Titel: | Weitere Versuche über die desinficirende Kraft höherer Temperaturen. Von Hrn. Wilhelm Henry, M. D. F. R. S. |
Fundstelle: | Band 43, Jahrgang 1832, Nr. XCV., S. 402 |
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XCV.
Weitere Versuche uͤber die desinficirende
Kraft hoͤherer Temperaturen. Von Hrn. Wilhelm Henry, M.
D. F. R. S.
Aus dem Philosophical Magazine and Annals of
Philosophy, Januar 1832; auch im Repertory of
Patent-Inventions, Februar 1832, S. 106.
Mit einer Abbildung auf Tab. VII.
Henry, uͤber die desinficirende Kraft hoͤherer
Temperatur.
Ich habe im November v. J. eine Reihe von Versuchen, die ich uͤber obigen
Gegenstand anstellte, beschrieben,Wir haben die Abhandlung, worauf sich Dr. Henry hier bezieht, im 4. Heft S. 273 dieses Bandes des
Polytechn. Journ. mitgetheilt. A. d. R. und daraus folgende beiden Schluͤsse gezogen:
1) Daß die rohe Baumwolle und verschiedene Waaren, welche aus diesem oder anderen
Materialien zu Kleidungsstuͤken verarbeitet werden, weder in der Farbe noch
im Gewebe irgend eine Veraͤnderung erleiden, wenn man dieselben mehrere
Stunden lang einer trokenen Waͤrme von beinahe 212° F. (+ 80°
R.) aussezt.Ich habe seither gefunden, daß diese Temperatur in den meisten Faͤllen
mit aller Sicherheit auch wohl um 40 bis 50 Grad hoͤher gesteigert
werden kann. A. d. O.
2) Daß der Kuhpoken-Stoff durch eine Hize, die nicht unter 140° F. (+
48°R.) betraͤgt, ganz unwirksam gemacht wird, und daß sich hieraus
schließen laͤßt, daß auch kraͤftigere Contagien wahrscheinlich bei
einer Temperatur zerstoͤrt werden, die nicht uͤber 212° F.
betraͤgt.
Diese leztere Hypothese war offenbar noch durch weitere Versuche zu beweisen und zu
bekraͤftigen. Ich wollte diese Untersuchungen, die mehr in das Gebiet der
Medicin einschlagen, Aerzten uͤberlassen; allein die Erscheinung der
boͤsartigen Cholera in Sunderland veranlaßte mich, dieselben selbst
unmittelbar weiter auszudehnen. Wenn diese Krankheit von einem Individuum auf ein
anderes uͤbertragbar ist, so ließ sich mit Grund hoffen, daß neue Thatsachen
und Principien in Hinsicht auf die Contagiositaͤt im Allgemeinen auch auf
diesen besonderen Fall ihre Anwendung finden duͤrften. Wenn die Cholera sich
nicht, als auf diese Weise mittheilbar, beweisen sollte, so wuͤrden noch
mehrere anstekende Krankheiten bleiben, auf welche jede neu erworbene Kenntniß
uͤber die Geseze der Contagiositaͤt einen wohlthaͤtigen Einfluß
haben muͤßte.
Unter den Krankheiten, die allgemein als anstekend bekannt sind, konnte ich bloß mit zweien
Versuche machen, mit dem Typhus und mit dem Scharlach. Die erstere dieser beiden
Krankheiten entspricht jedoch nicht allen den Bedingungen, welche dieselbe zu
Versuchen dieser Art geeignet machen. Sie ist naͤmlich weniger als viele
andere Krankheiten durch charakteristische Erscheinungen genau bezeichnet; man
schließt auf das Bestehen derselben nur aus einer Reihe von Symptomen, von denen ein
jedes zufaͤllig fehlen kann, oder wenn es auch vorhanden ist, so viele
verschiedene Schattirungen zulaͤßt, daß die Ausmittelung dieser Krankheit
sehr schwierig und ungewiß wird. Ein weit wichtigerer Einwurf gegen die Tauglichkeit
des Typhus zu derlei Versuchen liegt jedoch darin, daß viele Schriftsteller die
Contagiositaͤt des Typhus ganz und gar in Abrede stellen. Es wurde ein langer
Streit hieruͤber unter den Aerzten gefuͤhrt, in den ich mich nicht
einlassen will. Meine Ueberzeugung, die sich auf mehr als 20jaͤhrige
Beobachtung dieser Krankheit, welche ich in meiner Privatpraxis, als Arzt in dem
Manchester-Krankenhause, Dispensary, und Fieberhause anzustellen Gelegenheit
