Titel: | Ueber die sogenannte Lord Stanhope'sche Composition zur Bekleidung der Dächer. |
Fundstelle: | Band 48, Jahrgang 1833, Nr. LIX., S. 297 |
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LIX.
Ueber die sogenannte Lord
Stanhope'sche Composition zur Bekleidung der
Daͤcher.
Aus dem Mechanics'
Magazine. N. 498. S. 339.
Ueber eine Composition zur Bekleidung der
Daͤcher.
Die Lords der Schazkammer forderten kuͤrzlich die
Architecten Wyatville, Soane, Smirke
und Seward auf, uͤber den
Zustand des neuen, neben Buckingham-House erbauten Palais
ein Gutachten zu erstatten. In diesem Gutachten aͤußerten
sich nun die angefuͤhrten Baumeister in Hinsicht auf das
Dach folgender Maßen:
„Der Haupttheil des Daches des Palastes ist mit einer
Substanz bekleidet, welche unter dem Namen der Lord
Stanhope'schen Composition allgemein bekannt ist. Wir
koͤnnen nicht umhin, unsere Zweifel daruͤber
zu aͤußern, daß diese Composition das Gebaͤude
fuͤr laͤngere Zeit mit voller Sicherheit gegen
die Einfluͤsse der Witterung zu schuͤzen im
Stande ist. Bei genauerer Untersuchung zeigte sich
naͤmlich, daß diese Composition selbst jezt schon an
mehreren Stellen mit kleinen Spruͤngen durchzogen
ist, in denen sich die Feuchtigkeit so lange erhaͤlt
bis sie verduͤnstet ist, oder bis sie, was noch
wahrscheinlicher seyn duͤrfte, von dem darunter
liegenden Mauerwerke eingesogen worden. Da die Composition
auf Bogen aus Baksteinen aufgetragen ist, welche zwischen
den eisernen, uͤber den Deken der oberen Zimmer
befindlichen Tragebalken erbaut sind, so moͤchte da,
wo zwei Reihen solcher Bogen in geringen Entfernungen
uͤber einander erbaut sind, wohl laͤngere Zeit
vergehen, ehe der Regen bis an die Deken durchdringe; allein
da wo nur eine Reihe solcher Bogen vorhanden ist, ist die
Feuchtigkeit bereits durchgedrungen, wie dieß in einem
Zimmer am suͤdwestlichen Thurme der Fall ist. Man hat
uns zwar gesagt, daß die Spruͤnge in der Composition
sehr leicht wieder geschlossen werden koͤnnten;
allein, da dieß gegen das Wiederentstehen derselben keine
Sicherheit gewaͤhrt, und da die Spruͤnge nur
bei sehr genauer Untersuchung und nur nach Abnahme der auf
die Oberflaͤche der Composition gelegten
Schieferplatten zu entdeken sind, so sind wir der Meinung,
daß diese Dachbekleidung ganz abgenommen, und durch eine
dauerhaftere und ihrem Zweke besser entsprechende ersezt
werden muͤsse.“
Gegen dieses Gutachten macht nun Hr. Nash, der beruͤhmte Erbauer des Palais,
folgende Erinnerungen:
„Ich habe allen Grund zu glauben, daß keiner der
ehrenwerthen Herren uͤber die Anwendung der Lord
Stanhope'schen Composition einige Erfahrung besize. Wenn
sich dieselben die Muͤhe gegeben haͤtten, sich
nur einige Aufklaͤrung uͤber die Natur und die
Eigenschaften dieser Composition zu verschaffen, so
wuͤrden sie daraus gelernt haben, daß die obere
Schichte, in der sie die Spruͤnge beobachteten, nicht
den geringsten Einfluß auf das Dach hat; daß sie wegen der
ihr eigenen Natur und Haͤrte immer voll
Spruͤnge ist; und daß, wenn diese sogenannten
Spruͤnge auch voll Wasser sind, das Wasser doch nicht
eher in das Dach eindringen kann, als bis auch die erste
Schichte zersprungen ist. Diese erste Schichte kann aber, da
sie die Eigenschaft hat, sich je nach der Witterung
auszudehnen und zusammenzuziehen, nie zerspringen; und das
Wasser kann nie in die Spruͤnge der oberen Schichte
eindringen, so lange die auf ihr liegenden Schieferplatten
ganz bleiben. Daß diese Schieferplatten sehr dauerhaft sind,
erhellt daraus, daß sie nicht, wie die Commission
faͤlschlich glaubt, auf die Oberflaͤche der
