Titel: | Versuche über die Ausdehnung und Zusammenziehung der Bausteine beim Wechsel der Temperatur. Von Hrn. Wilhelm C. Bartlett, Ingenieur-Lieutenant der Vereinigten Staaten. |
Fundstelle: | Band 47, Jahrgang 1832, Nr. LXX., S. 383 |
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LXX.
Versuche uͤber die Ausdehnung und
Zusammenziehung der Bausteine beim Wechsel der Temperatur. Von Hrn. Wilhelm C. Bartlett,
Ingenieur-Lieutenant der Vereinigten Staaten.
Aus Silliman's American Journal April 1832;
auch im Edinburgh New
Philosophical Journal. Julius – October 1852, S.
304.
Mit Abbildungen auf Tab.
V.
Bartlett, uͤber die Ausdehnung und Zusammenziehung der
Bausteine.
Der Bau von Fort-Adams erforderte eine große Menge Deksteine, welche wir von
sehr verschiedenen Orten herbezogen, da es platterdings unmoͤglich war, mit
irgend welchem dieser Steine fest schließende Verbindungen herzustellen. Die
Waͤnde, an welchen diese Steine angebracht wurden, hatten nicht die geringste
Veraͤnderung erlitten; die Steine wurden mit der groͤßten Sorgfalt
gelegt, und die Zwischenraͤume mit den besten Arten von Kitt
ausgefuͤllt; allein alles dieß half nichts, sondern nach wenigen Wochen
befanden sich in diesen Verbindungen bereits Risse, welche sich von Oben bis Unten
erstrekten. Da wir diesen unangenehmen Umstand nur einer in Folge des
Temperaturwechsels entstandenen Veraͤnderung der Dimensionen der Deksteine
zuschreiben konnten, so wurden auf Befehl des Hrn. Obersten Totten mehrere Versuche angestellt, durch welche ermittelt werden sollte,
ob die entstandenen Spruͤnge wirklich dieser Urfache allein zuzuschreiben seyen. Wir
sezten diese Versuche vom 18. August 1830 bis zum 2. Junius 1831 fort, und erhielten
dabei Resultate, welche nicht ohne Interesse und allerdings einer Bekanntmachung
werth zu seyn scheinen.
Die Versuche wurden gleichzeitig mit den drei verschiedenen Arten von Steinen, deren
wir uns zu den Deksteinen bedienten, naͤmlich mit Granit, Kalkstein und
Sandstein angestellt, wobei von jeder dieser drei Gebirgsarten Stuͤke von
gleicher Laͤnge ausgewaͤhlt wurden. Der Granit war feinkoͤrnig,
von compactem Gefuͤge und kam aus einem Steinbruche von Buzzard-Bay;
der Kalkstein war weiß, von feinkoͤrnigem, krystallinischem Aussehen: es war
Urkalk, welcher aus den Steinbruͤchen von Sing-Sing, New-York,
kam; der Sandstein endlich kam aus den Steinbruͤchen von Chatham,
Connecticut, und gehoͤrte nach Hitchcork zu der
alten rothen Sandsteinformation; sein Gefuͤge war koͤrnig, und zwar
eher etwas grobkoͤrnig, sein Bindemittel bestand aus eisenschuͤssigem
Thone.
Da es fuͤr unseren Zwek und fuͤr die Baukunst im Allgemeinen nur von
Wichtigkeit war, genau die Laͤngen zu messen, welche die Steine hatten, wenn
sie verschiedenen Temperaturen ausgesezt worden waren, so nahmen wir zu diesen
Messungen einen Stab aus weißem Tannenholze, an dessen Enden sich kupferne, den
Stein umfassende Kniestuͤke befanden. Ein Blik auf die Zeichnung wird dieß
versinnlichen.
AA in Fig. 9 und 10 ist naͤmlich
ein Aufriß oder ein senkrechter Laͤngen-Durchschnitt des Steines,
welcher gemessen werden soll.