hatte, stuͤzt, ist: daß der Typhus unter gewissen
Umstaͤnden gewiß anstekend ist: obschon durch genaue Beobachtung der
Reinlichkeit und durch sorgfaͤltige Erneuerung der Luft, die von dem Kranken
ausgehenden Effluvia so aufgeloͤst und weggefuͤhrt werden
koͤnnen, daß sie ganz unschaͤdlich werden.Auch wir sind der Meinung, daß der Typhus durchaus nicht zu den anstekenden
Krankheiten gehoͤre, und nicht zu beweisenden Versuchen uͤber
die Contagiositaͤt gewaͤhlt werden koͤnne. Man scheint
auch bei dieser Krankheit nicht gehoͤrig beruͤksichtigt zu
haben, daß gleiche, auf den Organismus einwirkende Einfluͤsse auch
mehr oder weniger aͤhnliche Wirkungen in demselben hervorbringen
muͤssen, so daß es gar keine Annahme von Anstekung bedarf, um die
Verbreitung dieser und mehrerer anderer Krankheiten zu erklaͤren. Daß
der Typhus oder das Nervenfieber sich anderen mittheilt, wenn sie sich
laͤngere Zeit in einer Luft aufhalten, die mit den
Ausduͤnstungen von Nervenfieberkranken uͤberfuͤllt
sind, beweist noch keineswegs, daß die Krankheit anstekend ist. Eine
Anhaͤufung von ganz gesunden Menschen in einem kleinen, nicht
ventilirten Raume erzeugt, wie 100faͤltige Erfahrung bewies, sehr
schnell und um so schneller die boͤsartigsten Fieber, je mehr
nebenbei noch andere schaͤdliche Einfluͤsse, besonders
Gemuͤthsleiden, mitwirken. Wenn nun die Ueberfuͤllung der Luft
mit den Ausduͤnstungen der Gesunden schon so nachtheilige Folgen
hervorbringen kann, um wie viel mehr wird dieß bei den Ausduͤnstungen
der Kranken der Fall seyn muͤssen! A. d. Ueb.
Obwohl ich nun aus diesen Gruͤnden den Typhus nicht zu Untersuchungen
uͤber die Contagiositaͤt geeignet hielt, so machte ich doch einen
Versuch, da ich von Hrn. Johnson, dem Secretaͤr des Fieberhauses, erfuhr, daß in
diesem Spitale eben ein Individuum krank liege, welches diese Krankheit in einem
hohen Grade von Ausbildung besaͤße. Auch der Arzt, unter dessen Behandlung
sich dieses Individuum (ein Maͤdchen von 19 Jahren) befand, versicherte mich,
daß er seit 2–3 Jahren keinen so deutlich ausgesprochenen Typhus beobachtet
habe; er war
wirklich so heftig, daß die Kranke troz aller moͤglichen Sorgfalt am 14ten
Tage der Krankheit unterlag. In der Nacht vom 10ten auf den 11ten Tag wurde nun
dieser Kranken ein flanellenes Jaͤkchen ohne Aermel angezogen; den Tag darauf
wurde dieses durch ein zweites gewechselt, und am dritten Tage durch ein drittes.
Alle diese drei Jaͤkchen trug sie jedes Mal einige Stunden lang. Das erste
dieser Jaͤkchen wurde nun, nachdem es 1 3/4 Stunden lang einer Hize von 204
bis 205° F. (+ 76,22 – 76,44° R.) ausgesezt gewesen, 2 Stunden
lang in einer Entfernung von 12 Zoll unter die Nasenloͤcher eines Individuums
gebracht, welches diese Zeit uͤber mit Schreiben beschaͤftigt war. Das
zweite wurde, nachdem es auf dieselbe Weise erhizt worden, von demselben Individuum
zwei Stunden lang auf dem Leibe getragen. Das dritte endlich wurde nach dem Erhizen
in eine luftdichte zinnerne Buͤchse gebracht und 26 Tage darin gelassen,
damit sich jeder, allenfalls noch in dem Jaͤkchen enthaltene Anstekungsstoff
waͤhrend dieser Zeit haͤtte entwikeln koͤnnen. Diese
Buͤchse wurde hierauf 4 Stunden lang in einer Entfernung von 12 Zoll unter
den Mund desselben Individuums gehalten, und waͤhrend dieser Zeit auch ein
leichter, von dem Flanell aus auf das Individuum wehender Luftzug unterhalten. In
allen diesen Faͤllen entstanden durchaus keine uͤblen
Zufaͤlle.
Diese negativen Resultate koͤnnten jedoch, wie ich wohl einsehe, nur dann von
Werth seyn, wenn sie die Schlußfolge einer ganzen Reihe von Versuchen waͤren.
