Titel: | Abhandlung des Hrn. Séguier über die Dampfmaschinen. Vorgetragen in der Académie des Sciences am 30. Mai 1830. |
Fundstelle: | Band 44, Jahrgang 1832, Nr. II., S. 5 |
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II.
Abhandlung des Hrn. Séguier uͤber die Dampfmaschinen.
Vorgetragen in der Académie des Sciences am 30. Mai
1830.Wir haben bereits im Polyt. Journ. Bb. XLII. S.
314 der neuen Art von Dampferzeugern erwaͤhnt, welche Hr.
Séguier
vorschlaͤgt, nehmen aber wegen mehrerer, hier vorkommender, weit
ausfuͤhrlicheren Daten keinen Anstand noch ein Mal auf dieselbe
zuruͤkzukommen.A. d. R.
Im Auszuge im Bulletin des Sciences technologiques.
Maͤrz 1830, S. 224.
Séguier, uͤber die Dampfmaschinen.
Hr. Séguier beschaͤftigt sich in dieser
Abhandlung hauptsaͤchlich mit jenem Theile der Maschine, in welchem der Dampf
erzeugt wird, und mit den Verbesserungen, die sich an demselben anbringen ließen. Er
vergleicht, nachdem er in Kuͤrze saͤmmtliche Modificationen
durchgangen, die von Erfindung der Dampfmaschinen an diesem Theile derselben gemacht
wurden, besonders die großen Dampfkessel und die Dampferzeuger, die heute zu Tage
die zwei Hauptclassen bilden; und eroͤrtert dabei deren wechselseitige
Vorzuͤge und Nachtheile.
Die Kessel, sagt Hr. Séguier, werden im Allgemeinen
vorgezogen, 1) weil die Fabrikanten wissen, daß die Uebung dem Erbauer derselben, in
Ermangelung wissenschaftlicher Kenntnisse, Mittel an die Hand gibt, die Kraft, die
der Kessel erhalten wird, und seinen Bedarf an Brennmaterial im Voraus zu bestimmen,
waͤhrend er an den Apparaten mit Dampferzeugern oft der Gefahr ausgesezt ist,
unter der noͤthigen Kraft zu bleiben, oder den Bedarf an Brennmaterial, auf
welchen man rechnete, zu uͤbersteigen; 2) weil die großen Dampfkessel im
Allgemeinen eine sehr merkliche Ersparniß an Brennmaterial gewahren; 3) weil sie
weniger den Bewegungen ausgesezt sind, welche durch eine schnelle Vermehrung des
Feuers entstehen, und welche nicht bloß die Gefahr des Berstens vermehren, sondern
auch eine bedeutende Menge Dampf erzeugen, welche unbenuzt verloren geht; 4)
endlich, weil sich leicht Arbeiter finden lassen, die das Feuer einer Maschine mit
großem Kessel gleichmaͤßig und oͤkonomisch zu reguliren verstehen,
waͤhrend man bei den neuen Apparaten nicht bloß von der Unerfahrenheit, sondern auch von dem
boͤsen Willen dieser Leute zu leiden hat. Anderer Seits sind aber die großen
Kessel wegen ihrer Große und wegen ihres Gewichtes in vielen Faͤllen, in
welchen es sich weniger um Ersparniß, als um Leichtigkeit und kleinen Raum handelt,
untauglich; 2) veranlassen sie, wenn sie bersten, viel schreklichere
Unfaͤlle; 3) bekommen sie weit leichter Risse, indem es sehr schwer ist,
großes Eisen- oder Kupferblech zu finden, welches keine Fehler hat; 4) sind
sie schwerer auszubessern.
Hr. Séguier untersucht hierauf die verschiedenen
Ursachen, aus welchen die Kessel bersten koͤnnen, in welcher Hinsicht wir auf
die vortreffliche Auseinandersezung verweisen, welche Arago im Annuaire du bureau des longitudes pour
l'année 1830 gab.
Nach sorgfaͤltiger Erwaͤgung alles dessen, was auf die großen Kessel
Bezug hat, beschaͤftigt sich Hr. Séguier
mit den Dampf-Erzeugern, von welchen die einen den Dampf augenbliklich und
fuͤr den wirklichen Bedarf der Maschine hervorbringen, waͤhrend ihn
die anderen hingegen, so wie die Dampfkessel, nach und nach erzeugen, und ihn unter
einem bedeutenden Druke zuruͤkhalten, um ihn im Augenblike des Bedarfes los
zu lassen, und waͤhrend endlich noch andere das Wasser ungeachtet seiner
hohen Temperatur in fluͤssigem Zustande zuruͤkhalten, und demselben
nur gestatten, sich in dem Maße in Dampf zu verwandeln, in welchem es der Bedarf des
Bewegers erfordert, und zwar in dem Augenblike, in welchem dieser Dampf auf den
Kolben wirken soll.