BB ist der Meßstab, an dessen beiden Enden die aus
duͤnn gehaͤmmertem Kupfer verfertigten Kniestuͤke D und C auf eine haltbare
Weise befestigt waren. Das Ende D wurde immer aus einem
und demselben Theile des Steines angebracht, indem es in einem Falze, welcher sich
in dem an den Stein angekitteten, kupfernen Fuͤhrer F befand, geschoben wurde. Das Ende C wurde
auf gleiche Weise angepaßt, naͤmlich in einem Falze geschoben, welcher sich
in dem, gleichfalls an dem Steine befestigten Stuͤke E befand. Das Kniestuͤk C war selbst
wieder mit einem Falze versehen, in welchem sich der Keil W horizontal unter dem Fuͤhrer E,
zwischen dem Kniestuͤke C und dem Steine schob.
Dieser Keil war wie ein Diagonal-Maßstab graduirt, und zeigte durch die
Streke, bis zu welcher er eindrang, den Unterschied zwischen der Laͤnge des
Maßstabes und jener des Steines. Da die Ausdehnung des Maßstabes bekannt war, so
ließ sich hieraus die Laͤnge des Steines in Decimalen, d.h. nach dem
englischen Eichzolle, berechnen.
In den Stein wurde eine Fuge oder Furche geschnitten, in welche bei jeder Messung ein
Thermometer gebracht wurde, den man laͤngere Zeit darin ließ, wobei man
uͤberdieß die Furche bedekte. Die Temperatur des Maßstabes wurde als jener
der ihn umgebenden atmosphaͤrischen Luft gleich angenommen.
Aus Lardner und Kater's
Mechanik ergibt sich, nach einem mittleren, aus den Versuchen von Capit. Kater und Dr. Struve gezogenen
Durchschnitte, daß die lineaͤre Ausdehnung des Tannenholzes bei einem Grade
Fahrenheit die Decimale 0,00000255 betraͤgt; aus dem Artikel Expansion in der Edinburgh
Encyclopaedia hingegen erhellt, daß die Decimale 0,00000944 dieselbe
Ausdehnung fuͤr das gehaͤmmerte Kupfer bezeichnet. Nach diesen Daten
wurde bei jedem Versuche die wirkliche Laͤnge des Maßstabes, dessen
Laͤnge bei 60° F. bekannt war, berechnet. Um jedoch die Rechnung etwas
abzukuͤrzen, wurde der Unterschied zwischen der Laͤnge des Steines und
jener des Maßstabes, den der Keil W andeutete, von der
Laͤnge des Stabes abgezogen, bevor noch die Reduction nach der Temperatur des
Lezteren vorgenommen wurde. Die Laͤnge des kupfernen und jene des
hoͤlzernen Theiles wurde, da die Ausdehnung dieser beiden Substanzen
verschieden ist, fuͤr jede einzeln berechnet. Die Resultate dieser Berechnung
ergeben sich aus folgenden Tabellen.
Marmor.
Nro. desVersuches.
GradeFahrenheit.
Laͤnge
in Zollen.
1
6
93,415
2
7
93,4277
3
9
93,4201
4
10
93,4207
5
11
93,4131
6
12
93,4186
7
14
93,4174
8
14
93,4294
9
14
93,4308
10
16
93,4302
11
16
93,4291
12
17
93,4305
13
19
93,4327
14
20
93,4310
15
21
93,4316
16
31
93,4265
17
32
93,4352
18
34
93,4422
19
36
93,4360
20
36
93,4357
21
38
93,4436
Nro. desVersuches.
GradeFahrenheit.
Laͤnge
in Zollen.
22
52
93,4323
23
58
93,4450
24
83
93,4655
25
86
93,4649
26
90
93,4709
27
99
93,4677
Granit.
Nro.
desVersuches.
GradeFahrenheit.
Laͤnge
in Zollen.