oberen Schichte gelegt, sondern in dieselbe eingebettet
wurden, waͤhrend sie sich in siedendem Zustande
befand; ja die auf diese Weise eingebetteten Schieferplatten
sind beinahe unzerbrechlich. Ich machte in dem Palais selbst
in Gegenwart eines ausgezeichneten Baumeisters Versuche
hieruͤber, und zu Killymoon in Irland brach eine 100
Pfund schwere Blende aus festem Steine, welche herabfiel,
waͤhrend die Platten ganz blieben. Die fragliche
Composition besteht aus drei Schichten: die erste Schichte
ist bloß aus Kalk und Theer zusammengesezt und bleibt immer
elastisch; die Weite besteht aus denselben Substanzen, denen
jedoch, um sie haͤrter zu machen, und um auf diese
Weise ein festeres Bett fuͤr die Schieferplatten zu
erzeugen, etwas grober Sand zugesezt ist: dieser Sand ist
es, der beim Abkuͤhlen die Spruͤnge in dieser
Schichte erzeugt. Die dritte Schichte endlich wird von den
Schieferplatten gebildet, welche in die zweite, siedendheiße
Schichte eingebettet werden, welche das Eindringen von
Feucht gleit in diese zweite Schichte verhindern, und welche
nur durch große Gewalt von derselben abgenommen werden
koͤnnen, wie sich die Herren Architecten bei ihren
zum Schaden des Gebaͤudes unternommenen
Untersuchungen uͤberzeugen konnten. Diese ganze
Bedekung ist auf Bogen aus Baksteinen gelegt. Daß die
Vermuthungen der Architecten, daß das
Wasser durch diese Bogen dringe oder gedrungen sey, ganz
grundlos sind, ergibt sich leicht aus einer Untersuchung
derselben.
„Die Stanhope'sche Composition ist die
oͤkonomischste Dachbedekung, die es gibt, und ich
kenne keine, selbst die Blei- und
Kupfer-Dekung nicht ausgenommen, der dieselben
Eigenschaften zukamen. Keiner der sogenannten
Spruͤnge hat bis jezt Feuchtigkeit durchsikern
lassen, und so lange die Schieferplatten nicht lose sind,
ist ein solches Eindringen auch nicht moͤglich.
„Die Composition hat die gute Eigenschaft, daß jeder
Arbeiter mit einem heißen Eisen in wenigen Minuten und um
geringe Kosten jede Stelle ausbessern kann, welche
allenfalls schadhaft geworden. Den Zweifeln der Architecten
und ihren, bloß auf Zweifel gestuͤzten Folgerungen
will ich jedoch Thatsachen entgegenstellen. Ich bediente
mich der Stanhope'schen Composition seit 35 Jahren und im
Großen, und nicht ein einziges Mal ist mir hiebei ein
Mißlingen vorgekommen; alle die Gebaͤude, welche ich
im Laufe dieser Zeit damit dekte, sind gegenwaͤrtig
noch eben so gut erhalten, als sie es im Anfange waren. Alle
Haͤuser mit flachen Daͤchern, welche ich noch
erbaut habe, wurden mit ihr gedekt. Vor mehreren Jahren ließ
Lord Palmerston das flache Bleidach auf seinem Hause in
Hannover-Square abnehmen, weil es bestaͤndig
Wasser durchsikern ließ; dieses Dach wurde durch die
Stanhope'sche Composition ersezt, und seitdem hat, so viel
ich weiß, nie wehr ein solches Durchsikern Statt. Auch in
Irland dekte ich mehrere Haͤuser mit dem besten
Erfolge mit derselben, und auch am Pavillon zu Brighton, wo
die Composition vor 12 Jahren auf Holz aufgetragen wurde
(welches doch weit mehr als Eisen und Mauerwerk dem Eingehen
ausgesezt ist), ist nie Wasser durchgedrungen. Diese
unumstoͤßlichen Thatsachen widerlegen die Zweifel und
Besorgnisse der HH. Architecten hinreichend, und bilden den
triftigsten Beweis fuͤr meine Behauptung, daß, wenn
es ja eine unzerstoͤrbare Dachbekleidung gibt, dieses
die Stanhope'sche sey. Ich sehe daher nicht ein, wie man
eine dauerhaftere und zwekmaͤßigere Dachbekleidung
empfehlen kann, wenn es anerkannt ist, daß die vorhandene
nicht fehlerhaft sey, und daß man derselben nichts weiter
vorwerfen kann, als daß sie mangelhaft werden
koͤnnte.“