Zu dieser eben beschriebenen Art von Apparaten gehoͤren die
Einsprizroͤhren, die auf mehreren amerikanischen Dampfbothen angewendet
werden. Diese Roͤhren sind naͤmlich sehr dike metallene
Roͤhren, die auf einer hohen Temperatur erhalten werden, und in welche eine
Speisepumpe, die von der Maschine selbst bewegt wird, bei jedem Stoße eine solche
Menge Wasser eintreibt, als zur Erzeugung des noͤthigen Dampfes erforderlich
ist. Dieser Apparat, der zwar weniger gefaͤhrlich als mehrere andere, zu
derselben Classe gehoͤrige ist, hat noch viele Nachtheile. Erstens ist die
hohe Temperatur, auf welcher die Roͤhren erhalten werden, der Verdampfung
nicht guͤnstig; zweitens geht durch das Ausstrahlen ihrer Hize eine große
Menge Waͤrme verloren; und drittens entweicht der Rauch, der nur in geringem
Raume circulirt, sehr heiß. Es geht mithin hier auf dreifache Weise
Waͤrmestoff verloren, und außerdem ist der auf diese Weise erzeugte Dampf
bald zu feucht, so daß das Zugehoͤr anschwillt und der Kolben dadurch in
seinen Bewegungen gehindert ist; bald zu heiß, so daß das Werg verbrannt, und das
Fett, welches die Reibung verhindern soll, verkohlt wird. Um nun diese Ungleichheit
der Temperatur zu
vermeiden, schlaͤgt Hr. Séguier vor, den
Apparat mit einem Regulator zu verbinden, dessen Spiel, auf das Princip der
Ausdehnung der Metalle gegruͤndet, jedes Mal so oft die Temperatur des
Dampfes zu hoch waͤre, ein groͤßere Menge Wasser in den Dampferzeuger
einließe, waͤhrend es sich im entgegengesezten Falle dem Eintreten der
Fluͤssigkeit zum Theile widersezen wuͤrde.
Diese Einsprizroͤhren koͤnnten, da sie durch ihre Einrichtung gewisser
Maßen gegen jede gefaͤhrliche Explosion gesichert, durch den Regulator gegen
die Ungleichheiten der Temperatur des Dampfes bewahrt sind, und da sie bei einem
kleinen Volumen auch sehr leicht, sind, unter die nuͤzlichsten und
vortheilhaftesten Apparate gezahlt werden, wenn ihre Vortheile nicht durch den
ungeheuren Bedarf an Brennmaterial aufgewogen wuͤrden.
Die Maschinen, an denen der Dampf allmaͤhlich, aber unter einem starken Druke,
gebildet wird, und sich auf dem Uebergange zu dem Beweger ausdehnt, haben
saͤmmtlich, auf welche Weise sie auch modificirt worden seyn moͤgen,
folgende Nachtheile: 1) erfordern sie eine große Menge Brennmaterial; 2) ist es
wegen der bedeutenden Schwankungen der Fluͤssigkeit schwer, das Niveau zu
beobachten, wodurch große Gefahren entstehen; 3) geht haͤufig durch die
Sicherheitsklappen Dampf verloren; 4) ist der Apparat complicirt, schwer zu
reinigen, und daher schnell zu Grunde gerichtet.
Die dritte Art von Dampferzeugern ist die von Perkins
erfundene, nach welcher das Wasser ungeachtet einer sehr hohen Temperatur in
fluͤssigem Zustande zuruͤkgehalten, und nur theilweise in Dampf
verwandelt wird. Diese Apparate haben in Hinsicht auf die Schwankungen der
Temperatur des Dampfes dieselben Nachtheile wie die Einsprizroͤhre, denen der
Erfinder durch den Behaͤlter, der das Gleichgewicht wieder herstellen soll,
nur zum Theile abgeholfen hat. Hr. Séguier sagt
ferner, daß sie wegen der wiederholten Ausdehnungen, die sie erleiden, schnell zu
Grunde gehen, und auch eine viel groͤßere Menge Brennmaterial brauchen, als
noͤthig ist, um eine gleiche Kraft hervorzubringen.