1
6
94,0251
2
8
94,0330
3
9
94,0260
4
10
94,0265
5
11
94,0230
6
12
94,0282
7
14
94,0271
8
14
94,0347
9
14
94,0361
10
16
94,0285
11
16
94,0345
12
17
94,0358
13
19
94,0416
14
20
94,0364
15
21
94,0440
16
32
94,0324
17
32
94,0406
18
36
94,0330
19
36
94,0450
20
37
94,0483
21
41
94,0344
22
52
94,0348
23
62
94,0541
24
86
94,0720
25
88
94,0737
26
88
94,0688
27
89
94,0731
23
90
94,0693
29
91
94,0693
30
94
94,0628
31
102
94,0721
Sandstein.
Nro. desVersuches.
GradeFahrenheit.
Laͤnge
in Zollen.
1
6
94,0180
2
8
94,0153
3
9
94,0052
4
10
94,0088
5
11
94,0124
6
13
94,0211
7
14
94,0206
8
14
94,0220
9
15
94,0235
10
15
94,0238
11
17
94,0244
12
18
94,0181
13
20
94,0239
14
22
94,0258
15
22
94,0263
16
32
94,0371
17
34
94,0466
18
38
94,0554
19
39
94,0436
20
39
94,0592
21
43
94,0486
22
53
94,0560
23
64
94,0718
24
93
94,0879
25
93
94,0829
26
95
94,0897
27
99
94,0941
28
100
94,0906
29
101
94,0944
30
104
94,0841
31
109
94,0792
Es ist sehr wahrscheinlich, daß mehrere der in diesen Tabellen vorkommenden
Abweichungen von dem hygrometrischen Zustande des Steines, und zum Theil vielleicht
auch von einigen Unvollkommenheiten des Meßapparates herruͤhren
duͤrften; da der hygrometrische Zustand der Steine jedoch bei unseren
Versuchen nicht beruͤksichtigt wurde, so bin ich nicht im Stande
Aufschluͤsse hieruͤber zu geben. Die erwaͤhnten Abweichungen
duͤrften uͤbrigens um so weniger Einfluß auf die allgemeinen Resultate
haben, als sich aus den Tabellen doch ergibt, daß die Laͤnge der Steine mit
der Zunahme der Temperatur fortwaͤhrend wuchs.
Aus jenen Thatsachen, welche ruͤksichtlich der Ausdehnung anderer Substanzen
bekannt sind, laͤßt sich schließen, daß die Ausdehnung der Steine eine
gleichfoͤrmige ist, und daß in der Reihe unserer Versuche die Steine bei
jedem Grade der Temperatur um eine Gemeindifferenz an Laͤnge zunahm. Um nun diese
Gemeindifferenz annaͤherungsweise zu finden, zogen wir z.B. beim Granite die
zuerst beobachtete Laͤnge von der zulezt beobachteten ab, woraus sich ergab,
daß, wenn die Beobachtungen richtig waren, die Differenz 0,0470 sechs und neunzig
Mal die Gemeindifferenz vorstelle, indem die Differenz zwischen den beiden
aͤußersten Graden 96 betrug. Wiederholt man dieselbe Operation mit dem
zweiten und dem vorlezten Versuche, so betraͤgt die Differenz in der
Laͤnge 0,0298, welche 86 Mal die Gemeindifferenz ausmacht. Durch Vergleichung
der aͤußersten Versuche erhielten wir nun folgende Tabelle.
Versuche.
Differenz in
den Graden.
Differenz in
den Laͤngen.
