Titel: Etwas über Waagen; von I. W. Cramer, Universitäts-Mechanikus in Kiel.
Autor: J. W. Cramer
Fundstelle: Band 47, Jahrgang 1832, Nr. XXXIV., S. 168
Download: XML
XXXIV. Etwas uͤber Waagen; von I. W. Cramer, Universitaͤts-Mechanikus in Kiel. Mit Abbildungen auf Tab. III. Cramer, uͤber Waagen. Wer sich je mit Verfertigung sehr genauer, empfindlicher Waagen abgegeben hat, wird es wissen, wie schwierig es ist, eine solche Waage zu verfertigen, die fuͤr lange Zeit in ihren Wirkungen constant bleibt, d.h. die bei demselben Uebergewicht immer denselben Ausschlag gibt und bei gleicher Belastung der Schaalen das Gleichgewicht auch immer richtig anzeigt. Eine Waage mag nach den richtigsten Grundsaͤzen und noch so schoͤn gearbeitet seyn, so wird sie, selbst bei dem vorsichtigsten Gebrauche, doch sehr bald diese so wuͤnschenswerthe Eigenschaft verlieren, die geringste Verschiebung des Waagebalkens auf seinen Lagern, ja selbst eine veraͤnderte Lage der Ringe oder Haken, mittelst welcher die Schaalen an den Schneiden aufgehaͤngt sind, reicht in der Regel hin, die Waage, in ihren Angaben unrichtig zu machen. Wie wahr dieß sey, und wie verdrießlich, hat sicher jeder Chemiker, der mit genauen Analysen zu thun hat, oft empfunden. Fortin in Paris und Andere, haben an dem Gestell ihrer Waagen ein Paar gabelfoͤrmige Arme angebracht, mittelst welcher man den Waagebalken heben und immer wieder in dieselbe Lage auf seine Lager niederlassen kann. Aber, abgesehen davon, daß waͤhrend der Operation des Waͤgens, der Waagebalken, schwer immer in derselben Lage zu erhalten ist, wird has Uebel dadurch hoͤchstens vermindert, nicht aber vermieden. Lange sann ich vergebens auf ein Mittel, dieser großen Unvollkommenheit abzuhelfen, bis ich, in der Ueberzeugung, daß die Ursache in einer, wenn gleich geringen, doch unregelmaͤßigen Abnuͤzung der Schneiden und der daraus entstehenden Ungleichheit der Hebelarme zu suchen sey, mich zu dem Versuche entschloß, statt der sonst gebraͤuchlichen Lager von Agat oder, hartem Stahle, solche von ungehaͤrtetem Stahle anzuwenden. Meine Erwartung wurde auf's Vollkommenste bestaͤtigt und zwoͤlf Waagen von verschiedener Groͤße, die ich nach dieser Art verfertigte, und die wenigstens alle empfindlich genug waren, 1 Milligramme anzugeben, haben sich, nachdem sie mehrere Jahre gebraucht worden, noch voͤllig bewaͤhrt. Auch habe ich seitdem mehrere Waagen mit 9zoͤlligen Waagebalken verfertigt, die, ohne Belastung 1/300 Gran angeben, und die ruͤksichtlich ihrer Bestaͤndigkeit nichts zu wuͤnschen uͤbrig lassen. Man sieht hieraus, daß die Verminderung der Reibung, welche man bisher immer durch sehr harte Lager zu erhalten trachtete, von keiner sonderlichen Bedeutung ist: und wenn man zwar erwarten muß, daß nach laͤngerem Gebrauche die Oberflaͤchen der weichen Stahllager etwas leiden werden, so ist doch dieß kein erheblicher Grund gegen ihre Anwendung, da es eine Kleinigkeit ist, die etwa entstandenen, kleinen Eindruͤke mit einer feinen Feile wegzunehmen und den Flaͤchen mit einem Polirstahle die noͤthige Glaͤtte