Titel: | Ueber die Anwendbarkeit des Bernhard'schen Kraftapparates; von E. Petersen. |
Autor: | E. Petersen |
Fundstelle: | Band 43, Jahrgang 1832, Nr. XCVI., S. 412 |
Download: | XML |
XCVI.
Ueber die Anwendbarkeit des Bernhard'schen Kraftapparates; von
E.
Petersen.
Petersen, uͤber die Anwendbarkeit des Bernhard'schen
Kraftapparates.
Es ist der Zwek dieser Abhandlung zu zeigen, daß der Bernhardsche Apparat auch im Falle der Richtigkeit der Theorie, auf die
der Erfinder sich stuͤzt, bei gleicher Wirkung, dennoch mehr Kohlen
verbrauchen wuͤrde als die Dampfmaschine, zu zeigen, um wie viel die zu
hebende Fluͤssigkeit erwaͤrmt werden duͤrfte, wenn nicht mehr
Kohlen verbraucht werden sollten als bei der Dampfmaschine, zu zeigen, daß die
Thatsachen, die Hr. Bernhard
zum Beweise seiner Theorie anfuͤhrt, auf die entschiedenste Weise gegen
dieselbe sprechen.
In der Beilage zur Allgemeinen Zeitung vom 30. Julius 1831 sagt Hr. Bernhard, Seite 1120, erste Reihe
unten: „das Wasser stieg, als concrete Fluͤssigkeit, in einer neun
Zoll weiten Roͤhre, sobald die allgemeine Erwaͤrmung am oberen
Ende des Steigerohres 145° Fahrenheit (beilaͤufig 55° R.)
erlangt hatte, mit großer Schnelligkeit auf 70 Fuß Hoͤhe; allein wegen
materieller Unvollkommenheiten in der Form, Arbeit, Proportion u.s.f., welche
von ersten Versuchen einer, in Princip und Construction, ganz neuen Erfindung
wohl unzertrennlich sind, dauerte das ununterbrochene Ausstroͤmen der
Wassermassen nur immer einige Minuten, sezte dann wieder einige Minuten aus, und
ergoß sich dann wieder, so daß diese Intervallen in einer Stunde vielleicht
5–6 Mal vorkamen. Jedes Mal mochte die aufgestiegene Wassermasse etwa 50
Kubikfuß betragen;“ ferner sagt Hr. Bernhard: (Polytechnisches Journal, Bd. XXXIX. S. 13. Anmerkung) „der
ganze Heizapparat bestand aus 36 gußeisernen Roͤhren, wovon jede vier
Schuhe lang war, und vier Zoll im Durchmesser hatte, und ich glaube, daß wir bei
der Operation in zwei Stunden kaum ein BushelEin Bushel = 40 Kilogrammen, also in jeder Stunde 20 Kilogr. Steinkohlen consumirt haben.“
Hieraus geht hervor, daß jener Apparat in einer Stunde 5,55,5 Mittelzahl aus den beiden angegebenen Zahlen 5 und 6. Mal 50 englische KubikfußEin Kubikfuß (englisch Maß) = 27 Kilogr. Wasser gehoben hatte, mit einem Kohlenverbrauche von 20 Kilogrammen; da nun
275 Kubikfuß Wasser 7425 Kilogrammen waͤgen, so hebt diese Maschine mit 1 Kilogramme Kohlen 7425/20 = 371 Kilogrammen Wasser auf 11Weil die Hoͤhe des Steigerohres minus der
Hoͤhe des Fallrohres = 70 – 33 = 37 engl. Fuß = 11 Meter
betraͤgt.
Meter Hoͤhe.
Dampfmaschinen von mittlerer GuͤteDie Watt'schen Dampfmaschinen in den Kohlenminen
der Grafschaft Cornwallis. (Dupin). heben mit 3 Kilogr. Kohlen 250,000 Kilogr. Wasser einen Meter hoch, also mit einem Kilogr. 7576 Kilogr.
auf die Hoͤhe von 11 Meter; bei gleichem
Kohlenverbrauche verhaͤlt sich also die Wirkung des Bernhardschen
Apparates zu der der Dampfmaschine wie 371 : 7576 oder wie 1 : 20.