Die Aufnahme des Anstekungsstoffes haͤngt naͤmlich so sehr von einer
eigenen Anlage oder Praͤdisposition und von anderen Umstaͤnden ab, daß
eine weit groͤßere Menge von Thatsachen noͤthig ist, um in einem
Falle, wie der vorhergehende ist, die Abwesenheit eines solchen Stoffes mit
Gewißheit behaupten zu koͤnnen. Ich lege daher kein sehr großes Gewicht auf
obige Versuche, und will nur noch bemerken, daß bei dem ersten Versuche das
Individuum, mit welchem ich denselben anstellte, durch vorausgegangene Arbeit sehr
ermuͤdet war, und daß dasselbe am Schlusse des Versuches durch volle 8
Stunden gefastet hatte; daß sich dasselbe also in einem Zustande befand, in welchem
der thierische Organismus am meisten zur Aufnahme eines vorhandenen
Anstekungsstoffes geneigt ist.
Der Scharlach hingegen (und zwar sowohl der einfache, Scarlatina simplex, als der mit Halsentzuͤndung verbundene, Scarlatina anginosa) ist eine Krankheit, die die
sichersten Daten bei dergleichen Untersuchungen geben duͤrfte. Niemand
zweifelt, daß dieselbe wirklich anstekend ist; sie gibt vielleicht unter allen
Ausschlaͤgen oder Elanthemen, unter welche sie von den Nosologen gesezt
wurde, das kraͤftigste und dauerhafteste Contagium. Der Zwischenraum zwischen
der Anstekung und
dem Ausbruche der Krankheit ist bei derselben ungewoͤhnlich kurz, und kann
von 2–3 bis zu 6 Tagen angenommen werden. Wenn die Anstekung erfolgt ist, so
ist die dadurch erzeugte Krankheit schon anstekend, ehe noch der scharlachartige
Ausschlag zum Vorschein kommt, und sie bleibt auch noch, wenn die Abschuppung der
Haut bereits erfolgt ist. Jeder erfahrne Praktiker wird sich uͤberzeugt
haben, daß alle seine Versuche einzelne Familienglieder vor derselben zu bewahren,
vereitelt wurden, wenn das Uebel ein Mal in der Familie Fuß gefaßt hatte. Der
Anstekungsstoff des Scharlaches kann ferner Monate lang unveraͤndert und
kraͤftig bleiben. Dr. Hildenbrand erzaͤhlt z.B., daß er denselben mit einem Roke, den er
1 1/2 Jahre nicht mehr getragen hatte, von Wien nach Podolien brachte, wo diese
Krankheit bis zu jener Zeit noch ganz unbekannt gewesen war. Ueberdieß ist der
Scharlach eine sehr genau unterschiedene und gut charakterisirte Krankheit.
Ich war aus allen diesen Gruͤnden sehr begierig, die desinficirenden
Kraͤfte erhoͤhter Temperaturen auf den Anstekungsstoff des Scharlaches
zu versuchen. Gluͤklicher Weise traf es sich, daß in einem der
Spitaͤler eben jezt ein Maͤdchen von 18 Jahren, mit Namen Gerrard, an Scharlach mit Halsentzuͤndung (Scarlatina anginosa) krank lag, woruͤber nach den
vorhandenen Symptomen weder dem behandelnden Arzte, noch mir ein Zweifel blieb. Um
nun von diesem herrlichen Falle so viel Nuzen als moͤglich zu ziehen, ließ
ich die Kranke mehrere flanellene Westen, jede einige Stunden lang, auf der bloßen
Haut tragen, und brachte diese Westen dann in trokene Flaschen, die ich gut
zupfropfte, mit einer Blase verband, und zur weiteren Benuzung aufbewahrte. Bald
ergab sich noch weitere Gelegenheit, durch welche ich mir aͤhnliche,
angestekte Westen verschaffen konnte; es wurden naͤmlich eine juͤngere
Schwester der ersten Kranken, Sarah Gerrard; Johnston mit
11 Jahren und Green mit 15 Jahren von derselben Krankheit
befallen. An Johnston waren nicht bloß die Erscheinungen
ganz unzweifelhaft, sondern er war auch der lezte von vier Kindern (die nicht alle
einer und derselben Familie angehoͤrten), welche alle in regelmaͤßiger
Folge durch gegenseitige Communication mit einander angestekt worden waren.
1) Eine Weste, welche die aͤltere Gerrard einen
oder zwei Tage nach dem Ausbruche des Scharlaches eine ganze Nacht uͤber am
Leibe gehabt hatte, wurde 4 1/2 Stunde lang auf 204° F. erhizt, und dann am
8. November einem sechsjaͤhrigen, gesunden Knaben angethan. Da sich hierauf
bis zum 15. November keine krankhaften Erscheinungen zeigten, so wurde demselben
Knaben eine zweite Weste angezogen, die Johnston mehr als 12 Stunden lang am
zweiten Tage des Ausbruches des Scharlaches auf dem Leibe getragen hatte, und die 2
3/4 Stunden lang auf eine Temperatur von 200°–204° F. erhizt
worden war. Nach 22 Tagen, waͤhrend welcher der Knabe immer dieselbe Weste
trug, war derselbe noch vollkommen wohl und gesund.
