Titel: | Ueber die Behandlung des Saatkornes mit Schwefelsäure; von Hrn. Apotheker T. Nodot. |
Fundstelle: | Band 48, Jahrgang 1833, Nr. LXII., S. 303 |
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LXII.
Ueber die Behandlung des
Saatkornes mit Schwefelsaͤure; von Hrn. Apotheker T.
Nodot.
Aus dem Journal des
connaissances usuelles. Januar 1833, S.
21.
Nodat, uͤber die Behandlung des
Saatkornes mit Schwefelsaͤure.
Das sogenannte Kalken des zur Aussaat bestimmten Getreides wurde
in neuerer Zeit beinahe ganz durch das Vitriolen desselben
verdraͤngt; beide Operationen geschehen uͤbrigens
zu einem und demselben Zweke, d.h. es soll dadurch der
Entwikelung von Schmarozer-Gebilden auf und in den Aehren
vorgebaut werden. Diese Schmarozer-Gebilde sind
bekanntlich kleine Schwaͤmmchen, welche zu der von den
Botanikern aufgestellten Gattung Uredo gehoͤren; die Landwirthe kennen sie unter
dem Namen des Brandes, des Rostes, der Faͤule etc. Diese
Schwaͤmmchen nehmen nach und nach die Stelle der Samen
ein, und zerstoͤren deren Substanz und mit ihr die
Hoffnung des Landmannes. Das Brod, welches mit brandigem
Getreide bereitet wurde, ist scharf und erzeugt zuweilen selbst
mehr oder minder heftige, ja gefaͤhrliche Zufalle.
– Am haͤufigsten entwikelt sich nun der Brand in
feuchten regnerischen Jahren, denn in diesen erfolgt das Keimen
der Koͤrner, da es nicht durch die Waͤrme
beguͤnstigt wird, nur langsam. Man suchte diesem großen
Uebelstande und Nachtheile durch das sogenannte Kalken
abzuhelfen, welches nicht nur auf die Reproductionskraft des
Brandstaubes eine zerstoͤrende Wirkung ausuͤbte,
sondern zugleich auch chemisch auf den Getreidesamen wirkte,
indem es ein Aufschwellen des Keimes, ein Weicherwerden der
Samendeke und mithin ein leichteres Bersten derselben bedingte.
Durch die Einwirkung des Kalkes mußte aber uͤbrigens auch
noch eine Umwandlung des Staͤrkmehles des Samens in eine
schleimzukerige Substanz veranlaßt werden, d.h. das
Staͤrkmehl ging aus seinem unaufloͤslichen
Zustande in einen aufloͤslichen, der Ernaͤhrung
des Keimes mehr entsprechenden Zustand uͤber. Eben diese
Umwandlung geschieht in der Natur mit Huͤlfe der
Gaͤhrung, welche ihrerseits auch wieder durch das Wasser,
die Waͤrme und einen Gaͤhrungsstoff
beguͤnstigt wird. Wenn nun in dieser Umwandlung eine Verzoͤgerung eintritt, so erfolgt die Entwikelung der
Schwaͤmmchen vorzuͤglich waͤhrend dieser
Verzoͤgerung, so daß sich hieraus allein schon die
Nothwendigkeit ergibt dieselbe zu beschleunigen und durch
geeignete Mittel zu beguͤnstigen.
Das Kalken geschah ehemals mittelst Urin oder mit Absuͤden
von scharfen Pflanzen oder endlich mittelst Kalk. Alle diese
Methoden hatten jedoch nur einen unvollkommenen Erfolg, weil sie
nur einen einzigen der zur Gaͤhrung noͤthigen
Punkte hoͤher entwikelten. Die Anwendung des
schwefelsauren Kupfers gewann daher ungeachtet des hohen Preises
desselben bald vor allen uͤbrigen den Vorzug; denn die
Aufloͤsung dieses kraͤftig wirkenden Salzes
erfuͤllte, wenn sie warm angewendet wurde,
waͤhrend des Gaͤhrungs-Processes zwei
wesentliche Bedingungen. Allein auch dieses Mittel reichte nicht
aus, und war manchmal selbst nicht ohne Gefahr; da das mit
Kupfervitriol behandelte Getreide, im Falle man dasselbe nicht
Alles zur Aussaat verbrauchte, als eine vergiftete Substanz
nicht mehr in der Haushaltung benuzt werden konnte. Man
vertauschte es daher um so lieber gegen den wohlfeileren
Eisenvitriol, als dieser beinahe dieselben Wirkungen
hervorbrachte, und immer aͤcht zu haben war,
waͤhrend man fuͤr Kupfervitriol oft nur einen mit
etwas Kupfer gefaͤrbten Alaun zu kaufen bekam.Der Recueil industriel,
December 1832, S. 267 entlehnt aus einem amerikanischen
Journale folgende, in Amerika gebraͤuchliche
Methode das Getreide zu kalken. Man fuͤllt eine
Kufe zu 2/3 mit einer gesaͤttigten.