Eine andere, ebenfalls auf Hrn. Bernhardts eigene Angaben gestuͤzte Berechnung faͤllt
fuͤr seinen Apparat noch unguͤnstiger aus; nach der schon citirten
Stelle der Allgemeinen Zeitung zeigte das gehobene Wasser am oberen Ende des
Steigerohres 145° Fahrenheit = 62,5 Celsius (des hunderttheiligen
Thermometers); die Temperatur des zu hebenden Canalwassers gibt Hr. Bernhard nicht an, wir werden aber
nicht ungerecht seyn, wenn wir dieselbe zu 12 Celsius annehmen; da nun das zu
hebende Wasser um 62 – 12 = 50 Grade erwaͤrmt werden mußte, und bei
vortheilhafter Feuerung 1 Kilogr. Kohlen 6 Kilogr. Wasser zu verdampfen, oder 650/50
× 6 Kilogr. = 77 Kilogr. Wasser auf 50° Celsius zu erwaͤrmen
vermag, wodurch im vorliegenden Falle 78 Kilogr. Wasser 11 Meter hoch gehoben
werden, waͤhrend eine Dampfmaschine mit 1 Kilogr. Kohle 7576 Kilogr. Wasser
zu derselben Hoͤhe erhebt, so verhaͤlt sich,
nach dieser Berechnung, der Kohlenverbrauch der Dampfmaschine zu dem des
Bernhardschen Apparates wie 78 : 7576 oder wie
97 : 1; uͤberdieß geht hieraus hervor, daß Hrn. Bernhards Angabe des Kohlenverbrauches (1 Bushel
in 2 Stunden) 97/20 (dem Verhaͤltnisse des Resultats der vorigen Berechnung
zu dem so eben erhaltenen) = 4,8 Mal zu klein seyn muͤsse; denn die Angabe
der Temperatur des gehobenen Wassers ist als eine Beobachtung gegeben, die Angabe
des Kohlenverbrauches nur als eine beilaͤufige Schaͤzung.Diese Meinung wird noch dadurch unterstuͤzt, daß der
Roͤhrenkessel jenes Apparates, nach der vorher angefuͤhrten
Anmerkung des Erfinders (Pol. Jour. Band
XXXIX. Seite 13) 150 Quadratfuß
Feuerungs-Oberflaͤche hatte, daher, dem Kessel einer
Dampfmaschine von 150/6 = 25 Pferdekraͤften gleich, zu einem
vortheilhaften Kohlenverbrauche von 25 × 3 = 75 Kilogrammen Kohlen
per Stunde hinreichte.
Stellen wir nun die Frage: um wie viel das zu hebende Wasser im
Bernhard'schen Apparate erwaͤrmt werden duͤrfte, wenn, bei dieser
Wasserhebungsmethode, nicht mehr Kohlen als bei Dampfmaschinen gebraucht
werden
sollten, so finden wir, daß diese Erwaͤrmung (nach
dem Resultate der vorhergehenden Berechnung) 97 Mal kleiner seyn muͤßte, also
nur 50/97 = 0,5° Celsius betragen duͤrfte;
daß aber, durch eine Erwaͤrmung von 0,5 Graden, das Wasser specifisch halb so
leicht gemacht werden koͤnne, ist eine Annahme, zu der wir auf keine Weise
berechtigt sind.
Ich fuͤge hier noch eine Betrachtungsweise hinzu, welche den großen
Kohlenverbrauch des Bernhard'schen Apparates auch denen
anschaulich machen wird, welche aus irgend einer Ursache den Resultaten der
vorhergehenden Berechnungen mißtrauen sollten.
Bei den Watt'schen Dampfmaschinen geht die durch
Verbrennung der Kohlen erzeugte Waͤrme in den gebildeten Dampf uͤber,
und bei der Condensation mit diesem in das Condensationswasser; wenn nun (wie dieß
gewoͤhnlich der Fall seyn mag) dieses Wasser, bei dem Heraustreten aus dem
Condensator, um 25° Celsius waͤrmer ist als bei seinem Einsprizen, so
wird hier die erzeugte Waͤrme dazu verwendet worden seyn, das
Condensationswasser um 25° Celsius zu erwaͤrmen; da aber mit derselben
Waͤrme halb so viel Wasser auf 2 × 25° = 50° Celsius
haͤtte erwaͤrmt werden koͤnnen, wie dieß bei dem Bernhardt'schen Apparate der Fall ist, so geht hieraus
klar hervor, daß dieser Apparat bei gleichem Kohlenverbrauche
eine Wassermasse gleich der Haͤlfte des bei einer Dampfmaschine
abfließenden Condensationswassers auf 11 Meter = 37 englische Fuß Hoͤhe
zu haben vermag.Daß der neuerdings in Muͤnchen erbaute Queksilberapparat keine
guͤnstigeren Resultate liefere, hat Hr. Ritter von Baader in seinem, vergangenen
September erschienenen Aufsaze, genuͤgend erwiesen.
Was die von Hrn. Bernhard
aufgestellte Theorie seines Apparates betrifft, so soll nach derselbenAllgemeine Zeitung vom 30. Julius 1831, Seite 1121, zweite Reihe.