Nach Aufzaͤhlung der Maͤngel dieser heut zu Tage gebraͤuchlichen
Apparate handelt Hr. Séguier von den
Modifikationen, die sich an denselben anbringen ließen, ohne von den
Grundsaͤzen derselben abzugehen. Unter den Vorbauungsmitteln gegen
Explosionen haben sich die schmelzbaren Platten in der Erfahrung am
bewaͤhrtesten gezeigt, und doch haben sie nach Hrn. Séguier noch folgende Maͤngel. Erstens wird man nicht immer
im Momente des Schmelzens von diesem Zustande in Kenntniß gesezt, und zweitens kann dieses Schmelzen gerade
unter Umstaͤnden geschehen, unter welchen das Spiel der Maschine am
noͤthigsten waͤre. Wenn man naͤmlich z.B., um eine starke
Stroͤmung eines Flusses aufwaͤrts zu fahren, das Feuer etwas
verstaͤrkt, und wenn dadurch eine Schmelzung der Platte entsteht, so
geraͤth das Schiff dadurch in Gefahren, welche oft denen einer Explosion
nicht nachstehen.
Um dem ersten dieser Maͤngel abzuhelfen, schlaͤgt Hr. Séguier vor, an der Platte einen Ringnagel
anbringen, an welchem das Ende eines Schwingels angehaͤngt seyn
muͤßte, der das Register des Rauchfanges offen erhaͤlt, oder der
irgend einer anderen Zeigervorrichtung entspricht. Auf diese Weise wuͤrde
naͤmlich nicht bloß das Schmelzen der Platte, sondern auch das demselben
vorausgehende Erweichen auf eine auffallende Weise angedeutet werden. Um dem zweiten
Nachtheile abzuhelfen, koͤnnte man die Platte auch am Ende eines Hahnes
anbringen, der gewoͤhnlich offen bliebe, und nur dann geschlossen
wuͤrde, wenn man merkt, daß Gas entweicht. Auf diese Weise ließe sich also
eine andere Platte einsezen, ohne daß waͤhrend dieser Zeit das Spiel der
Maschine unterbrochen zu werden braucht.
Um den Explosionen, die durch einen Fehler in der Speisung bedingt sind, vorzubeugen,
schlaͤgt Hr. Séguier statt des Schwimmers,
der zwar einen Aufseher, auf den man sich verlassen kann, hinreichend auf das Sinken
des Wassers aufmerksam macht, eine Vorrichtung vor, die auch einen weniger
aufmerksamen Beobachter mit Gewalt aus seiner Zerstreuung reißen wuͤrde. Nach
dieser Vorrichtung wird naͤmlich der Dampf jedes Mal, wenn das Wasser in dem
Kessel bis unter ein gewisses Niveau gesunken, mit Pfeifen bei einem kleinen Hahne
ausstroͤmen. Damit dieser Apparat aber auch den gehoͤrigen Nuzen
gewaͤhren koͤnne, muß der Aufseher auch gehoͤrige Mittel an der
Hand haben, durch die er die Hindernisse, die dem Eintritte des Wassers
entgegenstehen, sogleich entfernen kann: die Speisepumpen muͤssen daher so
eingerichtet seyn, daß sie jedes Mal sogleich untersucht und von den Unreinigkeiten
befreit werden koͤnnen.
In der zweiten Abtheilung seiner Abhandlung beschreibt Hr. Séguier ein neues System, bei welchen er die angegebenen Nachtheile
und Maͤngel der anderen Systeme vermieden zu haben glaubt, und bei welchem
er, wie schon gesagt worden, sein Augenmerk vorzuͤglich auf den Dampferzeuger
richtete. Die Vollkommenheit dieses Theiles des Apparates besteht offenbar darin, in
der kuͤrzesten Zeit und mit den geringsten Kosten den fuͤr die
Maschine nothwendigen Dampf zu liefern. Eine und dieselbe Oberflaͤche kann,
je nachdem das Heizen mit mehr oder weniger Geschiklichkeit geschieht, eine
groͤßere oder
geringere Menge Dampf erzeugen; er gibt aber doch eine bestimmte Graͤnze,
uͤber welche hinaus ohne Vergroͤßerung der dampferzeugenden
Oberflaͤchen keine weitere Vermehrung der Production moͤglich ist.