2) Eine Weste, die die aͤltere Gerrard am 4ten und
5ten Tage nach dem Erscheinen des Scharlaches 22 Stunden lang am Leibe gehabt hatte,
wurde am 19. November 3 Stunden lang auf 204° erhizt, und dann einem
zwoͤlfjaͤhrigen Maͤdchen angezogen, welches dieselbe bis zum
30sten ohne allen Erfolg trug. Es wurde ihm nun eine andere Weste angezogen, die die
Sarah Gerrard getragen hatte, allein gleichfalls ohne
Erfolg.
3) Eine Weste, welche Sarah Gerrard am zweiten Tage des
Ausbruches des Ausschlages anzog, und drei Tage hindurch am Leibe behielt, wurde
zwei Stunden lang auf 200° F. (+ 74,67° R.) erhizt, und dann am 19.
November einem Knaben von 10 Jahren angezogen. Am 30sten wurde demselben eine zweite
Weste angethan, welche Green den 1sten und 2ten Tag des Ausbruches getragen hatte,
und die bloß eine Stunde lang in dem Desinficir-Apparate einer Hize von
204° F. (+ 76,22° R.) ausgesezt worden war; allein auch hierauf zeigte
sich keine Spur von Krankheit.
Eine Weste, die die aͤltere Gerrard am 7. und 8.
November (am 2ten und 3ten Tage des Ausbruches der Krankheit) 17 Stunden lang am
Leibe trug, wurde bis zum 25sten in einer Flasche verschlossen gehalten, dann 4 1/2
Stunden lang einer Hize ausgesezt, welche von 200 bis zu 206° wechselte, und
hierauf einem 13jaͤhrigen Maͤdchen angezogen. Da sich hierauf bis zum
30. Novbr. kein Erfolg zeigte, so wurde diesem Maͤdchen eine andere Weste
angezogen, welche Johnston am dritten Tage des Ausbruches
11 Stunden lang getragen hatte, und die dann zwei Stunden lang einer Hize von
204° F. ausgesezt worden war. Auch hierauf zeigten sich aber durchaus keine
Erscheinungen von Scharlach.
Bei allen diesen Versuchen wurde durch die sorgfaͤltigsten Nachforschungen
ausgemittelt, daß die Kinder, denen die angestekten Westen angezogen wurden, den
Scharlach noch nicht uͤberstanden hatten, und daher fuͤr die
Empfaͤngniß dieser Krankheit ganz faͤhig waren. Die Kinder wurden Tag
fuͤr Tag genau untersucht, so daß nicht das leiseste Symptom unbeachtet
voruͤbergehen konnte.
Diese Versuche scheinen mir zahlreich genug, um zu beweisen, daß die Einwirkung einer Temperatur, die nicht weniger als 200° F. (+ 74,67° R.) betraͤgt, und wenigstens eine Stunde lang unterhalten wird, hinreichend ist den
Anstekungsstoff des Scharlachs zu zerstreuen oder zu zerstoͤren. Mir
scheint es ferner wahrscheinlicher, daß derselbe zersezt,
als bloß verfluͤchtigt wird, weil der
Kuhpokenstoff, obschon er bei 120° F. (+ 39,11° R.) seine
fluͤchtigen Bestandtheile verliert, doch durch Temperaturen, die weit unter
140° F. (+ 48°R.) betragen, nicht unwirksam gemacht wird. Um
uͤbrigens den Beweis ganz vollkommen zu machen, schien es mir weder
nothwendig, noch auch zu rechtfertigen, zu bestimmen, bei welchem geringsten Grade
von Hize, oder in welchem kuͤrzesten Zeitraume die Desinficirung oder
Zerstoͤrung des Anstekungsstoffes geschehen koͤnne: denn diese Punkte,
die von keinem praktischen Nuzen waͤren, haͤtten sich ohne die
wirkliche Mittheilung der Krankheit nicht erweisen lassen. Noch weit weniger
nothwendig, oder auch nur zu entschuldigen schien es mir aber, durch wirkliche
Anstekung zu uͤberzeugen oder zu beweisen, daß die von den Kranken getragenen
Westen auch wirklich von dem Scharlach-Contagium durchdrungen waren.
