Titel: Eisenbahn von Lyon nach St. Etienne.
Fundstelle: Band 46, Jahrgang 1832, Nr. II., S. 16
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II. Eisenbahn von Lyon nach St. Etienne. Fortsezung eines Berichtes der HH. Albrecht Schlumberger und Emil Koechlin. Aus dem Bulletin de la Société industrielle de Mulhausen N. 22. von 1832. Mit Abbildungen auf Tab. I. Eisenbahn von Lyon nach St. Etienne. Die Eisenbahn, welche gegenwaͤrtig zwischen Lyon und St. Etienne gebaut wird, und uͤber Givors-Rive de Giers und Saint-Chamond geht, ist auf der Streke von Rive de Giers nach Givors seit einiger Zeit in Thaͤtigkeit, und wird im naͤchsten Fruͤhjahre auch zwischen Givors und Lyon fahrbar seyn. Die Neigung der Schienen von Rive de Giers bis Givors betraͤgt 0m,00569 auf einen Meter (1/175); und dieses Gefalle ist hinreichend, um die beladenen Wagen durch ihr eigenes Gewicht abwaͤrts laufen zu machen.11) Ein Wagen wiegt 1000 bis 1100 Kilogr., und kann 2000 Kilogr. Steinkohlen enthalten.12) Ein Mann leitet 15 solcher Wagen zusammen abwaͤrts, indem er die Schnelligkeit der Bewegung durch eine Premsung maͤßigt, welche Fig. 3 dargestellt ist. Der Stuͤzungspunkt dieser Premsung oder Hemmung ist in p zwischen den beiden Raͤdern an einer Seite des Wagens; der Hebel hat uͤber und unter dem Stuͤzungspunkte einen hoͤlzernen Kloz, deren einer an das vordere, der andere an das hintere Rad paßt, und durch das staͤrkere oder schwaͤchere Andruͤken dieser Kloͤze am Ende des Hebels o, und die hiedurch bewirkte Reibung kann der Mann den Gang der Wagen nach Belieben reguliren. Man bedient sich gegenwaͤrtig der Dampfwagen nur zum Aufwaͤrtsziehen der leeren Wagen. Die Maschine hat Kraft genug, um ein Gewicht von 30,000 Kilogr. (25 bis 30 solcher leerer Wagen) mit einer Geschwindigkeit von 2 Meter in einer Secunde zu ziehen, und wird, wie man erwartet, auf den horizontalen Streken 70 Tonnen fortzuziehen im Stande seyn.13) Die ganze entwikelte Laͤnge dieser Eisenbahn von der Bruͤke de la Mulatière zu Lyon bis zur Monta, ein neues Quartier von Et. Etienne, betraͤgt etwas uͤber 66,000 Mtr. ungefaͤhr 16 Lieues. Der vertikale Abstand des hoͤchsten von dem niedrigsten Punkte der Bahn ist beinahe 375 Mtr. Das Gefalle von Lyon nach Givors, auf einer Laͤnge von 21,150 Mtr., kann als Null augesehen werden; von Rive de Giers bis Givors, auf einer Laͤnge von 16,300 Mtr., betraͤgt das Steigen ungefaͤhr 6 Millimeter auf ein Meter (0,00569), was beinahe die Glaͤnze ist, uͤber welche hinaus die Nader der fortschaffenden Maschinen durch ihre Reibung nicht mehr fortkommen koͤnnen, ohne auszugleiten.14) Von St. Etienne nach Rive de Giers betraͤgt das Gefalle 13 Millimeter auf 1 Mtr. (0,0134) auf einer Laͤnge von 18,600 Mtr. Man faͤhrt von Rive de Giers nach Givors mit den beladenen Wagen in 35 bis 40 Minuten herab, was einer Geschwindigkeit von beilaͤufig 7 Lieues in einer Stunde gleichkommt. Auf der ganzen Linie befinden sich vierzehn Durchgrabungen (percemens), welche zusammen 4000 Mtr. lang sind, und mehr als 1,800,000 Franks gekostet haben.15) Ein Stollen in der Nahe von Rive de Giers hat uͤber 900 Mtr., und ein anderer bei St. Etienne 1500 Mtr. in der Laͤnge. Der kleinste Halbmesser der Kruͤmmungen hat 500 Mtr. Auf der Bahn von Liverpool nach Manchester ist dieses Minimum 120 Meter.16) Die Schienen sind