wieder zu geben. Es gibt wenige Instrumente, deren richtige Ausfuͤhrung eine so genaue Kenntniß der Gruͤnde, worauf ihre wesentlichen Eigenschaften beruhen, voraussezt, als dieß bei der Waage der Fall ist, und daher halte ich es nicht fuͤr uͤberfluͤssig, eines von den Erfordernissen einer guten Waage naͤher zu beleuchten, welches zwar in den meisten Lehrbuͤchern uͤber Mathematik und Physik angedeutet, aber in keinem mir bekannten gehoͤrig eroͤrtert wird. Es ist dieß die Bedingung, daß der Unterstuͤzungspunkt des Waagebalkens mit den Aufhaͤngepunkten der Schaalen in einer geraden Linie liegen muͤsse, eine Eigenschaft, die nur zu haͤufig vernachlaͤssigt wird, und die auch bei solchen Waagen, an welchen sie erfuͤllt ist, verloren geht, sobald die Schneiden abgestumpft sind und daher wieder zugeschaͤrft werden muͤssen. Auch in dieser Beziehung sind also Lager, welche die Schneiden nicht verderben, sehr wuͤnschenswerth. Die genannte Anordnung gruͤndet sich darauf, daß nur in diesem Falle die Hebelarme, an welchen die Schaalen mit ihrer Belastung wirken, in jeder Lage des Waagebalkens einander gleich bleiben, und daß, wie es seyn muß, dann die Empfindlichkeit der Waage bloß von der Lage des Schwerpunktes gegen den Unterstuͤzungspunkt abhaͤngt. Um dieß anschaulich zu machen, nehme man an, daß jene drei Punkte nicht in eine gerade Linie fallen; dann bildet der Waagebalken einen Winkelhebel, und es sind hier zwei Faͤlle zu unterscheiden, da entweder der Unterstuͤzungspunkt uͤber oder unter die gerade Linie faͤllt, welche die Aufhaͤngepunkle mit einander verbindet. Erster Fall. In Fig. 12 sind A und B die Aufhaͤngepunkte der Schaalen, C der Unterstuͤzungspunkt. Sind die Gewichte P und Q einander gleich und nimmt man AB horizontal an, so ist P. Bd = Q. Ad. Nimmt P zu, und kommt dadurch ACB in die Lage aCb, so nimmt Bd in Absicht auf Ad ab, und die Hebelarme verwandeln sich in be und fC, wo allemal be < fC. Die Zunahme von P muß also mit der Abnahme des Hebelarmes im Verhaͤltniß stehen, und wird fuͤr einen bestimmten Ausschlag immer groͤßer ausfallen, als dieß bei gleichen Hebelarmen der Fall seyn wuͤrde. Durch diese Anordnung erhaͤlt man also eine traͤge Waage. Zweiter Fall. In Fig. 13 liegt der Unterstuͤzungspunkt in C, unter AB, so ist fuͤr P = Q wieder B . Bd = Q . Ad, wenn AB horizontal. Waͤchst aber P, so nimmt der Hebelarm auf dieser Seite in Absicht auf den entgegengesezten zu, wie aus der Lage aCb erhellt, wo be > as. Das Moment von P erreicht zwar sein Maximum, wenn CB horizontal wird, und nimmt alsdann bei fortgesezter Bewegung bestaͤndig ab; immer aber bleibt der Hebelarm an der Seite von P groͤßer als der von Q, welcher bestaͤndig abnimmt. Die geringste Zunahme von P wird also ein voͤlliges Ueberschlagen des Waagebalkens zur Folge haben, und selbst bei gleicher Belastung wird man nicht im Stande seyn, die Waage in Ruhe zu sezen. Aus dem Allen folgt daher, daß die Lage der drei Punkte in einer geraden Linie die einzig richtige sey. –

Tafeln

Tafel Tab.
                                    III
Tab. III