Man kann zwar sagen, daß der Beweis, den ich fuͤhrte, schlagender und sicherer
gewesen waͤre, wenn er sich auf eine noch groͤßere Zahl von Versuchen
gestuͤzt haͤtte; allein alle Versuche dieser Art sind mit so vielen
Schwierigkeiten verbunden, daß es nicht erlaubt seyn kann, dieselben weiter
auszudehnen, als es die Nothwendigkeit erfordert. Abgesehen von anderen
Umstaͤnden, ist es naͤmlich nichts weniger als leicht, junge
Individuen auszumitteln, gegen die sich in keiner Hinsicht eine Einwendung machen
laͤßt, – sie, wie es bei meinen Versuchen geschah, vor aller
zufaͤlligen Anstekung zu sichern, und sie endlich unter der wachsamen
Aufsicht solcher Beobachter zu halten, welche selbst weniger ausgesprochene Symptome
zu wuͤrdigen, aufzufinden, und im Falle des Entstehens durch geeignete Mittel
zu bekaͤmpfen im Stande sind. Ich muß gestehen, daß auch der Schluß von der
zerstoͤrbaren Natur des Anstekungsstoffes des Scharlaches auf jene anderer
Contagien noch immer ein Schluß bleibt, der bloß auf Analogie gegruͤndet ist,
und daß zur Beweisfuͤhrung in dieser Hinsicht noch immer weitere
Beobachtungen an anderen bekannten anstekenden Krankheiten noͤthig sind. Im
Ganzen genommen hat aber doch mein Argument dadurch, daß nicht bloß das
Kuhpokengift, sondern auch der so wirksame und giftige Anstekungsstoff des
Scharlachs, durch die Kraft der Hize seiner Anstekungsfaͤhigkeit beraubt
wird, bedeutend an Wahrscheinlichkeit gewonnen.
Die Umstaͤnde, unter denen ich meine Versuche anstellte, lassen, wie ich
glaube, keinen Zweifel zu, daß bei denselben die
desinficirende Kraft nur der Hize allein angehoͤrt: da
naͤmlich die
Behaͤlter, in welche ich die Westen brachte, jedes Mal gut verschlossen
wurden, so konnte keine Veraͤnderung der Luft mit ins Spiel kommen. Die
Erscheinungen sind auf ihre einfachste Form zuruͤkgefuͤhrt, und ihre
Resultate geben uns das durchdringendste und staͤrkste, desinficirende Mittel
an die Hand, welches die Natur besizt: ein Mittel, welches unter allen verschiedenen
Zustaͤnden der Koͤrper oder der Materie in die innersten Theile
derselben eindringt. Die Hize ist als Mittel, Artikel, die einen Anstekungsstoff
einzusaugen und zuruͤkzuhalten vermoͤgen, zu desinficiren, den
Daͤmpfen und Gasen, welche zu demselben Zweke angewendet werden, bei weitem
vorzuziehen: denn der Durchgang dieser lezteren kann durch ein Paar Falten eines
comprimirten Materiales aufgehalten werden, waͤhrend die Hize, wenn man ihr
nur gehoͤrige Zeit laͤßt, sich ihren Weg durch alle Hindernisse bahnt.
Um nicht mißverstanden zu werden, muß ich jedoch wiederholt bemerken, daß ich die
Zerstoͤrung des Anstekungsstoffes oder Contagiums nur auf solche Substanzen
beschraͤnke, welche man technisch anstekungsfaͤhig nennt; z.B. zum
Desinficiren von Kleidern aller Art, von Betten und Bettwaͤsche, welche durch
Waschen verdorben werden wuͤrde, von Koffern und dgl., die Reisenden
angehoͤren, welche von angestekten Orten kommen, von Waaren, wenn es bewiesen
werden kann, oder wahrscheinlich ist, daß dieselben an Orten waren, wo sie etwas von
dem Anstekungsstoffe aufgenommen haben konnten.Ich habe mir alle Muͤhe gegeben sichere Aufschluͤsse zu
erhalten, ob eine Gefahr, und welche Gefahr in Hinsicht der Aufnahme des
Anstekungsstoffes durch Waaren bestehe, konnte aber durchaus nichts
Ueberzeugendes hieruͤber erfahren. Es gibt jedoch einen Artikel, der
mehr als irgend ein anderer als Traͤger der Anstekung dienen kann,
und dieses sind die alten Lumpen, die Lumpen, die bestaͤndigbestaͤdig in großen Ladungen bei uns eingefuͤhrt werden. –
Briefe, die durch das Raͤuchern oft beinahe unleserlich werden, kann
man, wenn sie nicht mit Siegellak, sondern mit Oblaten gesiegelt sind, sehr
gut auf meine Methode desinficiren. Schreibpapier faͤngt nach meinen
Versuchen etwas unter 300° F. braun zu werden an; es
veraͤndert indeß dabei seine Textur nicht; ebenso erleidet die Tinte
hierbei keine materielle Veraͤnderung. A. d. O.