1 und 31
96
+ 0,0470
2
– 30
86
+ 0,0298
3
– 29
82
+ 0,0433
4
– 28
80
+ 0,0428
5
– 27
78
+ 0,0501
6
– 26
76
+ 0,0406
7
– 25
74
+ 0,0466
8
– 24
72
+ 0,0373
9
– 23
48
+ 0,0180
10
– 22
36
+ 0,0063
11
– 21
25
– 0,0001
12
– 20
20
+ 0,0125
13
– 19
17
+ 0,0034
14
– 18
16
– 0,0034
15
– 17
11
– 0,0034
––––––––––––––––
Summa
817
0,3708
Wir haben hiebei den sechzehnten Versuch uͤbergangen, weil sich derselbe nur
dann haͤtte benuzen lassen, wenn man einen der anderen Versuche doppelt
angewendet haͤtte, wodurch dieser einen Werth erhalten haͤtte, den er
nicht besizt, und weil der mittlere Ausdruk bei der Bestimmung der Gemeindifferenz
am wenigsten von Belang seyn duͤrfte.
Aus der eben gegebenen Tabelle erhellt, daß nach saͤmmtlichen Versuchen 0,3708
817 Mal die Gemeindifferenz gibt, so daß sich folglich diese Differenz fuͤr
jeden Grad Fahrenheit auf 0,0004538 Zoll belaͤuft. Nehmen wir nun die
mittlere Laͤnge des Granitsteines zu 94,05 Zoll an, so berechnet sich die
lineaͤre Ausdehnung desselben fuͤr jeden Zoll bei jedem Grad
Fahrenheit auf 0,0004538/94,05 = 0,000004825 Zoll, und folglich fuͤr jeden
Fuß auf 0,0000579 Zoll. Wendet man dieselbe Berechnung auch auf die uͤbrigen
Steinarten an, so erhaͤlt man folgende Resultate:
Mittlere
Laͤnge in Zollen.
Gemeindifferenz fuͤr dieganze
Laͤnge des
Steines bei 1°
Fahrenh.
Gemeindifferenz fuͤr
jeden Zoll bei 1°
Frahrenh.
Granit
94,05
0,0004538 Zoll.
0,000004825
Marmor
93,44
0,0005297 –
0,000005668
Sandstein
94,05
0,0008965 –
0,000009532
Weißtannenholz
0,00000255
Gehaͤmmertes Kupfer
0,00000944
Um nun die Anwendung dieser Resultate auf den fraglichen Fall zu zeigen, wollen wir
annehmen, daß zwei Deksteine von 5 Fuß im Hochsommer, wo sie eine Temperatur von
96° F. haben, gelegt werden, und daß sie im Winter bis auf eine Temperatur
von Null herabsinken, so daß sie in Allem einen Temperaturwechsel von 96°
erleiden. Eben so wollen wir annehmen, daß die Zusammenziehung der Steine gegen den
Mittelpunkt derselben hin Statt finde. Besteht nun der Dekstein aus Granit, so wird
die Entfernung, um welche sich die Enden der Steine bei einem Wechsel von 1°
in der Temperatur von einander entfernen werden, 60 Z. multiplicirt in 0,000004825,
d.h. 0,0002895 betragen, und folglich fuͤr einen Temperaturwechsel von 96
Graden: 0,0002895 × 96 = 0,027792 Zoll, mithin einen Sprung von der Dike
eines gewoͤhnlichen Pappendekels geben. Bei dem Marmor wird dieser Sprung
eine Weite von 0,03264 haben, und folglich beinahe zwei Mal so dik als
gewoͤhnlicher Pappendekel seyn. Fuͤr den Sandstein endlich wird sich
ein drei Mal so breiter Sprung, naͤmlich ein Sprung von 0,054914 Zoll
ergeben. Diese Spruͤnge sind nicht nur deutlich sichtbar, sondern durch sie
kann das Wasser auch frei in die Waͤnde eindringen. Zu noch groͤßerem
Ungluͤke wird aber der Kitt oder Moͤrtel, woraus er auch immer
bestehen mag, durch die bestaͤndige Hin- und Her-Bewegung der
Deksteine zu Pulver zermalmt, und in kurzer Zeit durch das Regenwasser ausgeschwemmt
werden, so daß die Fugen zwischen den Steinen dann ganz leer und offen stehen.