Stangen von gewalztem Eisen von 14 Fuß und 2 1/2 Zoll Laͤnge, 3 Zoll Hoͤhe, und von der Gestalt, wie das Profil Fig. 7 anzeigt, wo man zugleich den Grundriß und die Ansicht eines Untersazstoͤkels von Gußeisen erblikt. Diese Schienen sind mit ihren Enden buͤndig aneinander gefuͤgt so daß eine Fuge auf jeden vierten Unterlagblok trifft; und so werden in den eisernen Stoͤkeln durch hoͤlzerne eingetriebene Keile an die solideste Art befestigt.17) Die Stoͤkel selbst werden mittelst hoͤlzerner Naͤgel auf den steinernen Bloͤken befestigt, deren obere und untere Flaͤchen genau parallel gearbeitet sind, die Kosten der Anlage dieser Eisenbahn waren auf 8 Millionen Franken berechnet, betragen aber gegenwaͤrtig schon 10 Millionen; und man glaubt, daß zu ihrer gaͤnzlichen Vollendung noch 3 Millionen noͤthig seyn werden.18) Die vorzuͤglichsten Ursachen dieser außerordentlichen Vermehrung der Kosten sind: 1) eine viel groͤßere Ausdehnung als die urspruͤnglich bestimmte welche man den Kruͤmmungen der Bahn zu geben genoͤthigt war; 2) der Ankauf der Grundstuͤke, deren Preis den anfaͤnglich gut geschaͤzten dreifach uͤberstieg. Die Gesellschaft rechnet, daß ihr die Kosten des Transporte auf 3 Centimen fuͤr die Tonne und fuͤr tausend Meter zu stehen kommen werden; der von der Regierung genehmigte Preis, wozu Gesellschaft sich verbindlich gemacht hat, ist 9 8/10 Centimen. Rechne; man 10 Centimen, so kommt der Transport einer Tonne von Saint Etienne nach Lyon, auf einer Laͤnge von 66,000 Mtr. auf 6 Frank 60 Centimen, und der Centner von 50 Kilogr. auf 33 Centimen fuͤr einen Weg von ungefaͤhr 16 Lieues; was beilaͤufig ein Drittel der gegenwaͤrtigen Fracht auf den gewoͤhnlichen Straßen betraͤgt. In einem Berichte, welchen die Geschaͤftsfuͤhrer dieser Unternehmung erstattet haben, wird die Quantitaͤt der auf dieser Bahn sich jaͤhrlich bewegenden Gegenstaͤnde auf 30,000 Tonnen geschaͤzt, welche eine Brutto-Einnahme von 1,800,000 Franken abwirft. Die Bewegung zwischen Liverpool und Manchester war am Ende des Jahres 1829, taͤglich 7700 Tonnen, mit Einschluß von 1800 Reisenden, oder jaͤhrlich 2,400,000 Tonnen, also acht Mal staͤrker als zwischen Saint-Etienne und Lyon. Die Fracht auf dem Canal, welcher die Rhone mit dem Rhein verbindet, betraͤgt fuͤr Steinkohlen 28 4/10 Centimen fuͤr eine Tonne und tausend Meter,19) also fast das Dreifache von dem Transporte auf der Eisenbahn. Wir muͤssen hier bemerken, 1) daß eine Eisenbahn bestaͤndig fahrbar ist, daß die vorfallenden Reparationen gemacht werden koͤnnen, ohne den Dienst zu unterbrechen, was bei den Canaͤlen nicht der Fall ist, welche im Winter wegen des Frostes selten zu gebrauchen sind;20) 2) daß die Anlage einer Eisenbahn weniger kostet als jene eines Canals; 3) daß der Transport auf Eisenbahnen weit schneller und wohlfeiler ist. Es bleibt daher kein Zweifel mehr uͤber die große Superioritaͤt dieses neuen Transportmittels in allen Gegenden, wo ein nur einiger Maßen bedeutender Handelsverkehr Statt findet. Vorrichtung zum Laden und Entladen der Schiffe am Canal zu Givors. Wir haben von zwei Maschinen, deren man sich zu Givors bedient, um die Schiffe oder Barken zu laden und zu entladen, Zeichnungen aufgenommen. Die eine ist ein Krahn, welcher an einer senkrecht stehenden Saͤule sich umdrehen, und mittelst einer Winde und seines