„durch Anwendung des atmosphaͤrischen Luftdrukes auf die zu
erhaltende Fluͤssigkeit, als Kraft, durch Anwendung der Waͤrme zur
Ausdehnung oder Verduͤnnung, und dadurch bewirkter Verminderung des
specifischen Gewichtes der Fluͤssigkeit, als der zu erhebenden Last, und
endlich durch Hervorbringung eines Vacuums im Innern des Apparates und oberhalb
der aufsteigenden Saͤule, zur Beseitigung des Gegendrukes, Wasser,
Queksilber oder andere tropfbar fluͤssige Gegenstaͤnde, zu jeder
brauchbaren Hoͤhe gehoben werden koͤnnen.“
Hr. Bernhard glaubt, daß dieses
Naturgesez deßwegen so lange verborgen geblieben sey, weil die Ausdehnung der
Fluͤssigkeiten, unter diesen Umstaͤnden, noch nie beobachtet worden
ist, und doch ist das
Queksilber im Barometer durchaus denselben Einfluͤssen ausgesezt, wie in
seinem Apparate; denn wir haben Luftdruk auf der einen Seite, einen leeren Raum auf
der anderen Seite und koͤnnen dasselbe im Winter leicht einem
Temperaturwechsel von 40 Graden (von – 15° bis + 25°) aussezen,
ohne daß wir dabei je eine ungewoͤhnliche Ausdehnung beobachteten.
Außer der angefuͤhrten Ausdehnung des Queksilbers im Barometer spricht gegen
die Bernhard'sche Theorie die Temperatur + 62 Celsius,
welche Hr. Bernhard selbst,
bei dem Londoner Apparate, am Gipfel des Steigerohres gemessen hat, einer
Temperatur, welche genau dem Siedepunkt des Wassers, bei 4 Zoll Queksilber Druk,
(wie dieß nach des Erfinders Angaben bei seinem Apparate der Fall war) entspricht,
bei welcher folglich das Wasser nur als Dampf uͤbergehen konnte.
Gegen diese Theorie spricht ferner (außer den Thatsachen, die Hr. Ritter von Baader in seinem Aufsaze,
erstes Septemberheft, Band XLI., Seite 326
anfuͤhrt) ein Versuch, den Hr. Bernhard, um dieselbe zu beweisen, mit dem Muͤnchner
Queksilberapparate angestellt hat, und wobei derselbeAllgemeine Zeitung vom 30. Julius 1831, Seite 1123, erste Reihe.
„waͤhrend der Operation das aufsteigende heiße Queksilber aus dem
Steigerohre, ehe es der Kuͤhlapparat erreicht hatte, vermittelst eines
mit dem Steigerohr verbundenen Hahnes und Glasrohres abgezapft hatte, und wobei
durch dieses beilaͤufig 40 Pfund concretes heißes Queksilber ausgelaufen
waren;“ denn wenn jener Apparat wirklich als ein Heber anzusehen
waͤre (wie dieß aus der Bernhard'schen Theorie
hervorgeht), so muͤßte bei Oeffnung des Hahnes Luft in den Apparat
eingestroͤmt seyn, ohne daß je Queksilber haͤtte herausfließen
koͤnnen, zumal da die Roͤhre, durch die das Queksilber herausgeflossen
ist, nicht uͤber 1 1/2 Linien inneren Durchmesser hatte, – folglich
nicht, wie bei einer umgekehrten Wasserflasche, in derselben zugleich Luftblasen
aufsteigen und Fluͤssigkeit herausfließen konnte – da noch
uͤberdieß die Muͤndung dieser Roͤhre bei 3 Fuß hoch
uͤber der Muͤndung des Fuͤllrohres lag; denn es ist bekannt,
daß bei dem Heben, an allen uͤber dem Spiegel der uͤber zu leitender
Fluͤssigkeit liegenden Punkten, der innere Druk geringer als der
aͤußere ist.
Ohne mich weiter in Vermuthungen uͤber die eigentliche Wirkungsart dieses
Apparates einzulassen, Vermuthungen, zu deren Begruͤndung es an
genuͤgenden Angaben des Verhaͤltnisses des Kohlenverbrauches zu der
gehobenen Fluͤssigkeit fehlt, glaube ich – wenn bei genauer
Untersuchung fuͤr jedes Kilogramm Kohlen wirklich mehr als 6 Kilogr.Ergebniß des gewoͤhnlichen Destillationsprocesses. gehobenen Wassers gefunden werden sollten – den Vorgang so ansehen zu
duͤrfen, daß ein Theil des auf der Seite des luftverduͤnnten Raumes,
bei einer sehr kleinen Verdampfungsoberflaͤche (gleich der
Durchschnittsflaͤche des Steigerohres), durch das rasche Aufwallen der
gebildeten Daͤmpfe schaͤumenden und dadurch fein mechanisch
zertheilten Wassers in diesem Zustande in den Kuͤhlapparat mit
uͤbergetrieben werde.