden) zu dem angenommenen Gehalte
von 795, und der wirkliche Gehalt waͤre 795 + 4,5 = 799,5; –
haͤtte man umgekehrt 6 Mill. decimirte Silberaufloͤsung gebraucht, so
muͤßte man 4 1/2 abziehen, und der Gehalt waͤre 795 – 4,5 =
790,5. Ist eine Temperatur correction noͤthig, so sucht man diese auf der
oben erwaͤhnten Tabelle. Man hat bei dieser Messungsart eine Vorrichtung Fig. 6,
wodurch die Proben sehr beschleunigt und erleichtert werden.
a ist ein cylindrisches Gefaͤß von Kupfer, in
welchem die Normalaufloͤsung aufbewahrt wird; mit diesem Gefaͤße ist
die Roͤhre cc' und die Tropfroͤhre
d in Verbindung. In der Roͤhre c', durch welche die Normalfluͤssigkeit in die
Tropfroͤhre gelangt, befindet sich ein Thermometer, welcher die jedesmalige
Temperatur der Normalaufloͤsung anzeigt; i ist
ein Hahn, durch welchen die Normalfluͤssigkeit in die Roͤhre c' ablaͤuft, und e
ein Hahn, welcher die Fluͤssigkeit in die Tropfroͤhre abfließen
laͤßt; g ist eine Klappe, welche der Luft Zutritt
gestattet, wenn man die Fluͤssigkeit aus der Tropfroͤhre abfließen
lassen will, und vertritt daher die Stelle des Fingers. f ist eine Schraube mit einer ganz kleinen Oeffnung, welche nur so viel
Luft eintreten laͤßt als nothwendig ist, um die Fluͤssigkeit auf das
Niveau von b zu stellen. hh sind Arme von Holz, welche die Roͤhren c' und d halten. Bei k wird der Apparat an einer Wand oder an einem anderen Stuͤzpunkte
befestiget. Will man nun einen Versuch machen, so oͤffnet man die
Haͤhne i und e,
fuͤllt die Tropfroͤhre und laͤßt, wenn man die
Fluͤssigkeit mittelst der Schraube f auf b gestellt hat, dieselbe durch Oeffnung der Klappe g in die Aufloͤsungsflasche m ablaufen. –
Was nun den Vorzug der einen Messungsart von der anderen betrifft, so hat die Messung
nach dem Gewichte zwar den Vortheil, von der Temperatur unabhaͤngig, und so
genau zu seyn als eine Wage; die Messung nach dem Volumen hingegen geht viel
schneller, und ist doch so genau als es nur immer noͤthig ist.
So schwierig und complicirt die Probirart auf nassem Wege scheinen mag, so kann man
sie doch, wie ich mich selbst uͤberzeugt habe, mit Huͤlfe des
noͤthigen Apparates, bald so einuͤben, daß man vollkommen sicher und
beinahe eben so schnell als auf troknem Wege probiren kann; sie wird jedoch den
Probirofen nie ganz ersezen koͤnnen; denn wenn man ihn auch bei den
Silberproben entbehren kann, so muß man jedenfalls mit den Gold- und
goͤldigen Proben seine Zuflucht dazu nehmen. Goͤldiges Silber
naͤmlich, d.i. Silber mit einem geringen Goldgehalte, kann zwar auf nassem Wege
probirt werden, wenn man, um das Gold abzuscheiden, das niedergeschlagene und mit
dem Golde vermischte Chlorsilber mit Ammonium aufloͤst, oder wenn man die
Silberaufloͤsung von dem Golde abgießt; allein es ist ungemein schwierig,
dabei Unrichtigkeit zu vermeiden. Goldproben aber, oder Proben mit der Quart
koͤnnen nicht anders als unter Muffel gemacht werden. –