Titel: | Ueber die Heilung der Hydatiden in den Schädeln des Rindviehes. |
Fundstelle: | Band 43, Jahrgang 1832, Nr. XXXV., S. 149 |
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XXXV.
Ueber die Heilung der Hydatiden in den
Schaͤdeln des Rindviehes.
Aus dem Quarterly Journal of Agriculture N. 14.
August, im Repertory of Patent-Inventions. Septbr. 1831, S.
169.
Ueber die Heilung der Hydatiden in den Schaͤdeln des
Rindviehes.
Die Hydatiden, oder die Kopfwassersucht, wie sie auch genannt werden, sind eine
Krankheit, die unter jungen Schafen sehr haͤufig vorkommt, und die man
zuweilen, jedoch selten, auch unter dem Rindviehe antrifft. Die Hydatide ist ein
Thier von sehr unvollkommener Organisation, indem dasselbe fluͤssig ist, und
wie Wasser aussieht, welches in einem runden Blaͤschen eingeschlossen
ist.46) Wenn nun solche Hydatiden im Gehirne der Schafe entstanden sind, so haben
die Schaͤfer und Landwirthe verschiedene Mittel zur Heilung derselben;47) zeigen sie sich aber am Rindviehe, so wurden bisher fast nie Versuche einer
Operation angestellt, und die Thiere ihrem unausbleiblichen Schiksale
uͤberlassen.
Es waͤre in jeder Hinsicht zu wuͤnschen, daß in diesen Faͤllen
von den Paͤchtern und anderen Viehzuͤchtern mehrere Versuche
angestellt wuͤrden, die, wenn sie auch ungluͤklich ausfallen, da wo
das Thier schon fuͤr verloren gegeben wird, den Schaden doch nicht
vergroͤßern wuͤrden. Viele Thiere duͤrften, wie es uns scheint, dadurch noch
gerettet werden.
Hr. Ritchie, Paͤchter zu Castlelaw bei Pennycuick
in Mid-Lothian, machte vor drei Jahren an einem 1 1/2 Jahre alten Stiere eine
Operation, die mit dem besten Erfolge belohnt wurde, wie aus dem seither
beobachteten Zustande der Thiere hervorgeht.
Der Stier weidete mit anderem Viehe, als man ungefaͤhr am Anfange des Monates
August zuerst merkte, daß derselbe krank sey. Die ersten Symptome, welche er darbot,
waren folgende: er hatte ein dummes und stupides Aussehen, und konnte dem anderen
Viehe auf der Weide nicht folgen; spaͤter ließ er den Kopf
herabhaͤngen, drehte ihn auf die eine Seite, und zeigte bald darauf
aͤhnliche Erscheinungen und Symptome wie man sie an den, mit derselben
Krankheit behafteten, Schafen beobachtet. Er wurde nach und nach immer schlechter,
konnte das noͤthige Futter weder suchen, noch zu sich nehmen, so daß er bis
zur Mitte Octobers vollkommen abgemagert war. Der Schaͤdel zeigte sich an
einem Theile erweicht; daraus und aus allen uͤbrigen Erscheinungen schloß Hr.
Ritchie, daß das Thier an Hydatiden leide, und daß
keine Hoffnung zu seiner Rettung vorhanden sey.
Da es gar keinen Vortheil gewaͤhrt haben wuͤrde, wenn man das Thier in
diesem abgemagerten und kranken Zustande geschlagen haͤtte, indem nur die
Haut desselben brauchbar gewesen waͤre, so entschloß sich Hr. Ritchie einen Versuch mit demselben anzustellen. Er hatte
vorher unter diesen Umstaͤnden noch nie eine Operation an dem Rindviehe
machen sehen; allein nach dem, was er bei Schafen, die an einer aͤhnlichen
Krankheit litten, thun sah, beschloß er auch an dem Stiere einen Versuch zu wagen,
und ein Eisen durch den erweichten Theil des Schaͤdels in den Herd des Nebels
einzustoßen, und dann den Inhalt der Hydatide ausfließen zu lassen. Das Instrument,
welches er hierzu nahm, bestand aus einem kleinen Eisenstabe von der Form und
Groͤße eines Gaͤnsekieles, welchen er an dem einen Ende zuspizte. Er
brachte dann das Thier in die gehoͤrige Stellung, befestigte dessen Kopf auf
eine sichere Weise, und stieß die Spize des Eisens, die er rothgluͤhend
gemacht hatte, 1 1/2 Zoll tief in den Schaͤdel. Unmittelbar nachdem das
Instrument zuruͤkgezogen worden, floß eine wasseraͤhnliche
Fluͤssigkeit aus der Oeffnung, und dieß dauerte so lange, bis
ungefaͤhr eine Pinte entleert war. Als das Wasser auszufließen
aufhoͤrte, erschien eine weißliche Substanz an der Oeffnung, die einige der
Umstehenden fuͤr Hirn erklaͤrten, so daß sie ausriefen, daß das Thier
verloren sey. Hr. Ritchie, der diese Operation schon
oͤfter an Schafen vornehmen sah, erkannte jedoch sogleich, daß diese Substanz nicht das
Gehirn, sondern der Balg sey, der die Hydatide enthielt; er zog sie daher heraus,
und bedekte die Wunde mit einem, mit etwas Theer bestrichenen Fleke, um dadurch den
Zutritt der Luft abzuhalten, und die Heilung zu erleichtern, Damit war die ganze
Operation beendigt. Kaum war das Thier nach der Operation in Freiheit gesezt, so
zeigte sich sowohl in seiner Stellung, als in seinen Verrichtungen ein bedeutender
Unterschied. Vor der Operation ließ es naͤmlich, wie schon gesagt worden, den
Kopf nach Abwaͤrts, und auf eine Seite gekehrt haͤngen, als
befaͤnde sich eine schwere Last auf demselben; dieß ruͤhrte von dem
Druke her, den die große Menge des, im Schaͤdel enthaltenen, Wassers auf das
Gehirn ausuͤbte; sobald hingegen dieser Druk durch den Abfluß des Wassers
entfernt worden, hielt das Thier seinen Kopf wieder in die Hoͤhe, und sogar
hoͤher, als das Rindvieh sonst zu thun pflegt. Kurz es zeigte eine große
Leichtigkeit des Kopfes, fraß unmittelbar nach der Operation sein Futter, wie sonst
fruͤher, und fuhr damit bis zu voller Genesung fort, welche rasch erfolgte.
Es nahm so zu, daß es nach Einem Jahre und neun Monaten unter allen uͤbrigen,
die mit ihm aufgezogen wurden und gleich alt waren, ungeachtet der
uͤberstandenen Operation, das Staͤrkste war, und bei der
spaͤteren Mastung mit Ruͤben auch das Staͤrkste blieb.