Es ist hier nicht der Ort zu untersuchen, wie den Schwierigkeiten abgeholfen werden
kann, die sich aus der Beruͤksichtigung praktischer Details ergeben
duͤrften. Man hat mir offen einige solche Einwendungen gemacht, die
vorzuͤglich die Zeit und Arbeit dabei betrafen, und welche einige Versuche
veranlaßten, die selbst die Gegner zufrieden stellten. Ich kann zwar noch keine
Berechnung der Kosten des Apparates und der Feuerung, des einzigen Umstandes, der
noch zu berechnen ist, geben; allein bei meiner großen Bekanntschaft mit der
Anwendung des Dampfes im Großen, glaube ich mit Grund schließen zu duͤrfen,
daß die Ausgaben fuͤr diese beiden Punkte hinreichend durch die großen und
offenbaren Vortheile der Abkuͤrzung der Dauer der Quarantaͤne, oder durch die vielleicht
gaͤnzliche Verdraͤngung derselben, ersezt werden wuͤrden. Ich
halte uͤbrigens den Dampf nicht fuͤr das unumgaͤnglich
nothwendige Mittel zur Erhoͤhung der Temperatur Behufs der Desinficirung;
denn auf welche Weise diese Erhoͤhung geschehen mag, so wird der Erfolg doch
wahrscheinlich immer derselbe seyn. Ein Luftstrom, der nach der Methode des seligen
und erfindungsreichen Strutt zu Derby, innerhalb gewisser
Graͤnzen erhizt wuͤrde, wie dieß sehr haͤufig in Fabriken und
Wohnhaͤusern geschieht, wuͤrde mit weit geringeren Kosten an Zeit und
Geld dasselbe leisten.Siehe Carl Sylvester's
Philosophy of Domestic Economy 4° London 1819, worin Strutt's Methode, so wie sie im
allgemeinen Krankenhause von Derbyshire in Ausfuͤhrung gebracht
worden, vollkommen beschrieben ist. A. d. O. Meine Absicht ist bloß, hier das Princip anzugeben; die Ausfuͤhrung
desselben uͤberlasse ich sowohl hier, als anderwaͤrts jenen, die mehr
mit Mechanik vertraut sind, als ich. Ich fuͤr meine Person kann nach
sorgfaͤltiger Pruͤfung und Erwaͤgung keinen Einwurf gegen die
Ausfuͤhrbarkeit dieses Planes entdeken, der sich nicht bei einigem Eifer und
einiger Ausdauer widerlegen und uͤberwinden ließe. Diese beiden Eigenschaften
waren bisher auch noch bei jeder wichtigen Erfindung noͤthig, wenn dieselbe
durchgefuͤhrt werden sollte.
Es unterliegt keinem Zweifel, daß die Quarantaͤne-Geseze aller
civilisirten Nationen einer sorgfaͤltigen Revision beduͤrfen, und daß
dieselben durch gegenseitige Zusammenwirkung und eine Uebereinkunft zwischen
mehreren Nationen umgeaͤndert werden muͤssen. In ihrem
gegenwaͤrtigen Zustande sind diese Verordnungen gewiß ebenso druͤkend,
als unzwekmaͤßig und verwerflich; sie fordern Dinge, die wirklich von gar
keinem Nuzen sind, waͤhrend sie andere, die gewiß von großer Wirksamkeit seyn
muͤßten, ganz unberuͤksichtigt lassen; sie beschraͤnken die
persoͤnliche Freiheit auf eine ebenso peinliche, als unnuͤze Weise,
beeintraͤchtigen den Handel und die Schifffahrt, vermindern die Nachfrage
nach Producten und Fabrikaten, verbreiten dadurch uͤber ganze Laͤnder
Mangel an Lebens- und Unterhalts-Mitteln, vermehren auf diese Weise
die Unzufriedenheit aller, und die Leiden der Armen in's Besondere, und erzeugen so
endlich Krankheiten im Lande, die ebenso ausgebreitet und vielleicht nicht weniger
oder noch mehr verheerend werden, als die Krankheit, gegen welche diese Maßregeln
gerichtet waren.
Die Basis eines weisen und wohlthaͤtigen Quarantaͤne-Systemes,
eines Systemes, welches alle Sicherheit gegen die Einschleppung contagioͤser
oder anstekender Krankheiten gewaͤhrt, und dabei doch die Interessen und Lebensbedingungen
des Handels und Verkehres nicht mehr beeintraͤchtigt, als es durchaus seyn
muß, die Basis eines solchen Systemes kann lediglich auf einer Sammlung und
Zusammenstellung wohlbegruͤndeter Thatsachen in Betreff der
Contagiositaͤt beruhen. Leider muß aber in dieser Hinsicht noch eine große
Unvollstaͤndigkeit und selbst ein wahrer Mangel zugestanden werden.