Eine der nothwendigen Bedingungen eines guten Dampferzeugers ist daher eine große
Oberflaͤche, und diese Bedingung erreicht Hr. Séguier dadurch, daß er statt eines einzigen großen Kessels mehrere
kleine neben einander gestellte Kessel anwendet, in welchen Nasser und Dampf von
einander getrennt sind, die aber doch mit einander communiciren. Jeder dieser
einzelnen Kessel kann aus einem viel duͤnneren Metalle bestehen, als jenes
der großen Kessel ist, so daß man bei geringerem Gewichte und Umfange eine
groͤßere dampferzeugende Oberflaͤche erhalten wird. Dieser Vortheil
ist uͤbrigens nicht der einzige: durch die Vertheilung der
Fluͤssigkeit in den vielen Zellen wird naͤmlich den Stoͤßen
oder Erschuͤtterungen vorgebeugt, welche durch das Herumwerfen des Wassers in
einem einzigen großen Kessel entstehen, und welche an Bord eines Schiffes oft so
groß sind, daß die an den Sieder stoßenden Canaͤle an ihren
Verbindungspunkten abreißen. Durch diese Vorrichtungen werden ferner auch diese
ausgebreiteten Schwankungen vermieden, welche, selbst wenn die Maschine unbeweglich
steht, die Schwankungen des Schwimmers ungewiß machen, und kein sicheres Urtheil von
der Spannkraft des Dampfes gestatten. Und erfolgte endlich bei diesem neuen Apparate
ja eine Explosion, so werden deren Wirkungen weit weniger verderblich seyn, indem
die Detonationen einer gleichen Menge Dampfes nicht gleichzeitig, sondern nach
einander erfolgen werden.
Die verschiedenen einzelnen Dampferzeuger muͤssen saͤmmtlich von
gleichen Dimensionen seyn, und sich leicht abnehmen und auswechseln lassen. Auf
diese Weise kann man dieselben naͤmlich nach und nach saͤmmtlich an
jene Stellen bringen, die mehr der Zerstoͤrung ausgesezt sind, und dadurch
die Dauer der Maschine verlaͤngern.
Die gute Einrichtung der Dampfkessel bildet jedoch nur eine der Bedingungen, die zur
Vollkommenheit des Apparates noͤthig sind; eine andere, nicht weniger
wesentliche Bedingung liegt in der zwekmaͤßigsten und besten Anwendung der
Hize, und in dieser Hinsicht sind mehrere Punkte noͤthig. Vor Allem muß die
Flamme in einer Richtung an die Waͤnde schlagen, die der senkrechten so nahe
als moͤglich kommt. Da nun aber die Flamme wegen des Zuges des Ofens nicht
senkrecht emporsteigen kann, sondern durch diesen beinahe horizontal gelegt wird, so
muͤssen die Waͤnde, an welche dieselbe schlaͤgt, in umgekehrter
Richtung geneigt werden; dieß ist bei einem einfachen Kessel nicht moͤglich, sehr leicht
ausfuͤhrbar hingegen bei den mehrfachen Dampferzeugern.
Damit die Hize schnell durch und durch dringt, muß zwischen der Temperatur des
erwaͤrmenden und des erwaͤrmten Koͤrpers ein merklicher
Unterschied Statt finden. Da sich nun aber bei den gewoͤhnlichen Apparaten
schnell das Gleichgewicht zwischen beiden herzustellen strebt, so hat Hr. Séguier auch diesem Nachtheile abzuhelfen gesucht,
und glaubt seinen Zwek dadurch erreicht zu haben, daß er das Wasser von Oben
mittelst eines umgekehrten Herdes heizt. Diese Einrichtung soll bei der Anwendung
der Dampfmaschine an Bord eines Schiffes auch noch einen anderen Vortheil haben.
Wenn naͤmlich der Kessel mit Seewasser gespeist wird, so ist man, um den
Salzniederschlag, welcher sich am Boden erzeugen wuͤrde, zu beseitigen,
gezwungen eine Stroͤmung herzustellen, welche die abgesezten Theile
wegschwemmt, ehe sie sich noch festsezen konnten. Bei der gewoͤhnlichen
Hetzmethode wird nun hiebei sehr heißes Wasser durch kaltes Wasser ersezt; bei der
neuen Methode hingegen ist der am Boden befindliche Theil des Wassers der
kaͤltere, so daß mithin ein geringerer Verlust Statt haben muß, wenn man
Wasser von der aͤußeren Temperatur einlaͤßt.
Hr. Séguier schließt seine Abhandlung mit
Betrachtungen uͤber die Form, die man den Rauchzuͤgen geben soll,
uͤber die Dimensionen der Roste, uͤber die Oeffnung der
Sicherheitsklappen, und zeigt an, daß er eine Dampfmaschine verfertigen ließ, die er
der Akademie zur Untersuchung vorstellt.