Flaschenzuges große Lasten aufheben kann. Die andere Maschine, welche Fig. 8 nach dem beigefuͤgten Maßstabe abgebildet ist, dient besonders dazu, die Steinkohlen, welche auf der Eisenbahn ankommen, in die Canalbarken abzuladen, und zwar so, daß ein ganzer Wagen auf Einmal ausgeleert wird, und dabei die Kohlen so wenig als moͤglich zerschlagen werden. Man sieht in der Zeichnung, daß zwei große Raͤder an einer horizontalen Achse vorgerichtet sind, deren jedes mit einer doppelten Hebelpremsung versehen ist. An dem horizontalen Wellbaume sind zu beiden Seiten zwei starke vierkantige Balken befestigt und mit demselben verbunden. Diese Balken tragen an ihrem aͤußeren Ende eine durchbrochene Plattform, an vier Seilen von Eisendraͤht aufgehaͤngt, und an dem inneren oder entgegengesezten Ende ein Gegengewicht, welches schwerer ist als die Plattform mit einem darauf stehenden leeren Wagen, aber leichter als diese, wenn ein beladener Wagen darauf steht. Die beladenen Wagen gehen auf der Eisenbahn bis an die Plattform, auf welcher eine Fortsezung von Schienen angebracht ist, welche an jene der Bahn sich anschließen. Wenn nun ein beladener Wagen auf der Plattform steht, und der Zaum der Premsung an den Raͤdern durch Aufheben der Hebel etwas loker gemacht wird, so sinkt die Plattform mit dem Wagen bis zu dem darunter befindlichen Schiffe herab; und sobald dieß geschehen ist, wird der Boden des Wagens, welcher nur aus einem beweglichen Fallbrette besteht, durch Zuruͤkziehen des Riegels, der ihn fest hielt, geoͤffnet, und die Ausleerung geschieht auf Einmal, ohne daß irgend eine andere Manipulation noͤthig ist. Man haͤlt die Premsungen angezogen, waͤhrend der Wagen sich ausleert, laͤßt sie aber wieder los, sobald die Ausleerung geschehen ist; das jezt schwerere Gegengewicht hebt die Plattform mit dem leeren Wagen wieder zum Niveau der Eisenbahn, auf welche man den Wagen zuruͤkzieht, um die Operation mit einem anderen geladenen Wagen von Neuem zu beginnen. Die abgeschwefelten Steinkohlen (Coaks) und alle anderen Materialien in Stuͤken, welche man so wenig als moͤglich zerbrechen will, werden auf dieselbe Art in die Schiffe entladen. Beschreibung der Maschine. aa, zwei große hoͤlzerne Raͤder an einem horizontalen Wellbaum befestigt, der sich um seine Zapfen drehen kann; bb, zwei Balken an dem Wellbaum und den Raͤdern befestigt, deren ein Ende das Gegengewicht c, das andere die Plattform traͤgt; d, Plattform, welche die Wagen, die man ausleeren will, traͤgt, sie ist an den Balken b durch eiserne Seile o aufgehaͤngt; ee, Bretter, auf welchen Stuͤke von eisernen Schienen befestigt sind, welche an die Schienen der Eisenbahn sich anschließen; ff, die Schienen dieser Eisenbahn; g, ein Haken, durch welchen die Plattform in ihrer hoͤchsten Stellung an die Eisenbahn befestigt wird; hh, Baken in Form von Zirkelsegmenten, welche an den Umfang der Raͤder sich anschließen, und durch Andruͤken die Bewegung derselben hemmen; ii, die Stuͤzungspunkte dieser Baken; k, Hebel, an welchen die Enden der Baken befestigt sind, und durch welche diese nach Gefallen angezogen oder frei gemacht werden koͤnnen; ll, Querbalken, durch welche die Bewegung der Plattform beschraͤnkt wird; m, ein Wagen, welcher ausgeleert wird; n, Canalbarke in einem Querprofile.

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