Ungluͤklicher Weise wurden naͤmlich die Erscheinungen der Anstekung
und des Contagiums im Allgemeinen immer nur untersucht, wenn von dem Parliamente
Quarantaͤne-Geseze berathen wurden, und diese Berathung geschah, wie
aufrichtig auch die Gesinnungen von beiden Seiten seyn mochten, immer unter dem
Einflusse vorgefaßter Meinungen und Ansichten. Nicht unter solchen
Umstaͤnden, und in solchem Geiste soll und darf aber eine Frage abgehandelt
werden, die so schwierig zu beantworten, und so hoͤchst wichtig in ihren
Folgen ist: sie muß ohne Leidenschaft aufgefaßt und durchgefuͤhrt werden,
damit alle Erscheinungen mit ruhigem Sinne, mit Geduld und Genauigkeit untersucht
und eroͤrtert werden koͤnnen. Nur auf diese Weise kann man zu
richtigen und unwiderlegbaren Beschluͤssen kommen, auf welche allein solche
praktische Regeln gebaut werden koͤnnen, die der Menschheit zum Wohle und
Gluͤke gereichen, und deren Erfolg der schoͤnste Lohn seyn wird.Sollte man nicht glauben, der ehrenwerthe Hr. Doctor habe die Verhandlungen
der Kammer eines deutschen Staates, die sich bei Gelegenheit der Berathung
eines Cholera-Gesezes ergaben, im Auge gehabt? Bei dieser Berathung
herrschten wenigstens alle die von ihm hervorgehobenen nothwendigen
Bedingungen in hohem Grade. A. d. Ueb.
Der zu dem Desinfectionsprocesse noͤthige Apparat ist so einfach, daß nur
fuͤr solche, welche mit der Anwendung des Dampfes als Heizmittel nicht
bekannt sind, eine Zeichnung erforderlich seyn duͤrfte. Die Aufgabe ist z.B.
Kleider etc., welche desinficirt werden sollen, eine beliebige Zeit hindurch einer
gleichmaͤßigen Hize von mehr als 200° F. (+ 74,67° R.)
auszusezen, ohne daß der Dampf, mit welchem die Erhizung geschieht, mit diesen
Substanzen in Beruͤhrung kommt. Dieß kann nun in zwei kupfernen
Gefaͤßen, oder in Behaͤltern aus verzinntem Eisenbleche geschehen, von
denen das Innere in der Zeichnung Fig. 56 mit B bezeichnet ist. Dieser leztere Behaͤlter wird
in einer groͤßeren von aͤhnlicher Form gesezt, auf dem er mit einem
Rande aufruht, der an dem groͤßeren Behaͤlter angeloͤthet wird.
Auf diese Weise entsteht mithin zwischen den beiden Behaͤltern ein leerer
Raum, DD, der zur Aufnahme des Dampfes dient. Der
Boden des aͤußeren Behaͤlters ist gegen die Raͤnder hin etwas
gewoͤlbt, und in der Mitte desselben ist eine kurze Roͤhre
angeloͤthet, durch welche der Dampf eintritt, und das Wasser abfließt. Der mittlere Raum, in
welchem sich der Buchstabe B befindet, ist der
Behaͤlter fuͤr die Artikel, die erhizt werden sollen. Um den Verlust
an Hize durch die Waͤnde des aͤußeren Behaͤlters zu verhindern,
ist derselbe rund herum mit einer Fuͤtterung aus schlechten
Waͤrmeleitern, wie Hanf, Stroh oder Flanell umgeben, die man außen durch
Faßdauben, welche mit hoͤlzernen oder eisernen Reifen zusammengehalten
werden, am Ausweichen verhindern kann. Auf den Apparat selbst kommt ein
hoͤlzerner Dekel, der, wie man aus der Zeichnung sieht, in der Mitte
zusammengefugt ist, damit man nach Belieben die eine oder die andere Haͤlfte
desselben abnehmen kann. Von diesem Dekel laͤuft rechts eine Roͤhre
A aus, durch welche aller Anstekungsstoff, der
allenfalls unzersezt entwichen seyn mochte, in das Feuer eines Kamines geleitet
wird. An der anderen Haͤlfte wird zuweilen durch eine Spalte ein Thermometer
eingefuͤhrt. Durch dieselbe Haͤlfte des Dekels geht auch ein Lufthahn
h, den man nach Belieben entfernen kann, und der,
wenn er offen ist, eine Verbindung zwischen dem leeren Raum DD und der atmosphaͤrischen Luft herstellt.
