Titel: | Auszug aus dem Berichte des Hrn. Amedée Durand über die Fabrik der HH. Menier und Adrien zu Noisiel-sur Marne bei Paris, in welcher verschiedene Substanzen im Großen gepulvert und Chocolade, Hafergrüze und Perlgerste erzeugt werden. |
Fundstelle: | Band 46, Jahrgang 1832, Nr. XXXI., S. 133 |
Download: | XML |
XXXI.
Auszug aus dem Berichte des Hrn. Amedée Durand
uͤber die Fabrik der HH. Menier und Adrien zu Noisiel-sur Marne bei Paris, in welcher verschiedene
Substanzen im Großen gepulvert und Chocolade, Hafergruͤze und Perlgerste erzeugt
werden.Die Société d'encouragement hat den HH.
Menier und Adrien auf
diesen Bericht ihrer Commission hin in Anerkennung ihrer großen Verdienste ihre
goldene Medaille ertheilt. – Dieser Bericht verbreitet sich zwar nicht
uͤber die verschiedenen Verbesserungen, welche genannte Herren an den
Stampfen und anderen Vorrichtungen anbrachten, er enthaͤlt jedoch manches
Interessante, und zeigt, wie sich so manche Industrie-Zweige mit Vortheil
mit einander verbinden lassen. Aus diesem Grunde hauptsaͤchlich theilen
wir denselben hier im Auszuge mit.A. d. Red.
Aus dem Bulletin de la Société
d'encouragement. Julius 1832, S. 245.
Durand, uͤber die Erzeugung der Hafergruͤze und
Perlgerste.
Die Fortschritte der Industrie bringen als nothwendige Folge eine immer
groͤßere Theilung der Kuͤnste in einzelne Zweige mit sich. Hieraus
folgt, daß sich jede Kunst in dem Maße, als sie sich vervollkommnet, in einzelne
Theile zu trennen sucht, und daß jeder dieser Theile wieder eine groͤßere
Vollkommenheit erlangt, indem ihm dann gewiß mehrere Sachverstaͤndige ihre
ganze Aufmerksamkeit widmen. So wie ein Mal diese Umstaͤnde eintreten, so
kann man dieß als die Geburt einer neuen Kunst betrachten, die sich, indem sie das
Joch des Schlendrians
abschuͤttelt, neben ihre Verwandten unter den Schuz der Wissenschaft reihen
wird.
Eine solche Kunst ist nun auch das Pulvern, welche den HH. Menier und Comp. ihre
Gruͤndung als solche verdankt. Die Idee mehrere Stoͤßer mit einander
zu vereinigen, und sie durch eine mechanische Kraft in Bewegung zu sezen, ist etwas
sehr Altes; an sie reihten sich die Stampfmuͤhlen, in denen man bisher einige
wenige jener Substanzen pulverte, die gegenwaͤrtig saͤmmtlich in der
Fabrik zu Noisiel bearbeitet werden. Diese Stampfmuͤhlen und deren Nuzen
fuͤr die Industrie brachten die HH. Menier und
Comp. wahrscheinlich auf die Idee eine Anstalt zu gruͤnden, in welcher
saͤmmtliche Koͤrper, die man pulverfoͤrmig anwendet, in Pulver
verwandelt werden koͤnnen.
Hr. Menier fing im J. 1820 im Kleinen an durch mechanische
Mittel verschiedene Arten von Pulver und Mehl fuͤr die Apotheken zu erzeugen,
und brachte es durch seine Thaͤtigkeit und Ausdauer dahin, daß er schon nach
5 Jahren 20 Pferde zum Treiben seiner Maschine noͤthig hatte. Um seiner
Fabrik jedoch eine noch groͤßere Ausdehnung zu geben, verband er sich mit
Hrn. Adrien, und gruͤndete mit diesem die Anstalt
zu Noisiel, die gegenwaͤrtig nicht weniger als 500 verschiedene Arten von
Pulvern von ausgezeichneter Feinheit und Guͤte erzeugt. Die Triebkraft dieser
Anstalt besteht in einem schoͤnen Wassersturze, welcher der Kraft von 32
Pferden gleich kommt, und durch welchen folglich beinahe eben so viel, als durch 500
bis 600 Menschen geleistet wird. Die Schwierigkeiten, mit denen es verbunden war,
die Apparate so zu modificiren, daß sie saͤmmtlichen zu puͤlvernden
Substanzen entsprachen, waren nicht klein; die HH. Menier
und Adrien haben sie jedoch auf das Sinnreichste
uͤberwunden.
Das aͤußere Aussehen der Fabrik ist nicht so glaͤnzend, als jenes von
vielen unserer Fabriken, an denen jedoch dieser aͤußere, ganz unnuͤze
Glanz haͤufig als zum Untergange fuͤhrender Krebsschaden nagt.
Dafuͤr findet man aber im Inneren uͤberall Kraft und Einfachheit der
Mittel mit einander vereint.
Im untersten Stokwerke befinden sich:
1) senkrechte Muͤhlsteine aus Sandstein, die sich auf einem Beken aus Gußeisen
bewegen. Dieses Beken ist nicht abgedreht, aber doch so glatt, daß es leicht und
ganz rein ausgewaschen werden kann. Dieses Auswaschen geschieht jedes Mal, so oft
eine andere Substanz gemahlen wird. Die Commission sah Reißmehl aus dieser
Muͤhle kommen, welche Alles uͤbertraf, was sie bisher in dieser Art
sah.
