Titel: | Brunels neueste Versuche über die Anwendung des hydraulischen Mörtels beim Brükenbaue, ohne daß man dazu Bogengerüste nöthig hat. |
Fundstelle: | Band 47, Jahrgang 1832, Nr. LIII., S. 305 |
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LIII.
Brunels neueste Versuche
uͤber die Anwendung des hydraulischen Moͤrtels beim Bruͤkenbaue,
ohne daß man dazu Bogengeruͤste noͤthig hat.
Aus dem Journal des connaissances usuelles. Febr. 1833, S.
110.
Brunel, uͤber Anwendung des hydraulischen
Moͤrtels.
Hr. Brunel, der beruͤhmte Erbauer des
Themsetunnels, hat neue Versuche uͤber den hydraulischen Moͤrtel
angestellt, woruͤber die englischen und franzoͤsischen Journale
Folgendes mittheilen:
Eine große Anzahl von Gelehrten und Kuͤnstlern versammelte sich neulich zu
Rotherithe, beim Themsetunnel, um Versuchen mit zwei Bruͤkenhalbboͤgen
beizuwohnen, die Hr. Brunel nach einem ganz neuen Plane
errichtet hatte. Dieser geschikte Ingenieur wollte naͤmlich beweisen, daß
Boͤgen von der groͤßten Dimension fuͤr steinerne und selbst
fuͤr gußeiserne Bruͤken aus Baksteinen oder Schuttstuͤken
errichtet werden koͤnnen, ohne daß man die Woͤlbungen waͤhrend
ihrer Ausfuͤhrung durch ein Geruͤst zu stuͤzen braucht; und daß
man sie sogar ungestuͤzt verlassen darf, noch ehe die durch den Bogen
gebildete Woͤlbung vermittelst des Schlußsteins vollstaͤndig
geschlossen ist.
Das Modell des Hrn. Brunel ist in natuͤrlicher
Groͤße und besteht aus zwei von demselben Pfeiler ausgehenden
Halbboͤgen. Der eine bildet die Haͤlfte eines Bogens von 150 Fuß, der andere eines Bogens
von 80 Fuß. Ihre Breite betraͤgt 4 Fuß. Nach der Festigkeit dieser Aerme
unterliegt es keinem Zweifel, daß dieses System auf Bogen von 150 Fuß anwendbar ist,
ohne daß man die Dike der Materialien, welche Brunel zu
seinem Halbbogen von 100 Fuß gebrauchte, verstaͤrken muͤßte. Dieser
Halbbogen scheint sich in der That einzig durch das Gegengewicht des ihm
entgegengesezten zu halten, wie ein Mensch, der die Arme ausstrekt, ohne daß der
eine, welcher mit einem groͤßeren Gewicht belastet ist, als der andere,
seinem Koͤrper die geringste Neigung ertheilt. Am Ende eines der
Halbboͤgen ließ Hr. Brunel eine Belastung von
25,000 Pfd. aufhaͤngen. Dieses Gewicht wirkte, da es sich am Ende des durch
die Verlaͤngerung des Bogens gebildeten Hebels befand, auf das Mauerwerk mit
groͤßerer Kraft als eine Belastung von 48,000 Pfd. im Mittelpunkt
ausgeuͤbt haͤtte, wenn der Bogen ganz vollendet gewesen waͤre,
weil dann dieses Gewicht sich auf die beiden Pfeiler vertheilen und zermalmend,
nicht aber wie in diesem Falle, losreißend wirken wuͤrde.
Die Bereitungsart des Moͤrtels, welchen Hr. Brunel
erfand und wodurch er in Stand gesezt wurde, seine kuͤhne Idee
auszufuͤhren, besteht darin, daß man in das roͤmische Caͤment
(das er auch zum Bau des Tunnels benuzte)45) Eisenblechstreifen, Eisendraht und sogar Hanf oder andere Faserstoffe
bringt. Eine Bruͤke, die man nach Brunel's System
baut, kostet weniger als das bloße Geruͤst bei dem gewoͤhnlichen
Verfahren. Hr. Brunel bezeichnete den Anwesenden eine
Menge gluͤklicher Anwendungen, deren seine wichtige Entdekung faͤhig
ist.46)