Der ganze Behaͤlter ruht auf einem Tische EE, der zu dessen Aufnahme ausgehoͤhlt ist, und an welchem der
Behaͤlter durch vier kleine Bolzen, deren Enden man in der Zeichnung sieht,
befestigt ist. Damit die Koͤpfe dieser Bolzen einen Anhaltspunkt haben, ist
am Grunde des aͤußeren Gefaͤßes ein vorspringender Rand angebracht,
mit welchem am Scheitel ein aͤhnlicher Rand correspondirt, durch den die
Fuͤtterung in ihrer Lage erhalten wird.
Der kleine Dampfkessel G hat einen beweglichen Dekel, aus
dessen Mittelpunkt eine 5–6 Fuß lange oder laͤngere Roͤhre FF auslaͤuft, die sich uͤber die
Roͤhre, die vom Dampfbehaͤlter zuruͤklaͤuft, hin begibt.
Die Dimensionen aller dieser Theile, von denen einige in der Zeichnung gebrochen
dargestellt sind, ergeben sich aus dem Maßstabe, der der Zeichnung beigefuͤgt
ist.
Das Gefaͤß G wird bis zu 2/3 mit Wasser
gefuͤllt, welches um Zeit zu ersparen, beinahe siedend seyn darf; dann wird
dasselbe, nachdem die Fugen verkittet worden, uͤber ein Feuer gesezt, die
Oeffnung g mit einem Pfropfe verschlossen, und der
kleine Lufthahn geoͤffnet, damit die, in dem Raume DD enthaltene Luft entweichen kann. Wenn nun beide
Haͤlften des Dekels an ihren Ort gebracht worden, so wird das Thermometer
durch die Spalte eingefuͤhrt, und so wie dieser uͤber 200° F.
anzeigt, jener Theil des Dekels abgenommen, von welchem die Roͤhre A
Es wird weit besser seyn, wenn man die Roͤhre A aus zwei Stuͤken verfertigen laͤßt, von denen jenes,
welches sich an dem Dekel befindet, nicht uͤber einen Fuß lang ist,
und wenn man das Ende dieses lezteren, da doch immer einige Tropfen
Feuchtigkeit entweichen, in den laͤngeren Theil einschiebt. A. d.
O. entspringt. Nun werden die zu desinficirenden Artikel in den Behaͤlter, und der
Dekel wieder in seine gehoͤrige Lage gebracht. Das Feuer unter dem
Dampfkessel muß nach dem Verhaͤltnisse regulirt werden, nach welchem der
uͤberschuͤssige Dampf bei dem kleinen Lufthahne ausstroͤmt.
Sollte dieser uͤberschuͤssige und entweichende Dampf im Zimmer
belaͤstigen, so kann man ihn durch eine Roͤhre von gehoͤriger
Laͤnge, die auf das zulaufende Ende des Lufthahnes aufgeschraubt wird, außer
das Zimmer leiten. Durch die Oeffnung g wird man
zuweilen heißes Wasser nachfuͤllen muͤssen; doch wird dieß selten
noͤthig seyn, wenn man den Dampf nicht unnuͤzer Weise durch ein zu
starkes Feuer verwuͤstet; das Wasser, welches durch Verdichtung des Dampfes
in dem Raume DD entsteht, wird naͤmlich
immer durch die Roͤhre FF in den
Dampfkessel zuruͤkfließen.
Die Dimensionen, die Form und das Material des Apparates koͤnnen nach den
Operationen, zu denen er bestimmt ist, abgeaͤndert werden. Zum
gewoͤhnlichen Hausgebrauche wird schon ein gewoͤhnlicher Theekessel,
dessen Roͤhre man mit einem Korke verstopft, und an dessen Dekel man die
gehoͤrigen Zusaͤze anbringt, hinreichen; auch wird man sich wohl
leicht ein sehr wohlfeiles und einfaches Gefaͤß, welches dem Gefaͤße
B aͤhnlich ist, verfertigen lassen
koͤnnen. Zu groͤßeren Operationen wird ein Dampfkessel aus Eisenblech,
der ungefaͤhr dem Dampfkessel an Dampfmaschinen aͤhnlich ist,
noͤthig seyn. Wenn es noͤthig seyn sollte, so wird man leicht auch
eine hoͤhere Hize als 212° F. (+ 80° R.) in dem
Behaͤlter hervorbringen koͤnnen; man braucht naͤmlich hierzu
den Dampf nur einem Druke zu unterwerfen, der groͤßer ist, als jener der
Atmosphaͤre. In diesem Falle muͤßte aber der Apparat auch mit einer
gehoͤrigen Sicherheitsklappe versehen seyn.
Sollte erhizte Luft dieselben Dienste leisten, so koͤnnte man dieselbe wohl
bei gewoͤhnlichen Artikeln benuzen, den Dampf hingegen fuͤr kostbarere
und solche Artikel aufsparen, die leicht beschaͤdigt werden
koͤnnen.