Kochsalz-Aufloͤsung oder mit der Salzlake,
in welcher Fleisch oder Fische aufbewahrt wurden, und
schuͤttet dann so viel von dem
auszusaͤenden Getreide hinein, daß die
Fluͤssigkeit nur 2–3 Zoll hoch
daruͤber steht. Nachdem man die obenauf
schwimmenden Koͤrner entfernt, nehme man das
Getreide nach einiger Zeit wieder aus dieser Salzlake,
lasse es einige Minuten lang abtropfen, und vermenge es
dann so mit geloschtem Kalke, daß jedes Korn
gehoͤrig mit Kalk uͤberzogen ist. Das
gekalkte Getreide kann dann entweder sogleich
ausgesaͤet werden, oder ohne allen Nachtheil auch
noch 12 Stunden lang mit dem Kalke in Beruͤhrung
bleiben. – Wir finden diese Methode weit
vorzuͤglicher als jene des Hrn. Bonneau Dubouet, Maire zu Sannat,
welche im Journal des
connaissances usuelles, September 1832, S. 128
folgender Maßen beschrieben wurde. Man nehme auf 37 Pfd.
schoͤnes Saatkorn 4 Pfd. Aezkalk in ganzen
Stuͤken, eine Unze Schwefelblumen und 1/2 Unze
Gruͤnspanpulver. In die Mitte des Getreides mache
man eine Grube, in welche man den Kalk gibt, und in der
man den Kalk mit so viel Wasser loͤscht, daß er
einen diken Brei bildet. Dann arbeite man das Getreide
so unter einander, daß es ganz mit Kalk bedekt ist, wo
man dann theilweise das Schwefel- und das
Gruͤnspan-Pulver zulezt, und so lange
umruͤhrt, bis das Gemenge vollkommen
gleichfoͤrmig geworden. Findet man es
noͤthig, so kann man auch noch, etwas Wasser
zugießen. Zulezt formt man das auf diese Weise
behandelte Getreide in einen Haufen, den man mehrere
Male des Tages umruͤhrt, um das Getreide dann
nach drei Tagen zur Aussaat zu benuzen. A. d. Ueb.
In der Idee eine Substanz aufzufinden, welche alle zur
Entwikelung der Keimung noͤthigen Bedingungen
unterstuͤzte, kam ich auf die Schwefelsaͤure, und
verfuhr mit dieser auf folgende Weise.
Ich erhizte 25 Liter Wasser in einem Kessel bis auf 20°
des hundertgradigen Thermometers, goß es dann in eine Kufe, und
sezte ihm hier 250 Grammen oder 1/2 Pfund Schwefelsaͤure
zu, wodurch das Wasser saͤuerlich und zugleich noch
heißer wurde. In dieses gesaͤuerte Wasser brachte ich
dann 25 doppelte Decaliter Getreide, so daß also auf jeden Liter
Wasser ein doppelter Decaliter Getreide kam; hierin
ruͤhrte ich das Getreide gut um, und ließ es, nachdem ich
die obenauf schwimmenden Koͤrner abgenommen hatte,
beilaͤufig eine Stunde lang ruhig stehen, damit die
Koͤrner anschwellen, und eine gehoͤrige Menge
saͤuerliches Wasser aufnehmen konnten. Die Untersuchung,
welcher ich das auf diese Weise behandelte Getreide vor dem
Aussaͤen unterwarf, zeigte mir, daß ein Theil seines
Staͤrkmehles wirklich in eine aufloͤsliche
Substanz umgewandelt worden war, und daß die Saͤure
hinreichend war, um den Staub der Brandschwaͤmmchen zu
zerstoͤren. Das Keimen dieses Getreides erfolgte auch
viel schneller, und die daraus erwachsenen Pflanzen und Saaten
waren um Vieles schoͤner und staͤrker, als alle
benachbarten. Die Behandlung des Getreides mit
Schwefelsaͤure hat auch noch den Vortheil, daß man das
Getreide ohne alle Gefahr mit der Hand im Fluge aussaͤen
kann, waͤhrend der Kalkstaub des gekalkten Getreides oft
uͤble Zufalle erzeugt.Die Behandlung der Samen mit Schwefelsaͤure, um
deren Keimkraft zu erhoͤhen, ist etwas schon
laͤngst Bekanntes, was jeder nur etwas gebildete
Gaͤrtner bereits weiß. Ob die
Schwefelsaͤure die Entstehung des Brandes im
Getreide aber auch wirklich verhindere, daruͤber
beduͤrfen wir noch weitere Beobachtungen.A. d. Ueb.