2) senkrechte Muͤhlsteine, die am Umfange mit Gußeisen eingefaßt sind, und
welche sich gleichfalls in einem gußeisernen Beken bewegen. Dieser Apparat dient zum Mahlen
von mineralischen, starken Widerstand leistenden Substanzen.
3) alle Stampfapparate. Die Form und Bewegung der Stoͤßer sind je nach den
verschiedenen Substanzen, auf die sie einzuwirken haben, verschieden. Nur eine
Einrichtung haben sie alle mit einander gemein, und dieß ist jene, durch welche alle
Verfluͤchtigung unmoͤglich gemacht ist. Bei dieser Einrichtung kann
nicht nur kein Verlust an Material, sondern auch keine gegenseitige Verunreinigung
der Pulver und keine Belaͤstigung der Arbeiter durch den Staub und Geruch
Statt finden. Diese Stampfapparate bestehen aus folgenden Apparaten:
1) aus einer Stampfe mit 6 Stoͤßern, zur Verfertigung von unfuͤhlbaren
Pulvern;
2) aus einer Stampfe mit Messern, zum Stampfen faseriger Substanzen, wie z.B. des
Suͤßholzes, der Sarsaparilla etc.;
3) aus einer Stampfe mit 12 Stoͤßern zum Stoßen gewoͤhnlicher Pulver.
Von den Stoͤßern sind je 4 in einem Moͤrser vereinigt;
4) aus einer Stampfe mit 7 an der Basis duͤnneren Stoͤßern, welche zur
Verfertigung von Senfmehl dienen;
5) aus einer Stampfe mit hoͤlzernen Stoͤßern und marmornen
Moͤrsern fuͤr solche Substanzen, welche durch Eisen schaden leiden
wuͤrden, wie z.B. zum Puͤlvern des Salmiaks und anderer Salze;
6) aus einer Stampfe mit 2 Stoͤßern zum Puͤlvern des Gummi;
7) aus einem vollkommen abgeschlossenen Cabinette, in welchem bloß giftige Substanzen
gepuͤlvert werden, und in welchem noch verschiedene Vorkehrungen zur
Sicherung der Gesundheit der Arbeiter angebracht sind;
8) aus einem gleichfalls abgeschlossenen Cabinette, worin sich drei Stoͤßer
von gehoͤriger Form befinden, die zur Zubereitung der Substanzen fuͤr
die gewoͤhnliche Chocolade dienen;
9) endlich aus verschiedenen mechanischen Sieben, die hoͤchst vollkommen
eingerichtet sind.
Alle die in diesem Stokwerke befindlichen Stoͤßer machen zusammengenommen
beilaͤufig 2000 Stoͤße, und die Kraft eines jeden Stoßes kann man als
7 Mal groͤßer annehmen, als einen Schlag mit dem Arme.
Im zweiten Stoke befinden sich:
1) zwei Muͤhlen fuͤr die Perlgraupe und Hafergruͤze;
2) zwei Siebe;
3) eine Mehlmuͤhle mit gewoͤhnlichen Steinen;
4) eine Muͤhle fuͤr Arzeneimittel von derselben Einrichtung;
5) ein Gummibeutel;
6) ein drittes Sieb;
7) Walzen zum Zerquetschen oͤhlhaltiger Samen.
Im dritten Stokwerke sind endlich die Apparate zur Chocolade-Fabrikation
angebracht, die nach Auger's Methode eingerichtet sind.
Der eine dieser Apparate hat 4, der andere 6 Kegel, welche an den Spizen
zusammengebunden sind, und welche auf einer horizontalen Flaͤche im Kreise
herumgefuͤhrt werden. Diese Kegel vertreten die Stelle von Walzen; da aber
die Aufwikelung ihrer Oberflaͤchen von jener der Ebene, auf welcher sie sich
bewegen, verschieden ist, so kann die eigentliche Wirkung der Walze in ihrer ganzen
Reinheit nur nach einer sehr schmalen, meistens gegen die Mitte ihrer Laͤnge
hin gelegenen Zone Statt finden, waͤhrend sie gegen die beiden Enden hin mit
der Porphyrisation verbunden seyn wird. Diese beiden Apparate, welche sich selbst
speisen, koͤnnen des Tages beilaͤufig 700 Pfunde erzeugen. Unmittelbar
neben ihnen befindet sich die Trokenstube, in der der Zuker fuͤr die
Chocolade getroknet wird. Einer der Hauptvortheile bei der ganzen Fabrikation ist
uͤbrigens, daß der Cacao nur eine sehr kurze Zeit uͤber der
mechanischen Einwirkung ausgesezt ist, so daß daher sein Geschmak und sein Arom
reiner und unveraͤndert bleibt.
Die von den HH. Menier und Adrien erzeugte Chocolade ist von vorzuͤglicher Guͤte, und
eben so wetteifert auch die Perlgraupe, die Frankreich bisher fast durchaus aus
Holland bezog, in Hinsicht auf Guͤte mit der besten hollaͤndischen
Perlgraupe; sie hat auch das Gute, daß sie sich sehr lange aufbewahren laͤßt
ohne sauer zu werden.
Die Pulver zum Arzeneigebrauche, welche die HH. Menier und
Adrien den Apotheken liefern, sind dem Berichte des
Hrn. Pelletier zu Folge von ganz vorzuͤglicher
Guͤte. Die faserigsten Stoffe, wie die Suͤßholzwurzel, die
Sarsaparilla, der Seidelbast und dergl. werden in ganz unfuͤhlbares Pulver
verwandelt, eben so auch die Coloquinthen, der Traganthgummi, der Lerchenschwamm
etc., wobei sie ein eigenes Verfahren befolgen, welches sich in den Apotheken nicht
anwenden laͤßt.